ke:onda 13 01/2015

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Ausgabe 01/2015

Die DieJugendzeitung Jugendzeitungder derNaturfreundejugend NaturfreundejugendDeutschlands. Deutschlands.

Ein Heft 端ber Flucht und Vertreibung

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Bewegt:

Beleuchtet:

Freistil:

Zero Impact Camps

F端nf Fragen an Esther Bejarano

Lach doch mal!

Seite 16

Seite 20

Seite 26


EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser, schließt einmal die Augen und stellt euch vor, wie es wäre, jede Nacht um das Leben fürchten zu müssen, wenn in der Ferne die Detonationen der Bomben zu hören sind. Wie es wäre, jeden Morgen zu hoffen, dass Freund*innen oder Verwandte nicht über Nacht abgeholt worden sind. Schule findet nicht regelmäßig statt. In den Läden gibt es, wenn sie offen haben, kaum noch etwas zu kaufen. Stellt euch vor, in Deutschland herrsche Krieg, Zerstörung, Unsicherheit, Willkür. Wenn es keine Aussicht auf Verbesserung gibt, was würdet ihr tun? Dieses Szenario ist erst 70 Jahre her. Wenn ihr bereits vor Schreck die Augen geöffnet habt, dann werdet euch bewusst, welches Glück ihr hattet, in das friedliche Europa des 21. Jahrhunderts hineingeboren zu sein. Aber bitte verschließt sie nicht vor den Menschen, denen dieser glückliche Zufall nicht zuteil wurde. Diese Menschen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, dem Tschad sie haben nicht Freunde und Verwandte hinter sich gelassen, sind nicht tausende Kilometer gewandert, haben auf dem Weg über

das Mittelmeer nicht Mitmenschen ertrinken sehen, sie haben sich nicht auf den Weg in ein fremdes Land gemacht, dessen Sprache sie nicht sprechen und dessen Kultur sie nicht kennen, einfach nur weil sie ein Stück vom Kuchen des reichen Europas abhaben möchten, sondern weil sie schlichtweg in ihrem Heimatland keine Zukunft haben. Von solchen Menchen und ihren Geschichten berichten wir in diesem Heft und lassen auch die Hintergründe nicht außer Acht. In dem Bewusstsein, dass wir uns unsere Herkunft nicht aussuchen können, sollten wir, von Humanität geleitet, die Menschen hier ankommen lassen und ihnen ein gutes Leben ermöglichen. Gehen wir auf diese Menschen zu und bieten Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Islamhass keinen Raum in unserer Gesellschaft. Eure Redaktion wünscht euch viel Spaß beim Lesen.

Eure Redaktion

IMPRESSUM ke:onda – Die Jugendzeitung der Naturfreundejugend Deutschlands Herausgegeben durch das Kinder- und Jugendwerk der Naturfreunde, Verein zur Förderung der Naturfreundejugend Deutschlands e.V., Adresse siehe unten Redaktionsanschrift und Verlag: Naturfreundejugend Deutschlands // // Warschauer Str. 59a // 10243 Berlin Telefon 030 - 29 77 32 70 // Telefax 030 - 29 77 32 80 keonda@naturfreundejugend.de // www.keonda.de

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Mitglieder der Naturfreundejugend Deutschlands erhalten [ke:onda] kostenlos. Gestaltung: DIE.PROJEKTOREN – agentur für gestaltung und präsentation [ke:onda] kann auch als Abo für 5 € pro Jahr inkl. Versandkosten bestellt werden. Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH Redaktion: Nina Bartz, Frauke Gehrau, Ilona Frank, Lina Mombauer, Sebastian Boz- © Naturfreundejugend Deutschlands 2015 ada, Tobias Thiele (V.i.S.d.P.) Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplanes des Bundes


ZUR SACHE

TITELTHEMA: Flucht & Vertreibung ................................................................... 04 Fluchtwege ................................................................................................................ 05 „Say it loud say it clear / refugees are welcome here“ ...................................... 06 Fluchtgründe ..............................................................................................................07 Interview: „Wir möchten nur mit unserem Leben weitermachen“ .................. 08 Kumpel gesucht ........................................................................................................ 10 Wenn geistige Brandstifter echte Feuer legen .....................................................11

RON: Post von RON ................................................................................................. 12 Ein Bild sagt mehr als lange Textblöcke!.............................................................. 13

BEWEGT: Arbeit auf Bundesebene ....................................................................... 14 Viel. Entfalten. / Heldin der Arbeit ........................................................................ 15 Zero Impact Camps .................................................................................................. 16

BELEUCHTET: Das Vermächtnis der Überlebenden ......................................... 18 Fünf Fragen an Esther Bejarano ............................................................................. 20 40 Jahre IYNF ............................................................................................................ 21 Sadhana Forest India ............................................................................................... 22 Bundeskonferenz 2015 ............................................................................................ 24

FREISTIL: Filmtipp .................................................................................................. 25 Weltweite Weltsichten ............................................................................................ 25

ANSICHTSSACHE: Lach doch mal! ................................................................... 26 Wohin wollen wir reisen? ........................................................................................ 27


TITELTHEMA: FLUCHT & VERTREIBUNG

„Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ (Artikel 14 der UN-Menschenrechtserklärung)

Immer mehr Menschen müssen fliehen. Weltweit sind momentan 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht vor Bürgerkrieg, Armut, politischer oder religiöser Verfolgung, um nur wenige Gründe zu nennen (Zahlen Sommer 2014). 86 % dieser Menschen suchen Schutz im eigenen Herkunftsland oder in Nachbarstaaten. Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge macht sich auf den langen und gefährlichen Weg in Richtung Europa oder Nordamerika. Auf der Flucht in ein neues Leben lassen die Menschen alles zurück, was sie besitzen. Nicht selten sind sie auf Fluchthelfer angewiesen, die sich ihren Dienst teuer bezahlen lassen und denen sie gnadenlos ausgeliefert sind. Seit 2000 sind über 23.000 Menschen an Europas Außengrenzen gestorben. Die meisten von ihnen bei der Flucht über das Mittelmeer. Und die Methoden der Schlepper werden immer skrupelloser. Zuletzt erreichte uns im Januar 2015 die Nachricht von führungslosen und ausrangierten Frachtern, die mit Geflüchteten überfüllt auf Italiens Küsten zusteuerten. Die „legale“ Einreise bleibt den Geflüchteten meist verwehrt, da ihre Visaanträge nicht genehmigt werden. So bleibt vielen nur die „illegale“ Einreise nach Deutschland oder in andere europäische Staaten. Diese wird aber durch die europäische Flüchtlingspolitik erschwert: Durch die Dublin III-Verordnung wird die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrages innerhalb der EU geregelt. So müssen Asylsuchende in dem Staat Antrag auf Asyl stellen, der als „sicherer Drittstaat“ anerkannt ist und wo sie erstmalig Kontakt mit europäischen Behörden haben. Alternativ droht die Abschiebung in das Heimatland. In der Regel sind dies Randstaaten wie zum Beispiel Italien, Griechenland und Ungarn. Diese Regelung macht es den Menschen unvergleichbar schwer zum Beispiel in Deutschland einen Antrag auf Asyl zu stellen, unabhängig davon, ob sie bereits Familie hier haben oder die Sprache sprechen. So bleibt vielen nur die „illegale“ Einreise nach Europa und die Beantragung von Asyl. In Deutschland wird dies jedoch durch die Europäische Flüchtlingspolitik erschwert. „Sichere Drittstaaten“ sind fast alle

Länder der EU. Die Geflüchteten können in Deutschland also nur dann einen Asylantrag stellen, wenn sie nicht zuvor von Behörden anderer „sicherer Drittstaaten“ registriert wurden. Trotz dieser erschwerten Bedingungen nimmt die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zu. So suchten 2013 110.000 Menschen in Deutschland Schutz. 2014 waren es bereits in der ersten Jahreshälfte 65.000 Menschen. In dieser Zahl nicht mit inbegriffen, ist der Teil an Geflüchteten, die bereits schon an der Grenze abgefangen wurden, bevor sie einen Antrag auf Asyl überhaupt stellen konnten. Der größte Anteil der Asylsuchenden kommt zurzeit aus Syrien, gefolgt von verfolgten Roma aus Serbien (hier liegt die Schutzrate bei fast null, da Serbien seit 2014 ein anerkannter Drittstaat ist) und Menschen aus Afghanistan. Viele der Geflüchteten sind traumatisiert, haben Gewalt auf der Flucht erfahren oder aber auch Teile ihrer Familie verloren. Nach Ankunft in Deutschland kommen sie zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung unter. Danach erfolgt die regionale Zuweisung. Eine freie Wohnungswahl, beispielsweise um in der Nähe von Familie oder Freunden unterzukommen, ist nicht möglich. Auch die Arbeitserlaubnis ist eingeschränkt oder verboten. Die Prüfung der Asylanträge dauert in Deutschland durchschnittlich über 7 Monate. In dieser Zeit leben die Menschen meist abgeschottet von der Gesellschaft in abgelegenen Lagern. Dies macht es ihnen unmöglich, Anschluss zu finden und medizinische und psychische Betreuung zu bekommen. Nur 13,5 % der Menschen, die versuchen einen Antrag in Deutschland zu stellen, werden angenommen (Zahlen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Die meisten bekommen Ablehnungsbescheide oder werden aufgrund der Dublin-Verordnung abgeschoben. Einige werden weder abgeschoben, noch wird der Antrag gewährleistet. Sie leben Jahrelang mit einer „Duldung“ in Deutschland. Das bedeutet, dass sie eigentlich abgeschoben werden sollten, dies aus verschiedenen Gründen jedoch nicht möglich ist. Es bleibt ein Leben mit der Angst vor Abschiebung. Nina Bartz, Ilona Frank


FLUCHTWEGE Obwohl wir viel von überfüllten Gummibooten voller geflüchteter Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa lesen, ist dies längst nicht die einzige Route, um nach Europa zu gelangen. Je nach Jahreszeit, Stärke der Kontrollen und natürlich Budget der Flüchtenden führen ganz unterschiedliche Wege nach Europa. Hier seht ihr eine Übersicht der aktuell wichtigsten Routen.

Quelle: Pro Asyl


“Say it loud say it clear / refugees are welcome here!“ Seitdem eine Gruppe von Menschen vor Weihnachten beschloss eine Demo unter dem Namen “Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” (PEGIDA) zu veranstalten, ist die Stadt in Aufruhr. Ich bemerke es meistens schon am Vortag, oder auf dem Weg zur Arbeit am Polizeiaufgebot, das in der Stadt unterwegs ist. Und natürlich an den Nachrichten, die mich den ganzen Tag erreichen: “Kommst du heute zur Gegendemo?” “Wo wollen wir uns treffen?”. Sobald es am Montag langsam Abend wird, beginnen sich die Straßen zu füllen und eine leichte Spannung liegt in der Luft - zumindest wenn man sich auf nicht-offiziellen Demo-Routen befindet. Wenn ich von der Gegendemo zurück nach Hause laufe und mich wieder unter der Masse der Einkaufsstraßen-Bummler befinde, beginne ich die Menschen um mich herum zu beobachten. Wer davon könnte auf welcher Demo gewesen sein? Es ist natürlich unmöglich festzustellen, aber das unangenehme Gefühl, Minuten vorher hinter zwei verschiedenen Fronten gestanden und sich Parolen entgegen gerufen zu haben, werde ich einfach nicht los. Meine bisherigen Erlebnisse zu den (Gegen-)Demoveranstaltungen am Montag sind gemischt. Geschrieben klingt das negativer als es ist. Doch leider kann ich das Verhalten auf beiden Seiten nicht als immer konfliktlösend bezeichnen. Besonders bezeichnend war für mich das Erlebnis eines Montags im Januar, an dem ich zufällig in eine Gruppe Leute auf der Prager Straße geriet, welche letztendlich damit begann PEGIDA-Demonstranten niederzuschreien. “PE-GI-DA Rassistenpack / Wir haben Euch zum Kotzen satt!”, “Ihr habt den Krieg verloren“ und “Alle wollen dasselbe / Nazis in die Elbe” brüllte die Menge, in der ich stand in Richtung Polizeiautos. Ab und an winkten uns die PEGIDA-Teilnehmer dahinter zu. So sehr mich die Aussagen von PEGIDA und die schier endlose Masse an Menschen, die dem hinterherlaufen schockierten, genauso beschämte mich dieses Verhalten der Gegendemo, in der ich mich befand. Die Kundgebungen, welche unter anderem von “Dresden für alle” organisiert vor dem Rathaus und auf dem Theaterplatz stattfanden, habe ich hingegen besonders schön in Erinnerung!

Jedes Mal, wenn ich diese Veranstaltungen betrat, war ich fasziniert von der Wärme und dem Frohsinn, die mir entgegenströmten! Fremde Leute schenkten heimlich Glühwein aus und tanzten. Beim laufen durch die Menge wurde mir eine Regenbogenfahne angesteckt und auf einer mobilen Bühne spielte eine Band Musik aus dem Balkan. Dazwischen hielten eingeladene Vertreter der Stadt, der Kirche oder von Hochschulen und Universitäten kurze Reden, um zu verdeutlichen, dass die Werte Toleranz und Vielfalt unzertrennlich mit Dresden verbunden sind. Auch hier riefen die Menschen oft Parolen, in die ich jedoch gerne mit einstimme, da sie friedliche Aussagen transportierten.

“Say it loud say it clear / refugees are welcome here!“ Große Freude bereitete es mir ebenfalls, die Kreativität der anwesenden Leute zu beobachten, wenn ich umherwanderte. Einmal lief eine Frau vor mir, mit einem Hund und einer Ziege an der Leine. Oder an einer Ecke, stand ein “Interkulturelles Sofa”. Auch die Sprüche auf Plakaten waren originell gestaltet und viele trugen bunte Warnwesten. Diese sind ein Symbol der Gegenbewegung geworden, nachdem eines Montags dazu aufgerufen wurde, die Straßen, welche durch die Demos verschmutzt wurden, sauber zu kehren. Mittlerweile findet man diese Westen auch an Skulpturen vom Staatsschauspiel und barocken Gebäuden wie der Glaskuppel der Hochschule für bildende Künste, was unterstreicht, dass es den Menschen von Dresden wichtig ist, ein Zeichen der Offenheit und Vielfalt an die Welt zu senden. Am Ende überlegte ich oft auf dem Nachhauseweg, wie Dresden ganz ohne solche Kundgebungen dastehen würde. Und dann bin ich froh, dass ich gemeinsam mit so vielen anderen ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz setzen konnte. Aber ich bin auch etwas traurig, denn ich weiß, dass auf der Gegenseite neben den Radikalen auch viele Menschen liefen, mit deren Sorgen und Probleme sich nach wie vor niemand auseinandergesetzt hat. Martin List


TITELTHEMA: FLUCHT & VERTREIBUNG Quelle: Pro Asyl

FLUCHT

GRÜNDE

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INTERVIEW WIR MÖCHTEN EINFACH NUR MIT

UNSEREM LEBEN WEITERMACHEN Seit 2011 tobt in Syrien ein unübersichtlicher Bürgerkrieg, dem seither mindestens 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung, also rund vier Millionen Menschen, verließ seit Ausbruch des Krieges das Land. Die meisten flohen in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. Nur rund 220.000 Menschen haben bisher Asyl in einem europäischen Land beantragt. Zwei von ihnen haben wir bei der Vernissage zur Ausstellung „Capture your life“ getroffen: Die Brüder Mohamed und Ahmed, beide aus der südsyrischen Stadt Daraa. Sie leben heute im Bundesland Schleswig-Holstein und erzählten uns im Gespräch von ihrer Flucht.

Mohamed, Ahmed, ihr habt vor etwa einem Jahr Ihr seid unabhängig voneinander geflohen. Was eure Heimat verlassen. Könnt ihr mir erzählen, war der Grund dafür? warum ihr das tun musstet? Ahmed: Ich kam aus Aleppo in die Türkei, und von dort aus mit dem Mohamed: In Syrien können nur die Leute arbeiten und studieren, die eine gute Beziehung zur Regierung haben. Wenn dein Vater bei der Armee ist oder für die Regierung arbeitet, dann hast du keine Probleme. Alle anderen… Ahmed: Ich habe in Aleppo [zweitgrößte Stadt im Norden Syriens, Red.] studiert. Jedes Mal wenn ich von Daraa nach Aleppo gefahren bin, musste ich an unzähligen Checkpoints anhalten. Viele meiner Freunde wurden dort getötet, andere sind im Gefängnis gelandet. Mohamed: Heute ist es in Syrien so: Die Regierung schnappt sich alle jungen Männer und steckt sie in die Armee, und dann musst du mit ihnen kämpfen. Gegen Frauen und Kinder. Entweder du machst das, oder du musst mit Bestrafung rechnen. Mein Bruder und ich wollten das nicht tun, und darum sind wir geflüchtet.

Schiff weiter nach Italien. Syrische Bürger brauchen kein Visum, um in die Türkei einzureisen. Und ich hatte auch keinen Reisepass, denn wenn du einen beantragen willst, stecken dich die Leute von der Regierung sofort ins Militär. Ich war etwa zehn Tage unterwegs. Mein Bruder war in Daraa und ging zuerst nach Jordanien … Mohamed: … und von Jordanien weiter nach Algerien, Libyen, Tunesien, und dann über das Meer nach Italien. Das hat etwa zwölf Tage gedauert.

Habt ihr Kontakt zu eurer Familie? Mohamed: Ja. Einige leben in Jordanien, andere noch immer in Syrien.


TITELTHEMA: FLUCHT UND VERTREIBUNG Hat eure Familie schon euren Kurzfilm gesehen, den ihr für „Capture your life“ produziert habt? Mohamed: Nein, noch nicht. Aber wird schicken ihnen den Film noch, und werden ihn auch unseren Freunden in Syrien zeigen. Wir stellen ihn ins Internet, damit andere Menschen sehen, dass aus Syrien nicht nur schlechte Menschen kommen. Und wieso sollen die auch das Land verlassen? Die schlechten Menschen bleiben doch und kämpfen. Wir sind aus Syrien hierher geflohen, weil wir hier sicher sind. Wir sind keine schlechten Menschen, aber manche hier haben ein falsches Bild von uns und anderen Menschen aus Syrien.

Ahnung, wie das funktionieren kann oder was der Grund dafür ist. Aber so ist es wohl…

Wie habt ihr das Asylverfahren erlebt? Ahmed: Bei allem ist Glück mit im Spiel. Du kannst zweimal, dreimal, hundertmal beim Amt nach deinen Papieren fragen und du bekommst keine Antwort. Ob du eine Auskunft bekommst, hängt nur davon ab, wie viel Glück du hast.

Und hattest du Glück? Ahmed: Ich? Mmmh, nein, eher nicht. Ich bin jetzt seit fünf Mona-

Ihr seid beide zur gleichen Zeit aus verschiede- ten hier und habe noch keine Papiere bekommen. Meine Familie nen Richtungen nach Mailand gekommen, ohne fehlt mir auch. voneinander zu wissen. Warum habt ihr euch gerade in dieser Stadt getroffen? Wie war es für euch, in Deutschland anzukomMohamed: Italien ist von Nordafrika aus gesehen das naheste sichere men? Welche Reaktionen habt ihr erlebt? Land. Und wenn du in Italien bist, musst du dich bis nach Mailand vorarbeiten, denn von dort kommst du weiter. Schweden, Dänemark, Holland, Deutschland – wohin du es schaffst, hängt im Endeffekt nur davon ab, wie viel Geld du hast. Wer kein Geld hat, bleibt in Italien. Und viele kommen gar nicht so weit, sondern sterben im Mittelmeer. Ahmed: Ein Freund von uns war im Boot mit 700 anderen Menschen von Libyen nach Italien. 50 davon sind gestorben – Männer, Frauen und Kinder.

Mohamed: Viele Menschen haben uns geholfen und behandeln uns wie ihre eigenen Kinder. Ein paar nette Deutsche besuchen uns regelmäßig und geben uns zweimal jede Woche Deutschunterricht. Aber manchmal denke ich über meine Zukunft nach. Wir können nicht zur Schule gehen, nicht arbeiten, nichts – nur warten. Das ist, was wir machen. Abwarten. Das Wetter ist auch ziemlich kalt. Aber viele Menschen helfen uns, das ist sehr schön.

Mohamed: Natürlich war das erste Ziel, raus aus Syrien zu kommen. Aber von Sardinien aus waren es nur zwei Tage nach Mailand, also bin ich dorthin weitergefahren. Dort traf ich meinen Bruder … Ahmed: Ich hatte keine Ahnung, dass er nach Mailand kommen würde. Plötzlich stand er da vor mir. Mohamed: … und wir berieten uns, was der beste Weg für unsere Weiterreise wäre, wo wir die meisten Chancen hätten, um unser Studium im Ingenieurswesen beenden können.

Ahmed: Gute und schlechte Erfahrungen. Manche interessieren sich für uns und unser Leben und den Krieg. Aber es gibt auch eine Menge anderer Menschen, die glauben, dass alle aus Syrien schlechtes im Sinn haben. Mohamed: Aber wir kamen nicht hierher, um zu kämpfen. Wir wollen nur unser Leben weiterleben. Unser Land, unsere Zukunft – was wird daraus werden?

Könnt ihr in Deutschland studieren?

Ahmed: Wir hoffen, bald unsere Papiere zu bekommen. Ich hoffe, bald meine Frau nach Deutschland holen zu können. Wir möchten einfach nur mit unserem Leben weitermachen. Das Leben ist für meinen Bruder und mich und unsere Familie und eigentlich für alle Menschen in Syrien stehengeblieben. Denn wir haben nichts. Wir wollen doch nur unser Studium abschließen, lernen und arbeiten. So wie andere Menschen auch.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, wenn War Deutschland das Ziel eurer Reise? Oder woll- ihr anderen Leuten erzählt, dass ihr aus Syrien tet ihr nur irgendwie aus Syrien wegkommen? kommt?

Mohamed: Nein, leider nicht. Wir suchen eine Uni für uns, aber niemand kann uns nehmen, weil wir keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Jetzt müssen wir noch ein paar Termine abwarten und bekommen dann hoffentlich die notwendigen Papiere. Im Moment warten wir auf unser zweites Gespräch [bei der Ausländerbehörde, Red.]. Wir haben versucht, dort anzurufen, aber niemand hatte Zeit für uns oder konnte uns weiterhelfen. Ahmed: Ein paar Freunde von uns kamen nach uns nach Deutschland und haben ihre Aufenthaltspapiere schon bekommen. Keine

Wie geht es jetzt weiter für euch?

Alles Gute euch beiden, und vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Bozada Seht hier Mohamed und Ahmeds Kurzfilm „Ein unerwartetes Wiedersehen“: http://capture-your-life.net/node/172


TITELTHEMA: FLUCHT & VERTREIBUNG

KUMPEL GESUCHT Anerkennung und Solidarität für Geflüchtete darf nicht erst beginnen, wenn die deutsche und europäische Asylpolitik endlich im Interesse von Menschen handelt, die aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen müssen. Darum arbeitet die Naturfreundejugend Frankfurt am Main seit geraumer Zeit mit geflüchteten Menschen zusammen, um gemeinsam eine Perspektive für das Leben in der neuen Heimat zu gestalten. Ein Erfahrungsbericht. [Anmerkung: Die Namen der Betroffenen wurden auf eigenen Wunsch geändert]

MITMACHEN & UNTERSTÜTZEN

„An Donnerstagen ist immer Urlaub“, sagt Amaniel. Wir grinsen. Das sagt er jeden Donnerstag. Und jeden Donnerstag treffen wir uns hier im Naturfreundehaus Niederrad, um den Abend gemeinsam zu gestalten. Begonnen hat das alles damals beim Apfelfest der Ortsgruppe Frankfurt. Wir luden die Gruppe Geflüchteter ein, die dieser Tage direkt gegenüber untergebracht wurden. Beim Klettern, Slacklinen, Apfelsaftpressen und Waffelschlemmen freundeten wir uns schnell an. Seitdem treffen wir uns wöchentlich. Gegenseitig verköstigten wir uns schon oft mit unseren kulturellen Spezialitäten und zeigten uns traditionelle Tänze. Wir sammelten auch warme Kleidung für die Wintermonate und aus gegebenem Anlass Babysachen. Diverse Aktivitäten wie Volleyballspielen und Tischkickern kamen gut an. Besonders behaglich war der Abend am Lagerfeuer mit Stockbrot. In der Weihnachtszeit backten wir Plätzchen. Nebenbei versuchen wir stets so viel Deutsch wie möglich zu sprechen. Manchmal kommen auch Leute, die uns die Sprachbarrieren erleichtern können. Mit deren Übersetzungshilfe sind dann sehr viel tiefgründigere Gespräche möglich. Letztens legten wir Steckbriefe an, um herauszufinden, was die Leute besonders interessiert und wie wir sie dabei unterstützen können. Da ist Ramsan, der Schreiner ist und gerne wieder in seinem Beruf arbeiten möchte. Omar hat ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium und möchte gerne noch den Master drauf setzen. Tafari ist ein wunderbarer Musiker, der gerne wieder mit seiner Gitarre in einer Band spielen möchte – wie damals in Eritrea. Einen Wunsch haben sie alle gemein: Sie fragen nach Freund*innen zum gemeinsamen Zeitvertreib. Wir versuchen nun ein paar Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel durch einen Facebook-Post:

Es wurde öfter schon mal nachgefragt, wie Geflüchtete unterstützt werden können. Was bei uns gebraucht wird, sind Leute, die Lust haben, was Schönes zu unternehmen und sich zu vernetzen. Die eine*n mal mitnehmen ins Kino, Museum, Schwimmbad oder zum Fußballspielen. Gemeinsames Sportmachen, Kochen und Musizieren, aber auch Deutschunterricht sind gefragt. Um die Gruppe erst mal kennen zu lernen, kannst du auch gerne bei unseren wöchentlichen Treffen in Niederrad vorbeischauen. Melde dich doch bei uns, wenn du Interesse hast, dann stellen wir gerne den Kontakt her. Naturfreundejugend Frankfurt // Am Poloplatz 15 60528 Frankfurt // info@naturfreundejugend-ffm.de

Seit der Anzeige sprudelt das Postfach voller positiver Rückmeldungen. Es ist wunderbar, wie viele Menschen sich interessiert zeigen und einbringen möchten. Vor allem nach der Medienüberflutung über Asyl-Gegner*innen gab es Bedenken, wie die breite Meinung zu solchen Projekten aussehen würde. Umso größer ist die Überraschung, wie viel Unterstützung wir tatsächlich zugesprochen bekommen. Und es ist erstaunlich leicht. Durch eine Anfrage bei der Eissporthalle bekamen wir beispielsweise für die gesamte Gruppe Freikarten gestellt, sodass wir Schlittschuhlaufen gehen konnten. Dies war ein bereicherndes Erlebnis für alle Beteiligten, zumal die Geflüchteten niemals zuvor auf dem Eis standen. Die eher weniger eleganten Landungen auf allen Vieren sorgten für jede Menge Gelächter. Von Fremden wurden wir angesprochen und gefragt, was wir für eine Gruppe seien, woraufhin wir begeisterten Zuspruch ernteten: „Naturfreundejugend heißt ihr? Das schaue ich zu Hause direkt mal nach und auch, wie ich euch unterstützen kann.“ Wichtig für uns ist, dass unsere Treffen, wie alle Veranstaltungen der NFJF, gemeinsam von allen Teilnehmenden gestaltet und umgesetzt werden. Als Willkommensgruß steht das Projekt den Hürden entgegen, die den Geflüchteten zu oft in den Weg gelegt werden. Natufreundejugend Frankfurt am Main


WENN GEISTIGE BRANDSTIFTER ECHTE FEUER LEGEN Lübeck, Vorra, Limburgerhof, Tröglitz – in letzter Zeit gingen Unterkünfte für Asylbewerber*innen in Flammen auf. Im Kielwasser von Pegida und Co. scheinen sich die Angriffe wieder zu häufen. Ein Problem, dass nach den Erfahrungen der 1990er Jahre eigentlich überwunden schien. Ganz tief im kollektiven Gedächtnis hat sich ein Ereignis rund um das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen eingegraben. Im August 1992 sind die Krawalle in Lichtenhagen der traurige Zenit einer ganzen Reihe von rassistischen Übergriffen auf Migrant*innen und Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte. Vor dem Sonnenblumenhaus tobte der Mob, der den Ausländern die Schuld für die schlechte wirtschaftliche Lage in Mecklenburg-Vorpommern gab. Die Parallele zur aktuellen Situation ist deutlich – „besorgte Bürger“ gingen Hand in Hand mit rassistischen Neonazis, die „Schuldige“ für ihre prekäre Situation suchten und fanden. In Rostock stand die Polizei ratlos und unterbesetzt daneben, Kamerateams filmten den zunehmend gewaltbereiten Mob vor dem Sonnenblumenhaus, in dem vietnamesische Asylbewerber lebten. Tagelang gab es Angriffe mit Steinen und Molotow-Cocktails auf die Unterkunft. Nur mit Glück blieb dieser Anschlag ohne Todesopfer.

verübten Neonazis in Mölln (Schleswig-Holstein) Brandanschläge auf zwei von türkischstämmigen Familien bewohnte Häuser. Drei Menschen starben, neun wurden zum Teil schwer verletzt. Im Mai 1993 zündeten Neonazis in Solingen (NRW) das Haus einer Familie mit türkischem Hintergrund an. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben, 14 Personen kämpfen zum Teil noch immer mit den Folgen. Angesichts dieser Ereignisse scheinen mir die aktuellen Ereignisse mehr als bedrohlich. Nachdem die Zahl der Anschläge auf Wohnheime nach 1992 langsam sanken, ist sie in den letzten Jahren wieder stark gestiegen. Bis wir wieder Tote rassistischer Gewalt beklagen müssen, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Damals wie heute manifestieren sich Abstiegsängste in der Bevölkerung aufgrund der schlechten Wirtschaftslage im Hass auf (vermeintlich) Fremde. Bundesweit gab es im Jahr 2014 153 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, davon allein 35 Brandanschläge.

Nur einen Monat später, im September 1992 brannte im sächsischen Hoyerswerda ein Wohnheim, in dem frühere DDR-Gastarbeiter untergebracht waren. Auch hier waren wieder hunderte Menschen auf der Straße, die das Gebäude mit Molotow-Cocktails angegriffen.

Woher aber kommt dieser Hass gegen Menschen, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung flüchten? Nach den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs wurde das Recht auf Asyl explizit in Artikel 16a des Grundgesetzes verankert. Dabei spielte insbesondere die Erfahrung von Deutschen, die als politisch oder religiös Verfolgte vor den Nazis ins Ausland fliehen mussten, eine große Rolle. Asyl ist ein Grundrecht – und dennoch gehen Menschen zu hunderten auf die Straße, um gegen Flüchtlingsunterkünfte in Berlin-Hellersdorf, Ludwigshafen oder Freital zu demonstrieren.

In Folge der Pogrome in Rostock und Hoyerswerda wurden die betroffenen Menschen aus beiden Städten ausquartiert und an anderen Orten untergebracht. Ein fatales Signal, denn der tobende Mob hatte sein Ziel damit erreicht. Verurteilungen gab es in beiden Fällen nur vereinzelt. Die Strafen fielen gering aus, manche Verfahren zogen sich so lange hin, dass die Straftaten verjährten. Obwohl beide Übergriffe in den neuen Bundesländern waren, sind Brandanschläge kein ostdeutsches Phänomen. Im November 1992

Willkommenskultur sieht anders aus. Auch eine Unterbringung in abgeschotteten Kasernen und ohne jegliche Möglichkeiten zur Integration in die Gesellschaft, sind nicht besonders hilfreich, um „besorgten Bürgern“ ihre irrationalen Ängste zu nehmen. Was wir brauchen, ist eine echte Willkommenskultur, einen vorurteilsfreien Umgang und vor allem die Bereitschaft, neue Mitmenschen in unsere Gesellschaft aufzunehmen. Jörg Weißgerber


POST VON RON

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RON ERKLÄRT DIE WELT...

EIN BILD SAGT MEHR ALS LANGE TEXTBLÖCKE! Der G7-Gipfel tagt im Bayerischen Elmau, im Rheinland werden Dörfer weggebaggert und wenn TTIP in Kraft tritt, haben wir den genmanipulierten Salat. Die logische Konsequenz für Naturfreund*innen und alle, die ihre Umwelt und Gesundheit nicht zum Wohle des Kapitals aufgeben möchten: „Wir machen Ernst - es wird demonstriert!“ Und ernst geht es in der Tat zu. TTIP stoppen! G7 stoppen! Braunkohleabbau stoppen! Was für Befürworter*innen der Protestbewegung sinnvoll und richtig erscheint, mag auf die fernsehgebildeten Maßen eher wie bunte Kolonnen von spaßfreien Spielverderber*innen wirken.

Denn unglücklicherweise sind diejenigen, gegen den sich der Protest meistens richtet, bestens gewappnet für den medialen Schlagabtausch. Statt sperriger Forderungen gibt es klare Botschaften, hässliche Fakten werden mit schönen Bildern gekontert – und am Ende dreht sich die Berichterstattung sowieso nur wieder um die gleichen drei verlorenen Seelen, die am Rande der Demo eine Mülltonne in Brand stecken. Darum, liebe Leser*innen, möchte ich euch einen neuen alten Vorschlag machen: Macht es ihnen nach! Femen zum Beispiel ist ja nun nicht eben für lange Reden bekannt – kennen tut sie trotzdem jede*r. Die Damen haben nämlich die landläufige Begeisterung (oder Abneigung) für weibliche Brüste erkannt und platzieren ihre

Botschaft einfach dort, wo jede Kamera hinstarrt. Fordere ich euch auf, ab sofort nackt zu demonstrieren? Nein! Aber mein Vorschlag ist, die Medien genauso für euch zu nutzen, wie es die anderen schon seit langem tun. Seid kreativ! Braunkohle gegen Dörfer? Baut Häuser und Bäume aus Pappe – Dörfer gegen Braunkohle! Bieten den Kameras was zum Fressen an, überrascht mit neuen Bildern – und bleibt am Ball! Euer RON


BEWEGT: ARBEIT AUF BUNDESEBENE In welchen Bereichen auch DU tatkräftig mitwirken kannst

30. September 2015 ist

Einsendeschluss!

Sportfotos gesucht!

ndejugend auf einer Ihr wart im Sommer mit der Naturfreu mit den NaturFreunden? Kanufreizeit? Ihr klettert oder fahrt Ski Dann schickt uns eure Bilder! n euer Erlebnis mit der Ob als Gruppe oder Einzelperson: Wir suche schönsten Fotos und mit ein Naturfreundejugend! Schickt uns eure ndejugend-Kalender bisschen Glück seid ihr dann im Naturfreu „Berg frei! 2016. nfjd.de/Fotowettbewerb

Jetzt für den Kinderrat anmelden!

Wie vor jedem Kindergipfel sucht die Naturfreundejugend einen Kinderrat, der sich ein paar Mal trifft, um den Kinder gipfel 2016 mit vorzubereiten und uns zu beraten! Der Kinderrat besteh t aus ungefähr 12 Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 14 Jahren. Beim Kindergipfel 2016 wird sich alles um den vielfältigen Kontinent Afrika drehen! Na, neugierig geworden? Die Ausschreibung findest du unter: nfjd.de/kigi2016

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HELDIN DER ARBEIT

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c/o Naturfreundejugend Deutschlands

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keonda@naturfreundejugend.de

VIEL. ENTFALTEN. Wir sprechen alle von Inklusion, von Diversity und Gleichberechtigung – aber was bedeutet das eigentlich für unseren Alltag? Antworten auf diese Frage werden wir in unserem neuen Projekt „Viel.Entfalten.“ suchen. Die sogenannte Angst vor einer „durchmischten Gesellschaft“ ist sicherlich keine neue, aber das tagespolitische Geschehen deutet darauf hin, dass menschenverachtende Ideologien wieder ungestraft zur Schau gestellt werden können. Seien es die Islamfeinde von Pegida, die „Besorgten Eltern“, die alles nicht-heterosexuelle aus den Schulen verbannen wollen, oder das ewige Gezerre um gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung – in allen Bereichen unseres Alltags gibt es lautstarke Gegner eines bunten vielfältigen Lebens. Naturfreund*innen stellen sich den Ewiggestrigen entgegen. Denn uns geht es nicht weit genug, allen Menschen nur auf dem Papier die gleichen Chancen einzuräumen. Wir wollen auch, dass Vielfalt gelebt und entfaltet werden kann. Wollt ihr mehr über Viel.Entfalten. erfahren? Dann besucht unsere Projektseite unter nfjd.de/vielentfalten

Wer bist du, beschreibe dich in drei Sätzen. Ich klettere gerne auf Bäume, reise in der Welt rum und lerne mit neuen Menschen und ... kommt mich doch einfach besuchen und lernt mich persönlich kennen! Mit wem würdest du gerne einmal Frühstücken und warum? Mit Fenja aus Hessen! Weil es mit ihr nie langweilig wird. Dein Rezept gegen Stress und zu viel Arbeit? Musik spielen. Und hören! Ohne was kannst du nicht leben? Freunde! Was willst du der Welt mit auf den Weg geben? Ich bin dafür, positiv zu denken, und das Leben so zu leben, so wie du es willst! Vervollständige den Satz: Für mich ist die NFJ wie... ... eine große, herzliche Familie In welchem Geschäft würdest du deine Kreditkarte überziehen? Im Moment in einem Kletterladen. Ilona Frank, Naturfreundejugend Eberswalde


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NS E B E L S E IN E D R E M M O S ) E T S DER(NACHHALTIG ZERO-IMPACT-CAMPS Im Sommer ist es wieder soweit – wir Naturfreund*innen machen uns auf den Weg zu unseren Freizeiten, Camps und Natursportaktivitäten. Mit unserem Projekt „Zero-Impact-Camps“ wollen wir euch dieses Jahr begleiten, um uns zusammen über das Thema Nachhaltigkeit auf Reisen auszutauschen. Wir wollen ausprobieren, wie wir noch ressourcenschonender und sozial fair unterwegs sein, und junge Menschen für das Thema begeistern können.

Wer sind eigentlich Jana und Basti? Jana und Basti gehen für uns auf Entdeckungstour und betrachten ihre jeweiligen Reisen. Dabei haben sie unterwegs so einiges erlebt, was es wert ist in einem Comic erzählt zu werden. Die Zeichnerin der Beiden ist übrigens Kati Rickenbach.

Warum ist das Thema nachhaltiges Reisen relevant?

Was passiert im Sommer?

Wie bereits erwähnt, wollen wir mit euch zusammen auf Reisen gehen. Diesen Sommer besuchen wir euch deshalb auf euren Freizeiten und Aktivitäten. Gemeinsam wollen wir uns vor Ort mit verschiedenen Aktionen dem Thema nachhaltiges Reisen nähern. Über unsere Erlebnisse in den verschiedenen Landesverbänden werden wir euch auf www.zero-impact-camps.de stets auf dem Laufenden halten.

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Etwa neun Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen entstehen im Tourismus Immer mehr Leute übernachten in Hotels, die den Markt dominieren Im Tourismus und seinem wirtschaftlichen Umfeld arbeiten weltweit etwa 240 Millionen Beschäftigte - etwa 50 % davon im informellen Sektor, ohne Arbeitsverträge und Arbeitsschutz Der größte Teil der Urlaubsreisen erfolgt mit dem Auto, gefolgt vom Flugzeug. Bus und Bahn werden viel seltener genutzt. Ein Golfplatz in einem tropischen Land wie Thailand benötigt jährlich genauso viel Wasser wie 60.000 ländliche Dorfbewohner*innen.

Wie kann man nachhaltig unterwegs sein? Um das herauszufinden, suchen wir eure Ideen. Macht beispielsweise mit eurem gesamten Camp bei unserem Wettbewerb mit. Dafür müsst ihr eure Idee in mindestens fünf Zeilen – gerne untermalt mit Fotos, Filmen, Zeichnungen oder was euch sonst noch einfällt – bis spätestens zum 15.09.2015 auf www.zero-impactcamps.de vorstellen. Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Ideen mit den meisten Likes gewinnen! Sonderpreise vergibt unsere Jury für die kreativste Darstellung und die nachhaltigste Gruppenreise!

Wie viel wiegt ein ökologischer Rucksack? Wollt ihr wissen, wie nachhaltig euer Camp ist? Wenn ja, könnt ihr unseren Rechner auf www.zero-impact-camps.de nutzen, den wir zusammen mit dem Wuppertaler-Institut entwickelt haben. Im Chat mit Jana erhaltet ihr dabei neben der Info zu eurem Materialverbrauch für Anreise, Unterkunft, Verpflegung und Freizeitprogramm auch zahlreiche Tipps.

Was gibt es für Teamer*innen? Die Methoden und Workshop-Ideen unserer Aktionstage findet ihr nach der Probephase im Internet und als Erweiterung in unserem Ordner „Reisen mit Respekt“. Gerne dürft ihr sie selber auf der nächsten Freizeit ausprobieren.


BEWEGT

! N E N IN W E G U Z E IS E R P E L L O T inne Teile deine Idee und gew einen von 40 Preisen!

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DAS VERMÄCHTNIS DER ÜBERLEBENDEN

Zu Beginn dieses Jahres, an einem kalten, verschneiten Wintertag, trafen sich mehr als 50 Staatschefs und Regierungsvertreter*innen nahe der polnischen Kleinstadt „Oświęcim“, die die Deutschen Auschwitz nannten. Sie kamen, aber sprachen nicht. Sie waren gekommen, um zuzuhören. Sie lauschten den Erzählungen dreier älterer Menschen. Alle drei waren bereits über 80 Jahre alt. Drei Repräsentanten einer Gruppe von etwa 300 älteren Menschen. Alle etwa im selben Alter. Sie waren einmal mehr gewesen – viel mehr – und sie waren einmal jünger gewesen. Junge Menschen, sprudelnd vor Tatendrang. Was haben die älteren Menschen zu sagen? Warum haben sie es sich nicht bequem gemacht auf ihren Sofas? So, wie es ältere Menschen normalerweise eben tun? Sie sind in diese kalte, kahle, weiße Fläche gekommen, weil sie etwas zu sagen haben. Etwas, das ihnen wichtig ist. Im Hintergrund ragen Kamine aus dem Schneetreiben auf. Kamine vergangener Baracken. Bei angestrengtem Schauen werden immer mehr Kamine sichtbar. Endlose Reihen. Gespalten nur von den Bahngleisen. Den Bahngleisen in den Tod. Stacheldraht versperrt den Weg nach außen. Die älteren Menschen berichten von ihrem Leben in dieser unwirklichen Kulisse. Mit mehr als 100.000 Menschen haben sie hier gelebt. Sie waren Gefangene und wussten nicht warum. Man nahm ihnen ihren Namen und gab ihnen eine Nummer. Und wer eine Nummer bekam, konnte sich glücklich schätzen, denn eine Nummer bedeutete die Chance zu leben. Zu leben bedeutete zu arbeiten, hart zu arbeiten den ganzen Tag. Eingepfercht zu Hunderten. Mit Seuchen und Ratten und der ständigen Angst als nächstes denen zu folgen, die keine Nummern bekamen. Kann man das überhaupt Leben nennen?

Es ist ihnen wichtig dies zu erzählen. Bald werden sie es nicht mehr erzählen können. Zeitgleich zu diesem Treffen, gab es ein weiteres Treffen, nicht weit entfernt. Ein Treffen junger Menschen, genauso sprudelnd vor Tatendrang, wie es die älteren Menschen einst gewesen waren. Sie kamen aus fünf Ländern und innerhalb dieser Länder aus mehr als 40 Organisationen. Nachfahren der Opfer und der Täter. Auch zu ihnen kam einer der dreihundert verbliebenen älteren Menschen. Sie hörten seine Botschaft, die von den Vielen erzählt, denen es nicht vergönnt war, diesen Tatendrang auszuleben. Den vielen Ideen, die zwischen 1941 und 1945 mit den Menschenleben verloren gingen. Sie sahen die Zeichnungen der Kinder in den Baracken, die stummen Zeugen des Grauens. Sie erzählen auf ihre Weise von den Ängsten und von den Hoffnungen, von den Schmerzen und von den Freuden, die es auch unter den schlimmsten Bedingungen noch gab. Sie sind Zeugen


BELEUCHTET und der Täter: „Wir werden angehen gegen Diskriminierung und kämpfen gegen Vorurteile. Ausgrenzung werden wir nicht zulassen.“ Auf dem Gesicht des älteren Mannes entsteht ein Lächeln. Schnellvorlauf in den Sommer. Ein halbes Jahr nach der Gedenkfeier zur Befreiung von Auschwitz stehen rund 1000 junge Erwachsene still am internationalen Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Das Denkmal aus grob behauenen Steinen steht zwischen den Ruinen der Vernichtungsanlage in Auschwitz-Birkenau: Den Gaskammern und Krematorien, in denen Menschen systematisch und routiniert ermordet wurden. Ein breites Bündnis aus Jugendverbänden – darunter die Naturfreundejugend – hatte zur gemeinsamen Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz aufgerufen. Gemeinsam besuchen sie die Orte des Verbrechens. Sie hören die Geschichten von getöteten und überlebenden Menschen und versuchen zu verstehen, wie der kollektive Zusammenbruch von Menschlichkeit passieren konnte, für den das Regime der Nationalsozialisten steht. der Lebendigkeit und Menschlichkeit dieser Menschen, die trotz aller gegenteiliger Versuche nicht ausgelöscht werden konnten. Sie sehen die Haare und die Schuhe. Angehäuft als Zeugen eines schrecklichen Grauens. Haare, einst Teil schöner Frisuren, heute zum Teppich verarbeitet. Schuhe, die gemacht wurden, um die Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Auf dem Weg zu ihren Zielen und Wünschen. Getragen haben sie sie auf dem Weg in die Gaskammer. Die jungen Menschen hören die Worte der Überlebenden und sie sehen die Beweise. Und sie fragen sich: „Wie konnte das geschehen?“ Doch sie haben keine Antwort. Und sie bekommen auch keine Antwort. Aber sie wissen: Es konnte geschehen. Dann reift in ihnen ein Entschluss: Dass Auschwitz nie wieder sei! Und sie schwören sich gemeinsam, die Nachkommen der Opfer

Das gemeinsame Schweigen vor dem Mahnmal im ehemaligen Lager Auschwitz-Birkenau ist der Fixpunkt der Gedenkstättenfahrt. Viele finden erst hier den Raum, das Erlebte und Gefühlte an sich heranzulassen. Manche verlassen die Gruppe, um alleine durch die Stille des Lagers zu laufen. Andere suchen die Gemeinschaft, weinen zusammen und tauschen sich aus. Nelken werden vorsichtig auf das Mahnmal gelegt, auf die Gleise und vor die Ruinen der Krematorien. Diese gemeinsamen Minuten, im grausamen Herz der Vernichtungspolitik, erzeugen bei den Teilnehmer*innen ganz unterschiedliche Reaktionen. Kalt aber lässt dieser Ort niemanden. Wie schon im Januar erleben auch die Teilnehmer*innen hier wieder, dass Auschwitz kein Ort ist, um Antworten zu bekommen. Auschwitz ist ein Ort, aus dem wir Fragen mitnehmen, die wir uns und anderen stellen müssen:

Wie hätte ich mich verhalten? Warum ist Auschwitz passiert? Vor allem aber: Wie verhalte ich mich heute? Frederik Düpmeier und Sebastian Bozada


Bei der Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz trafen wir Zeitzeugin Esther Bejarano. Esther wurde 1924 in Saarlouis geboren und überlebte Auschwitz. Dort musste sie unter anderem für neu angekommene deportierte Menschen Musik spielen, die aus den Viehwaggons herausgetrieben und häufig direkt in die Gaskammern geführt wurden. Esther lebt heute in Hamburg, engagiert sich gegen Rechtsextremismus, kritisiert die europäische Asylpolitik und hat ein Album mit der Rapgruppe Microphone Mafia aufgenommen.

FÜNF FRAGEN AN ESTHER BEJARANO Frage: Wenn du heute Nazi-Aufmärsche und Frage: Woher hast du die Kraft, von deinen Brandanschläge auf Flüchtlingsheime mitbe- schlimmen Erlebnissen zu erzählen. kommst – wie ist das für dich? Esther: Es ist ein Geben und ein Nehmen. Ich bekomme Kraft Esther: Das ist ja logisch, dass ich mich ganz schlecht fühle. Das ist schlimm, und zwar nicht nur für mich sondern auch für alle, die das Schreckliche [den Nationalsozialismus, Red.] durchgemacht haben. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass heute immer noch so viele Nazis in Deutschland und auf der ganzen Welt herumlaufen. Und das unsere Regierung sehr, sehr wenig dagegen tut. Die [Nazis, Red.] können schon wieder so viele schreckliche Dinge tun. Wir haben die NSU und die Prozesse, und man sieht doch geradezu, dass das Ganze immer weiter herausgezögert wird, statt einen Schlussstrich zu ziehen. Ich bin sehr enttäuscht.

Frage: Esther, hat deine Zeit in Auschwitz dein Verhältnis zur Musik verändert? Esther: Meine Liebe zur Musik hat sich überhaupt nicht geändert. Es gibt ja Menschen, die sagen: Nach Auschwitz kann man keine Musik mehr machen, keine Bilder mehr malen und keine Gedichte mehr schreiben. Das finde ich falsch! Genau das Gegenteil muss der Fall sein. Man muss sich doch ausdrücken können, und ich mache das mit Musik. Ich bin sogar unter die Rapper gegangen. Microphone Mafia ist für mich eine besondere Gruppe, denn auf der Bühne sind wir drei Generationen und drei Religionen. Wir wollen Vorbild sein für alle Leute, die noch denken, dass man mit anderen Kulturen nichts anfangen kann. Wir jedenfalls sind Juden, Christen und Moslems, und wir verstehen uns wunderbar miteinander.

von denen, die mir zuhören wollen, die etwas lernen wollen und die sich für diese Materie interessieren. Ich sage immer: „Ihr seid nicht schuldig an dem, was damals geschah. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr über diese Geschichte nichts wissen wollt.“

Frage: Wie stehst du zu den späten Einsichten und Entschuldigungen in den Prozessen, die gegen die Täter geführt werden? Esther: Also, bis jetzt habe ich von diesen Prozessen nicht den Eindruck gehabt, dass die Täter sich entschuldigt haben. Dieser Mann in Lüneburg [Oskar Gröning, Red.] hat ja noch total die Sprache der Nazis benutzt. Er hat zwar gesagt, er fühle sich moralisch schuldig. Aber ich stehe auf dem Standpunkt, dass diese Menschen, die nach 1945 ohne ein schlechtes Gewissen unbehelligt leben konnten, unbedingt verurteilt werden müssen. Ich bin sehr dafür, dass sie, ob sie nun 80, 90 oder noch mehr Jahre in Frieden gelebt haben, jetzt endlich mal belangt werden müssen für das, was sie getan haben.

Frage: Wie glaubst du, dass Erinnern und Gedenken möglich ist, wenn es keine Zeitzeug*innen mehr gibt? Wie verhindern wir das Vergessen? Esther: Ein bisschen haben wir ja schon vorgearbeitet. Im Auschwitz-Komitee haben wir Geschichten geschrieben und Filme gemacht, aber natürlich kann das die Zeitzeugen nicht ersetzten. Aber ich wünsche mir, dass alle, die diese Geschichten hören, sie auch weitererzählen. Ich merke das immer wieder, dass junge Menschen zu mir kommen und mir sagen: „Esther, ich werde deine Geschichte weitererzählen!“ Und das ist für mich eine große Sache, ich freue mich wahnsinnig darüber.


40 JAHRE IYNF In den letzten Jahren hat IYNF jährlich einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt gewählt. Nach dem “Year of Action for Change” (“Handeln für den Wandel”) in 2013 dem “Year of Urban Outdoors” (“Draußen sein in der Stadt”) in 2014 ist „40 Years of Connecting and Inspiring“ („Austausch und Ansporn seit vierzig Jahren“) das Thema dieses Jahres. Der Grund für dieses Motto liegt auf der Hand, denn vor vierzig Jahren hat sich die erste Gruppe junger Naturfreund*innen mit dem Erwachsenenverband Naturfreunde Internationale (NFI) durchgesetzt. Nach zähen Verhandlungen hatten sie endlich Gelegenheit, eine eigenständige Teilgliederung gründen: Die Naturfreundejugend Internationale oder Young Naturefriends International (IYNF), wie sie bald genannt wurde. Dabei waren die ersten Jahre nicht einfach. Die Organisation lebte ihr Werte sehr strikt und war eng mit den sozialistischen Arbeiterbewegungen verknüpft. Zur Hochzeit des Kalten Krieges schienen das Leben im “Westen” auf der einen Seite, und das Leben und Bewerben des Sozialismus auf der anderen Seite schwer verknüpfbar. Gegen alle Widrigkeiten kämpfte IYNF hartnäckig für Menschenrechte, für demokratische Strukturen, Feminismus, Interkulturalität und nachhaltigen Tourismus. Obwohl sich die Ziele über die Jahre weiterentwickelt haben, hat IYNF die gesellschaftliche Entwicklung immer aktiv mitbegleitet. Nun also, vierzig Jahre später, wollen wir unter dem Motto “40 Years of Connecting“ einen Rahmen für unsere Ideen und Taten schaffen, der unsere Leistungen und Erfahrungen seit 1975 mit einbezieht.

Darum werden wir die Gelegenheit nutzen, mit verschiedenen Initiativen die Werte, Erfahrungsschätze und die Geschichte von IYNF unter aktuellen Bedingungen zu verstehen und zu nutzen. Neben den regelmäßigen Vernetzungstreffen hält das vierzigjährige Bestehen von IYNF zwei besondere Höhepunkt bereit: Eine Jubiläumsveranstaltung und eine Onlinesammlung der wichtigsten Momente in der Geschichte des Verbandes. Die Veranstaltung am 5. September in Prag wird mehrere Generationen von Naturfreund*innen zusammenbringen, um gemeinsam zu entdecken, woher die Bewegung kommt – und wohin sie schreiten wird. Mehr Informationen zur Jubiläumsfeier gibt es unter nfjd.de/iynf40y. Die Onlinesammlung wird die detaillierteste Chronik der IYNF, die je erschienen ist und voraussichtlich Ende des Jahres verfügbar sein. Dort werden die wichtigsten Ereignisse der Geschichte, die bedeutendsten Höhepunkte – und Niederschläge- und persönliche Anekdoten zusammengefasst werden. Nicht zu vergessen: Bilder aus 40 Jahren Verbandsgeschichte, inklusive 80s-Haarschnitten (ja, auch Deinem!). Wir laden alle Naturfreund*innen herzlich ein bei diesen und allen Veranstaltungen, die in diesem Jahr anstehen, dabei zu sein. Wenn du spannende Geschichten, Erfahrungen und Erinnerung mit IYNF hast, teile sie uns mit unter iynf@iynf.org. Berg Frei!


VON DRAUSSEN VOM WALDE KOMM ICH HER Sadhana Forest India

Von meinem Auslandsjahr, in einer Freiwilligenkommune in Indien, die den hier vor Jahrzehnten alles überwuchernden Wald wiederaufforstet, sind jetzt schon 6 Monate rum. Die Zeit ist wie im Flug vergangen… Mit bestandenem Abitur in der Tasche wollte ich jetzt ganz anders leben: Nachhaltiger vor allem, näher an der Natur, näher an den Menschen und entschleunigt. Damit meine ich ein langsameres Leben, in dem ich mir mehr Zeit nehme für die wichtigen Dinge, zum Beispiel essen, schlafen, Beziehungen aufbauen und auf Technik zu verzichten. Ganz ohne natürlich auch nicht, denn diesen Reisebericht schreibe ich auf meinem Laptop. Doch in Sadhana Forest habe ich einen für mich guten Mittelweg gefunden. Doch erst mal zu mir und Sadhana, damit ihr wisst, wer ich bin und warum ich in diesen Ort verliebt bin. Ich bin Anna, 19 Jahre alt, komme aus Hannover und bin seit 4 Jahren aktiv bei der Naturfreundejugend. Manche kennen mich vielleicht von der Bundesebene, dem Fachbeirat Umwelt und Nachhaltigkeit oder vom Jugendbündnis Zukunftsenergie. Denn das ist ein zentrales Thema in meinem Leben: Nachhaltigkeit und vor allem nachhaltiges Leben und Arbeiten. Für mich war schon lange klar, dass es nach der Schule nach Indien gehen sollte. Indien hat mich mit seinem Facettenreichtum schon immer fasziniert! Und als ich von Sadhana Forest gelesen habe, und der Möglichkeit dort ein „Weltwärts“-Jahr (Förderprogramm des BMZ: weltwärts.de) zu machen, war für mich klar, dass ich dort hin will.


BELEUCHTET: UNTERWEGS

Sadhana Forest ist eine Freiwilligen-Kommune im Süden Indiens, im Staat Tamil Nadu, die den tropischen, immergrünen Trockenlaubwald wieder aufforstet. Mindestens genauso wichtig wie der Wald ist aber auch unser gemeinschaftliches, friedliches und bewusstes Leben. In der Praxis heißt das: Solarstrom, ohne Wasser aus der Leitung, 100 % vegan, keine Kriegs- oder Wettkampfspiele, keine Drogen, unschooled und auf Gift-EconomyBasis. Ein ganz anderes Leben! Während den meisten „vegan“ wahrscheinlich etwas sagt, sind die Begriffe „Unschooling“ und „Gift-Economy“ für viele wahrscheinlich neu, das waren sie für mich am Anfang auch. „GiftEconomy“ ist das Gegenmodell zu der im Moment vorherrschenden Tauschwirtschaft. Tauschwirtschaft heißt, dass eine Sache gegen eine andere Sache getauscht wird. Das Problem dabei ist der Mehrwert, denn dabei gibt es immer einen Verlierer. GiftEconomy (engl.: „Schenk-Wirtschaft“) heißt, dass wenn ich von Dingen genug habe, diese anderen anbiete. Es wird keine Gegenleistung erwartet. Ich gebe, weil andere Bedarf haben und ich nicht. Wir leben das mit einem Umsonst-Laden, unserer Bibliothek und Workshops, die umsonst von verschiedenen Volontären angeboten werden. „Unschooling“ ist der kurze, von John Holt geprägte Name für natürliches, selbstgeleitetes, freies Lernen durch Erfahrung. Wie ihr euch vorstellen könnt, findet dieses nicht in der Schule statt. „Unschooling“ ist jedoch viel mehr als nur nicht zur Schule gehen und sich nicht von Kultusministerien vorschreiben zu lassen, was man lernen muss! Es heißt viel mehr Kinder und Lernende jeden Alters zu respektieren und ihnen Autonomie zuzugestehen, zu lernen was, wann und wie sie wollen. Alle Kinder in Sadhana wachsen „unschooled“ auf und in unserem Projekt „Children’s Land“ können tamilische Kinder frei die Natur erkunden und auf eigene Faust und nach ihren Wünschen lernen.

Ich arbeite seit über vier Monaten in Children’s Land, weshalb „Unschooling“ für mich zu einem wichtigen Thema in meinem Leben geworden ist. Ich habe viel mit dem Konzept gehadert und leider reicht der Platz in diesem Reisebericht in keinster Weise aus, um zu erläutern, warum „Unschooling“ jetzt einer meiner neuen Werte geworden ist. Aber so viel sei gesagt: Es ist ein Thema, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt! Wenn ich nicht gerade auf dem Gelände unseres Children‘s Land bin, verbringe ich viel Zeit mit den Sadhana-Kindern. Ich bin zu so etwas, wie unserer inoffiziellen Kommunen-Babysitterin geworden. Das genieße ich sehr! Wenn ich nicht gerade Wäsche mit der Hand wasche, neue Volontäre willkommen heiße oder Community-Meetings leite, findet man mich in meiner Hütte. Wir leben in Hütten aus Kasuarinenholz und mit Dächern aus Palmblättern, die mitten im Grünen stehen. Als Langzeitvolontärin habe ich meine eigene Hütte, um dort mal dem Trubel einer 100-köpfigen Kommune entkommen zu können. Manchmal werden die Menschen allen Alters und aus der ganzen Welt doch mal zu viel. Mein absoluter Lieblingsplatz ist dann meine Hängematte. Lange kommt das allerdings nicht vor, da in einer Kommune immer viel zu tun ist. Ich habe in Sadhana schon sehr viel gelernt. Permakultur, Wiederaufforstung, Wasserkonservierung, Unschooling und Gewaltfreie Kommunikation sind nur wenige Schlagwörter. Vor allem aber inspirieren mich die Menschen jeden Tag, Dinge anders zu denken und zu machen! Ich habe schon jetzt mehr Pläne für das nächste Jahr, als sich umsetzen lassen und tendenziell werden meine Ideen exponentiell mehr mit der Zeit. Sadhana Forest ist immer für Volontäre offen! Kommt also vorbei, wenn ihr in Indien seid! Alle Infos zum aktiv werden findet ihr auf Sadhanaforest.org. May the forest be with you! Anna-Lena Emmert


BUNDESKONFERENZ „Gedenken, erinnern – und handeln“ unter diesem Motto stand Ende April die 10. Bundeskonferenz der Naturfreundejugend Deutschlands in Wiesbaden. Anlass hierzu war, dass sich 2015 die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz als Symbol der Schoah, stellvertretend für viele andere Orte des Unrechts, zum siebzigsten Mal jährte. Als junge NaturFreunde sehen wir die Vergangenheit als Mahnung, aber auch als Teil unserer eigenen Geschichte. Wir hatten das Glück, dass Edith Erbrich, die als Kind nach Theresienstadt deportiert wurde, ihre Erinnerung mit uns Delegierten teilte. Ihre Geschichte hat uns alle tief berührt und wird uns helfen, die Gräueltaten der Nazis nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit dem anschließend verabschiedeten Positionspapier bekräftigten wir als Naturfreundejugend Deutschlands, dass wir die Erinnerung lebendig halten und wir unseren Beitrag leisten werden, „dass Auschwitz nie wieder sei!“. Im Rahmen eines gemütlichen Erzählcafés mit dem NaturFreund Bruno Lampasiak hatten wir außerdem die Chance, Geschichten vom Widerstand und aus der Zeit nach Ende des Nazi-Regimes zu lauschen. Doch auch ein weiteres Thema hat 2015 leider an aktueller Brisanz gewonnen: Alleine bis zum April diese Jahres sollen im Mittelmeer mehr als 1700 Geflüchtete ertrunken sein – 30 Mal so viele wie im Vergleichszeitraum 2014 (Internationale Organisation für Migration). Ein Positionspapier hierzu mit Forderung zu einem Umdenken in der momentanen Flüchtlingspolitik wurde von den Delegierten ausführlich diskutiert und mit einer großen Mehrheit verabschiedet. In den kommenden Jahren wollen wir uns als Naturfreundejugend stärker für Geflüchtete in Deutschland einsetzen. Wie Maßnahmen aussehen sollen, wurde im Rahmen eines Initiativantrages konkretisiert und verabschiedet.

2015

EIN RÜCKBLICK

Neben aktuellen politischen Themen stand aber auch die Zukunft unseres Verbandes im Mittelpunkt der Konferenz: Die Bundeskonferenz hat eine neue Bundesleitung gewählt. Neue Bundesleiterin ist Clara Wengert (Landesverband Württemberg) und als Bundesleiter wurde Sascha Böhm (Landesverband Hessen) gewählt. Um den Fachbeirat Umwelt & Nachhaltigkeit wird sich fortan Fenja Wegner (Landesverband Hessen) kümmern, für den Fachbeirat Reisen & Sport wurde Malin Holtmann (Landesverband Bremen) gewählt und Finn Houska (Landesverband Niedersachsen) ist Fachbeiratsleiter für Demokratie & Mitbestimmung. Als weitere Mitglieder der Bundesleitung wurde außerdem Lyonel Frey-Schaaber (Landesverband Teutoburger Wald) und Jannis Pfendtner (Landesverband Brandenburg) gewählt. Viele Diskussionen und Ideen für mögliche neue Projekte wurden aber nicht nur im Plenum diskutiert, sondern auch abends bei köstlichen Getränk der badischen Cocktail-Bar weitergeführt. Rückblickend war die Bundeskonferenz ein voller Erfolg: Zum einen dadurch, dass insgesamt zehn Landesverbänden vertreten waren und viele konstruktive Diskussionen geführt werden konnten. Zum anderen ist es uns als Naturfreundejugend gelungen, uns zu wichtigen politischen Themen zu positionieren und inhaltliche Schwerpunkte für die kommenden zwei Jahre festzulegen. Ich bin gespannt auf die Umsetzung! Nina Bartz


FREISTIL

FILMTIPP

von Sebastian Bozada

10 Milliarden – wie werden wir alle satt? Der Titel des Filmes „10 Milliarden – wie werden wir alle satt?“ ist eigentlich selbsterklärend. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 10.000.000.000 Menschen auf der Erde leben, und die müssen alle irgendwie ernährt werden. Was aber ist die richtige Methode – Massentierhaltung und Gen-Tech-Reis, Bio-Landwirtschaft oder Aquakultur? „Gute Frage“, dachte sich wohl Filmemacher Valentin Thurn, und machte sich auf den Weg zu Lebensmittelproduzent*innen um ihnen diese Frage zu stellen. Dabei bewegt sich der Film immer zwischen zwei grundsätzlichen Positionen. Auf der einen Seite die industrielle Landwirtschaft, die mit Düngemitteln, Gentechnik und gewaltigem Maschineneinsatz große Mengen von Lebensmitteln produzieren kann. Auf der anderen Seite die traditionellen Formen der Landwirtschaft, die zwar weniger produzieren, dafür aber auch unabhängiger von Ressourcen und Maschinen sind.

Empfehlenswert ist der Film deshalb, weil er unvoreingenommen der Leitfrage nachgeht. Statt einzelne Methoden in der Landwirtschaft nach „gut“ und „schlecht“ zu trennen, werden Chancen und Risiken ruhig diskutiert. Womit wir auch beim Ton dieses Filmes wären: Ruhig beschreibt er sehr treffend diese kritische Weltreise durch das Spektrum der Landwirtschaft. Statt kurzen Schnitten und Weltuntergangsstimmung arbeitet der Film durchgängig mit ästhetischen Bildern und der ruhigen Stimme von Valentin Thurn, der alle Szenen moderiert. Und dafür nimmt er sich Zeit – knapp zwei Stunden dauert „10 Milliarden“. Ich empfehle, den Film in Gesellschaft von ein paar Mitstreiter*innen anzuschauen. Am besten funktioniert „10 Milliarden – wie werden wir alle satt?“ nämlich, wenn ihr jemanden habt, um die zahllosen Gedankenfäden aus dem Film im Gespräch weiterzuspinnen.

WELTWEITE WELTSICHTEN Kurz und knapp: Ich über mich: Hallo, Ich bin Thomas aus Belgien, seit fünf Jahren „Naturfreund“ und aktiv bei den International Young Naturfriends (IYNF). Ich mag Berge, Sport im Freien, Jugendorganisationen im Allgemeinen und reise Name gerne. Darum denke ich, dass die Naturfreunde-Bewegung ein guter Ort für mich ist, um meine Interessen zu leben – und mich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen. Ach so: Ansonsten versuche ich natürlich auch, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen und mein Leben in vollen Zügen zu genießen.

2) Was wünscht du dir für die Zukunft? Ich möchte, dass wir globale Probleme wie den Klimawandel, Armut, Hunger, Krieg und die ungleiche Verteilung von Chancen angehen werden. Mein größter Wunsch ist es, dass all diese Probleme irgendwann Geschichte sind!

3) Wenn du die Macht hättest – was würdest du tun? Wenn ich die Macht hätte, würde ich ein universelles System für ein garantiertes Mindesteinkommen schaffen. Das würde bedeuten, dass alle Menschen auf der Welt genug Geld haben, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Ich denke, dies wäre der erste Schritt in eine Zukunft, in der sich alle Menschen von einem Finanzsystem befreien, dass bisher nur für Wettbewerb gesorgt und unsere Welt geteilt hat. 4) Was macht dein Land besonders schön? Belgien ist ein sehr kleines Land. Hier gibt es keine großen Wälder oder Berge wie in Deutschland. Wenn ihr nach Belgien kommt, dann bitte nicht wegen der Natur, sondern um andere Menschen kennenzulernen. Weil Belgien so klein ist und von großen Staaten wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien umgeben ist, sind wir hier den Austausch gewohnt. Ich bin der Meinung, dass wir hier in Belgien sehr offen für Besucher*innen und neue Erfahrungen sind – und das macht meine Heimat so schön!


ANSICHTSSACHE

LACH DOCH MAL! Als das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo zum wiederholten Male Anfang diesen Jahres eine Mohammedkarikatur veröffentlichte, fanden das einige strenggläubige Muslime nicht witzig. Damit ist das Ziel erreicht – denn Satire ist eine Übertreibung und Bloßstellung von Missständen der Gegenwart und soll durchaus verletzend sein. Nach einem Anschlag durch Al-Qaida-Anhänger gab es kaum einen, der nicht Charlie war, aber trotzdem wurde diskutiert, ob man Mohammed im Engeren, (und) Gott und Religionen im Allgemeinen verspotten dürfe.

Um eines vorweg zu nehmen: Ein im Koran verankertes Abbildungsverbot für Mohammed gibt es nicht. Darauf haben sich muslimische Gelehrte erst viel später geeinigt. Und warum soll sich ein nicht muslimischer Mensch daran halten müssen? Darf man nun religiöse Gefühle verletzen oder sollte man respektvoller miteinander umgehen? Nach Kurt Tucholsky, einem Schriftsteller aus den 1920er Jahren, darf Satire alles. Fragt man Papst Franziskus und andere religiöse Oberhäupter, dann darf man Religionen nicht lächerlich machen. Der Papst persönlich sagt, er würde denjenigen schlagen, der seine Mutter beleidigt. Da hat sich aber jemand schlecht im Griff, finde ich. Meine Mutter darf auch niemand beleidigen, schlagen werde ich die Person aber trotzdem nicht. Wenn einer ein Bild in einer Zeitung malt, dass dem anderen nicht gefällt, dann darf dieser das Bild auch kritisieren. Das eine ist für mich Presse-, das andere Meinungsfreiheit und über Geschmack kann man bekanntlich streiten. Einzelne junge Gewalttäter gibt es immer, ob sie nun „Dschihadisten“ sind, Amokläufer oder sich eben NSU nennen. Natürlich ist jeder, der durch ihre Hand gestorben ist, einer zu viel. Die Gesellschaft muss es schaffen, dass diese Menschen, bevor sie sich radikalisieren, aufgefangen und eingebunden werden, aber die Gesell-

schaft und vor allem die Presse darf sich von einigen wenigen nicht einschüchtern lassen. In allen anderen Fällen sieht es aber so aus: Muslime, Christen, Juden, Atheisten und Agnostiker* leben friedlich zusammen. Dazu gehört auch, dass der eine den anderen aufs Korn nimmt, welcher den Witz nicht verstanden hat und dann beleidigt ist. Aber wie unter Freunden verträgt man sich und zahlt es bei Gelegenheit heim, schließlich haben uns all unsere Mütter beigebracht, dass Sich-gegenseitig-die-Köpfe-einschlagen zu nichts führt. Kurt Tucholski sagte einmal folgendes: „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.“ Das Satire-Magazin Charlie Hebdo kann man als solches verstehen. Es nimmt alle aufs Korn und macht nicht vor Religionen halt. Um ein Gegenbeispiel zu nennen: Der Judenwitz eines Nazis ist nicht okay, weil er einseitig ist (und garantiert geschmacklos) und sich der Nazi sicher nie über das Christentum (oder seine eigene Religion) lustig machen würde. Für mich endet die Meinungsfreiheit bei der Relativierung von Mord und Totschlag. Das ist IMMER schlimm. Mein Schlusswort: Die besten Schwulenwitze erzählte mir ein Schwuler. Ich bin mir sicher, dass Muslime die besten Witze über ihre eigene Religion machen können und einen guten Sinn für Humor haben, der mehr in den Medien vertreten sein sollte. Aber wenn ich nicht gemeinsam mit ihnen lachen kann, dann lache ich eben ohne sie. Frauke Gehrau * jemand, für den die Existenz Gottes nicht abschließend geklärt ist


ANSCHTSSACHE

WOHIN WOLLEN WIR REISEN? Ich besuche ein Theaterfestival in Berlin. Mit Tanz, Sprache und Musik behandeln drei junge Künstler*innen die zentrale Frage, wie weit man von zu Hause weg sein muss um sich wirklich frei zu fühlen, sich verwirklichen zu können. Denn für viele Menschen ist das Reisen eng mit dem Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit verknüpft. Ein wichtiges Thema, auch für uns als Naturfreund*innen. Schließlich spielt das Reisen als Inbegriff von Freiheit eine große Rolle in der Geschichte der Naturfreunde. Ich sage nur: Berg frei! Auf dem Festival fielen die Antworten der Zuschauer zu dieser Frage sehr unterschiedlich aus. Von Entfernungen wie Berlin - Melbourne bis Berlin Steglitz - Berlin Kreuzberg war alles dabei. Und tatsächlich glaube ich, dass nicht allein der geografische Abstand ausschlaggebend ist. Viel relevanter ist, wie stark man sich auch gedanklich vom Alltag und den Gegebenheiten zu Hause entfernen kann. Nur wenn das gelingt kann Reisen mehr sein als ein bloßer Wechsel des Ortes.

Dann kann es uns die Tür öffnen für neue Erfahrungen und Erlebnisse, und damit verbunden auch neuen Entdeckungen über die eigene Person oder den eigenen Lebensstil. Eine Chance unterschiedlichste Dinge auszuprobieren und sich auf Veränderungen einzulassen, die man dann vielleicht wieder mit zurück in den Alltag nimmt. Mit unseren Reisen und Freizeiten können wir als Naturfreundejugend jungen Menschen eine Plattform bieten um diese Freiheit zu finden, neue Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren. Sei es durch den Kontakt zu neuen Kulturen und anderen Menschen, das Austesten alternativer Ernährung, ökologischer Anreiseoptionen oder dem Entdecken und Erleben von Natur. Ich freue mich diesen Sommer mit euch zusammen auf diese Reisen zu gehen und neue Möglichkeiten im Rahmen des Projektes Zero Impact Camp zu entdecken und auszuprobieren. Lina Mombauer

WETTBEWERB

Lina Mombauer ist Projektreferentin in der Bundesgeschäftsstelle der Naturfreundejugend.

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Wir suchen die nachhaltigste Jugendreise!

So, jetzt kennst du Zero Impact Camps und weißt alles über nachhaltigen Spaß im Grünen. Jetzt bist du am Zug! Wir wollen deinen nachhaltigen Reisebericht hören. Lade deinen Erfahrungsbericht mit einem Bild, einer Zeichnung oder einem Video unter www.zero-impactcamps.de/gewinne/-/ hoch. Die Gewinner*innen werden anhand der Anzahl an Likes bestimmt, sowie in den beiden Sonderkategorien „kreativste Darstellung“ und „nachhaltigste Gruppenreise“.

Einsendeschluß ist der 15. September 2015. Mehr Informationen unter www.zero-impact-camps.de


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