Magazin Museum.de Nr. 30

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MUSEUM

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Nr. 30 6,80 €

Herbst 2017

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MAGAZIN M USEUM.DE

Die Legion of Honor in San Francisco


Eine besonders leise, kompakte, vielseitige und extrem energieeffiziente Lichtgeneratorserie von RobLight. Reduziert den Energieverbrauch um mindestens 63 % im direkten Vergleich zu Halogen-Generatoren bei gleicher Lichtleistung. Diese Produktserie ist bereits in vielen bedeutenden nationalen und internationalen Museen zum Einsatz gekommen.

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In diesem Heft

Seite

MUSEUMSWELT 2018

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Kunstausstellung Kempten

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Nachhaltigkeit im Museum –

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Das Bündnis KUNST AUF LAGER Digitalisierung in Museen voranbringen

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Ausstellungen und Termine

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Rautenstrauch-Joest-Museum –

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Kulturen der Welt Alles neu im DDR-Museum –

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Ein Erfahrungsbericht Max Pechstein in Zwickau

38

FOTOBODEN™ im Museumseinsatz

44

Die Legion of Honor in San Francisco

52

Goldglanz und Himmelslicht

68

im Berliner Dom Burg Clam in Österreich

74

Historisches Museum Frankfurt

88

Kloster Stift Neuzelle

98

MMK Museum für moderne Kunst

108

Frankfurt am Main Zoologischen Museum Hamburg

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Titelseite: Urs Fischers „The Public & the Private“ im Kontrast zu Rodins „Denker“. Foto: © FAMSF

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Links: Karina Sturm, Redakteurin von museum.de in San Francisco. Rechts: Max Hollein, Direktor Fine Arts Museums of San Francisco de Young | Legion of Honor. Foto: © Image Courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

Museen ließen sich hier nieder. San Francisco ist bunt, voller Leben und divers gerade diese Vielfalt bestärkte die frühere technische Assistentin in mir, neue Gebiete zu erforschen und sich intensiv mit den Museen San Franciscos zu befassen.

egion of Honor.

Die USA, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Land, in dem ein Tellerwäscher über Nacht zum Millionär werden kann; und ebenso schnell anders herum. Von vielem gibt es in den USA das Beste: Forschungseinrichtungen, Kliniken, Kultur. Doch neben den negativen Nachrichten der letzten Monate ist vor allem die kulturelle Vielfalt dieses Landes in den Hintergrund getreten. Seit 2017 ist San Francisco mein neues Zuhause. Außer mir, der Kleinstädterin aus Neumarkt, findet sich eigentlich alles was Rang und Namen hat rund um die Stadt des ewigen Frühlings. Doch nicht nur Google, Apple und Co. zog es in die Bay Area, auch hochkarätige Theaterproduktionen, Musicals, Opern und natürlich

Insbesondere die Fine Arts Museen erregten in den letzten Monaten Aufmerksamkeit in Europa. Max Hollein, der ehemalige Leiter der Museen Städel, Liebieghaus und Schirn in Frankfurt, übernahm im Juni 2016 die Direktion beider. Unter seiner Führung erstrahlen das de Young Museum und die Legion of Honor in neuem Glanz. Einen Visionär, „der einen Bienenschwarm an Aktivitäten ausgelöst hat“, nennen ihn seine Mitarbeiter; der SF Chronicle schreibt, Max Holleins Ideen könnten zu einer Wiedergeburt der größten Kunstorganisation der Bay Area führen und dessen Rolle in der Kunstwelt radikal transformieren. Mich empfing der vielbeschäftigte Direktor

professionell, dabei aber herzlich, sympathisch und humorvoll. Trotz des Zeitdrucks fand Max Hollein während der Press Preview der aktuellen Ausstellung: „The ˉ Maori Portraits: Gottfried Lindauer‘s New Zealand“ Zeit für ein Treffen mit mir. Er geleitete mich vor das Museum und alles, was folgte, war Perfektion. Mit offenen Armen empfangen hat mich nicht nur Max Hollein. Viel mehr scheint dies das allgemeine Motto der Modern Art Museen in San Francisco zu sein, was auch die Besucherzahlen reflektieren, denn diese sind doppelt so hoch wie im Juli des Vorjahres. San Francisco und die Fine Arts Museen sind Paradebeispiele für unbegrenzte Möglichkeiten: Für Besucher und Heimische; für Kunstbegeisterte und Neulinge; für Klein und Groß; und am Ende kann sogar aus einer technischen Assistentin eine Kulturjournalistin werden - das ist es, was die USA ausmacht. Ihre Karina Sturm aus San Francisco

MAGAZIN MUSEUM.DE

Ausgabe Nr. 30

Herausgeber

Ostwall 2

Telefon 02801-9882072

museum@mailmuseum.de

Druck: Gutenberg Beuys Feindruckerei

Herbst 2017

Uwe Strauch, Dipl.-Inf. TU

46509 Xanten

Telefax 02801-9882073

www.museum.de

Versand: Dialogzentrum Rhein-Ruhr

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MUSEUMSWELT 2018 Besuchen Sie uns auf der ITB Berlin vom 7.-11. März 2018 in Halle 10.2 www.museumswelt.de


Alle Museen an einem Ort


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MBA Kunstausstellung Kempten Zwischen Tradition und Innovation. 68. Kunstausstellung im Rahmen der Allgäuer Festwoche. Autorin: Jana Pfeiffer 7


Bereits seit der ersten Gewerbeschau im Jahre 1949 findet die Kunstausstellung im Rahmen der Allgäuer Festwoche in Kempten (Allgäu) statt und ist seither untrennbar mit ihr verbunden. Heute ist die Ausstellung ein Markenzeichen der Allgäuer Kulturlandschaft, beachtet weit über die Grenzen der Region hinaus. Tausende Besucher werden jährlich davon angezogen. Die Kunstausstellung in Kempten bietet Künstlerinnen und Künstlern, die entweder aus dem Allgäu stammen oder seit geraumer Zeit dort leben, die Möglichkeit sich mit ihren Arbeiten zu bewerben. Ihrer Kreativität und der Bandbreite ihrer Ideen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Von Malerei und Bildhauerei, über Grafik und Installation, bis hin zu Fotografie und Videokunst können vielerlei Projekte eingereicht werden. Ausgestellt wurden in diesem Jahr 70 Werke von 61 Künstlerinnen und Künstlern, die von einer siebenköpfigen Jury aus den insgesamt 473 Einreichungen ausgewählt worden waren. Zudem waren auch zwei Skulpturen im Stadtraum Teil der Ausstellung. Das Ziel der Jury war es, eine qualitativ hochwertige, vielseitige Schau für zeitgenössische Kunst zusammenzustellen. Im 68. Ausstellungsjahr haben drei Neuerungen frischen Wind in das traditionsreiche Konzept gebracht: ein neuer Ausstellungsort, eine Verlängerung der Ausstellungsdauer und ein neuer Preis. Umzug vom Hofgartensaal in den Marstall Nach vielen traditionsreichen Jahren, während derer die Kunstausstellung im Hofgartensaal der Residenz gastierte, wagte sich das Organisationsteam in diesem Jahr zu neuen Ufern. Nicht nur die Ausstellungsdauer wurde über die Dauer der Allgäuer Festwoche hinaus auf sechs Wochen verlängert, sondern es wurde auch eine neue Heimat für die Kunstwerke gefunden. 2017 wurden die Werke erstmals im großen Ausstellungsraum des Marstalls (Alpin-Museum) ausgestellt. Die Raumveränderung verleiht der Ausstellung ein neues Gesicht: im Gegensatz zum Hofgartensaal bietet er nicht nur mehr Fläche, sondern wurde auch mit einem modernen Stellwandund einem neuen Lichtsystem ertüchtigt.

Alle Fotos Ausstellungsszenen: © Greggor Diessner

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Die Größe des neuen Ausstellungssaals im Marstall gibt den Kunstwerken mehr Raum um zu wirken, ohne dem Hofgartensaal in Sachen Schönheit nachzustehen. Bei den meisten der 4000 Besucher kam die Veränderung gut an und sie freuten sich, die Projekte in der neuen Kulisse betrachten zu können. Vom großen Ausstellungsraum des Marstalls als neuem Ausstellungsort konnten sich aber auch die Künstler inspirieren lassen, vor allem von den Möglichkeiten, die seine neuen Licht- und Stellwandsysteme bieten. Im Gegensatz zum Hofgartensaal konnten im Marstall zudem Installationen realisiert werden, die von der Decke hängen oder in der Wand verankert sind, was den Kunstschaffenden mehr Spielraum für ihre Kreativität bot. Auch Rauminstallationen wurden durch die Größe des Saales ermöglicht. Der Umzug soll ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für die bildende Kunst sein und ihr — im wahrsten

Sinne des Wortes – mehr Raum im Stadtleben zugestehen. Eine weitere Neuheit war die Finissage im öffentlichen Rahmen. Sie fand im Zuge der Eröffnung der vierten Kemptener KunstNacht am 16. September 2017 auf dem Hildegardplatz statt. Die Veranstaltung des Kulturamts der Stadt bietet Kunstschaffenden im Allgäu alle zwei Jahre die Möglichkeit ihre Werke und Projekte in der nächtlichen Innenstadt auszustellen, ihre Ateliers zu öffnen oder Performances aufzuführen. Dieses Kulturevent zieht alle zwei Jahre viele tausend Besucher an und bot in diesem Jahr den perfekten Rahmen für die Finissage der Kunstausstellung. Auch der Publikumspreis wurde an diesem Abend feierlich auf der Bühne verliehen. Für diesen Preis haben 1234 Besucher der Ausstellung, deren Einritt frei ist, abgestimmt, nachdem sie die Ausstellung besucht hatten. Den Publikumspreis erhielt Kristina Johlige-Tolstoy für ihre

filigrane Kleinplastik „Handy“, die aus einer Baumwurzel gefertigt und dann mit der alten Technik der Fassmalerei bemalt wurde. Sie stellt eine surreale weibliche Figur dar, deren Körper in viele zarte Arme mit kleinen, tastenden Händen ausläuft. Kurz dahinter auf dem zweiten Platz mit nur einigen Stimmen Abstand landete Josef Wehrle mit seiner aus Holz geschnitzten „Aufstehende[n] Milchkuh“. Prämierte Innovationen Zu den drei etablierten Kunstpreisen, die jährlich unter den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern vergeben werden, kam in diesem Jahr das Ausstellungsstipendium der Sparkasse Allgäu hinzu. Es beinhaltet neben einer Förderungssumme von 2000 €, die Möglichkeit eine einmonatige Einzelausstellung in der Kunsthalle Kempten innerhalb der nächsten zwei Jahre in Kooperation mit dem Kulturamt durchzuführen.

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Die erste Preisträgerin dieses Stipendiums ist Julia Miorin mit einer skulpturalen Arbeit. „Das Format erinnert an einen kleinen Beistelltisch, an schlichtes Mobiliar. Die darauf liegenden Objekte lassen sich nicht genau zuordnen“, beschreibt die Künstlerin ihr Werk, fügt aber hinzu, dass die Objekte sich jedem Versuch der Benennung entzögen. „Sie sind merkwürdig in ihrer Eigenständigkeit[.]“ Der mit 5000 € dotierte Kunstpreis der Stadt Kempten (Allgäu) ging an Kathrin Ganser mit ihrer dreiteiligen Arbeit »Gyro-Scans #2, #4, #5«. Diese „Hybride realer Abbildung und künstlerischer Aneignung,“, wie die Bilder in der Begründung der Jury beschrieben werden, „können als Dialog zwischen faktischer Bestandsaufnahme und dem subjektiven Erleben gelesen werden“. Die einzigartige digitale Bearbeitung städtischer Aufnahmen spielt mit dem Betrachter und lockt ihn nah an das Bild heran, ohne ihn vollkommen darüber aufzuklären, was er sieht. „Wie in einem Zeitraffer verschmelzen die Perspektiven zu dichten Kompositionen, die als Foto nicht mehr erkennbar

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sind [und] stark malerisch wirken“, heißt es in der Begründung der Jury zum Preisträger des Thomas-Dachser-Gedenkpreises. Diesen erhält Ralf Dieter Bischoff für seine beiden Werke »WEGen #07« und »WEGen #17«. Seine Arbeiten, für die er in der digitalen Bearbeitung seiner Fotografien mehrere Aufnahmen überlagerte, wirken wie teils verschwommene, teils klare Erinnerungsbilder.

Tradition trifft auf Moderne Die Preisträgerinnen des Preises für junge Künstler der Dr.-Rudolph-Zorn-Stiftung und des neu eingerichteten Ausstellungsstipendiums der Sparkasse Allgäu vertreten moderne Positionen, deren Entwicklung aufmerksame Besucher der Ausstellung bereits in vorangegangenen Jahren verfolgen konnten. Auf der

anderen Seite sind die Preisträgerin des Kunstpreises und der Preisträger des Thomas-Dachser-Gedenkpreises an anderen Orten bereits etabliert, zeigten ihre Arbeiten aber erstmals im Allgäu. Nicht nur die Arbeiten der Preisträger spiegelten das spannungsvolle Wechselspiel zwischen Tradition und Moderne wieder, welches schon das Ausstellungs-

Die Dr.-Rudolf-Zorn-Stiftung zeichnet A.C. Neidhart für ihre Foto-Arbeit »meins« mit ihrem Preis aus. Ihre Fotografie zeigt eine nackte Frau mit dem Kadaver eines toten Straußes auf dem Schoß. Diese sehr eigene, teils verstörende Ästhetik entwickele, laut Jury, einen spannungsvollen Dualismus zwischen Leben und Tod, Kraft und Bewegungslosigkeit und kombiniere Fotografie mit performativen Elementen.

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konzept an sich verkörpert, sondern auch die vielen weiteren Werke im Marstall. Das Spiel mit Motiven aus der Region und innovativen Gestaltungsmethoden macht den Reiz der Ausstellung im Allgäu aus. Neben klassischen Materialien wie Acryl, Leinwand, Holz und Metall kamen auch eher ungewöhnliche Techniken zum Einsatz: zum Beispiel Installationen aus Draht und Wolle, die im Raum von der Decke hängen oder Röntgenaufnahmen eines unbestimmbaren Gegenstandes. Diese lassen den Besucher innehalten. Während er davorsteht und sie betrachtet, regen

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die Exponate seine Fantasie an. Bestenfalls ist das einer der Effekte von Kunst: den Bogen zwischen verschiedenen Welten zu spannen. Zwischen der Fantasie anderer und der eigenen, zwischen dem Klassischen und dem Modernen, zwischen Tradition und Innovation. Die nächste Kunstaustellung beginnt traditionell zusammen mit der Allgäuer Festwoche im August 2018. Ein farbiger Katalog mit allen Werken der Ausstellung und Informationen zu den Preisträgern erscheint jährlich zum Preis von 8 €.

Informationen zum Bewerbungsablauf erhalten interessierte Künstler bei der Museumsverwaltung.

Museumsverwaltung der Stadt Kempten (Allgäu) Memminger Str. 5 87439 Kempten Telefon: 0831-2525-200 www.kempten.de


Zum anderen 2,5m hohe Wände, um die sogenannten Kämpfer-Strukturen zu bewahren. Mit dem neuen System konnte somit eine flexible Ausstellungsarchitektur geschaffen werden, die eine ansprechende Raumaufteilung zulässt und den Künstlern die gewünschten Gestaltungsmöglichkeiten bietet.

Dr. Christine Müller Horn - Museumsleiterin Stadt Kempten: „Mit den Wänden von Mila-wall lassen sich wunderbare Architekturen innerhalb eines Ausstellungsraumes schaffen. Die Besucher und Künstler waren begeistert von der neuen Ausstattung.“

Ein maßgebliches Ziel war es, in dem denkmalgeschützten Marstall möglichst viel Ausstellungsfläche zu schaffen. Man wandte sich an die untere Denkmalschutzbehörde um nach einem geeigneten System für die Ausstattung des Raumes zu suchen. Ein wesentlicher Wunsch der Künstler bestand darin, direkt an die Wände hängen oder schrauben zu können. Mit Mila-wall wurde ein substanzschonendes und nachhaltiges System gefunden welches direkt an die Innenwände des Marstalls angebracht werden konnte. Zur Wahrung der Ästhetik kommen zum einen 3m hohe Wände, die bis an die Säulenkapitelle reichen, zum Einsatz.

www.mila-wall.de

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Nachhaltigkeit im Museum – Das Bündnis KUNST AUF LAGER Chancen im Keller. Autor: Dr. Sebastian Giesen, HERMANN REEMTSMA STIFTUNG, Hamburg

vermeintlich öffentlichkeitswirksame, aber kurzfristige Effekte. KUNST AUF LAGER – Das Bündnis Vor diesem Hintergrund und angeregt von der HERMANN REEMTSMA STIFTUNG und der Kulturstiftung der Länder, schlossen sich 14 Kultur- und Wissenschaftsfördernde private und öffentliche Institutionen (zumeist Stiftungen) (Fußnote 1) zusammen und griffen dabei die Überschrift von Niklas Maak auf. KUNST AUF LAGER, das Bündnis zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots ging im Februar 2014 an den Start. Von Anfang an hatte das Bündnis zwei Zielrichtungen: 1. „Lobbyarbeit“ für das Depot

„Kunst auf Lager“ überschrieb Niklas Maak in der FAZ am 28.4.2012 einen Artikel über die Situation in deutschen Kunstmuseen: Während in den Schausammlungen die immer gleichen Künstler präsentiert werden, schlummern in den Depots spannende, aber vergessene Gemälde. Eine Artikelserie in der FAZ ging diesen unbekannten Meisterwerken nach und plädierte für einen geschärften Blick in die „zweite Reihe“. Doch Voraussetzung für einen solchen Blick sind die genaue Kenntnis und Erforschung der Sammlung, deren gesicherte Erschließung und Erreichbarkeit, ein guter restauratorischer Zustand der Werke und zuallererst entsprechende Lagerbedingungen der nicht ausgestellten Kulturgüter. Denn während der allgemeine Fokus in den letzten Jahrzehnten auf Wechselausstellungen, museumspädagogischer Vermittlung, Werbung, Neu- oder Erweiterungsbauten und Neuerwerbungen lag, wurde der Umgang mit den nicht ausgestellten Werken sträflich vernachlässigt.

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In den Museumsmagazinen liegen Schätze, die geborgen, bewahrt und ans Licht geholt werden sollten. Zahlreiche Sammlungsbestände sind konkret durch mangelhafte Lagerbedingungen gefährdet, die teils noch auf die historischen Zäsuren des 20. Jahrhunderts zurückgehen. Diese Werke sind weder ausreichend wissenschaftlich erfasst oder veröffentlicht, noch konnten notwendige Maßnahmen zu ihrer Bewahrung und Erhaltung ergriffen werden. Dieser Sachverhalt ist nicht neu und wird in der Fachwelt seit längerem angemahnt. Doch erst allmählich und punktuell steuern die Museen um. Während z.B. die Anzahl der Sonderausstellungen deutlich von Jahr zu Jahr steigt, nimmt zur gleichen Zeit die Anzahl der Museen, die ihre Bestände erforschen und digitalisieren nur marginal zu. Die unter öffentlichem und politischem Legitimationsdruck stehenden Museen sehen sich offenbar außer Stande, langfristige und nachhaltige Museumsaufgaben anzugehen, und setzen stattdessen auf

Das Bündnis wirbt bei Museen, Museumsträgern, Verbänden, Organisationen, in den Medien für die Beschäftigung mit den Depots. Es geht um die Chancen und Potenziale der vergessenen Sammlungen, denn bis zu 90% der Bestände lagern in den Magazinen. 2. Konkrete Förderung der einzelnen Partner in den Bereichen • Erschließung & Erforschung von Be- ständen (analog und digital) • Konservierung & Restaurierung von Werken in Depots • Infrastruktur & Logistik für verbesserte Lagerbedingungen Bei der internationalen Fachtagung KUNST AUF LAGER in Hannover (11. und 12.9.2017), ausgerichtet von der VolkswagenStiftung, konnte jüngst die 5. Förderbilanz vorgestellt werden. Danach wurden seit dem Start von KUNST AUF LAGER 240 Projekte im Umfang von insgesamt rund 23 Mio. Euro von den Bündnispartnern im Rahmen ihrer Förderrichtlinien unterstützt. Hinzuzurechnen sind 18,9 Mio. Euro, die das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung für 28


langfristige Forschungsvorhaben vergibt. An zwei ausgewählten Projekten lässt sich die Wirkungs- und Funktionsweise des Bündnisses vor Augen führen. Ins rechte Licht gerückt: Das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg Das Museum verfügt mit 75.000 Werken über eine der bedeutendsten Fotografie-Sammlungen in Deutschland – ein wahrer Schatz von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Der Bestand war bislang wenig im allgemeinen Bewusstsein. Die Fotosammlung war nicht wissenschaftlich erschlossen, nur in Teilen digital erfasst, wichtige frühe Werke waren in bedrohlichem Erhaltungszustand, die Lagerung war dezentral und stark beengt, die Zugänglichkeit mangelhaft und es fehlten Ausstellungsmöglichkeiten. Das Museum entwarf einen Masterplan, um die Chancen und Potenziale dieses attraktiven Bestandes zu entfalten. Der Plan sah eine Verbesserung auf allen Ebenen vor, so dass schnell klar wurde, dass nur vereinte Kräfte helfen können – das Bündnis war gefragt.

Infrastruktur: Die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG finanzierte die Einrichtung eines zentralen klimatisierten Fotodepots und eines Studiensaales. Es wurde zudem ein Bereich im

Museum eingerichtet, der ausschließlich der wechselnden Präsentation von Fotografie dient. Der Studienraum ermöglicht Besuchern und Fachleuten, die Objekte im Original auch jenseits von Ausstellungen einzusehen. Alle diese Räumlichkeiten werden am 26.10.2017 eingeweiht. Restaurierung/ Konservierung: Die Restaurierung von 400 Daguerreotypien ermöglichte die Kulturstiftung der Länder. Diese ersten fotografischen Zeugnisse sind von der „Glaskrankheit“ befallen: Die Zersetzungserscheinung führt

Beispiel: Museum für Kunst und Gewerbe Linke Seite: Diaschrank, 1917. Foto: Wilhelm Weimar Oben: Blick in das neue Depot der Sammlung. Fotografie und neue Medien Unten: William Bock mit seinen Enkeltöchtern Sophie und Lucie de Voe, 1847. Daguerrotypie, 12,1 x 10.7 cm oberes Motiv: Vorzustand mit durch Korrision fast vollständig getrübtem Deckelglas unteres Motiv: Zustand nach Restaurierung Foto: Martin M. Lawrence Fotos: © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg __________ 1 Dem Bündnis gehören an: Ernst von Siemens Kunststiftung München, Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder Berlin, Gerda Henkel Stiftung Düsseldorf, HERMANN REEMTMSA STIFTUNG Hamburg, Kulturstiftung der Länder Berlin, Niedersächsische Sparkassenstiftung Hannover, Richard Borek Stiftung Braunschweig, Rudolf-August Oetker Stiftung Bielefeld, Stiftung Niedersachsen Hannover, VGH-Stiftung Hannover, VolkswagenStiftung Hannover, Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Hamburg sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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zu Ausblühungen von Kupfercarbonat und Eintrübungen der Glasplatten. Die Objekte verlieren damit nicht nur an Brillanz, die Krankheit droht sich auch vom Glas auf die eingefassten Fotografien zu übertragen. Nach einer umfassenden Restaurierung der Daguerreotypien zieht der in Qualität und Umfang einzigartige Bestand in neue Aufbewahrungsräume um. Der Förderschwerpunkt der Wüstenrot Stiftung liegt auf der Restaurierung einer Kollektion von 35 originalgerahmten Gummidrucken aus der Sammlung Juhl. Schäden, die durch die Rahmung selbst, durch unsachgemäße Lagerung, mechanische Prozesse, Ausdünstungen oder Alterung entstanden sind, sollen behoben werden. Zudem sollen die Originalrückwände durch säurefreies, archivgeeignetes Material ersetzt und die dort auf Etiketten oder Beschriftungen angebrachten historischen Informationen dokumentiert und gesichert werden. Wissenschaftliche Erschließung und Digitalisierung: Die Förderung der ZEIT-Stiftung Ebelin

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und Gerd Bucerius unterstützt die Erschließung der Sammlung bis 2018 sowie die Online-Veröffentlichung der 9.000 wichtigsten Werke. Da die fotografische Sammlung aufgrund der Lichtempfindlichkeit ihrer Objekte zum größten Teil im Verborgenen lagert, ist es umso wichtiger, die Bestände über die Website des Museums für Recherchen zugänglich zu machen. Das Museum für Kunst und Gewerbe ist damit das erste Museum in Deutschland mit einer digital zugänglichen Fotosammlung.

Depot als Motor: Die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Das Museum umfasst neun Museen mit rund 100 Gebäuden und Anlagen, die ein umfangreiches Konglomerat von unterschiedlichen Sammlungen beherbergen: Archäologie, Volkskunde, Kunst und Kunsthandwerk, von Haithabu-Grabungsfunden über Eisengusselemente, jüdisches Kunsthandwerk, japanische Volkskunst bis hin zur Kunstsammlung


auf Schloss Gottorf. Diese Schätze ziehen jährlich rund 400.000 Besucher in ihren Bann. Seit Jahrzehnten bemühen sich die Direktoren und Stiftungsvorsitzenden um eine Lösung für eine optimale Lagerung und Erschließung der schier uferlosen Bestände, darunter allein 1 Mio. Grabungsfunde. Mit der Neugliederung der Stiftung, einer Neuordnung der Zuständigkeiten und der Konzentration der Standorte ist nun erstmals eine Lösung für eine zentrale Lagerstelle absehbar. Von 2014 bis Anfang 2018 entsteht in den ehemaligen Kasernen- und Lagergebäuden auf dem Hesterberg bei Schloss Gottorf ein hochmodernes Zentraldepot für alle Sammlungsteile.

Besuchen Sie uns auf der Exponatec Cologne vom 22.-24.11.2017! Halle 03.2 Stand C-070 6.400 qm Lagerfläche wurden durch die Sanierung von Bestandsgebäuden geschaffen, ein Magazinneubau wird 1.700 qm bringen. Das Berliner Büro Scheidt Kasprusch hat dafür in Arbeitsgemeinschaft mit einem örtlichen Büro einen klaren und schlichten Funktionsbau entworfen. Mit dem Depotbau, der Umorganisation der Bestände und der Umlagerung soll auch die digitale Erfassung der Sammlungen einhergehen, die für mindestens sechs Jahre veranschlagt wird. Die HERMANN REEMTSMA STIFTUNG fördert die Errichtung des Zentraldepots in Schleswig mit 500.000 Euro und gibt weitere 500.000 Euro für die Digitalisierung verborgener Objekte.

DAS BESONDERE. UNSER STANDARD! ArchiBALD plant, entwickelt und liefert individuelle Depoteinrichtungen. Ob Regalsysteme für unterschiedlichste Anwendungen, Zugwandsysteme für die Lagerung von Gemälden oder Schränke für Ihr Schaudepot, unser breites Produktportfolio bietet Lösungen für alle Bereiche. Erfahren Sie mehr: www.archibald-regalanlagen.de

Das neue Zentraldepot ist ein wesentlicher Schritt zur Entwicklung des Museumskomplexes Landesmuseen, oder anders ausgedrückt: Das neue Lager ist der Motor, ohne den eine Neuordnung der Landesmuseen nicht möglich ist. Der viel zitierte „In“-Begriff „Nachhaltigkeit“ heißt auf das Museum von heute gemünzt: Hin zum Museumskern, hin zur Sammlung, rein ins Depot! Weitere Informationen unter: www.kunst-auf-lager.de

Linke Seite, oben: Neues Depot am Hesterberg mit Blick in die Wärmekammer

Rechts: Ein moderner Magazin-Neubau wird die historischen Lagergebäude ergänzen Entwurf und Visualisierung: Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH Fotos: © Landesmuseen Schloss Gottorf

ralfsommermann.de

Linke Seite, unten: Neubau des Depots am Hesterberg

Archivierungssysteme Bibliotheksregale Archivregale Lagerregale Depotsysteme für Museen


Digitalisierung in Museen voranbringen Mit einem System die Sammlungen digital verfügbar machen. Autor: Jürgen Neitzel Viele Museen besitzen außergewöhnliche und wertvolle Sammlungen, die in den Depots lagern. Sind diese digital vorhanden, ergeben sich neue Möglichkeiten der Präsentation im Internet und der Bestandserhaltung. Doch verhindern bisher technologische Herausforderungen und begrenzte Ressourcen ein größeres Digitalisierungsengagement vieler Museen. Ein neues System von Zeutschel verspricht das jetzt zu ändern. Welche Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung Museen eröffnet, zeigt beispielhaft das Technische Museum Wien. Museumsschätze heben Ein Ziel der Digitalisierung ist dort die Sicherung des Bestandes. Wertvolle Objekte werden zum ‚ruhenden Bestand’, wie es auf der Webseite heißt. Gleichzeitig lassen sich im Fall von Fotografien Bildinformationen sichern, die durch Verfall und Alterungsprozesse ansonsten verloren gehen würden.

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Zweitens ergeben sich durch die Digitalisierung neue Einblicke in die Sammlungen, die nicht im Haus ausgestellt werden können. Und das sind im Technischen Museum Wien immerhin 90 Prozent der Objekte. So widmet sich ein aktuelles Digitalisierungsprojekt den Nachlässen der Motorsportfotografen Artur Karl Fenzlau und Erwin Josef Jelinek. Es ist eine einzigartige Sammlung zum Motorsport in Österreich und im Ausland in der Zeit von 1927 bis 1983. Die Materialien bestehen größtenteils aus Filmen, ergänzt um Glasnegati-

ve sowie Autogrammkarten und Rennprogramme. Im Internet sind insgesamt 160.000 Fotos sowie die kompletten Rennprogramme mit rund 10.000 Seiten veröffentlicht. Die Digitalisierung solch unterschiedlicher Materialien erfordert aber oftmals den Einsatz verschiedener Scansysteme und eine entsprechende Qualifikation für die Bedienung. Für die digitale Erfassung der Bestände ab 1945, die überwiegend gerollte Kleinbildnegative umfassen, setzte das Technische Museum zum Beispiel einen Spezialscanner ein, der von einem


sioneller Scanner. Das drückt sich bereits im Namen, Zeutschel ScanStudio, aus. Technisch betrachtet besteht das Zeutschel ScanStudio aus einem Kamerasystem mit Wechselobjektiven, einer speziellen LED-Beleuchtung, Aufnahmetischen und -halterungen für die unterschiedlichsten Originale sowie einer Software für die Gerätesteuerung und Bildverarbeitung.

„Werden alle Fragen mit ‚Ja’ beantwortet, kommt am Zeutschel ScanStudio keiner mehr vorbei“, ist sich Horst Schmeissing sicher. Unterschiedlichste Materialien – ein System

Doch welche konkreten Vorteile bietet das System in der Praxis?

Das Zeutschel ScanStudio ist als All-inOne-System für die Digitalisierung in Museen konzipiert. Die Kamera erzielt die gleich hohe Bildqualität in allen Einsatzsituationen – von der Briefmarke bis hin zur Landkarte im A1-Format.

„Das Zeutschel ScanStudio berücksichtigt die Sichtweisen der wichtigsten Museumsakteure: Die Sicht des Museumsdirektors, der an einem effizienten Ablauf interessiert ist und die Kosten immer im Blick behält; die Sicht des Kurators, für den eine schonende Behandlung besonders wichtig ist und die Sicht der Sammlungsverantwortlichen, die sich die digitalen

Die digitale Aufnahme erfolgt berührungslos von oben. Für die schonende Behandlung der Materialien liefert Zeutschel einen Durchlichttisch mit speziellen Halterungen zum Fixieren und gleichzeitigen Schutz von Filmen, Glasnegativen und Dias. Mit den angebotenen Buchwippen lassen sich auch sehr fragile Bücher und Manuskripte in größter Sorgfalt digitalisieren.

Abbilder in höchster Qualität wünschen“, antwortet Horst Schmeissing.

Die hohe Abbildungsqualität des Systems führt zudem dazu, dass die Materialien nur einmal gescannt und damit auch nur einmal ausgehoben werden müssen.

externen Fotolabor in den MuseumsRäumlichkeiten betrieben wurde. „Der mit der Digitalisierung verbundene Aufwand und die dafür notwendigen finanziellen und personellen Investitionen stellen für viele Museen eine große Herausforderung dar“, erklärt Horst Schmeissing, Vertriebsleiter der Zeutschel GmbH. System für die Digitalisierungsaufgaben von Museen Das Tübinger Unternehmen ist Weltmarktführer bei Scansystemen für gebundene Dokumente wie Bücher, Zeitschriften und Manuskripte – und in Bibliotheken und Archiven ein gefragter Partner. „Der Trend zur Digitalisierung“, so Horst Schmeissing, „hat im gesamten kulturellen Umfeld die nächste Stufe erreicht“. So stehen jetzt zunehmend auch andere Originale – wie Filme, Dias und Münzen – im Fokus und damit auch die Museen als Träger für Digitalisierungsaufgaben. „Zeutschel arbeitet deshalb seit Jahren an einer Lösung, die den Herausforderungen im Museumsbereich gerecht wird und die Digitalisierung in Museen voranbringt“, sagt Horst Schmeissing. Herausgekommen ist ein System, dass das Beste aus zwei Welten miteinander vereint, die Welt der Studiofotografie mit der Welt profes-

Sein Verkaufsteam hat deshalb vier Fragen entwickelt, die er interessierten Institutionen stellt: Suchen Sie nach einer Digitalisierungslösung, - die unterschiedlichste Originale scho nend erfasst?, - die eine originalgetreue digitale Abbil dung ihrer Materialien erzeugt?, - die maximale Flexibilität und Zukunfts sicherheit bietet?, - und dabei noch einfach zu bedienen ist und ein sehr gutes Preis-/Leistungs verhältnis aufweist?

Linke Seite, oben: ScanStudio - für die Digitalisierungsaufgaben in Museen konzipiert. Unten: Sieht aus wie das Original – eine Ikone mit dem Zeutschel System digitalisiert. Rechts: Horst Schmeissing ist Vertriebsleiter bei der Zeutschel GmbH. Rechte Seite, oben: Beim Zeutschel ScanStudio kommen hochauflösende digitale Rückteile von PhaseOne zum Einsatz. Unten: Scan von der Ikone.

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der digitalen Abbildung sichtbar werden. Langfristig einsetzbar Das Zeutschel ScanStudio ist komplett modular konzipiert. Wachsen die Anforderungen oder kommen neue Aufgaben hinzu, lässt sich das Gerät jederzeit erweitern und aufrüsten. „Das Zeutschel ScanStudio setzt einen neuen Standard in Punkto Flexibilität und Zukunftssicherheit. So wird es zu einem Werkzeug für die Digitalisierung von heute und von morgen“, erklärt Horst Schmeising.

Preis relativiert sich schnell, wenn man langfristig denkt und die Mehrwerte des Systems in die Kalkulation einbezieht. Horst Schmeissing: „Mit nur einem System verarbeiten Museen die große Mehrheit ihrer Bestände, erzielen dabei einen deutlich höheren Durchsatz als andere Scanner oder Reprokameras und sind für zukünftige Aufgaben bestens vorbereitet.“ Entsprechend liegen die Produktionskosten in einem konservativen Szenario pro Scan im niedrigen einstelligen Cent-Bereich. Weitere Hilfestellung

Scharf wie ein Adlerauge

Produktionskosten im Cent-Bereich

Das Zeutschel ScanStudio übertrifft bestehende Normen und Standards in der Bildqualität und erzeugt detailreiche, farbtreue und kontrastreiche Bilder.

Hohe Funktionalität und Abbildungsqualität gehen beim Zeutschel ScanStudio Hand in Hand mit einer einfachen Bedienung. So

Die Unterstützung von Zeutschel für die Digitalisierung in Museen hört mit dem ScanStudio nicht auf. So werden die digitalen Abbildungen

Auch bei sehr schwierigen Materialien werden außergewöhnliche Bildergebnisse erzielt. Ein Beispiel dafür ist die so genannte ‚Perfect Book’-Funktion. „Wer schon einmal eine dicke Seite aus einem Buch scannen wollte, kennt das Problem: Aufgrund der Wölbung des aufgeschlagenen Buches sind die Buchstaben in der Mitte verzerrt und schwer lesbar“, erklärt Horst Schmeissing das Problem. Die ‚Perfect Book’-Funktion verhindert das: Die zum Buchfalz hin gestauchten Buchstaben werden in der Aufnahme exakt gerade ausgerichtet. Eine weitere Eigenschaft des Systems ist es, auch „Verborgenes“ zu erfassen. So können zum Beispiel Negative in dunklen Bildbereichen weitere Informationen enthalten, diese sind aber oft mit bloßem Auge nicht erkennbar. Das System ermöglicht hier eine saubere Schattentrennung, sodass selbst schwächste Details in

enthält die Software zum Beispiel vordefinierte Aufnahmeeinstellungen. Werden diese aktiviert, fährt der Kamera-Kopf automatisch in die richtige Position und der Anwender erhält präzise Anweisungen zu den Systemeinstellungen. „Auf diese Weise lassen sich immer wiederkehrende Digitalisierungsaufgaben auch von nicht-professionellen Anwendern einfach und sicher durchführen – und das mit gleich hoher Qualität“, betont Horst Schmeissing. Der Preis des Zeutschel ScanStudios liegt über denjenigen professioneller Scan- und Kamerasysteme. Der vermeintlich höhere

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nach der Erfassung in der Regel weiter verarbeitet; zum Beispiel mit Metadaten ergänzt, in Dateien verwandelt, die sich bequem nach Schlagworten durchsuchen lassen, und am Ende für die Präsentation im Internet vorbereitet. Für diese Arbeitsschritte gibt es mit „Kitodo“ eine leistungsfähige Softwarelösung auf Open Source-Basis. Zeutschel hilft Museen bei der Installation und dem Betrieb von Kitodo und erweitert den Funktionsumfang mit eigenen Modulen. Und für die Präsentation der wertvollen Sammlungen im eigenen Haus hat Zeutschel zwei interessante Lösungen im Programm. Der ZED 10 3D Foyer bietet ein Linke Seite. Oben, mitte: Selbst bisher ‚verborgene’ Bildinformationen werden nach der Digitalisierung sichtbar. Alle Fotos: © Zeutschel.


Das Zeutschel ScanStudio: Scanner und Fotostudio in einem.

3D-Erlebnis für Bücher und Objekte. Mit Gesten kann man in Bücher blättern und sich wertvolle Einbände näher anschauen oder wertvolle Objekte von allen Seiten betrachten. Der TouchInfoPoint ist ein Multitouch-Display zur Präsentation individueller Inhalte wie Fotos, Videos oder Dokumente. Die Inhalte lassen sich ohne Programmierkenntnisse in das System einpflegen, die Bedienung durch die Museumsbesucher ist einfach und intuitiv. Auf der Exponatec: Halle 3.2 / E058

Zeutschel GmbH Heerweg 2, D-72070 Tübingen-Hirschau Tel. +49 - (0) 7071 - 9706 - 0 info@zeutschel.de

Technische Details Zentrale technische Komponenten des Zeutschel ScanStudios sind das Kamerasystem mit digitalen Rückteilen von PhaseOne und ein Beleuchtungssystem, das speziell für die Digitalisierung gedacht ist. Die von dem System angebotenen 50 oder 100 Megapixel Auflösung werden vollständig aufgelöst und nicht per Software nachträglich hochgerechnet. Das Ergebnis sind scharfe und rauscharme Bilder, die auch feinste Details originalgetreu wiedergeben. Jedes perfekte Bild benötigt zudem die richtige Beleuchtung. Das Zeutschel ScanStudio setzt kein Blitzlicht ein, sondern eine sogenannte ErgoLED-Beleuchtung mit

zwei flexibel einstell- und regulierbaren LED-Lampen. Über die Soft-Dimm-Automatik wird die Beleuchtungsstärke nur bei dem tatsächlichen Scan kurz erhöht und danach sofort wieder in den gedimmten Zustand zurückgefahren. Das schont die Vorlagen und verhindert, dass der Anwender bei der Bedienung geblendet wird. Zu der Vielzahl an Aufnahmesystemen gehört ein Durchlichttisch bis zum A2-Format, dazu passende Halterungen für Filme von Kleinbild bis 8x10“ und für Glasnegative, Buchwippen mit und ohne Glasplatte sowie ein Aufnahmetisch für A1-Formate. www.zeutschel.de/de/produkte/ scanstudio

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Ausstellungen und Termine Mittelrhein-Museum Koblenz ANDREAS ACHENBACH – Revolutionär und Malerfürst Laufzeit: 14. Oktober 2017 – 18. Februar 2018 Eröffnung: Freitag, 13. Oktober 2017, 19 Uhr Andreas Achenbach (1815 – 1910) vereint wie kein anderer Düsseldorfer Maler die Gegensätze und Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. Bereits als 30-jähriger Künstler wurde er als „Meteor am Himmel der Landschaftsmalerei“ bezeichnet, seine Themenvielfalt und technische Versiertheit faszinierten das Publikum bis ins 20. Jahrhundert hinein. Frühe Reisen – als Kind bereits nach St. Petersburg, später nach Skandinavien, England, Holland, Italien – prägten sein visuelles Gedächtnis. In seiner künstlerischen Entwicklung spiegelt sich die Kunstgeschichte eines ganzen Jahrhunderts: Von der frühen romantischen Landschaft bis hin zum späten realistischen Industriebild. Das gemalte Licht wurde bei ihm zu einem Markenzeichen, das er im Spätwerk mit fast impressionistischen künstlerischen Mitteln perfektionierte. Trotz aller Konzentration auf das Künstlerische – in dem er als wahrer ‚Malerfürst’ gefeiert wurde – blieb er Zeit seines Lebens seiner freiheitlichen Gesinnung treu. Intensiv setzte er sich zeichnerisch mit den politischen Unruhen von 1848/49 auseinander, die er mit einer schonungslosen Offenheit karikierte. Sein scharfer Beobachtungsgeist und eine pointierte Bildsprache lassen ihn zu einem unmittelbaren Augenzeugen der 1848er Revolution werden. Diese Karikaturen gehören zu den faszinierenden Neuentdeckungen seines Werkes. Sie bestechen durch ihre auch heute noch ungebrochene Aktualität, in der mit schonungsloser Offenheit die sozialen Gegensätze aufgezeigt werden. So stand für Achenbach stets der Mensch auch im Mittelpunkt seiner Kunst – seine Landschaften sind vom Menschen geprägt, nur durch den Menschen erlebbar und ohne ihn nicht denkbar. Es findet sich kaum ein Bild, in dem nicht Spuren menschlichen Wirkens in die Landschaft eingebunden sind.

Achenbach, der 1861 als „Herrscher über Land und Meer“ bezeichnet wurde, war auch als Kunstagent höchst erfolgreich: Er war nicht nur bereits ab 1832 in deutschen Ausstellungen vertreten, sondern stellte ab den frühen 1850ern auch in Europa und den USA aus. Alle im Mittelrhein-Museum Koblenz gezeigten Werke stammen aus einer süddeutschen Privatsammlung und dokumentieren erstmals zusammenhängend sämtliche künstlerischen Bereiche Achenbachs: Gemälde, Aquarelle, Ölstudien, Karikaturen, Druckgrafik, Skizzenbücher sowie persönliche Dokumente und Auszeichnungen. Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit dem Museum LA8 in Baden-Baden. Begleitband zur Ausstellung: „Andreas Achenbach – Revolutionär und Malerfürst“, hrsg. von Wolfgang Peiffer und Matthias Winzen; 320 Seiten, Athena-Verlag Oberhausen. In der Ausstellung 19 Euro. Foto oben: Andreas Achenbach, Große Marine mit Leuchtturm, 1836, Öl auf Leinwand, Privatsammlung. © LA8 Baden-Baden

Mittelrhein-Museum Koblenz Gottes Wort in der Sprache des Volkes. Luthers Bibel und andere frühe Bibelübersetzungen in Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts Laufzeit: 21.Oktober 2017 – 14. Januar 2018 Eröffnung: Freitag, 20. Oktober 2017, 19 Uhr Zu den bis heute reichenden Wirkungen des Reformators Martin Luther gehört seine Bibelübersetzung, die die deutsche Sprache maßgeblich geprägt hat. Doch die Idee von „Gottes Wort in der Sprache des Volkes“ wurde keineswegs von Luther erfunden. Aus Anlass des 500. Reformationsjubiläums 2017 zeigt das Mittelrhein-Museum eine hochrangige Auswahl früher Bibelübersetzungen in zeitgenössischen Drucken. Die Besucher sollen einen Einblick in die Vielfalt volkssprachlicher Bibelübersetzungen erhalten. Dabei soll der historische Zusammenhang zwischen Reformation und der Bibellektüre von Laien erkennbar werden. Durch den Vergleich einzelner Textstellen wird überhaupt erst die Schwierigkeit und Herausforderung deutlich, die eine Bibelübersetzung darstellt. Nicht zuletzt wird die Aufmerksamkeit auf die handwerkliche und gestalterische Qualität früher Drucke gelenkt. Highlights sind etwa

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die Delfter Bibel von 1477 und die deutsche Bibel aus Nürnberg von 1476/77. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Bibliothek des Priesterseminars Trier, der Bibliothek des Görres-Gymnasiums in Koblenz und der Stadtbibliothek Koblenz. Mittelrhein-Museum, Zentralplatz 1, 56068 Koblenz, www.mittelrhein-museum.de Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr


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Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt Autorin: Sonja Mohr 26


Wie gestalten Menschen zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Teilen der Welt ihr Leben? Was verbindet uns mit Menschen und ihren Lebensentwürfen anderswo? Mit dem Themenparcours „Der Mensch in seinen Welten“ lädt das Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt in Köln zu einer ebenso verblüffenden wie erkenntnisreichen Entdeckungsreise ein. Das Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt (RJM) ist das einzige ethnologische Museum seiner Art in Nordrhein-Westfalen. Es präsentiert eine hochkarätige Auswahl an Exponaten aus dem rund 70.000 Objekte und über 100.000 historische Fotografien umfassenden Sammlungsbestand aus Ozeanien, Afrika, Asien, Amerika und Europa. Die Ausstellungskonzeption wurde 2012 mit dem Museumspreis des Europarates – dem Oscar der Museumsbranche – ausgezeichnet. Sie verzichtet auf die lange Zeit übliche Einteilung in geografische Großräume und greift stattdessen Themen auf, die Menschen überall auf der Welt bewegen, denen sie aber je nach regionaler und kultureller Prägung auf jeweils eigene Weise begegnen. Der Kulturen vergleichende Ansatz betont das gleichberechtigte Dasein und die Ebenbürtigkeit aller Kulturen und vermittelt Denkanstöße und Dialogansätze. Das Einbeziehen unserer eigenen Kultur in die vergleichende Betrachtung trägt zur Relativierung des eigenen Standpunktes bei. Kulturen vergleichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen − ein modernes Ausstellungskonzept zur Förderung von Toleranz, das Spaß macht und Neugier weckt.

Ein im großzügigen, Licht durchfluteten Foyer ausgestellter historischer Reisspeicher von der Insel Sulawesi, Indonesien, ist das größte Exponat des Hauses und sein Wahrzeichen: Er spricht sämtliche Themen des Ausstellungsparcours „Der Mensch in seinen Welten“ exemplarisch an und steht pars pro toto für das RJM. Foto: © Guido Schiefer

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Themenparcours „Der Mensch in seinen Welten“ Auf 3.600 Quadratmetern Ausstellungsfläche erleben Sie, wie vielfältig die Kulturen der Welt mit Themen wie Wohnen, Glaube oder Identität agieren. Der Themenparcours ist in zwei Bereiche gegliedert: „Die Welt erfassen“ und „Die Welt gestalten“. Im ersten Themenkomplex „Die Welt erfassen“ geht es um den Blick Europas auf andere Kulturen wie er sich z.B. in Reiseberichten, in der Kunst oder in Museen widerspiegelt. Begegnung und Aneignung: Grenzüberschreitungen Reisende verkörpern im 19. Jahrhundert die Sehnsucht des weltläufigen Bildungsbürgers nach Horizonterweiterung durch kulturelle Begegnungen fern der Heimat. Hier erfahren Sie auch, was es mit dem Namen des Hauses auf sich hat: Die Privatsammlung des 1852 in Köln geborenen Forschungsreisenden Wilhelm Joest bildet den Grundstock der Museumssammlung. Er hinterließ seiner Schwester Adele Rautenstrauch 3.500 Objekte aus aller Welt, die sie zusammen mit ihrem Mann Eugen 1899 der Stadt Köln stiftete. Der verstellte Blick: Vorurteile Vorurteile sind weltweit verbreitet. Sie dienen unter anderem dazu, das „Fremde“ in das eigene Weltbild einzuordnen und sich gegenüber dem „Anderen“ abzugrenzen. Vordergründig sind es Urteile über andere, die indirekt meist eine Aufwertung des Eigenen ermöglichen. Die Welt in der Vitrine: Museum Ethnologische Museen spiegeln die Begegnung mit anderen Lebenswelten in ihren Sammlungen; sie bewahren und erforschen materielle Zeugnisse von Gesellschaften aus aller Welt und vermitteln in Ausstellungen Sichtweisen auf Kulturen. Im Raum „Museum“ stellt das RJM beinahe alle Objekte aus, die es aus dem Massim-Gebiet in der Sammlung hat. Doch was sagen diese Exponate eigentlich über das Leben der Menschen im Massim-Gebiet aus? Erzählen Sie uns nicht viel mehr etwas über die Sammler der Zeit?

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Oben: Ein opulent inszeniertes Gamelan-Musikinstrumentenensemble von der Insel Java, Indonesien, stimmt Sie auf Ihr Museumserlebnis ein. Foto: © Atelier Brückner/Michael Jungblut. Unten: Im Klischee-Container werfen Sie einen kritischen Blick auf Vorurteile gegen Menschen aus Afrika, erfahren etwas über deren Herkunft sowie Gegenargumente. Foto: © Martin Claßen und Arno Jansen, Köln

Rechts: An dem vierteiligen Museumstisch können Sie Expertinnen und Experten der Forschung und Restaurierung über die Schultern gucken. Foto: © Atelier Brückner/Michael Jungblut.


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Links: Blick in den Raum „Ansichtssachen?!: Kunst“. Foto: © Atelier Brückner/Michael Jungblut. Unten: Im Zentrum des Salons steht ein großer interaktiver Tisch, auf dem eine Weltkarte abgebildet ist. Animierte Projektionen visualisieren die weltweiten Vernetzungen auf unserer Erde, beispielsweise die Migrationswege von Menschen oder die Produktionsreise eines T-Shirts. Foto: © Atelier Brückner/Michael Jungblut. Rechts: Mit Kleidung und Schmuck positionieren sich Individuen in der Gemeinschaft; die eigene Inszenierung kann vielfältige Botschaften vermitteln. Foto: © Atelier Brückner/Nikolai Wolff.

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Ansichtssachen?!: Kunst Die rein ästhetische Wahrnehmung von Artefakten ist eine weitere Möglichkeit, sich fremden Kulturen zu nähern; bei dieser vom europäischen Kunstverständnis geprägten Sicht tritt der ursprüngliche funktionale Kontext des Werkes in den Hintergrund. Im RJM können Sie selbst entscheiden: Genießen Sie die pure Schönheit und Ästhetik der künstlerischen Highlights oder beleuchten Sie auf Knopfdruck die Geschichte hinter dem Objekt. „Die Welt gestalten“ bezeichnet den zweiten großen Themenkomplex, der mit fünf Abteilungen vielfältige Einblicke in

Formen der Lebensgestaltung in Raum und Zeit vermittelt und Sie so mit verschiedenen Lebensentwürfen vertraut macht. Warum war das Leben im Tipi so praktisch? Weshalb trugen Maori Tätowierungen und tun es wieder mehr? Welchen Sinn haben Ahnenfiguren?

Mohamed Kariman im Niger und Lukas Bimiscec in Westneuguinea berichten über moderne und traditionelle Wohnformen in ihren Heimatländern.

Lebensräume, Lebensformen: Wohnen

Kleidung dient nicht allein als Schutz vor Klima und Umwelt, sondern ist in ihrer Gestaltung auch eng mit kulturellen Normen verbunden. Mit Kleidung, Accessoires und Körperverzierung geben Menschen überall auf der Welt Auskunft darüber, welche Position sie innerhalb ihrer Gemeinschaft haben oder haben möchten.

Der Wohnraum bildet häufig den Lebensmittelpunkt eines Menschen, er prägt seine Identität. Überall haben Menschen passend zu ihrer Umwelt und ihrer sozialen Struktur unterschiedliche Wohnformen entwickelt. Gülcan Emge in der Türkei, Clifford Crane Bear in Kanada,

Der Körper als Bühne: Kleidung & Schmuck

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In weiß ist die Abteilung „Tod und Jenseits“ gehalten. Denn in vielen Kulturen wird der Tod eben nicht mit schwarz, sondern mit der Farbe Weiß assoziiert. Am Beispiel eines mexikanischen Altars können Sie aber auch sehen, wie farbenfroh Totengedenken aussehen kann. Foto: © Atelier Brückner/Nikolai Wolff.

Der inszenierte Abschied: Tod und Jenseits Der Tod trifft jeden − als Sterblichen und Hinterbliebenen. Er ist eine Zäsur im Leben der Gemeinschaft, eine Krisensituation, die Menschen überall auf der Welt mithilfe kulturspezifischer Rituale zu überwinden suchen. Vielfalt des Glaubens: Religionen Religion ist grundlegender Ausdruck von Weltbildern. Woher kommt der Mensch? Und wohin geht er? Gibt es eine höhere Macht, die sein Geschick leitet? Existiert ein Leben nach dem Tod? Seit Urzeiten versucht der Mensch, Antworten auf existenzielle Fragen wie diese zu finden. Auf der Suche nach dem Wesen des Seins beschäftigen ihn vor allem die Phänomene, die über seine sinnliche Erfahrung hinausweisen. ZwischenWelten: Rituale Menschen führen Rituale religiöser Art durch, um übernatürliche Kräfte zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Masken spielen hierbei häufig eine zentrale Rolle. In diesem Raum erfahren Sie mehr über Sinn und Zweck von Ritualen und können zudem die schönsten Masken aus der Sammlung des RJM bestaunen.

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Blickpunkt im RJM Die Umwidmung des ehemaligen JuniorMuseums bietet dem RJM und dem Museumsdienst Köln seit Ende April 2017 die Möglichkeit, auf 200 Quadratmetern mit experimentellen Vermittlungs- und Ausstellungsformaten das Profil des Hauses zu erweitern: Wüste – Meer – Schöpfermythen. Aboriginal Art der Spinifex und der Yolŋu Vom 10. November 2017 bis zum 4. März 2018 widmet sich das RJM zum ersten Mal in einer eigenen Ausstellung zeitgenössischer Kunst der australischen Aborigines. Mit Arbeiten aus gleich zwei führenden Künstlerkooperativen, dem Spinifex Arts Project (aus der Wüste Westaustraliens) und dem Buku-Larrŋgay-Mulka Centre (aus dem nordöstlichen, am Meer gelegenen Arnhemland) ist die Freiburger Galerie ARTKELCH in Köln zu Gast. Stilistisch gegensätzlicher könnte die Kunst aus den beiden Regionen Australiens nicht sein. Unabhängig voneinander haben Künstlerinnen und Künstler beider Kunstzentren ihre Malerei schon früh politisch eingesetzt, um tausende Jahre alte Land- und Seerechte gegen die bis heute fortwährende Enteignung durchzusetzen.

„Der Wilde schlägt zurück“ – Kolonialzeitliche Europäerdarstellungen der Sammlung Lips Julius Lips‘ Buch „The Savage Hits Back“ schlug in den 1930er Jahren hohe Wellen. Dieses erste kolonialkritische und in Teilen offen antifaschistische Buch über die Kunst der „Anderen“ verfasste Lips im US-Amerikanischen Exil. Er zeigt darin, wie Künstler aus den Kolonien Europäer darstellten. Kaum bekannt ist bisher, dass die Objekte und Fotografien aus der Sammlung des ehemaligen Kölner Museumsdirektors Lips im Depot des RJM schlummern. Vom 16. März bis 3. Juni 2018 werden sie nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Sie stehen im Mittelpunkt der Ausstellung und machen die unterschiedlichen Perspektiven auf Kolonialgeschichte sichtbar. Die Schau verortet zudem Lips‘ bis heute kontrovers diskutierte Biographie im historischen Kontext. Öffnungszeiten: Di-So 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Eintrittspreise: 7 €, ermäßigt 4,50 €. Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln Telefon 0221-221-31356 rjm@stadt-koeln.de www.museenkoeln.de/rjm


TICKET - DRUCKEREI

S O U V E R Ä N S O F T WA R E

Herstellung attraktiver und funktioneller Eintrittskarten

Software für Verwaltung, Ticketing und Besuchermanagement

K O N TA K T H E R S T E L L E R

TECHNIK EXZELLENZ

Webshops für Online- und Mobile-Ticketing

Kassen, Thermodrucker, Zutrittskontrolle, Info- & Ticket-Terminals

PRAXIS BEDEUTUNG Wer täglich mit Besuchern zu tun hat, weiß es zu schätzen, wenn Dinge zuverlässig und praxisgerecht funktionieren – die Kasse, das Ticket, die Besucherinformation, der Shop, die Zutrittskontrolle, die Management-Software. Deshalb messen wir den Erfahrungen unserer Kunden höchste Bedeutung zu und lassen diese in allen Bereichen permanent einfließen. Wir freuen uns auf gute Gespräche mit Ihnen auf unserem Messestand auf der Exponatec Cologne, Halle 3.2., Stand C079.

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Alles neu im DDR-Museum Ein Erfahrungsbericht Autoren: Florian Rogge, Gordon Freiherr von Godin (Direktor)

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Alltag in der DDR – ein Besuchermagnet

Jahren unter den Top 10 der beliebtesten Museen der Hauptstadt.

und somit auf die Darstellung der Inhalte auf kleineren Bildschirmen zu legen.

Das DDR Museum ist ein privat geführtes Museum im Herzen Berlins, welches durch innovative interaktive Konzepte seinen Besuchern das Leben und den Alltag in der DDR an 365 Tagen im Jahr näherbringt. Für seine außergewöhnliche Ausstellungskonzeption wurde das DDR Museum bereits zweimal für den European Museum of the Year Award nominiert. Direkt an der Spree, gegenüber vom Berliner Dom und in unmittelbarer Umgebung zur Museumsinsel gelegen, gehört es zu den zwanzig besucherstärksten Sehenswürdigkeiten Berlins und ist seit

Mobile First – Konzentration auf die mobile Nutzung von Inhalten

Vom Relaunch zur Systemumstellung – Erweiterung der Perspektive

Das DDR Museum hat bereits 2016 entschieden die Webseite komplett neu zu gestalten. Zum einen, um der stark gestiegenen mobilen Nutzung Rechnung zu tragen, zum anderen, um die Attraktivität des Museums auch in der Außendarstellung zu erhöhen. Zielstellung war, eine einfachere klare Darstellung der Inhalte der Webseite umzusetzen, eine verständliche Bedienung zu etablieren und den Gestaltungsfokus auf die mobile Nutzung

Ende 2016 entwickelte sich im Zuge der Planung des Relaunches der Website der Wunsch, nicht nur die Berührungspunkte mit dem Besucher im Web zu optimieren. Eines der zentralen Argumente für diese Erweiterung der Perspektive war der Wunsch des Museums Kooperationen mit Partnern eingehen zu können. Dies war mit der vorhandenen Systemlandschaft nur eingeschränkt möglich. Im Februar 2017 fiel letztlich die Entschei-


dung, auch eine Systemumstellung der Kassen-, Ticket- und Buchungsdatenbanken aktiv anzugehen. Im Zuge dieses Entscheidungsprozesses wurde sich intensiv mit der Kompatibilität der vorhandenen Hard- und Softwarebestandteile und der neu einzuführenden Bestandteile auseinandergesetzt. Eine intensive Marktsichtung ergab geeignete Anbieter, die ihre Lösungen im nächsten Schritt dem DDR Museum vorstellten. Die Systemumstellung – Entscheidung für starke Partner Nach sorgfältiger Analyse erfolgte die Entscheidung für die Besuchermanagementsoftware go~mus von Giant Monkey Software Engineering GmbH in Verbindung mit Korona Kassensystemen und Warenwirtschaft der Combase AG. Ende März 2017 startete die Vorbereitung der Server. Zeitgleich wurden in Workshops mit den betreffenden Mitarbeitern der Kasse und aus der Abteilung Besucherbetreuung die Anforderungen an die Software sowie das Besuchermanagement- und Kassensystem erarbeitet. Ein besonderes Augenmerk lag auf den Aspekten der Kassenführung wie z.B. der Abrechnung, dem Berichtswesen, dem Controlling und den Steuern.

zuständigen Abteilungen des Museums lieferten Inhalte und Gestaltungsvorschriften für die Vorlagen die für die Kommunikation mit Kunden, Guides und Benutzern verwendet werden, um diese zu verschlanken, zu modernisieren und zu verbessern. Im gleichen Atemzug wurden auch die Strukturen des eigenen Angebots, sprich Kunden und Angebotskategorien, Rabatte und Preisstrukturen analysiert und in Teilen überarbeitet. Die Bewältigung war für die Projektmanager parallel zum Tagesgeschäft nur mit Überstunden zu leisten. Rückblickend stellt dies den größten Schmerzpunkt des Projektes dar. Migration von Bestandsdaten – Das Alte nicht verlieren Eine große Herausforderung eines Systemwechsels ist immer der Umgang mit Bestandsdaten. Hier mussten Daten mehrerer Systeme in das neue zentrale System go~mus überführt werden. Hierzu wurden die Daten analysiert, harmonisiert und letztlich in das neue System überführt. So wurde sichergestellt, dass Buchungen für Tickets und Bildungsangebote, die noch in den alten Systemen erfolgten, auch im neuen System akzeptiert werden.

Vorbereitung – Aufwand höher als erwartet

Anbindung bestehender Systeme – Das Gute erhalten und Kosten sparen

Trotz der abteilungsübergreifenden Zuarbeit durch das Museum wurde schnell klar, dass der Systemwechsel mehr Aufwand erzeugt, als erwartet wurde. Die

Sowohl im Bereich der Kassen, als auch im Bereich der Eintrittsanlage war das Ziel die Kosten gering zu halten, indem vorhandene Hardware weiter genutzt

Onine-Shop für Tickets des DDR-Museums auf einem Smartphone Foto: © DDR Museum, Berlin 2017

wurde. Die Combase AG konnte dies im Bereich der Kassen gewährleisten, da Korona.pos, die Kassensoftware der Combase AG nicht auf spezifische Hardware angewiesen ist. Im Bereich der Eintrittsanlage konnte die Weiternutzung

Linke Seite, oben: Außenansicht des DDR-Museums Links: Die weltweit einzigartige Trabi-Fahrsimulation Fotos: © DDR Museum, Berlin 2017

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durch gemeinsame Anstrengungen von Giant Monkey und Portalum gewährleistet werden. Seitens Giant Monkey wurde die Schnittstelle angepasst und seitens Portalum wurde die Unterstützung von 2D Barcodes integriert, auch um die Kooperation mit Wiederverkäufern in der Zukunft zu ermöglichen. Start – Auf Los geht´s los Am 1. Juni 2017 startete das Museum mit dem neu eingerichteten Gesamtsystem aus Besuchermanagementsoftware, Kassensystemen, Online-Shop für Tickets und der Schnittstelle zur Eintrittsanlage. Die Gäste des DDR Museum konnten problemlos eintreten und nur wenige Herausforderungen mussten hinsichtlich Voucher-Tickets gemeistert werden. Hierfür wurden unkompliziert temporäre Lösungen gefunden, welche für den Besucher kaum als Hürde für einen komfortablen Besuch wahrgenommen wurden. Erstes Fazit – Erfolg oder Fehltritt Nach nunmehr vier Monaten seit dem Abschluss des Systemwechsels kann ein erstes Fazit gezogen werden. Der Online-Shop zeigt deutlich höhere mobile Nutzung und der Anteil der online gekauften Tickets ist um 22% gestiegen. Im Besucherservice sind vier Monate nach dem Systemwechsel mittlerweile alle Nutzer an die neuen Prozesse gewöhnt. Gruppenbuchungen direkt an der Kasse vornehmen zu können, hat die Zahl der gebuchten Gruppenführungen merklich gesteigert. An der Kasse werden die Effekte des Systemwechsels ebenfalls langsam sichtbar, so wurde die Zuverlässigkeit der Eintrittsanlage wesentlich gesteigert, Ausfälle gehören fast der Vergangenheit an. Ausblick – Dynamische Weiterentwicklung im Sinne der Effizienz Die neu konzipierte Website, das Kassensystem, das Online-Ticketing, der Produkt

Oben: Der Multitouch-Tisch Mitte: Besucher öffnen Klappen und Schubladen Unten: Die weltweit einzigartige Trabi-Fahrsimulation Rechte Seite, oben: WBS 70-Plattenbauwohnung Fotos: © DDR Museum, Berlin 2017

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Shop sowie unser Besuchermanagement System sollen stetig weiterentwickelt werden. Das nächste geplante Update unserer Partner Giant Money und Combase versetzt das DDR Museum ab September 2017 u.a. in die Lage, den Monatsabschluss für den Steuerberater noch effizienter zu gestalten. Eine weitere wichtige Anforderung des Museums an das System ist die Umsetzung geeigneter Schnittstellen mit vielen unterschiedlichen Vertriebspartnern, wie visitBerlin, Getyouguide, Musement und Tiqets, um den reibungslosen Verkauf von Tickets durch diese zu gewährleisten. Hier wird das letzte Quartal 2017 genutzt werden, um deren Kunden einen nahtlosen Zugang zum Museum zu gewähren und so einen Voucher oder einen Tickettausch überflüssig zu machen. Weiterhin geplant sind die Umsetzung der Online Buchung von Gruppenangeboten und Veranstaltungen sowie die Einbindung der Warenwirtschaft der Combase AG um den Verkauf der Merchandise Artikel auch online zu gewährleisten.

Beteiligte Dienstleister Giant Monkey Software Engineering GmbH Brunnenstraße 7D 10119 Berlin +49 30 4862 54 33 giantmonkey.de gomus.de Combase AG Behringstraße 45 01159 Dresden +49 351 40500 0 combase.net korona.de Portalum GmbH Riedgasse 50 A-6850 Dornbirn +43 5572 949 525 0 portalum.eu

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Max Pechstein in Zwickau Autorin: Annika Weise

„Wände her für Max Pechstein!“ Mit dieser Forderung trat bereits 1913 der Kunstkritiker Max Raphael an die Öffentlichkeit, um für die Wandgestaltung Max Pechsteins zu werben. Seit 2014 werden in den KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum in einem eigenen Ausstellungsbereich Arbeiten aus Pechsteins gesamter Schaffenszeit gezeigt. Expressive Landschaften und Stillleben, Portraits aber auch dekorative Werke wie Glasbilder und Mosaike sowie das farbenprächtige, fast surreal wirkende Spätwerk – ein Rundgang durch das Max-Pechstein-Museum gleicht einem Streifzug durch das Lebenswerk des großen Expressionisten. „Kunst ist Steigerung des Handwerks.“ Max Pechstein, 1946 Dekorationsmaler und freier Künstler 1881 in Zwickau geboren, verbringt Max Pechstein seine Kindheit mit sechs Geschwistern in einer Arbeiterfamilie. Er besucht die Volksschule, lernt das Zeichnen und streift am liebsten durch die heimische Natur. 1896 beginnt Max Pechstein eine Lehre als Dekorationsmaler in Zwickau. Mit ausgezeichnetem Lehrzeugnis bricht der 18-Jährige nach Dresden auf. Pechstein studiert an der Kunstgewerbeschule und ab 1903 an der Kunstakademie Dekorations- und Monumentalmalerei. Seine Ausbildung wird vor allem durch die modernen Ideen der Dresdner Raumkunst-Bewegung geprägt. Zeitlebens arbeitet er als freischaffender Künstler an Wandmalereien, Deckenfresken, Glasfenstern und Mosaiken. Zudem entwirft er Bühnenbilder, Plakate und gestaltet neben bildhauerischen auch kunsthandwerkliche Objekte. Pechsteins Gespür für das Dekorative spiegelt sich unter anderem im Mosaikentwurf „Anbetung der Heiligen drei Könige“ (1917) wieder.

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„Brücke“-Mitglied und Präsident der „Neuen Secession“ 1906 tritt Max Pechstein der ein Jahr zuvor gegründeten Künstlergruppe „Brücke“ bei, die nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst sucht. Gemäß „Brücke“-Programm soll das unmittelbar und unverfälscht wiedergegeben werden, was zum Schaffen drängt. Mit ihrer spontanen Malweise, den starken, ungemischten Farben und vereinfachten Formen rebellieren die Künstler gegen akademische Regeln und bürgerliche Normen. Durch Ausstellungen im In- und Ausland steigt allmählich die Bekanntheit nicht nur der Gruppe, sondern auch von Max Pechstein. 1908 lässt sich Max Pechstein in Berlin nieder und wird Präsident der Künstlervereinigung „Neue Secession“: Der Zwickauer gehört nun offiziell der Spitze der deutschen Avantgarde an. Den Sommer des Jahres 1910 verbringt Max Pechstein mit seinen „Brücke“-Kollegen an den Moritzburger Teichen, wo er den freien Akt in der freien Natur auf Leinwand bannen kann. Die hier entste-

henden Werke bilden den Höhepunkt der „Brücke“-Kunst wie des deutschen Expressionismus gleichermaßen. „Die Freiheit ist in und um mich. Alles der Sonne zu.“ Max Pechstein, 1914

den Einheimischen. Durch den plötzlichen Ausbruch des Ersten Weltkrieges muss Pechstein jedoch seinen auf mehrere Jahre angedachten Aufenthalt früher als geplant beenden und kehrt nach Deutschland zurück, wo er zum sogleich zum Militärdienst eingezogen wird.

Orte der Inspiration: Nidden, Palau, Leba, Rowe Häufig reist der Künstler an Orte, die er als Gegenentwurf zum hektischen städtischen Treiben wahrnimmt. Max Pechstein sehnt sich nach einem ursprünglichen, einfachen Leben mit und in der Natur. Die Küste entlang der Ostsee wird letztlich zur zweiten Heimat. Seine ausdrucksstarken Bildwelten mit Landschaften am Meer und Fischer bei der Arbeit sind gemalte Visionen der beglückenden Einheit von Kunst und Leben. Einen lang gehegten Wunsch verwirklicht Max Pechstein 1914: Er reist mit seiner Frau Lotte zur Inselgruppe Palau im Südpazifik, seit 1899 deutschen Kolonie. Dort lebt und arbeitet er in engem Kontakt mit

Linke Seite, oben: Max Pechstein, Anbetung der Heiligen drei Könige, 1917. KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Linke Seite, unten: Max Pechstein, Mädchen im Walde, 1910 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Oben: Max Pechstein, Chogealls (Palau), 1917 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum © für alle Werke von Max Pechstein: Pechstein - Hamburg/Tökendorf 2017 Fotos: Fotoatelier Lorenz, Zschorlau

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Experimentierfeld: Stillleben Zeitlebens malt Max Pechstein Stillleben. In ihnen setzt er sich mit neuen künstlerischen Einflüssen auseinander. Anders als beim unmittelbaren Arbeiten in der Natur, ist beim Stillleben der Bildgegenstand im Atelier jederzeit verfügbar und schnell arrangiert. In den frühen Stillleben von

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1912 bis 1913 beschäftigt sich Pechstein mit kristallinen Strukturen und geometrischen Figuren. Nach der Südseereise und der kriegsbedingten Schaffenspause entstehen allein 1917 und 1918 mehr als zwanzig Stillleben. Diese bedeuten ihm eine kreative Zuflucht: Max Pechstein malt heimische und exotische, farbenprächtige Blumen und kombiniert sie in schlichten

Vasen mit Gegenständen aus der ozeanischen oder afrikanischen Kultur. „Habe mich in die Malerei vertieft, und erkannt, dass sie und nur sie inbrünstig geliebt, einem Alles geben kann. Wenn man bloß nicht gezwungen wäre, die Arbeiten gegen Geld einzutauschen, um zu leben.“ Max Pechstein, 1924


Linke Seite: Max Pechstein, Blumenstillleben mit Calla und Pfeifenkopf, 1917. KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Oben: Max Pechstein, Ruhende an der See, 1950 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Unten: Max Pechstein, Selbstbildnis mit Pfeife, 1946 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum, Leihgabe aus Privatbesitz Fotos: © KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum

Max Pechstein als Portraitmaler Mit kräftigen Farben setzt er vor allem Familienmitglieder, Freunde, Förderer und die von ihm geschätzten Fischer als Modelle formatfüllend ins Bild. Dabei fallen die Portraits stilistisch unterschiedlich aus und veranschaulichen die große Bandbreite des Künstlers. Auch hält er sich gern selbst im Bild fest, sein Attribut: die geliebte Pfeife. „Ich versuche nachzuzeichnen, was mir mit in vagen Träumen wiederkommt. Ich möchte meiner Sehnsucht nach beglückenden Erlebnissen Ausdruck geben.“ Max Pechstein, 1949

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Hartwig Ebersbach vor Cortège Triomphe in seinem Leipziger Atelier, 2012. Foto: © Monika Ebersbach

Das Spätwerk Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten endet die für Max Pechstein überaus erfolgreiche Zeit der 1920er-Jahre. Als „entarteter Künstler“ gerät er in den Folgejahren nicht nur finanziell in eine prekäre Situation. Verkäufe durch Ausstellungen sind kaum mehr möglich. Weitgehend zurückgezogen lebt er mit seiner zweiten Ehefrau Marta bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Pommern. 1945 kehrt Pechstein nach Berlin zurück. Dort findet er Wohnung und Atelier sowie den größten Teil seiner Werke vernichtet. Als Professor an der Hochschule für Bildende Künste Berlin gibt er seine Kunstauffassungen an die Jugend weiter. Szenen mit Booten, Badende am Meer, exotische Lebensfreude: Auch am Ende seines Lebens spielt die Farbe in seinen Gemälden die Hauptrolle. Es entstehen lichtdurchflutete Bilder. Die Erinnerungen an die Südsee verklären sich. Es bewegt

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ihn der Gedanke „… nachzuschaffen, was verloren gegangen ist.“ Hochgeehrt und mit Preisen ausgezeichnet, verstirbt Max Pechstein 1955 in Berlin. Lebendiges Erbe Max Pechstein ist nicht nur ein eigener Ausstellungsbereich gewidmet, sondern der nach ihm benannte Kunstpreis der Stadt Zwickau bildet zugleich ein „Brücke“ zur aktiv gelebten Tradition der Förderung und Würdigung der Gegenwartskunst. In diesem Jahr vergibt die Stadt Zwickau den Max-Pechstein-Ehrenpreis an den in Leipzig lebenden und 1940 in Zwickau geborenen Künstler Hartwig Ebersbach. Die Preisträgerausstellung TIME –HARTWIG EBERSBACH eröffnet am 11. November 2017 und wird bis 18. Februar 2018 zu sehen sein. Das Werk des Künstlers gehört zu den wichtigsten und eigenständigsten Positionen innerhalb der deutschen Malerei, das

bereits in der ehemaligen DDR mit seiner systemkritischen Haltung überregionale Resonanz erfahren hat. Als einer der bedeutendsten Maler seiner Generation erfuhr Ebersbach internationale Anerkennung. Bedeutend für seine Kunst waren und sind Erlebnisse, Erinnerungen, vor allem Träume und Reflexionen über die eigene Subjektivität und Individualität. Die Auseinandersetzung mit Mythen, Sagen und Märchen sind wesentlich für sein Werk wie auch die Begegnungen mit exotischen, archaischen Kulturen, die ihn neben der expressiven Malerei mit Max Pechstein verbinden.

KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Lessingstraße 1 08058 Zwickau Telefon: 03 75 83 45 10 kunstsammlungen@zwickau.de www.kunstsammlungen-zwickau.de


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Besuchen Sie uns in Halle 3.2 - Stand D088/E089

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FOTOBODEN™ im Museumseinsatz: mehr Information und Aufmerksamkeit Autorinnen: Silke Hüsgen, Eva-Maria Geef 44


FOTOBODEN™, der individuell bedruckbare Vinylboden, ist durch seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ideal für den musealen Einsatz. „Durch die hervorragende Druckqualität, wir sprechen von 1.080 dpi sprich 1,8 Milliarden Bildpunkten je Quadratmeter – nutzen viele Museen FOTOBODEN™ als reines Gestaltungselement“,

erklärt Timo Michalik, Vorstand der visuals united ag. Mit FOTOBODEN™ ist eine detailgetreue Erstellung jedes noch so individuellen Designs möglich - egal ob es aus Texten, Grafiken, Fotos oder Zeichnungen besteht. So kann FOTOBODEN™ auch als auf dem Boden aufgebrachte Informationsvermittlung dienen, dann leitet der Bo-

denbelag den Besucher durch die Ausstellung. Auch hohe Besucherzahlen machen FOTOBODEN™ nichts aus: Auch nach ein paar Monaten starker Nutzung zeigt das Oben: Antarktis: Wanderausstellung informiert auf FOTOBODEN™ über Leben und Forschen in den Polarzonen. Foto: © FOTOBODEN™

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von der visuals united ag selbst entwickelte Material keinerlei Abnutzungserscheinungen. Mit einer Versiegelung hält es sogar Jahre. Mit bis zu 3,15m breiten Bahnen sind Bodenbeläge bis zu 20 Meter an einem Stück umsetzbar. FOTOBODEN™ ist sowohl innen als auch außen an nahezu allen Orten einsetzbar, durch die 2mm dicke Schaumschicht an der Unterseite sogar auf unebenen Böden. Ein weiterer Pluspunkt: Bei Verschmutzungen reicht es, FOTOBODEN™ feucht abzuwischen. Dazu kommt eine unkomplizierte Verlegbarkeit: Einfach ausrollen, bei größeren Maßen verkleben – fertig! Bei Wechselausstellungen kann der Boden nach dem Einsatz wieder aufgerollt und für den erneuten Gebrauch eingelagert werden. Ein weiterer Vorteil: FOTOBODEN™ ist REACH-konform und zu 100% recycelbar. Erste Wahl für Wanderausstellungen: Einmal auf der Antarktis stehen FOTOBODEN™ ist die perfekte Wahl für Outdoor-Wanderausstellungen: Für das Projekt „Science on the Road“ des Alfred-Wegener-Instituts, bei der es um

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das Leben und Forschen in den Polarzonen geht, wurde eine riesige Karte der Antarktis gedruckt, die in vielen großen deutschen Städten Station macht. Das Besondere: Die gesamte Installation wird nicht nur häufig auf- und auch wieder abgebaut, sondern täglich auch von hunderten Menschen betreten. Dabei kommen die herausragenden Materialeigenschaften von FOTOBODEN™ zugute: Die hohe Widerstandsfähigkeit und Belastbarkeit des Materials sorgen dafür, dass das Material bei der letzten Veranstaltung noch so gut ausschaut wie bei der ersten. Optische Aufbereitung: Die Geschichte von C.A.R.E. Der Name dürfte den meisten bekannt vorkommen: 1945 gründeten amerikanische Wohlfahrtsverbände die „Cooperative for American Remittances to Europe“, kurz C.A.R.E. genannt. Ihr Ziel: Hilfe über ehemalige Feindeslinien hinweg als Zeichen des Friedens. Damals begann eine beispiellose Hilfsaktion: 100 Millionen Pakete wurden in ganz Europa verteilt, Deutschland erreichten davon fast zehn

Oben: Schloss Neuschwanstein: Das Original bewahren: FOTOBODEN™ schützt den kostenbaren Mosaikboden auf Schloss Neuschwanstein. Unten: Über 70 Jahre im Dienst der guten Sache: Ausstellung zeigt auf FOTOBODEN™ die Meilensteine von CARE. Rechts: Wenn eine Ausstellung – wie aktuell das Museum der Westlausitz Kamenz - die Welt die Kunst der Steinzeit zeigt, wirkt es mit einem passenden Bodenbelag aus FOTOBODEN™, der einen Höhlenboden darstellt, noch um einiges realistischer. Fotos: © FOTOBODEN™


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Millionen, gefüllt mit Lebensmitteln, Kleidung oder Werkzeugen. Die Pakete im Wert von 15 US-Dollar ernährten eine Familie für einen Monat und retten damit buchstäblich Leben. Die Tradition der Hilfe für Menschen in Not hat auch heute noch Bestand: 70 Jahre später ist CARE eine der weltweit größten Hilfsorganisationen, die in rund 90 Ländern aktiv gegen Not und Armut ist. In einer Ausstellung zum Geburtstag von CARE wurden dank FOTOBODEN™ die Meilensteine optisch perfekt herausgestellt. Der an verschiedene Platzsituation anpassbare und so flexibel gestaltete Überblick informierte kurzweilig und lud große und kleine Besucher zum Informieren ein. Schutz des Originalbodens: FOTOBODEN™ auf Schloss Neuschwanstein Schloss Neuschwanstein gehört zu den meistbesuchten Schlössern und Burgen Europas. Rund 1,4 Millionen Menschen jährlich besichtigen die Burg in Bayern, was zu einer erheblichen Belastung für die wertvolle Ausstattung führt. Besonders beansprucht durch den Besucherandrang sind die kostenbaren Bodenbeläge des Schlosses. Die Lösung, um den Original-Boden zu schützen und dem Besucher die Ornamentik des prächtigen Bodens zu zeigen: Eine Überlagerung des bauzeitlichen Bodens durch FOTOBODEN™. Hochauflösende Fotos des Thronsaal-Bodenbelags wurden zu einer riesigen Grafik zusammengesetzt. Die Druckdatei hatte eine Größe von drei Gigabyte. Nach einem halben Tag Druckzeit konnte der neue Boden angeliefert und verlegt werden. Zusätzlich wurde die gesamte Fläche versiegelt, um eine längere Haltbarkeit zu gewährleisten. „Denn 1,4 Millionen Besucher pro Jahr sind schon eine Herausforderung“, lacht Michalik. Jedoch eine, die bisher bestens gemeistert wurde: Erst nach 3 Jahren wird der Boden nun in Kürze erneut produziert. Aussage einer Ausstellung optisch unterstützen Sechs Jahrzehnte Musikgeschichte des Ruhrgebiets: Das zeigte die kunterbunte Sonderausstellung „Rock und Pop im Pott“ im Ruhr Museum Essen in der ehe-

Links: „Rock und Pop im Pott“: FOTOBODEN™ als buntes Gestaltungselement im Ruhr Museum. Die Ausstellung fand vom 5. Mai 2016 bis zum 28. Februar 2017 auf Zollverein in Essen statt. Foto: © Brigida González

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maligen Kohlenwäsche auf dem Welterbe Zollverein. Einmal mehr kann hier FOTOBODEN™ sein Können als wandelbares Gestaltungselement: Über 500 Quadratmeter des Vinylbodens unterstützten in bunten Farben und mit integrierten Schriften die intensive Aussage der Ausstellung. „Das Besondere: Die intensiven Farben stehen in einem eindrucksvollen Kontrast zu dem Industriecharakter der Zeche Zollverein und den organischen Holzwänden“, so Timo Michalik. Die ausdrucksvolle Inszenierung unterstützt perfekt den Zeitgeist der jeweiligen Exponate, zusätzlich dienten dem Besucher in die Bodengrafik eingebaute Textelemente als Orientierungssystem. Über FOTOBODEN™: FOTOBODEN™ ist ein Produkt der visuals united ag mit Sitz in Kaarst. Der europaweit patentrechtlich geschützte Vinylboden ist individuell bedruckbar und sorgt als Werbe- und Dekorationselement für eine Frequenzsteigerung am Einsatzort und somit für erhöhte Abverkaufszahlen. Eingesetzt wird er im Visual Merchandising am POS und für Messen. Auch Mu-

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seen, TV-Produktionen, Ladenbau- und Bühnenbau-Unternehmen verwenden das vielfach DIN- sowie ISO-zertifizierte Material. FOTOBODEN™ ist zu 100% recycelbar. Als führender Spezialist für bedruckte Böden bietet die visuals united ag Design, Druck sowie Produktentwicklung an.

Fotos: Der Fotoboden im Einsatz auf dem Museums-Gemeinschaftsstand „MUSEUMSWELT“ bei der ITB 2017. Über 500 Museen aus dem In- und Ausland haben museum.de ein Bild gesendet. FOTOBODEN™ hat sämtliche Motive zu einer großen begehbaren „Kulturreise“ zusammengestellt. Fotos: © Tanja M. Marotzke www.tanjamarotzke.de


Ein neuer Fotoboden für die MUSEUMSWELT 2018

visuals united ag visuals united ag An der Gümpgesbrücke 26 D-41564 Kaarst Kontakt: Heike Dömming Tel: +49 (0) 2131 53 213 45 info@fotoboden.de www.fotoboden.de

Die visuals united ag wird auch im nächsten Jahr den Fotoboden für die MUSEUMSWELT auf der ITB Berlin anfertigen. Interessierte Museen können kostenlos ein Bild zum Stand beitragen. Die Motive stehen für 2018 unter dem Motto „Das schönste oder bedeutendste Exponat in unserem Museum“. Teilnahmeberechtigt sind ausschließlich Museen aus dem In- und Ausland. Bei Interesse nehmen Sie bitte Kontakt mit museum.de auf.

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„To honor the dead while serving the living“ – Die Legion of Honor in San Francisco Autorin: Karina Sturm

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Rodins „Denker“ im Court of Honor. Foto: Photograph by Steve Whittaker, © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Ein zierlicher, dennoch sofort auffallender roter Hut mit Katzenohren bedeckt den Kopf einer Dame, ein pompöser schwarzer Hut mit Federn den einer anderen und viele weitere der 70 Gäste tragen ungewöhnliche Kopfbedeckungen. Dies alles geschieht zu Ehren Edgar Degas, der in der neuen Sonderausstellung „Degas, Impressionism, and the Paris Millinery Trade“ in San Franciscos Fine Art Museum Legion of Honor den Fokus auf besondere Hüte legt. Im großen, lichtdurchfluteten Raum des Cafés

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empfängt Max Hollein, CEO und Director des Museums die Gäste, die als erste Besucher die sechs Räume mit über 40 Degas-Gemälden und 40 Hüten bewundern dürfen. Angefangen in „Consumer Culture“, über „Degas and Millinery“, „Men’s Hats“, „Flowered and Ribboned Hats“ und „Plumed Hats“, bis hin zu „Late Milliner Work“ werden den Gästen die Stücke von den Kuratoren selbst näher gebracht. „Die Installation gewährt nicht nur neue

Einblicke in Gemälde von bekannten Künstlern wie Degas, sondern erläutert zusätzlich die soziale, ökonomische und geschlechtsspezifische Bedeutung hinter der Produktion und dem Tragen der Hüte in der französischen Kultur des 19. Jahrhunderts“, sagt Melissa Buron, Kuratorin des Museums. Degas war nicht nur fasziniert von den Frauen die die Hüte herstellten, sondern gleichermaßen von denen, die diese kauften und trugen immer mit dem Fokus auf den bunten Hüten des modernen Pariser Lebens.


Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Degas größtes Gemälde: „The Millinery Shop (1879-86)“ aus dem Art Institute in Chicago. Auf dem Bild ist eine Dame zu sehen, die eingerahmt von sechs in Pastelltönen gemalten und aus verschiedenen Materialien bestehenden Hüten sitzt und über die neueste Mode nachdenkt. Während die Gäste besonders lang vor diesem Werk verweilen, erzählt einer der Kuratoren von Röntgenbildern, welche Degas Gedanken während des Malens aufzeigen und beweisen, welche Details der Maler im Nachhinein veränderte. Ein besonderer Moment für die Kunstbegeisterten, die kurz zu einem Teil von Degas Denkprozess werden.

Links: Mary Cassatt, „Portrait of Madame J (Young Woman in Black)“, 1883. Oil on canvas, 31 1/2 x 25 in. (80 x 63.5 cm). Collection of the Maryland State Archives: The Peabody Art Collection. Rechte Seite, links oben: Degas liebte Hüte in allen Formen und Farben, wie die neue Ausstellung „Impressionism, and the Paris Millinery Trade“ in der Legion of Honor gekonnt betont. Oben rechts: Degas „Impressionism, and the Paris Millinery Trade“. Rechts unten: Edgar Degas, „The Millinery Shop“, 1879–1886. Oil on canvas, 39 3/8 x 43 5/8 in. (100 x 110.7 cm). The Art Institute of Chicago, Mr. and Mrs. Lewis Larned Coburn Memorial Collection, 1933.428. Bridgeman Images Fotos: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Über 40 Hüte kombiniert die Legion of Honor in der neuen Degas-Ausstellung mit rund 40 Gemälden des Malers. Foto: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Neben Degas ergänzen außerdem Künstler wie Pierre-Auguste Renoir, Édouard Manet, Mary Cassatt und Henri de Toulouse-Lautrec die Galerie. Die Ausstellung, die Gemälde mit bunten Hüten in allen Formen, Designs und Materialien, seien es Federn oder gar echte Vögel, kombiniert, ist die erste ihrer Art und unterstreicht, was die Legion of Honor ausmacht: Einzigartigkeit. Unter der Leitung des neuen CEO und Director Max Hollein erstrahlt das Museum seit Juni 2016 in neuem Glanz. Der Österreicher war zuvor gleichzeitig Direktor der Schirn Kunsthalle, des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung in Frankfurt am Main. Nicht umsonst wurde Holleins Arbeit 2015 mit dem Binding-Kulturpreis prämiert, denn Degas ist nur einer von vielen großen Künstlern, die dank ihm und seinem Team ihren Weg in die Legion of Honor fanden.

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Zuvor zierten rund 60 Stücke von Monet die Räume im Keller des Gebäudes. Die Ausstellung „Monet: The Early Years“ lockte unzählige Besucher in die Legion of Honor, die große Trauben vor den einzelnen Gemälden Monet’s formten. Im 15-Minuten-Takt öffnete sich die Absperrung für weitere Gäste und der schier endlose Strom schien nie abzureissen. Berührungsängste waren fehl am Platz. Wer Monet sehen wollte musste leiden und sich das ein oder andere Mal auf die Füße tapsen lassen. Hingucker wie die zwei riesigen „Das Frühstück im Grünen“-Gemälde in der Mitte des zentralen Raums waren jedoch den Aufwand wert. Und auch das berühmte „Die Elster“ war unter den Stücken zu finden. Wer sich nicht nur für Kunst, sondern auch für das Ambiente interessiert, wird sich in der Legion of Honor gut aufgehoben fühlen. Das Beaux-Arts-Architektur widerspiegelnde Gebäude im Lincoln Park ist das Museum San Franciscos das die schönste Aussicht parat hält. Mit Blicken auf die Golden Gate Bridge und den pazifischen Ozean liegt die Legion of Honor mitten im Grünen und zeigt, dass die Natur der größte Künstler ist. Alma de Bretteville Spreckels ermöglichte den Bau und die Eröffnung der Legion of Honor in 1924 und entschied, diese den 3600 im ersten Weltkrieg in Frankreich gefallenen kalifornischen Soldaten zu widmen - „To honor the dead while serving the living.“

Bereits beim Betreten des vor dem Haupteingang gelegenen Innenhofs (Court of Honor) findet sich eine der bekanntesten Statuen der Geschichte wieder: Rodins „Denker“- eine von 70 von Alma Spreckels gespendeten Rodin Skulpturen der Legion of Honor. Ausstellungsstücke aus insgesamt 4000 Jahren Kunstgeschichte sind im Museum zu bewundern.


Europäische Gemälde und Skulpturen mischen sich mit moderner Kunst und Fotografie. Diese Vielfalt an Kunstwerken wurde durch großflächige Renovierung und flächenmäßige Erweiterung zwischen 1992 und 1995 möglich.

Linke Seite, links oben: Claude Monets „Die Elster“ in der Legion of Honor. Claude Monet, „The Magpie,“ 1869. Oil on canvas, 89 x 130 cm (35 1/8 x 51 1/8 in.). Musée d’Orsay, Paris.

Claude Monet, „Luncheon on the Grass, Left Panel,“ 1865–66. Oil on canvas, 418 x 150 cm (164 5/8 x 59 in.). Musée d’Orsay, Paris.

Linke Seite, links unten: Die Legion of Honor aus der Vogelperspektive mit dem „Golden Gate“.

Oben: Zentraler Teil des Gemäldes „Das Frühstück im Grünen“ von Monet. Claude Monet, „Luncheon on the Grass, Central Panel,“ 1865–66. Oil on canvas, 248 x 217 cm (97 5/8 x 85 3/8 in.). Musée d’Orsay, Paris.

Linke Seite, rechts: Ein Teil des Gemäldes „Das Frühstück im Grünen“ von Monet.

Fotos: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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1,4 Millionen Menschen besuchen jährlich das Museum und eine Ausstellung die besonders viel Aufmerksamkeit erregt ist „The Public and the Private“ des Schweizer Künstlers Urs Fischer. Sein Werk „Dazzled“ lässt den Besucher unter Verfolgungswahn leiden, denn es beobachtet ihn bei jedem Schritt durch den zentralen Raum des Obergeschosses

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- zwei authentisch wirkende, riesige Augäpfel starren dem Besucher beim Betreten entgegen. Die Botschaft ist einfach: Die Augen symbolisieren, wie wichtig es ist, Kunst aufmerksam zu beobachten. Der Schweizer teilt sich den folgenden Raum mit Rodins Kunstwerken. „Der Kuss“ steht Fischers Wachsfigur „Adam“ gegenüber, an dem kein Be-

sucher vorbeigehen kann ohne kurz innezuhalten. Im Kopf der Figur brennt eine Kerze, die langsam das Wachs zum Schmelzen bringt. Mit der Zeit tropfen immer mehr Teile des Gesichts zu Boden und spiegeln die vorübergehende Zeit wieder, bis Adam später vollkommen verschwunden ist. Dieses Stück ist eines von über 30 Arbeiten, die den zeitgenös-


sischen Künstler in direkten Dialog mit Rodins Statuen aus den 1800 bis frühen 1900 stellen. Alt gegen jung - tot gegen lebend. Fischers Ausstellung entstand aus einem Crowdsourcing Event zu dem er Menschen einlud mit ihm zusammen Lehmskulpturen zu erschaffen. Diese stehen nun im Außenbereich der Legion of Ho-

nor und umrahmen den „Denker“. Aus gutem Grund! Denn auch Rodin nutzte die Stärken vieler Menschen dazu die verschiedenen „Denker“ zu produzieren. Außerdem beschäftigen sich die Arbeiten beider Künstler mit der Sterblichkeit als zentrales Thema. Fischer fügt dem ganzen zusätzlich das Element „Zeit“ hinzu.

Links: Urs Fischers „Dazzled“. Rechts oben: Urs Fischers Ausstellung „The Public & the Private“ in der Legion of Honor. Rechts unten: Urs Fischer neben einem Bild seiner Ausstellung „The Public & the Private“. Photograph by Drew Altizer. Fotos: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Der Künstler Urs Fischer vor der Wachsfigur „Adam“. Foto: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Urs Fischers „Invisible Mother“, 2015. Cast brass, enamel, enamel spray paint, dirt, bronze dust, copper dust, epoxy, spray lacquer, stainless steel plumbing, stainless steel basin, copper tubing, electric

pump, rubber hose, 52 x 63 x 67 in. (132.1 x 160 x 170.2 cm). Courtesy of the artist and Gagosian Gallery. Photo: Stefan Altenburger Foto: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Links: Die Mumie des ägyptischen Priesters Irethorrou in seinem Sarg. Egyptian, Akhmim, ca. 500 BC Human remains and linen; wood with polychrome. Fine Arts Museums of San Francisco. Gift of First Federal Trust Company (from the Estate of Jeremiah Lynch) Rechts oben: Groß und Klein sind fasziniert von der Ausstellung „The Future of the Past: Mummies and Medicine“. Rechts unten: CT-Bild der Mumie Hatason. Egyptian, Asyut, late New Kingdom (Dynasty 20) or Dynasty 21, 1100–1000 BC. Fine Arts Museums of San Francisco. Gift of John P. Young Image courtesy of Anatomage Fotos: © Image courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

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Altes im Kontrast zu Neuem kann der Gast auch bei der Ausstellung „The Future of the Past: Mummies and Medicine“ erleben. Ca. 3000 Jahre alte Mumien teilen sich den Raum mit neuester Technologie: CT-Aufnahmen der in den Särgen liegenden Menschen. Hier trifft das

Ägypten der Antike auf die moderne Medizin der heutigen Zeit. Beim Anblick der manchmal unphysiologischen Positionen der Knochen auf den CT-Aufnahmen erschaudert der ein oder andere Besucher, wobei dennoch jeder interessiert mit dem Bildmaterial spielt. In Zusammenarbeit

mit der Stanford University entstanden die fast lebensgroßen Aufnahmen, die diverse Ebenen und verschiedene Perspektiven der Betrachtung der Toten erlauben und dadurch eine neue Anschauungsweise dieser antiken Werke entstehen lassen.

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Nicht nur die Kunstwerke der Legion of Honor verleihen dem Museum seinen Charme, sondern viel mehr die Lage inmitten der Natur bieten dem San Francisco Urlauber endlose Aktivitäten. Nur unweit des Museums entfernt befindet sich der Lands End Trail, welcher an Klippen entlang führt, Blicke auf die Marin Headlands, die Golden Gate Bridge, die Bay und den offenen Ozean freigibt und mit seiner fast unrealistischen Schönheit jedem den Atem raubt. Bei angenehmen frühlingshaften Temperaturen kann der Wanderer diesem folgen und wird an einem Ende mit dem Cliffhouse, den Sutro Baths und dem Ocean Beach belohnt. Folgt er dem Weg in die andere Richtung, gelangt er an den China Beach. Die Golden Gate Bridge zum Greifen nah, kann der entspannte Gast nun den Tag ausklingen lassen und dabei die malerische bergige Landschaft der Marin Headlands auf der anderen Seite der Bucht zu einem Gemälde in der Erinnerung werden lassen.

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Legion of Honor Museum Lincoln Park. 100 34th Avenue San Francisco, CA 94121 https://legionofhonor.famsf.org

Oben: Sutro Baths und Cliffhouse San Francisco. Foto: © Karina Sturm. Unten: Max Hollein, Direktor und CEO der Fine Arts Museen in San Francisco. Photo: Drew Altizer Photography. Foto oben: © FAMSF.


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Goldglanz und Himmelslicht Reformation! Philipp von Matts Spiegelskulptur im Berliner Dom. Autorin: Dompredigerin Dr. Petra Zimmermann

Wer in diesen Wochen den Berliner Dom betritt, erlebt eine Überraschung. Im Altarraum, dort wo sonst die Altarfenster Anton von Werners zu sehen sind und Symbole, Ornamente und Putten die Blicke auf sich ziehen, ragt eine 16 Meter hohe Skulptur aus 70 einzelnen spiegelnden Flächen in die Höhe. Die spektakuläre Installation des Architekten und Künstlers Philipp von Matt stellt das Himmelslicht der Kuppelfenster vor das Auge des Betrachters, dazu den sie umgebenden Raum der Kuppelbögen, Mosaike und Seitenapsiden.

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Spiegelwand mit Kruzifix (14. Jhd.) Foto: © Uwe Gaasch


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Wenn Philipp von Matt über sein Kunstwerk spricht, erzählt er von seiner ersten Begegnung mit diesem Kirchenraum. Für die Ausstellung ‚Sein. Antlitz. Körper‘, die im Frühsommer des vergangenen Jahres im Berliner Dom stattfand, hatte die japanische Malerin und Bildhauerin Leiko Ikemura für die bis dahin leeren Emporen-Nischen vier Terrakotta –Figuren geschaffen. Auf die weiß lasierten Oberflächen der Frauenfiguren, die sie wie lange weiße Gewänder umhüllen, fiel das Licht des Vormittags und brachte sie zum Strahlen. Es entstand ein auffälliger Kontrast zwischen dem Licht und den dunklen ovalen Öffnungen der Figuren. Den dort, wo man ein Gesicht erwartet, klafft ein Loch. Oder sind es die vor Schreck weit aufgerissenen Münder, die die Gesichter verschwinden lassen? Der Titel von Ikemuras Figuren „Der Schrei“ mag das nahelegen. Man blickt wie in eine leere dunkle Höhle und beginnt, zu fragen nach dem Innenleben dieser Figuren, nach Dunkelheit und Schatten und Leere. Auf der Suche nach der Quelle dieses Lichtes, das auf die Dunkelheit der Höhlen fiel, so Philipp von Matt weiter, schaute er nach oben in das Kuppelrund. Das Licht ergoss sich in den Raum und traf auf die Frauenfiguren. Ihn faszinierte, wie das Himmelslicht in den Raum dringt und diesen mächtigen, von außen so geschlossen wirkenden Kirchenbau transparent macht. Dieses Licht wird durch die Spiegelskulptur nun so in den Raum hineingeholt, dass es dem Betrachter von vorne entgegenkommt. Doch ergibt dies alles keinen geschlossenen Eindruck, sondern ist gebrochen und zerteilt. Bei jedem Schritt, den man sich im Raum bewegt, entsteht ein überraschend neues Bild. Fragmente aus Licht und Schatten, Formen und Farben entstehen. Gleich einem Kaleidoskop verändern sich die Bilder und fordern geradezu eine Bewegung im Raum ein. Die Materialität der Flächen, ein Kunststoff, bringt die Spiegelbilder durch ihre leichten Verzerrungen und Verwerfungen in eine fließende Bewegung. Fluide Strukturen entstehen, einem Traumbild ähnlicher als einer Photographie. Es ist eine künstlerische Intervention, die das sonst geschlossene Raumkonzept aufbricht und ihm eine spielerische Leichtigkeit schenkt. Im Zentrum der Spiegels-

Sauer-Orgel, Kanzel und Spiegelwand Foto: © Uwe Gaasch

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Links: Leiko Ikemura: Der Schrei Foto: © Marcus Schneider Rechts: Kuppellicht im Spiegel Foto: © Uwe Gaasch

ge nach der Macht der Bilder auch für ihn von Bedeutung. Bilder versuchen, Gott festzulegen, ihn zu bannen und auf diese oder jene Eigenschaft zu reduzieren. Bilder können missbraucht werden, um Furcht einzujagen, Bilder können benutzt werden zur Darstellung religiöser wie weltanschaulicher Machtansprüche. Der Berliner Dom ist ein gutes Beispiel dafür. Er wurde 1905 als Herrschaftszeichen des jungen Kaiserreichs errichtet, eine Antwort auf St. Peter in Rom und architektonischer Ausdruck der Verbindung von Thron und Altar. Selbst die bunten Glasfester im Altarraum (hier werden die zentralen Geschichten des Neuen Testamentes von der Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi dargestellt) atmen mehr den Geist des deutschnationalen protestantischen Siegesbewusstseins als den der biblischen Glaubensgeschichten. Christus am Kreuz erinnert weniger an einen Geschundenen und Gequälten als vielmehr an einen heroischen Triumphator mit breiter, durchtrainierter Brust.

kulptur wird die Aufmerksamkeit auf den Korpus einer mittelalterlichen hölzernen Christusfigur gelenkt, eine Leihgabe, die das Diözesanmuseums aus Bamberg für diese Kunstinstallation zur Verfügung gestellt hat. Mit weit ausgebreiteten Armen scheint die Christusfigur Raum und Zeit zu umfangen und führt die Bewegungen der Bilder immer wieder auf einen ruhenden Punkt zurück. Der Berliner Dom zeigt dieses Kunstwerk im Jubiläumsjahr der Reformation. Am 31. Oktober 1517, also vor 500 Jahren soll Martin Luther seine revolutionären Thesen an die Türen der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben. Dieses

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Datum wird gemeinhin als Ausgangsdatum für eine Bewegung markiert, die in der Folgezeit nicht nur den Blick auf die Kirche und den persönlichen Glauben des Einzelnen, sondern auch den Blick auf die Welt nachhaltig verändern sollte. Luthers Botschaft von der Rechtfertigung, nach der das Heil nur aus dem Glauben kommt und nicht von einer Kirche vermittelt oder gar verwaltet wird, hat jeden einzelnen Christen Gott unmittelbar gestellt. Die Reformationsbewegung war in weiten Teilen bilderkritisch. Obwohl Martin Luther selbst den Bildersturm mancher seiner Mitkämpfer ablehnte, war die Fra-

Philipp von Matts Spiegelskulptur ruft all diese Bezüge auf und fordert förmlich die Auseinandersetzung mit der Architektur- und Bildgeschichte des Berliner Doms. Dabei ist ihr Titel „Reformation!“ sicher kein konfessionelles Statement. Es ist eher eine Einladung zu einer neuen Betrachtung. Was sind das für Bilder, die uns da im Kirchenrund entgegenkommen? Welche Botschaften wollen sie vermitteln, welche Botschaften müssten einer kritischen Auseinandersetzung unterzogen werden, und was ist ihre bleibende Wahrheit, die auch heute noch dem christlichen Glauben Anschauung und Tiefe verleihen? Philipp von Matts Kunstwerk ist aber nicht nur als Kritik an diesem Raum zu lesen. Es ist auch ein fast liebevolles Spiel, das das Monumentale aufbricht und dem Raum eine Leichtigkeit verschafft, die ihm guttut.

Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin Am Lustgarten D-10178 Berlin www.berlinerdom.de



Burg Clam: Ein Blick hinter die Kulissen Autorin: Renate Löttner, MBA

Die Burg Clam wurde seit Ihrer Entstehung 1149 immer wieder erweitert und baulich verbessert. Prägend sind noch immer die ursprünglichen Hauptgebäude - die beiden Türme - der runde Bergfried sowie der rechteckige Palas.

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Oben links: Hinter dicken Burgmauern verstecken sich romantische Plätze. Oben rechts: Der Arkadenhof entstand in der Zeit der Renaissance und verleiht dem Innenhof der Burg seinen besonderen Charme. Unten: Unterhalb der Burg finden internationale Rock- und Popkonzerte statt.

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Wie die einstige Festung aus dem Mittelalter zur internationalen Musik-HochBurg wurde und was hinter den dicken Burgmauern noch alles passiert. Die Burg Clam thront seit über 900 Jahren hoch auf einem Felsen über der Klamschlucht; in den Ausläufen des Mühlviertels, unweit der Donau in Oberösterreich und befindet sich geografisch zwischen Salzburg und Wien. Die erste urkundliche Erwähnung gibt es bereits im Jahre 1149 – wie die Burg zu dieser Zeit aussah, ist allerdings nicht überliefert. Zu den ältesten Teilen zählen der Palas, der über 35m hohe Wohnturm

in rechteckiger Form, sowie der runde Bergfried, der mit über 40m markant die Landschaft dominiert. In sämtlichen Bauphasen wurde die Burg Clam immer wieder erweitert und baulich verbessert. Maßgeblich trugen hier die Geschicke der Burgherren zu Clam bei; seit mehr als 550 Jahren befindet sich die Burg im Besitz der gräflichen Familie Clam, die zum österreichischen Uradel zählt. Clam ist nicht nur wegen der einzigartigen Lage und der außergewöhnlichen Architektur weit über Landesgrenzen bekannt; es gilt als internationaler Musik Hot Spot für Rock- und Popkonzerte.

Bereits seit über 25 Jahren ist die Meierhofwiese unterhalb der Burg Austragungsort für open air Konzerte weltbekannter Musiker. Was als Biergarten Unterhaltung in der eigenen Brauerei begann, entwickelte sich zu einer einzigartigen Freiluftkulisse. Im letzten Sommer glänzten Sir Elton John; Sting oder Zuccchero mit fulminanten Shows unterhalb der Burgmauern. Die Gästebücher sind voll von Geschichten der Stars und zeugen von beeindruckenden Momenten. Zum Beispiel wenn die Stars und der Burgherr sich gegenseitig ablichten; oder sich Alanis Morissette die Sockenlade des Burgherren zeigen lässt, da sie nicht glauben

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konnte, dass jemand in diesen museal ausgestatteten Räumlichkeiten wohne. Tatsächlich ist es eine voll möblierte, bewohnte ehemalige Festung, in der jedes Stück in den prunkvollen Räumen, Waffenkammern und der Bibliothek von der bewegten Geschichte der Burg und dem einstigen Glanz der Monarchie zeugt. Gemälde, feinstes Porzellan oder antikes Mobiliar sind am historisch angestammten Platz. Es ist kein Museum im herkömmlichen Sinne; als Besucher fühlt man sich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten. Die Räume sind gemütlich eingerichtet, Gästezimmer laden zum Entspannen ein. Die Burgtore stehen für Besucher offen: von Mai bis Oktober ist die Burg mit Rundgängen zu besichtigen.

Oben: Alle Objekte sind an Ihrem historischen Platz zu besichtigen; es scheint als steht die Zeit still. Unten: Burgtor Rechte Seite: „Kapelle Burg Clam“ Die gotische Kapelle ist seit Ihrer Weihe 1492 in Betrieb.

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Oben: Im historischen Speisezimmer kann auf Wunsch mit dem Burgherren diniert werden. Serviert wird z.B. Rehbraten aus eigener Jagd. Rechts: Musikzimmer

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Der Ahnensaal - das Herzstßck der Burg. Portraits von Rittern und Staatsmänner zieren die Ahnengalerie der Grafen Clam.

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1149 wird die Burg Clam erstmals urkundlich erwähnt. Zur Zeit des Bauherrn und Besitzers Otto von Machland bestand die Burg aus dem fünfstöckigen Palas (Wohnturm) und dem Bergfried (Rundturm). Diese beiden über 40 Meter hohen Gebäude sind durch ihre exponierte Lage auf dem Granitmassiv oberhalb der Klamschlucht schon von Weitem zu sehen.

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Der zweite große Bauabschnitt erfolgte in der Gotik, als der Ostteil mit der „neuen“ Burgkapelle gebaut wurde. In den unsicheren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges litt nicht nur die Burg, sondern besonders auch der Markt Klam, welcher immer wieder im Zuge von Belagerungen der Burg eingeäschert wurde. Die Burg wurde zwar nie eingenommen, befand sich aber um 1600 in einem sehr schlechten Zustand.

Im 18. Jahrhundert wurden schließlich die Wirtschaftsgebäude, Stallungen und Wagenremisen erbaut, die heute den äußeren Burghof bilden.

Um 1640 wurde die Burg sehr aufwendig renoviert. Dies geschah unter dem Burgherrn Freiherr Johann Gottfried von Clam der bis heute als „Restaurator familiae“ gilt.

Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts überstand die Burg relativ unbeschadet. Lediglich der Kalte Krieg hinterließ seine Spuren: In den Achtziger Jahren ließ Graf Heinrich von Clam einen Zivilschutzbunker gegen atomare Strahlungen errichten.

Hier war wohl auch seine Frau Sibylle Gräfin von Kagenek maßgeblich beteiligt: Sie schenkte ihm 12 Kinder und verfügte über enormes Vermögen aus der Familie Kagenek. In dieser Zeit stifteten die Beiden die Ortskirche und ein Spital, sie schenkten jedem Bürger von Klam einen sogenannten Krautacker.

In weiterer Folge wurde die Burg nach und nach von einer Festung in eine bewohnbare Burg umgewandelt. Der Burggraben wurde zugeschüttet und wich Ziersträuchern und Blumen, aus der Zugbrücke wurde eine befestigte Zufahrt.

Oben: Die erste Abbildung der Burg im Jahre 1674 des bekannten Topografen Vischer. Links: Bauherr Otto von Machland


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Carl Philip Clam, nun in 23. Generation, verwaltet und leitet die Geschäfte rund um die Burg und lebt mit seiner Frau und den 3 Kindern innerhalb der Burgmauern. Eine Herausforderung, die sehr vielseitige Fähigkeiten voraussetzt. Wie er es schafft, diesen Kulturschatz weiter zu bewahren und den Spagat zwischen Moderne und Tradition zu bewältigen, erzählt er uns im folgenden Interview.

Als Burgherr gibt es eine schier endlose Aufgabenliste. Die Burg, inklusive allen Nebenbetrieben, sowie ein Wasserkraftwerk zu verwalten – wie schwierig ist es in der heutigen Zeit, eine Burg zu erhalten? Obwohl wir für verschiedene Restaurierungs- und Bauerhaltungsprojekte Unterstützung von Land und Bund erhalten, ist der laufende Betrieb die größte Herausforderung. Wir haben Betriebskosten in sechsstelligen Höhen, da sind kreative und innovative Wege notwendig.

Sie sind für einen Burgherren noch relativ jung und waren Mitte 20, als Sie ihr Erbe angetreten haben. War für Sie immer klar, dass Sie die Nachfolge antreten würden? Ich wurde von meinem Vater nicht zu früh damit „belastet“. Das war sehr gut so, ich hatte immer das Gefühl, selbst entscheiden zu können. Ich habe Praktika auf der Burg gemacht und danach Ausbildungen zum Elektrotechniker und Forstwart absolviert. Nach zwei Jahren als Marketingmanager in Hongkong kehrte ich zurück und trat mein Erbe an. Aus heutiger Sicht war es ein Sprung ins kalte Wasser. Zum Glück ist alles gut gegangen und wir haben es ohne wirtschaftliche Knieschüsse überstanden.

Wie vereinen Sie Ihr Familienleben mit dem Arbeitsumfeld? Wir leben in einem Museum, zudem wir als Exponate maßgeblich beitragen, was das Ganze auch so besonders und einzigartig macht. Mein Großvater führte noch alle Besucher persönlich durch unsere

Rechts: Graf Carl Philip Clam leitet als Burgherr seit über 15 Jahren die Geschäfte auf der Burg.

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Mystisch ist die Gegend rund um die Burg. Viele Sagen erzählt man sich hier von der Burg, der Donau und der Klamschlucht. Alle Fotos: © Burg Clam.

Räumlichkeiten; dazu fehlt mir leider die Zeit, für einen Plausch im Burghof bin ich aber immer gerne zu haben. Ich versuche meine Work-Life-Balance gut im Einklang zu halten, was natürlich schwierig ist. So kommt es schon vor, dass ich zwischen Meetings und Bauverhandlungen Essen für meine Kinder koche oder Windeln wechsle. (lacht)

Was ist ihr Lieblingsplatz in der Burg? Ich habe mir einen Kindheitstraum erfüllt und den großen runden Bergfried wieder mit der Hauptburg verbunden. Die Oberburg drohte im Wald zu versinken;

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10 Jahre lang wurde Mauerwerk gesichert und eine große Holzstiege gebaut, um die ursprüngliche Idee zu erhalten. Die Ruhe und der Ausblick sind großartig!

Welche Pläne gibt es für die Zukunft? Seit kurzem bin ich Betreiber des FriedWald Clam. In unserem herrschaftlichem Forst werden nun ca. 100 Hektar als Naturbestattungsfläche für Urnen angeboten. Es ist ein wunderschöner Platz und ich freue mich, diese Alternative als einer der Ersten in Österreich anbieten zu können. Als Gastgeber freue ich mich immer be-

sonders, Gruppen aus dem Ausland empfangen zu dürfen. Hier möchten wir uns noch mehr auf unsere Exklusiv Empfänge fokussieren: „private reception in a noble collection.“ Von der Teestunde bis zum Dinner mit Wild aus eigener Jagd, ist hier alles möglich.

Burgmuseum Clam Burg Clam 4352 Klam Oberösterreich museum@burgclam.com www.burgclam.com



Das neue Historische Museum Frankfurt ist fertig! Die neuen Ausstellungen und die Highlights Stauferhafen und Schneekugel im Museumsquartier. Autorin: Dr. Corinna Engel Mit der Eröffnung des Ausstellungshauses ist das neue Historische Museum fertig. Der Wandel vom Fachmuseum für Geschichte zum modernen Stadtmuseum findet einen sichtbaren Ausdruck im Museumsquartier. Seit dem 7. Oktober 2017 sind die großen Ausstellungen „Frankfurt Einst?“ zur Stadtgeschichte und „Frankfurt Jetzt!“ zur Erkundung der Gegenwart und Zukunft der Stadt für die Öffentlichkeit zugänglich. Auch

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mit der großen „Schneekugel“ und dem Bodenfund „Stauferhafen“ zwischen Eingangsbau und historischem Saalhof sind seit der Fertigstellung der Architektur im Mai 2017 zukunftsweisende Angebote entstanden. Die Spolien und Skulpturengalerien an den Fassaden des Ausstellungshauses sind die ersten „Ausstellungen“, welche Besucher sehen, wenn sie sich dem Mu-

seumsquartier nähern. Smartphone-Nutzer können mit dem QR-Code auf dem Objektschild Genaueres über die Skulpturen von Altstadthäusern und Figuren aus Frankfurter Gärten erfahren. Nicht weniger als 70qm groß ist das Modell der gegenwärtigen Stadt in der neuen Ausstellung „Frankfurt Jetzt!“, geschaffen vom Rotterdamer Künstler Herman Helle aufgrund von 1.500 Fragebögen Frankfurter Bewohner aus allen 42 Stadtteilen,


Oben links: Das Historische Museum Frankfurt liegt zwischen Römerberg und Eisernem Steg mitten in der Frankfurter Altstadt. Durch den Neubau ist ein neuer offener Platz entstanden. Oben rechts: Allegorien, Vasen und antike Gottheiten aus Frankfurter Gärten laden zum Verweilen auf den Basaltbänken am Museumsplatz ein. Unten: Am Eröffnungswochenende vom 7./8. Oktober 2017 haben rund 6.000 Besucherinnen und Besucher die neuen Ausstellungen und Angebote im Museumsquartier erkundet.

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schichtlichen Dauerausstellung „Frankfurt Einst?“ wurden die Basler Szenografen Prof. Ursula Gillmann und Matthias Schnegg gewonnen. Durch den Reichtum der Sammlungen konnten die Kuratoren des Museums und die Gestalter ungewöhnliche Räume und beeindruckende Objektbilder und schaffen. Ausgangspunkt für die Neukonzeption ist ein Museum, das für alle Besucherinnen und Besucher ein relevanter Ort ist.

Linke Seite: Im Juni 2012 wurde eine Kaianlage aus der Stauferzeit in der Aushubstelle für den Neubau des HMF gefunden. Damit die weltweit einzige Fundstelle in bestem Erhaltungszustand im Museumsquartier präsentiert werden kann, wurde umgeplant. Dies ist mit eine der Hauptursachen für die lange Bauzeit von 2011 bis 2017.

die das Museum gesammelt hat. Es wird ergänzt von einem digitalen Angebot, bei dem Frankfurterinnen und Frankfurter ihre subjektive Wahrnehmung und ihr Wissen um die Stadt einbringen können.

Gründlich überdacht wurde die Auswahl von rund 4.000 Exponaten aus der 630.000 Objekte umfassenden Sammlung des Historischen Museums. Für ihre Präsentation in der neuen stadtge-

Oben: Der niederländische Künstler Herman Helle schuf aus Fundstücken das Frankfurt-Modell. Pinsel, Bürsten und Borsten bilden Grünanlagen und Wälder, Bleistifte werden Turmspitzen, bemalte Tuffsteine bilden die Häuser nach. Das Frankfurt-Modell wird durch den Main in „Hibdebach“ und „Dribdebach“, links und rechts des Mains getrennt. Dazwischen bewegen sich die Besucherinnen und Besucher unter den Frankfurter Brücken entlang der beiden Ufer.

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Dafür hat das sich Museumsteam über einen sehr langen Zeitraum mit den Angeboten anderer Stadtmuseen intensiv auseinandergesetzt und Fachgespräche geführt. Auf diese Weise sind viele wichtige Impulse in die Konzeption eingeflossen. Entstanden ist ein großes Spektrum von Angeboten mit unterschiedlichen Zugängen, die ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen erfüllen. So erschließt sich die Geschichte in „Frankfurt Einst?“, der auf 2.000 qm präsentierten Ausstellung zur Stadtgeschichte, nicht über einen chronologischen Rundgang, sondern über fünf große Themengalerien. In der Galerie „Stadtbilder“ werden die Grundlagen der stadträumlichen Entwicklung und des Stadtbildes über fünf Jahrhunderte sichtbar gemacht. Die Galerie „100 x Frankfurt“ bietet einen ungewöhnlichen Zeitstrahl aus hundert eigensinnigen Objekten, deren Geschichten zugleich für die Vielfalt der Frankfurter Geschichte stehen. In den drei Themengalerien „Bürgerstadt“, „Geldstadt“ und „Weltstadt“ konzentriert sich das Museum auf die die „DNA“ Frankfurts. Diese drei Qualitäten haben Frankfurt über Jahrhunderte geprägt und ihre Facetten werden in überraschenden Inszenierungen mit den Objekten einer herausragenden Museumssammlung präsentiert. Die Ausstellung „Frankfurt Einst?“ bietet umfangreiche Informationen in Form von Texten, die durchgehend in Englisch und Deutsch angeboten werden, sowie einem abwechslungsreichen Angebot digitaler Medien (Audio, Video, Bilder und Texte, Medientische).

Linke Seite: In der Themengalerie „100xFrankfurt“ wird mit 100 besonderen Objekten die Geschichte der Stadt erzählt. Sie ist die einzige Ausstellungseinheit innerhalb von „Frankfurt Einst?“, in der eine Chronologie von den Anfängen der Besiedlung bis zur aktuellen Stadt an einem Zeitstrahl nachvollziehbar ist. Im Bereich „Bürgerstadt“ können Besucherinnen und Besucher ihr Porträt aufnehmen und sich zwischen Frankfurter Persönlichkeiten einreihen. Rechte Seite: Die Themengalerie „Stadtbilder“ zeigt die Entwicklung des Frankfurter Stadtbildes von den Vogelschauplänen der Renaissance bis zum Hochhausrahmenplan von 2008. Die drei Bereiche „Frankfurt von oben“, „Altstadt-Drama“ und „Porträts der Stadt“ werfen immer wieder neue Blicke auf die Stadt. In der „Geldstadt“ wird die wechselvolle Geschichte Frankfurts als Messeplatz des Reiches bis zum modernen Finanzplatz nachvollziehbar. Die Themengalerie „Weltstadt“ veranschaulicht Frankfurts Rolle als Zentralort der deutschen Geschichte, an dem Kaiserkrönungen und die Wahl der Nationalversammlung stattfanden.

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Das Museum macht sowohl den Frankfurterinnen und Frankfurtern als auch der wachsenden Zahl von Touristen und Gästen der Stadt mit verschiedensten Vorlieben und Wahrnehmungsgewohnheiten Angebote. So werden Besucher mit geringem Zeitbudget bei der Präsentation von „Typisch Frankfurt!“ in der großen Schneekugel und der filmischen Erkundungstour des „Stauferhafens“ in kurzer Zeit einen unterhaltsamen Überblick erhalten. Frankfurterinnen und Frankfurter, die gerne selbst aktiv werden, können im „Stadtlabor“ und in der „Bibliothek der Generationen“ an den Erkundungen und der Erforschung der gegenwärtigen Stadt teilnehmen. Für die Ausstellung „Frankfurt Jetzt!“ ist die partizipative Museumsarbeit

unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft eine Grundvoraussetzung, aber auch in „Frankfurt Einst?“ gibt es Angebote zur Beteiligung, wie bei den „biografischen Kabinetten“ und in den „Studierzimmern“. Für die Gestaltung von „Frankfurt jetzt!“ arbeiteten die Kuratoren wie auch bei der großen Schneekugel in enger Zusammenarbeit mit dem Gestalter-Team von Kossmann deJong aus Amsterdam, unter der Leitung von Herman Kossmann. Frankfurt- Schneekugel Wo bin ich hier, was ist dies für eine Stadt? Wie wurde sie zu dem, was sie ist? Und was unterscheidet Frankfurt von anderen Städten? „Typisch Frankfurt!“ in

der großen Schneekugel gibt auf ebenso kluge wie unterhaltsame Art Antworten auf diese Fragen. Acht von Künstlern gestaltete Modelle zeigen die sehr unter-

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schiedlichen Gesichter Frankfurts. In die Modelle integriert wurden Szenen von prägenden Ereignissen, von Katastrophen und Glücksfällen. Welches Modell zu sehen ist, entscheiden die Besucher/innen selbst mit dem Auswahlmenu. Ein unter der Schneekugel verborgener Kuka-Roboter erfüllt den Besucherwunsch und hebt das entsprechende Modell von unten in das Innere der Kugel. Multimedia-Projektionen auf den umgebenden Wänden der Schneekugel lassen die Besucher in die Themen der Stadt eintauchen und bieten ein ganz besonderes Erlebnis. „Typisch Frankfurt“ ist ein innovatives Format, um sich in die vielen Gesichter dieser Stadt und die historischen Hintergründe einführen zu lassen. Gemeinsam mit der Präsentation des Stauferhafens erhalten Frankfurtinteressierte hier in kurzer Zeit tiefe Einblicke in das Wesen der Stadt. Erstmals hat ein Team aus Wissenschaftlern, Gestaltern, ausgewählten Künstlern und Technikern für die musealen Präsentationen eines Museums in der Weise zusammengearbeitet, wie es für die Realisierung der großen Schneekugel geschehen ist. Den gesellschaftlichen Veränderungen durch die Digitalisierung trägt das Museum mit einem großen Spektrum von Online-Angeboten Rechnung. In allen Kernbereichen des Museums werden Besucher/ innen als User angesprochen und mit ihren Expertisen zur Teilhabe eingeladen. Die digitale Museumspraxis ermöglicht eine verbesserte Interaktion, direkte Vernetzung und partizipative Mitgestaltung des Museums. Zur Eröffnung werden vier di-

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gitale Projekte verfügbar sein. Das Museumsportal, das seit März online ist, bietet dafür den virtuellen Raum. Hier werden das „Stadtlabor digital“, die „Sammlung online“ und die „Multimedia-Guide-App“ (auch über mobile Leihgeräte im Museum benutzbar) bereitgestellt. Barrierefreiheit Seit 2015 arbeitet das Historische Museum auch nach einem „Leitbild Inklusion“, das es mit dem ganzen Museumsteam bei Workshops erarbeitet und mit Unterstützung von vielen Beteiligten umsetzt. Die bauliche Barrierefreiheit stellt nur eine von vielen Maßnahmen dar, die das Museum für Menschen mit körperlichen Einschränkungen leicht zugänglich macht. Ziel ist es Besucherinnen und Besuchern, ganz gleich mit welchen Einschränkungen und

Oben: Auf Ebene 3 im neuen Ausstellungshaus wird die Gegenwart und Zukunft der Stadt thematisiert. Rechts: Acht typische Frankfurter Eigenschaften können kinetisch und multimedial in der großen Schneekugel veranschaulicht werden, hier das Modell von Sylvie und Marc Giai-Miniet „Frankfurt = heimliche Hauptstadt?!“


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Oben: Für Sonderausstellungen stehen im neuen Ausstellungshaus auf Ebene 0 rund 1.000qm Fläche zur Verfügung. Aktuell zeigt „The making of HMF – Ein neues Museum für Frankfurt“ die Entstehung des neuen Historischen Museums Frankfurt Unten: Zum inklusiven Selbstverständnis des HMF gehören nicht nur bauliche Barrierefreiheit und ein taktiles Leitsystem, Tastobjekte, Führungen in Gebärdensprache und Texte in leichter Sprache. Alle Angebote zielen darauf ab, auch Menschen ohne Einschränkungen einen Mehrwert zu verschaffen.

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Fähigkeiten, einen bereichernden Museumsbesuch zu bereiten. Dies fängt bereits bei der Vorbereitung auf der Webseite an, die nach WCAG 2.0 evaluiert wurde und nimmt Gestalt an im Museum. Es stehen Tastmodelle, taktile Spuren, Führungen in Gebärdensprache, Anlesetexte in einfacher Sprache und eine Audiospur speziell für Sehbehinderte zur Verfügung; alle diese Angebote bieten aber auch einen Mehrwert für sehende und hörende Besucher/innen. Nach rund zehn Jahren Planen und Bauen ist mit der Eröffnung der großen Ausstellungen zur Geschichte und zur Gegenwart der Stadt ein modernes Stadtmuseum entstanden. Das Museumsquartier bietet für das multisensorische Erlebnis der Ausstellungen und Angebote ideale Voraussetzungen. Dazu bei trägt auch das Café Frankfurt im Schneekugelfoyer bei. Für die Neubauten der Architekten LRO Stuttgart wendete die Stadt Frankfurt am Main 53,1 Mio. Euro auf (43,5 Mio. Euro auf die Neubauten von LRO und 9,6 Mio. Euro auf die Museografie). 1,5 Mio. Euro auf den Abbruch des Vorgängerbaus von 1972. Die denkmalpflegerische Bearbeitung des Saalhofs und die 2012 dort eröffneten Ausstellungen „Stauferhafen“, „Frankfurter Sammler und Stifter“ und “Mainpanorama“ haben 19,8 Mio. Euro

gekostet. Zusammen mit dem Aufwand für Abbruch, Umzüge und Auslagerungen wurden somit ca. 75 Mio. Euro in das Museumsquartier investiert. The making of HMF Seit dem Wochenende vom 7./8.10.2017 stehen rund 4.100 qm Ausstellungsfläche im Neubau und 1.800 qm im Saalhof für die Erkundung der Stadt zur Verfügung. Die Sonderausstellung zur Eröffnung auf Ebene 0 „The Making of HMF – Ein neues Museum für Frankfurt“ (bis 15.7.2018) veranschaulicht die Entstehung des neuen Historischen Museums vom Abriss des Vorgängerbaus von 1972, über die Errichtung der Neubauten bis hin zum fertigen Stadtmuseum mit großformatigen Fotografien und einer Filmdokumentation. Die erste Stadtlabor-Ausstellung „Frankfurt Jetzt erforschen!“(bis 22.4.2018) erklärt das seit 2010 entwickelte Prinzip der partizipativen Stadtlabor-Projekte und lädt zur Mitarbeit ein. Historisches Museum Frankfurt Saalhof 1 60311 Frankfurt am Main info.historisches-museum@stadt-frankfurt.de www.historisches-museum-frankfurt.de



Kloster Stift Neuzelle beflügelt erneut die Museumswelt auf der ITB in Berlin Autorin: Alin Mosig Die Stiftung Stift Neuzelle, mit dem Klostermuseum im Kreuzgang und dem Museum Himmlisches Theater wird sich im Jubiläumsjahr 2018 zum 750. Gründungstages des Klosters Neuzelle wieder an der Museumswelt auf der Internationalen Tourismusbörse beteiligen. Zu allen Zeiten hatten die Menschen Sehnsuchtsorte. Sie sind durch eine tiefe Symbolik gekennzeichnet und mobilisieren unsere Sehnsüchte nach Heimat und Ferne, nach Frieden und Abenteuer. Seit 2000 Jahren gehört Jerusalem zu den

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Sehnsuchtsorten der Menschheit. Sie ist die heilige Stadt für Juden, Christen und Muslime. Nachdem man im 4. Jahrhundert die Reliquien des Kreuzes und die Grabkammer von Jesus Christus gefunden hatte, kamen zunächst christliche Pilger und Wallfahrer nach Jerusalem. Das Grab von Jesus wurde 515 durch eine Grabeskirche und später durch eine Basilika überbaut – sie wurde zur ersten Wallfahrtskirche der christlichen Welt. Hier in Jerusalem beginnt auch unsere Geschichte der Heiligen Gräber und der Passionsdarstellungen wie sie in Neuzelle zu sehen sind.

Oben: Katholische Kirche St. Marien auf dem Stiftsplatz Neuzelle Rechts: Stiftskirche Innenraum Orgelempore Fotos: © Andreas Tauber, Berlin


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Links: Stiftskirche Neuzelle, Gottesauge Rechts: Stiftskirche Neuzelle, Heilig Geist Taube Fotos: Š Andreas Tauber, Berlin

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Im Mittelpunkt des monumentalen Neuzeller Passionstheaters steht die Geschichte von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu, die zu den zentralen Botschaften der christlichen Religion gehört. Heilige Gräber gibt es in unterschiedlichen Formen: als begehbarer Nachbau des Jerusalemer Vorbilds, als Kirchenausstattung in Form eines verkleinerten Abbilds, als Truhe, Kasten oder Sarkophag. Der Neuzeller Abt Gabriel beauftragte 1751 den böhmischen Künstler Joseph Felix Seifrit mit der durchdachten Konzeption eines Heiligen Grabes als barocke Bühnenkulissen. Es ist aus fast 240 Teilen aufgebaut, von denen rund 220 erhalten geblieben sind. Das Heilige Grab von Neuzelle besteht aus bis zu sechs Meter hohen bemalten Leinwänden und Holztafeln, in denen fast lebensgroßen Figuren als stummes Schauspiel aufgestellt werden können. Es nutzt theatralisch die Mittel und Möglichkeiten barocker Inszenierung und ist auch technisch eine Meisterleistung – ein künstlerischer und geistlicher Schatz: Ein himmlisches Theater! Insgesamt 15 Szenen konnten in Neuzelle in fünf Bühnenbildern gezeigt werden. Nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen werden seit 2015 die beiden Szenen „Judaskuss“ im Bühnenbild Garten und „Kreuztragung“ im Bühnenbild Stadt in einem unterirdischen Museumsbau unter optimalen konservatorischen Bedingungen gezeigt. Die einführende Ausstellung im Kutschstallgebäude gibt Erläuterungen zu einer kultur- und religionsgeschichtlichen Einordnung.

2018 wird das Kloster Neuzelle 750 Jahre alt. Die Vorbereitungen zu den Jubiläumsfeierlichkeiten laufen auf Hochtouren. Konzerte, Künstlerpleinairs, Ausstellungen, Musiktheater, Symposien, Gottesdienste und populäre Opern-Air-Veranstaltungen bilden den Rahmen für das Festprogramm. Auch Gäste des Museums Himmlisches Theater werden begeistert sein, wenn im Frühjahr eine neue Szene gezeigt wird, die derzeit im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum restauriert wird. Die Szene „Jesus vor dem Hohepriester Kaiphas“ mit dem Bühnenbild Palast wird ab 16. März 2018 im Museum Himmlisches Theater zu sehen sein. Das Bühnenbild Stadt mit den Figuren der „Kreuztragung“ ist nur noch bis Januar 2018 zu besichtigen. Für die Umbau-

Linke Seite: Klostermuseum im Kreuzgang, Keller Oben: Kreuzgang Klostermuseum. Abtspotrait Matinus Graf Neuzelle. Dieses Foto: © Monika Sobczak Mitte: Einführungsraum im Kutschstall Unten: Detail im spätgotischen Kreuzgang Fotos: © Andreas Tauber, Berlin

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maßnahmen wird das Museum ab Februar 2018 mehrere Wochen geschlossen werden müssen. Klostermuseum Im Gegensatz zu den barocken Inszenierungen im Museum Himmlisches Theater sowie in den beiden Barockkirchen, ist der Kreuzgang mit seinen Nebenräumen in seiner gotischen Gestalt erhalten geblieben. Die Kreuzrippengewölbe im

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Kreuzgang sowie die spätgotischen Sternengewölbe in Refektorium, Kalefaktorium und Parlatorium sind Beispiele feinster zisterziensischer Baukunst aus der Zeit der großen europäischen Klosterbewegung. Passend dazu verdeutlicht das Klostermuseum anhand von historischen Ausstellungsstücken das Leben der Zisterzienser, die wechselvolle Geschichte des katholischen Klosters im protestantischen Umland und die Entwicklung der Klostergemäuer zum Bildungs- und Kulturstandort.

Der Kreuzgang wird 2018 Ort mehrerer Sonderausstellungen sein. Aus der Barockzeit hat sich der Stiftsatlas erhalten, der seit Klosterauflösung in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrt wird. Die Präsentation dieser herausragenden Darstellung aus der Blütezeit der Klosteranlage wird ein Höhepunkt des Kulturprogramms werden. Die Oper Oder-Spree blickt ebenfalls in einer Sonderschau auf zwanzig Jahre Neuzeller Bühnenzauber zurück. Im Jubiläumsjahr wird dann ab 19. Juli 2018


MUSEUMSWELT 2018

großflächigen Präsentationsfläche auf der ITB. Der gemeinsame Auftritt verschiedenster Ausstellungshäuser bündelt Kräfte und erreicht größere Ausstrahlungskraft und somit auch mehr Interessenten.

Die Museumswelt ist die Bündelung der Vielfalt der deutschen Museumslandschaft zu einem für die ITB außergewöhnlichen Standkonzept. Die Museen der Stiftung Stift Neuzelle profitieren wie jedes teilnehmende Museum von der professionellen,

Bei der diesjährigen ITB 2017 entstand eine kooperative Zusammenarbeit am ersten Stand der Museumswelt. Die Vertreter der Museen hatten Gelegenheit sich über aktuelle Probleme, Schwerpunkte der Museumsarbeit und auch Erfolge auszutau-

im Kreuzhof des Klosters Hugo von Hofmannsthal Jedermann in einer neuen Fassung zu sehen und zu hören sein.

schen. Den Standbesuchern konnten Auskünfte zu teilweise sehr speziellen Themen gegeben werden, da die Museumsmitarbeiter direkt vor Ort waren. Im Austausch und durch gegenseitige Empfehlungen konnten neue Anreize für den nächsten Museumsbesuch vermittelt werden.

Kalefaktorium im Kreuzgang, heute Veranstaltungs- und Ausstellungsraum Foto: © Andreas Tauber, Berlin

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Die Museumswelt präsentiert ein buntes Völkchen, das sonst im Getümmel der Linke Seite, oben: Szene Kreuztragung Linke Seite, unten: Kreuzgang Klostermuseum Neuzelle. Foto: © Monika Sobczak Rechte Seite, links: Barockgarten mit Stiftskirche Rechte Seite, rechts: Alin Mosig präsentiert Stift Neuzelle auf der MUSEUMSWELT in Berlin. Fotos: © Stift Neuzelle

Regionsstände kaum sichtbar würde. So wird sie zum kulturellen Stammplatz für den gelungenen Messeauftritt der Museen auf der ITB. Das Schöne ist die gelungene Mischung: Akteure haben Raum für Gespräche mit Gästen, Firmen und Kollegen. So entstehen neue Impulse in vielfältigster Form.

Stiftung Stift Neuzelle Stiftsplatz 7 15898 Neuzelle Telefon: 033652 - 81 40 www.kloster-neuzelle.de info@stift-neuzelle.de

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MMK MUSEUM FÜR MODERNE KUNST FRANKFURT/MAIN: I AM A PROBLEM Inszeniert von Ersan Mondtag. 23. September 2017 – 18. Februar 2018 108


Es ist dunkel. Im Licht der Spots, die den Kunstwerken Sichtbarkeit verschaffen, schimmert eine schwarz-gelbe Kunststoffoberfläche. Wände, Böden und Decken – alles ist mit einer glatten Plastikhaut bezogen, die sich in Form einer riesigen aufgeblasenen Wurmstruktur auch inmitten des Raumes fortsetzt. Für die Ausstellung „I AM A PROBLEM“ hat der Regisseur und Bühnenbildner Ersan Mondtag eine düstere und zugleich aufreizende Parallelwelt erschaffen. In seiner spektakulären Inszenierung der Ausstellungsräume im MMK 2 lässt Mondtag die Werke aus der Sammlung des Museums zu Protagonisten einer Erzählung werden und miteinander in einen Dialog treten. „Nachdem sich das MMK in den vergangenen Jahren zunehmend künstlerischen Ausdrucksformen jenseits der bildenden Kunst gewidmet hat, wie beispielsweise der Mode oder der Choreografie, haben wir mit I AM A PROBLEM erstmals eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit einem Theaterregisseur entwickelt. Die von Ersan Mondtag inszenierte Schau rückt gezielt den Transitraum zwischen bildender Kunst und Theater in den Fokus“, erläutert Peter Gorschlüter, kommissarischer Direktor des MMK und Kurator der Ausstellung. Ersan Mondtag arbeitet zwischen den Feldern Theater, Tanz, Musik, Performance und Installation. Seine Inszenierungen entfalten sich als assoziative Bild- und Geräuschwelten, in deren Mittelpunkt stets der Mensch mit seinen Sehnsüchten, Abgründen und Leidenschaften steht. Mondtags transdisziplinäre Praxis bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an die jüngere Kunstgeschichte und ist damit prädestiniert für eine museale Präsentation. Dank seiner visuell überbordenden und kontrovers diskutierten Inszenierungen gilt Mondtag als einer der meist beachteten Jung-Regisseure im deutschsprachigen Raum. „Für diese Ausstellung definiere ich den Raum im MMK 2 völlig neu. Ich gebe dem Raum selbst eine Erzählung, eine ausgefeilte Biografie, indem ich ihn mit Texten auflade, mit denen der Ort spricht. Das ist kein Eingriff wie das Einreißen von Wänden, es ist womöglich tiefergehender. Ich setze den Raum gewissermaßen auf Null und übermale ihn mit einem Charakter, einer Atmosphäre, einem Plot“, sagt Ersan Mondtag über seinen Umgang mit der Architektur des MMK 2 im TaunusTurm.

Linke Seite: Dayanita Singh: Mona and Myself, 2013 Dayanita Singh beschreibt das Videoporträt Mona and Myself als ihr erstes „moving still“. Die Künstlerin begegnete der Protagonistin des Films, einem Eunuchen namens Mona Ahmed, bereits 1989. Eunuchen nehmen in der indischen Kultur einen besonderen Stellenwert ein. Zum einen werden ihnen magische Fähigkeiten zugesprochen, die ihnen den Status von Mischwesen aus Mensch und Gottheit verleihen. Zum anderen werden sie aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und können ihren Lebensunterhalt meist nur mit Prostitution bestreiten. Singh sagt über diese Arbeit: „Mona erzählt, wie es ist, wenn man weder hier noch dort dazu gehört, weder männlich ist noch weiblich, weder ein Eunuch noch jemand wie ich. Im Vordergrund: Shannon Bool, Broken Pole, 2010 In unterschiedlichen Medien beschäftigt sich Shannon Bool mit der Doppeldeutigkeit von Objekten aus der Hoch- und Populärkultur. Die zwei Stangen der Skulptur Broken Pole treffen wie spitze Bleistifte aufeinander. Die fragile Konstruktion scheint permanent der Gefahr eines Kollapses der Statik ausgesetzt und verweist so auf die Nachbarschaft von Stabilität und Chaos. Das

Motiv der Stange, das Bool häufig verwendet, ist eng mit den „stripper poles“ verbunden, die in Erotikshows, mittlerweile aber auch für gymnastische Zwecke genutzt werden. Wie viele ihrer Werke spielt auch Broken Pole mit Referenzen auf die Kunstgeschichte. So erinnert etwa Broken Pole an Barnett Newmans Broken Obelisk oder an Constantin Brancusis L’Oiseau. Oben: Teresa Margolles, Catafalco, 1997 Teresa Margolles arbeitete als diplomierte Gerichtsmedizinerin in einem Leichenschauhaus in Mexiko City, wo sie den leblosen Körpern von meist jungen Menschen begegnete, die Gewaltverbrechen, Drogenmissbrauch oder Verkehrsunfällen zum Opfer gefallen waren. Viele der Toten konnten nicht identifiziert werden und wurden in anonymen Gräbern beigesetzt. Ihr Werk Catafalco besteht aus den Gipsabgüssen zweier männlicher Leichen. Die beiden aufgestellten Abdrücke erinnern an antike Sarkophage und markieren wie ein Mahnmal der Vergänglichkeit die Leerstellen, die der Tod hinterlassen hat. Unten: Elaine Sturtevant: Gonzalez Torres Untitled (GoGo Dancing Platform), 1995. Courtesy Sturtevant Fotos: © Axel Schneider

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In Zeiten von grotesker Selbstoptimierung und allgegenwärtigem Leistungsdruck zeigt die Ausstellung „I AM A PROBLEM“ die Diversität zeitgenössischer Identitätsentwürfe in unserer Gesellschaft. Die Werke aus der Sammlung des MMK konfrontieren die Besucherinnen und Besucher dabei mit den Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz. Mondtags szenischer Parcours verwandelt das MMK 2 in einen Bühnenraum. Wie bereits der Titel andeutet, thematisiert die Ausstellung auch das dunkle Geheimnis der Selbstoptimierungs-Ideologie: Der Körper als bloßes Material, als dynamischer Organismus, aber auch als zerstörbares Objekt, wird in vielen der Kunstwerke untersucht. Den Ausgangspunkt für Mondtags Inszenierung bildet ein Mythos um Maria Callas (1923–1977). Um ihre Traumfigur zu erreichen, soll sich die weltberühmte Opernsängerin mit einem Glas Champagner einen Bandwurm einverleibt haben. Der Legende nach führte der Parasit innerhalb kurzer Zeit zu einem erstaunlichen Gewichtsverlust von 50 Kilogramm. Callas’ kompromissloses Bestreben, die eigene Erscheinung nach ihren Idealvorstellungen zu formen, sowie dessen Kehrseite, die Auflösung des eigenen Körpers, bilden die Leitmotive der Ausstellung. Ein stilisierter überdimensionaler Bandwurm – entwickelt von der Künstlergruppe Plastique Fantastique –nimmt die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise durch das Innere von Maria Callas. Auf dunklen Pfaden und entlang der wurmartigen Elemente begegnen dem Ausstellungspublikum Grenz- und Doppelgänger, stille Rebellen, gescheiterte Existenzen und dem Optimierungswillen anheim gefallene Körper.

Vanessa Beecroft, VB68, 2011 Bekannt wurde Vanessa Beecroft durch streng choreographierte Performances, die als lebendige Bilder komponiert sind. Die zwei Fotografien gehen auf eine Aufführung im MMK 1 zurück, bei der die abgebildeten Frauen ihre gleichmäßig aufgereihten Körper in statuarischer Ruhe präsentierten und den voyeuristischen Blicken mit ausdruckloser Miene begegneten. In der Folge bekleidete die Künstlerin die nackten Leiber mithilfe eines digitalen Bearbeitungsverfahrens. Durch die Zurschaustellung und Verhüllung der Frauen reflektiert Beecroft die Repräsentation und Disziplinierung des weiblichen Körpers in der Kunst. Courtesy Vanessa Beecroft, Foto: © Vanessa Beecroft

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Die inszenierten Werke reichen von Andy Warhols Kellogg’s Cornflakes Box über Rosemarie Trockels Frau ohne Unterleib und Markus Sixays knöcheltief gefüllten Konfetti-Raum I am prepared for you bis hin zu den jüngsten Erwerbungen des MMK, wie Will Benedicts Musikvideo I AM A PROBLEM (T.O.D.D.). Mit einer alienhaften Kreatur in der Hauptrolle changiert die für die Ausstellung titelgebende Videoarbeit Benedicts zwischen grotesker Überspitzung und ernsthafter Gegenwartsdiagnose. Benedict zeigt mit seinem Werk nicht nur die globalen Krisen des 21. Jahrhunderts auf, sondern imaginiert zugleich eine Zukunft, in der sich der Mensch mit konkurrierenden Existenzformen wie Aliens, Avataren und Cyborgs konfrontiert sieht. Es sind die teils zaghaften, teils renitenten Gesten des Widerstandes, denen Ersan Mondtag in den Werken der MMK Sammlung nachspürt und die er zu den modernen Anti-Helden seiner Erzählung werden lässt. Mit Texten des Autors Thomaspeter Goergen – eingesprochen von Ensemblemitgliedern des Hamburger Thalia Theaters – verleiht Mondtag den Kunstwerken eine Stimme und lässt diese zu Darstellern ihrer eigenen Sehnsüchte und Ängste werden. Meist im Widerstreit kreisen ihre Dialoge um existenzielle Themen des Menschseins, wie die Transformierbarkeit der eigenen Identität, das Streben nach Perfektion oder die Vergänglichkeit der organischen Materie. Mondtags Inszenierung offenbart, wie die Metamorphosen des Körperlichen zu Sinnbildern für private und gesellschaftliche Auflösungserscheinungen werden. Das Streben nach Perfektion führt zu ultimativer Aggression, Fanatismus und Gewalt.

Vanessa Beecroft, VB68, 2011 Courtesy Vanessa Beecroft, Foto: © Vanessa Beecroft

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Oben: Rosemarie Trockel, Ohne Titel (Frau ohne Unterleib), 1988 Rosemarie Trockels Ohne Titel (Frau ohne Unterleib) bezieht sich auf den altbekannten Zaubertrick, bei dem ein Magier seine attraktive Assistentin scheinbar in der Mitte zerteilt. Die Künstlerin thematisiert in ihrem Werk den faulen Zauber des magischen Spiels und demonstriert, wie der weibliche Körper als Teil des illusionistischen Spektakels instrumentalisiert und auf seine Einzelteile reduziert wird. Zugleich regt ihr Werk selbst zum Voyeurismus an. Der Blick durch die transparente Glasscheibe offenbart sowohl den Betrüger in Georges de la Tours Gemälde Der Falschspieler mit dem Karo-Ass als auch den entblößten weiblichen Hinterleib. Rechts: Bernhard Johannes Blume, Textbild aus „Anweisung zum seligen Leben“, 1969 (hinten), Stuhl, 1971 (vorne) Die Ekstase stellt ein zentrales Thema in den Werken von Bernhard Johannes Blume dar. In den Zeichnungen ist dieser Bewusstseinszustand einerseits wörtlich zu nehmen und wird andererseits buchstäblich ins Bild gesetzt. Die Körper befinden sich in ekstatischen Zuständen, haben ihre ursprüngliche Ordnung und Richtung verloren. Das Textbild aus „Anweisung zum seligen Leben“ thematisiert den ver- und entrückten Leib im

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Sinne der Selbstmanipulation. Der Stuhl erscheint in diesem Kontext als Folterinstrument, das Assoziationen an ein Turngerät oder an ein Kanzelpult hervorruft. Blumes Werke stellen existenzielle Fragen nach Selbst- und Fremdbestimmung der eigenen Identität. Fotos: © Axel Schneider


Links: Juergen Teller: Kristen McMenamy 3, London 1996, 1996 Courtesy Juergen Teller, Foto: © Axel Schneider

Unten: Robert Gober, Untitled, 1991-93 Geschlechtlichkeit und Körperlichkeit sind zentrale Themen von Robert Gobers Werken. Die Figur eines mit menschlichen Haaren besetzten männlichen Unterkörpers ragt aus einer Wand heraus. Die fahle Plastikhaut ist mit Löchern versehen, die auf den ersten Blick wie Hautschwielen aussehen, auf den zweiten jedoch sanitäre Abflusslöcher erkennen lassen. Mit dieser Zweideutigkeit verweist Gober einerseits auf die AIDS-Epidemie in den 1980er und 1990er-Jahren in den USA, andererseits auf die nahezu zwanghafte Sauberkeit seines Heimatlandes. Die Abflusslöcher erinnern an das Reinwaschen von Sünden, während der fehlende Oberkörper, der sich gleichsam in der Wand versteckt, an Verdrängung von privaten Courtesy Robert Gober, Foto: © Axel Schneider

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Linke Seite, oben: Martin Honert, Foto, 1993 In der Arbeit Foto bildet Martin Honert ein Familienfoto, das ihn selbst als Kind darstellt, als nahezu lebensgroße Skulptur nach. Die Plastik zeigt ihn jedoch nicht – wie auf dem ursprünglichen Familienfoto – von seinen Eltern und Geschwistern umringt, sondern isoliert und aus seinem familiären Kontext herausgehoben. Honerts Foto ist mehr als eine in dreidimensionale Form gegossene Erinnerung. Das Werk ist zugleich die Manifestation einer kindlichen Lust am Widerstand gegen die elterlichen Erwartungen. Denn während seine Familienmitglieder auf der Fotografie der väterlichen Anordnung folgen und die Kamera beflissentlich ignorieren, bricht der Blick des Jungen aus der Ordnung und begegnet konfrontativ dem Objektiv. Courtesy VG Bild-Kunst, Bonn 2017. Foto © Axel Schneider

Linke Seite, unten: Taryn Simon, Hymenoplasty Cosmetic Surgery. P.A. Fort Lauderdale, Florida, 2005/2007 In ihrer fotografischen Serie An American Index of the Hidden and Unfamiliar beschäftigt sich Taryn Simon mit Orten, die für das Selbstverständnis und den Alltag der USA wesentlich sind, der Öffentlichkeit jedoch verschlossen bleiben. Es ist Teil ihres Ästhetikverständnisses, die Grenzen dessen auszuweiten, was uns zu sehen und zu wissen erlaubt ist, und sich jenen obskuren Randgebieten zu nähern, in denen physische, intellektuelle, aber auch moralische Gefahren lauern. Die drei hier präsentierten Fotografien stehen für eine Gesellschaft, die den Körper und dessen Vergänglichkeit nicht als unveränderliche Tatsache akzeptiert, sondern ihn klinisch transformiert und optimiert.

O.: Jonathan Horowitz, Go Veggie (Pamela Anderson) 2003 Jonathan Horowitz beschäftigt sich in seinen Werken mit politischen Themen sowie popkulturellen Phänomenen. Für seine eigene Kampagne Go Veggie instrumentalisiert er gezielt den Bekanntheitsgrad von Prominenten zur Verbreitung seiner ethischen Botschaft und treibt die Mechanismen der Massenmedien auf die Spitze. Wie ein Testimonial posiert der TVStar Pamela Anderson unter dem Schriftzug. Während das Motiv ein sexistisches Frauenbild bedient, greift ihr Zitat stereotype Vorstellungen von Männlichkeit auf. Durch die ironische Übertreibung von Werbepraktiken gelingt es ihm, nicht nur Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu schaffen, sondern auch die Mechanismen der Pop- und Werbeindustrie ad absurdum zu führen.

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Oben: Kader Attia: Repair Analysis, 2013 Courtesy VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto © Axel Schneider Rechts: Bettina Rheims, Karen Mulder with a very small Chanel bra, 1996 Glamourös inszeniert erinnern die Hochglanzfotografien von Bettina Rheims an die Ästhetik der Mode- und Werbefotografie der 1980er-Jahre und erscheinen wie eine groteske Überspitzung des medial geprägten Frauenbildes. Selbstbewusst bieten die von Rheims fotografierten Frauen dem voyeuristischen Auge der Kamera ihre attraktiven Körper dar. Der Ort der Aufnahmen ist meist ein von Rheims ausgewähltes und ausstaffiertes Hotelzimmer, dem häufig das Flair eines Stundenhotels anhaftet. Obwohl sie die Frauen auffordert, während des Fotoshootings an ihre sexuellen Phantasien und Wünsche zu denken, scheinen die Porträts weder etwas über die Charaktere preiszugeben, noch Intimität vorzuführen. Die Frauen erscheinen als perfekte Stereotypen.

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Bruce Naumans Arbeit Perfect Balance (Pink Andrew with Plug Hanging with T.V.) kopfüber von der Decke, während auf dem Fernsehbildschirm provokativ ein Mittelfinger ausgestreckt wird. Der offensichtliche Gewaltzusammenhang trifft auf eine ästhetische Kategorie, jene des perfekten Gleichgewichts. Doch der wächserne Kopf balanciert nur scheinbar auf dem im Video gezeigten Mittelfinger und reflektiert ironisch die Realitätseffekte medialer Bilder. Im Loop abgespielt friert Nauman die Geste und Bewegung ein und überführt sie in einen endlosen Schwebezustand. Courtesy VG Bild-Kunst 2017, Foto: © Axel Schneider Oben rechts: Will Benedict, I AM A PROBLEM (T.O.D.D.), 2016

Ersan Mondtag. Foto: © Thomas Schröder Oben links: Bruce Nauman, Perfect Balance, (Pink Andrew with Plug Hanging with T.V.), 1989 Wie das Opfer eines Gewaltverbrechens hängt der Kopf eines Mannes mit herausgestreckter Zunge in

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Zugleich Kunstwerk und Musikclip produzierte Will Benedict die für die Ausstellung titelgebende Videoarbeit I AM A PROBLEM (T.O.D.D.) für die Detroiter Noise-Band Wolf Eyes. Der Protagonist ist eine alienhafte Kreatur, die in einem fiktiven Szenario auf den Talkmaster Charlie Rose trifft. In dem Schein-Interview leiht der Frontsänger Nate Young dem Wesen seine düstere Stimme und entfaltet eine apokalyptische Zukunftsvision, in der menschliche Körper wie Regen vom Himmel fallen. Zwischen grotesker Überspitzung und ernsthafter Gegenwartsdiagnose changierend greift Benedict mit seinem Werk nicht nur die globalen Krisen des 21. Jahrhunderts auf, sondern imaginiert zugleich ein Morgen, in dem sich der Mensch mit konkurrierenden Existenzformen wie Aliens, Avataren und Cyborgs konfrontiert sieht.

Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung Kader Attia, Vanessa Beecroft, Will Benedict, Bernhard Johannes Blume, Shannon Bool, Miriam Cahn, John De Andrea, Marlene Dumas, Robert Gober, Douglas Gordon, Ilja Clemens Hendel, Georg Herold, Martin Honert, Jonathan Horowitz, On Kawara, Teresa Margolles, Barry Le Va, Bruce McLean, Aernout Mik, Lutz Mommartz, Bruce Nauman, Steven Parrino, Arnulf Rainer, Bettina Rheims, Thomas Ruff, Taryn Simon, Dayanita Singh, Markus Sixay, Jack Smith, Elaine Sturtevant, Juergen Teller, Oliviero Toscani, Rosemarie Trockel, Andy Warhol und ein Auftragswerk von Plastique Fantastique. MMK Museum für Moderne Kunst MMK 2 TaunusTurm Taunustor 1 60310 Frankfurt am Main mmk@stadt-frankfurt.de www.mmk-frankfurt.de


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Natur und Kunst sind für Anna-Sophie Springer und Dr. Etienne Turpin unmittelbar miteinander verwoben. Die Kuratoren stellen mit der Ausstellung Verschwindende Vermächtnisse: Die Welt als Wald tradierte Bilder und Vorstellungsweisen von Natur angesichts von Artensterben, Entwaldung und Klimawandel in Frage. Vom 10. November 2017 bis 29. März 2018 verwandeln audiovisuelle Installationen, Fotografien, Filme und Skulpturen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler das Zoologische Museum Hamburg im Centrum für Naturkunde (CeNak) in einen (bedrohten) Lebensraum Wald. Die Ausstellung zieht Verbindungen von den Expeditionen des Naturforschers Alfred Russel Wallace im 19. Jahrhundert zu aktuellen Umweltveränderungen in Südostasien und dem Amazonasgebiet. Anlass der Ausstellung ist der 160. Jahrestag der Veröffentlichung der Darwin-WallacePapiere, einer der zentralen Abhandlungen der Biologie als wissenschaftlicher Disziplin. Der britische Naturforscher und Naturaliensammler Alfred Russel Wallace (1823–1913) unternahm Expeditionen nach Südamerika und Südostasien. Seine umfassende Sammlung gilt als Grundlage seiner bahnbrechenden Selektionstheorie. „Wallace hatte das Glück, mit der Amazonasregion und den Indo-Malaiischen Inseln zwei der artenreichsten Lebensräume der Erde zu erforschen“, sagt Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, CeNak-Direktor, Wallace-Biograph und wissenschaftlicher Berater der Ausstellung.

Aus den Ölpalmfrüchten muss das Rohöl quasi sofort nach der Ernte herausgepresst werden, da die Früchte sonst verfallen. Darum gehören die Palmölfabriken mit ihren dampfenden Schornsteinen wie hier in Südwest-Sumatra zum Landschaftsbild der Anbaugebiete von Ölpalmen. Lange Schlangen von mit Früchten beladenen Lastwagen bilden sich vor den Toren dieser Fabriken und die Fahrer warten oft tage- und nächtelang, bis sie endlich an der Reihe sind. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin & Anna-Sophie Springer, Sumatra 2014.

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Verschwindende Vermächtnisse: Die Welt als Wald

Kunst trifft Naturwissenschaft. Sonderausstellung vom 10. November 2017 bis 29. März 2018 im Zoologischen Museum Hamburg. Autorin: Mareen Gerisch

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In Zusammenarbeit mit Kustodinnen und Kustoden der wissenschaftlichen Sammlungen des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg, des Herbarium Hamburgense und des Nutzpflanzenmuseums präsentieren Springer und Turpin eine Vielzahl botanischer und zoologischer Objekte als Referenzen für die Transformationen tropischer Ökosysteme seit deren Erschließung durch europäische Naturforscher vor gut eineinhalb Jahrhunderten. Verschwindende Vermächtnisse zeigt unvergleichliche Artenvielfalt somit im Spannungsfeld von Wissenschaft und Monokultur. „Das Naturkundemuseum ist nach wie vor ein zentraler Ort, an dem die Menschen etwas über die Natur lernen. Es vermittelt vielen von uns schon im Kindesalter eine Idee von Natur und ein Bewusstsein für die Umwelt, für andere Lebewesen, Ökologie und so weiter“, so die Kuratoren. „Darum ist es wichtig, den Leuten entgegenzukommen und sie dort abzuholen, wo sie schon daran gewöhnt sind, sich Fragen zur Natur zu stellen. Sie dann aber vor allem einzuladen, sich auch anderen Fragen zu öffnen beziehungsweise andere (und vielleicht auch weniger gewohnte) Perspektiven einzunehmen.“ „Heute verlieren diese Gebiete durch die Abholzung der Regenwälder auf dramatische Weise ihre Biodiversität. Mit künstlerischen Mitteln wollen wir auf diese Verschwindenden Vermächtnisse aufmerksam machen.“ Mit ihrem Ausstellungskonzept und vor dem Hintergrund aktueller Geschichtsschreibung werfen die Kuratoren Springer und Turpin etliche Fragen auf und laden ihr Publikum auf eine spannende Reise ein: „Die Ausstellung richtet sich an alle, die sich für Naturbilder und deren Wandlung über die Zeit interessieren. Sie bietet sicherlich auch Stoff und Sinneseindrücke für Leute, die wissen wollen, ob und wie zeitgenössische künstlerische Praxis einen Raum aufmacht für neue Fragestellungen in Zeiten des anthropogenen Klimawandels und der Ausrottung vieler Arten überall auf dem Planeten.“ Fast alle künstlerischen Positionen wurden eigens für die Sonderausstellung geschaffen, andere fanden bereits weltweit Würdigung in renommierten Museen, Galerien und Biennalen. Alle 13 Werke beschäftigen sich mit den aktuellen Umweltveränderungen in Indonesien und im

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Amazonasgebiet. Im Spiegel der Expeditionen des Evolutionsforschers Alfred R. Wallace eröffnen sie ein Spannungsfeld aus futuristischen Naturbildern und historischen Naturalien, aus Realität und Fiktion, Schönheit und Schrecken.

Auch für Wallace-Spezialist Glaubrecht gibt es einen enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst: „Forscher und Künstler sind ja sehr wesensverwandt; beide sind unstillbar neugierig und davon getrieben, Neues zu erkunden – und das


jeweils auf ihre Weise auch dar zu stellen. Tatsächlich sollten wir Wissenschaft und Kunst nicht streng voneinander trennen. Deshalb gehört Kunst für mich eigentlich selbstverständlich auch in ein Naturkundemuseum.“ Künstlerische Verfahren kommen überall in den Wissenschaften vor, gerade auch in der naturkundlichen Forschung. Schon

immer gab es und gibt es gerade heute vielfältige Beziehungen und Einflüsse, in denen sich Künstlerinnen und Künstler aller Epochen mit der Natur in all ihren Facetten auseinandergesetzt haben. Glaubrecht: „Das ist insofern kein Wunder, als die Natur für den Menschen neben seiner selbst der wohl wichtigste Bezugspunkt seines Wesens ist. Wir vergessen das nur immer öfter, je mehr ein steigender Anteil

Linke Seite, oben: Anna-Sophie Springer und Etienne Turpin vor der Wallace-Statue im Londoner Museum of Natural History, 2014. Foto: Reassembling the Natural, 2014. Unten: Käferzeichnungen in Alfred Russel Wallaces Natural History Notebook, 1854. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin, 2014. Courtesy Linnean Society London. Rechte Seite, oben: Aus Südostasien stammende Insekten, gesammelt von Alfred Russel Wallace. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin, Oxford University Museum of Natural History, 2015. Mitte: Robert Zhao Renhui, „Square Apple“ aus der Reihe A Guide to the Flora and Fauna of the World, 2013. Courtesy Robert Zhao Renhui Unten: Ein aus Südostasien stammender Falter, gesammelt von Alfred Russel Wallace. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin, Oxford University Museum of Natural History, 2015.

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der Menschheit den unmittelbaren tagtäglichen Kontakt mit der Natur – insbesondere in den wachsenden Metropolen und Megacities – verliert. Auch deshalb ist es wichtig, künstlerische Darstellungen und Auseinandersetzungen mit der Na-

Linke Seite, oben: Dorfbewohner inmitten toter Baumstümpfe. Monumentale Kreisverkehrskulptur in der indonesischen Provinz Riau, Sumatra. Foto: Reassembling the Natural/Anna-Sophie Springer, 2016. Mitte links: Ein mit Ölpalmfrüchten beladenes Motorrad in der indonesischen Provinz Riau, Sumatra. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin, 2016. Mitte rechts: Ölpalm-Plantagen in der indonesischen Provinz Riau, Sumatra. Foto: Reassembling the Natural/ Etienne Turpin, 2016. Unten links: Mit Ölpalmfrüchten beladene Fahrzeuge sind außer Mopeds oft die einzigen Fahrzeuge auf den Straßen der indonesischen Provinz Riau, Sumatra. Foto: Reassembling the Natural/Etienne Turpin, 2016. Unten rechts: Vermessung einer Blüte einer aus Sumatra stammenden Riesenblume Amorphophallus titanum in dem Botanischen Garten von Buitenzorg (Bogor, Java) um circa 1900. Ein Bild aus der von Anna-Sophie Springer und Etienne Turpin kuratierten Ausstellung 125,660 Specimens of Natural History, Komunitas Salihara Gallery, Jakarta 2015. Mit Dank an das Indonesian Institute of Science.

tur in unserem Museum zu zeigen; noch dazu, wenn es um so ein überlebenswichtiges und hochaktuelles Thema wie das Anthropozän geht – also ein neues, vom Menschen dominiertes Erdzeitalter.“ Die Kuratoren haben solche Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die sich in ihrem Werk dringenden Fragen der Gegenwart widmen: „Für viele ist der Wald (oder der Regenwald) zentrales Thema ihrer künstlerischen Recherchen und Forschungspraxis. Welche Bedeutungen und Mythologien werden mit ihm verbunden? Wie wurde und wird er klassifiziert, repräsentiert, verändert? Inwiefern steht der Wald mit seinen tausend und abertausenden von Lebewesen, Symbiosen und Austauschprozessen für das Leben auf der Erde im biologisch-ökologischen Sinn, verkörpert aber auch “Welten” aus anthropozentrisch-philosophischer oder animistischer Sicht? Inwiefern lässt sich beides eigentlich gar nicht voneinander trennen? Und wie verhält sich hierzu all das, was uns die Dioramen des Naturkundemuseums vermitteln möchten?“ Ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung in Hamburg. Es wird

Besichtigungen mit den Kuratoren geben, außerdem spezielle Führungen für Familien und Kinder. Weiterhin sind Lesungen, Filmabende und andere Abendveranstaltungen geplant. Darüber hinaus wird an einem Symposium zum Thema gearbeitet. Weitere Stationen von Verschwindende Vermächtnisse sind 2018 die Projektpartner, das Tieranatomische Theater der Humboldt-Universität zu Berlin und das Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Halle/Saale. Der Ausstellungszyklus ist eine Kooperation mit der Schering Stiftung und dem Goethe-Institut Singapur. Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Verschwindende Vermächtnisse: Die Welt als Wald 10. Nov. 2017 – 29. März 2018 Zoologisches Museum Centrum für Naturkunde (CeNak) Universität Hamburg Martin-Luther-King-Platz 3 20146 Hamburg - Germany www.cenak.uni-hamburg.de http://reassemblingnature.org

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Orang-Utan-Diorama im Dänischen Zoologischen Museum der Universität Kopenhagen. Foto: Reassembling the Natural/Anna-Sophie Springer, 2015.

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