Negatief Mai/Juni

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THE BEAUTY OF GEMINA „Verrat, Sünde und Vergebung“ „It’s time for a dark revolution“ - Was oberflächlich nach einer lahmen Gruftie-Floskel aussieht, entpuppt sich bei den Dark-Rockern The Beauty Of Gemina tatsächlich als kleine Revolution des zum sinistren Schlagerkitsch verkommenen Gothic-Geschäfts. Mehr über das aktuellen Album „Iscariot Blues“ verriet uns Frontmann Michael Sele. Auffälligstes Merkmal der neuen Scheibe ist wohl, dass Ihr dieses Mal wesentlich songorientierter vorgegangen seid. Offensichtlich werden Eure Alben auch immer kompakter. Zugeständnisse an das Massen-Publikum? Wenn überhaupt, war es ein Zugeständnis an die Nicht-Käufer. Denn wenn sie es schon gratis vom Netz holen, dann gibt es auch nicht mehr als 10 Songs, so einfach ist das. Aber ganz ehrlich: Das war auch das nicht der Grund. Nein, der Blues des Iscariot wird mit diesen zehn Songs umfassend und abschließend erzählt. Das ist die wirkliche Erklärung. Dennoch war das Album bereits in der gleichen Nacht nach dem offiziellen Release auf fast zwanzig verschiedenen illegalen Download-Portalen zu finden. Das tut weh, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit darin steckte und dass man auf iTunes knapp 10 Euro dafür bezahlen müsste.

Die meisten Zuschauer werden Euch als Sup- Was hast du persönlich für Erfahrungen mit port der Unheilig-Tour kennengelernt haben. der Institution Kirche gemacht? Wäre eine Popularität à la Unheilig für dich Mein Vater war katholisch, meine Mutter evangeüberhaupt erstrebenswert? lisch - und beide nicht sonderlich religiös. Wir ginIch habe den Grafen als sehr ausgeglichenen Men- gen eigentlich nie in die Kirche und ich hatte zudem schen kennengelernt, sein ganzes Team war sehr re- das Glück, ohne Dogmen, Ängste und aufgesetzte laxt und ihre Welt schien mehr als in Ordnung zu sein. Rituale aufzuwachsen. Dennoch hat mich diese Von diesem Standpunkt her kann es also nicht so übel Welt schon auch fasziniert. Dann war und ist diese sein. Aber der Graf ist nicht nur sehr populär, sondern wunderbare Kirchenmusik, Komponisten wie Bach oder Händel, das Requiem von hat mit seinem sozialen Engagement und seinen sehr emotio- „Fremdenfeindlichkeit, Mozart, all diese wunderbaren rechtes Gedankengut, Werke. Auch der ganze Pomp und nalen Liedern natürlich auch eine Glamour der hohen Würdenträunglaublich große Verantwortung Ausgrenzung und für seine Fans übernommen. Er ist Gewalt verabscheue ich ger, auch im Vatikan, das sind ja regelrechte Popstars, unglaublich. ihr Vorbild und es sind ja auch sehr zutiefst.“ Es ist insofern eine Art Hass-Liebe. viele Kinder oder junge Menschen im Publikum dabei. Ich denke, es ist sicher nicht ein- Das unsägliche Leiden, dass bis heute von der kathofach, all diesen Menschen jeden Abend diese Zunei- lischen Kirche im Namen der Liebe verbreitet wurde gung und auch Hoffnung zu geben, das würde mich und wird, ist einfach um so vieles grösser wie die wahrscheinlich auf Dauer zu sehr belasten. Wie er Freuden die daraus hervorgehen, dass ich einfach nicht aufhören werde, das zu thematisieren. damit umgeht ist schon beeindruckend. Religionskritik ist eines der durchgehenden Themen aller TBOG-Alben. Inwiefern hat sich dein Standpunkt seit „End Of The Sea“ weiterentwickelt oder verändert? Es hat sich insofern verändert, dass auf dem neuen Werk nicht mehr die Institution der römischen katholischen Kirche und sein Bodenpersonal im Zentrum stehen, sondern deren Chef höchstpersönlich.

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Judas gilt für die Christenheit als das Böse in Person. Heißt „Iscariot Blues“ in diesem Zusammenhang, dass ihr Euch auf die Seite des Verräters schlagt, indem Ihr auf seinen Kummer („Blues“) verweist? Ein Grundmotiv des Albums ist die Auseinandersetzung mit Themen wie Verrat, Sünde, Vergebung und Absolution. Judas hat Jesus durch einen Kuss verra-


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