Was denken Rabenvögel über uns?

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Was denken Rabenvögel über uns? Neues und Nachdenkliches über eine oft verkannte Tierart von Christian Falk

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In meiner Jugend haben meine Eltern mich oft auf die schönen Seiten der Natur aufmerksam gemacht: Mein Vater, bis heute ein engagierter Kakteen- und BonsaiGärtner, hat mir die Schönheit der Pflanzenwelt immer wieder nahe gebracht. Meine Mutter war von allen Vögeln, Fossilien und Gesteinen begeistert. Da gab es nichts, was in der Natur als Schädling oder als störend bezeichnet wurde. So bin ich als Kind durch den Film „Die Vögel“ von Alfred Hitchcock eigentlich wenig beeinflusst worden. Der Film selbst war schon aufregend, doch kannte ich die Raben oder Krähen aus Geschichten, in denen sie als klug und neugierig bezeichnet wurden und nicht als blutrünstig und gefährlich. Auch später hörte und las ich oft davon, dass Rabenvögel Schädlinge seien, Angst einflößend oder angriffslustig. Doch auch das konnte meine Ansicht über den klugen Raben nicht verändern. Über die Jahre verlor ich die schwarzen Gesellen aus den Augen und wurde erst im Alter von 45 Jahren durch ein neues Hobby, die Naturfotografie, wieder auf sie aufmerksam. Viele interessante Berichte über diese Vögel und die Möglichkeit, sechs verschiedene Arten von ihnen zu beobachten, weckten mein Interesse umso mehr. Anfang 2008 setzte ich eine Webseite ins Internet, um regelmäßig über die Rabenvögel zu berichten und meine Fotos von ihnen zu zeigen. Was mich an diesen Vögeln, die auf den ersten Blick unseren gängigen Vorstellungen von „Schönheit“ nicht unbedingt entsprechen, immer wieder begeistert, ist ihre Intelligenz und die Fähigkeit, sich stets aufs Neue den wechselnden Verhältnissen anzupassen. Und so sollen neuere verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse über Rabenvögel und vor allem meine ganz persönlichen Erfahrungen mit diesen faszinierenden Tieren das Thema dieses Büchleins sein. Rabenvögel sind schwarz, hatte ich auf einer Internetseite einmal gelesen - und war höchst erstaunt, als ich in einem englischsprachigen Sachbuch die kunterbunten Farben der über 120 verschiedenen Arten sah. Tatsächlich sind etwa 60-70% der Rabenvögel schwarz bzw. dunkel gefärbt; doch existieren in einigen Ländern durchaus auch farbenfrohe Exemplare. Allein in Mitteleuropa leben mit dem Eichelhäher, der Elster, der Blauelster und dem Unglückshäher vier relativ bunte Vertreter der Corviden, wie die lateinische Bezeichnung der Rabenvögel lautet. Schauen wir uns die elf europäischen Arten einmal genauer an: Neben der bekannten Dohle (Corvus monedula) haben wir in Europa noch die Saatkrähe (Corvus frugilegus) und den Kolkraben (Corvus corax), die oft mit der Rabenkrähe (Corvus corone) verwechselt werden und zur Gattung Corvus gehören. Die kleine Dohle lässt sich durch ihr eher graues Gefieder, den leicht helleren Kopf und ihren unverkennbaren Ruf leicht von den anderen unterscheiden. Im Osten Europas kommt die Dohle in einer anderen Form mit dem Namen Halsbanddohle (Corvus monedula soemmeringii) vor, die in der Zugzeit dann oft auch in Nordrhein-Westfalen zu beobachten ist. Von der westlichen Dohle (Corvus monedula spermologus) unterscheidet sie sich durch den weißen Halsring. Eine dritte Dohlenart mit dem lateinischen Namen Corvus monedula monedula (Nominatform) ist in Nordeuropa anzutreffen. Dabei bildet Dänemark die südliche Grenze zu „unserer“ mitteleuropäischen Dohle. Man könnte sie als Skandinavische Dohle bezeichnen, ihr Federkleid ist etwas heller. 2


Der Kolkrabe ist größenmäßig allen anderen Corviden überlegen, denn er erreicht die Ausmaße eines Mäusebussards. Außerdem lässt er sich anhand des klobigen und sehr langen Schnabels und seines keilförmigen Schwanzes gut bestimmen. Sein Ruf ist sofort an dem volltönenden Klang zu erkennen. Die Saatkrähe ist durch ihren „immer schmutzigen“ Schnabel, der ähnlich wie der eines Marabus aussieht, von der Rabenkrähe zu unterscheiden. Ihre Schwanzfedern sind halbrund, und die Flügel runden sich zum Körper hin ab. Rabenkrähen haben als Jungvogel ein braun gefärbtes Gefieder und als ausgewachsener Vogel dann bläulich schimmernde Federn. Im östlichen Europa ist außerdem als direkte Verwandte die Nebelkrähe heimisch. Sie und die Rabenkrähe sind Aaskrähen und unterscheiden sich durch die Gefiederfarbe: Die Nebelkrähe hat eine große graue „Weste“ an, Kopf, Kehle, Flügel, Schwanz und Schwungfedern sind dagegen schwarz. Die drei Krähen machen ihrem Namen beim Gesang alle Ehre: Im Vergleich zum Kolkraben sind sie eher schlechte Sänger. Die nächste Gruppe der noch sehr dunklen Rabenvögel ist die der Gattung Pyrrhocorax. Diese ist in Europa mit der Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) und der Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax) vertreten. Obwohl man die Alpenkrähe natürlich mit dem gleichnamigen Gebirge in Verbindung bringt, ist dieser Vogel leider in dieser Region nur noch mit knapp 38 Brutpaaren vertreten. Die Alpenkrähe ist eben bedingt durch ihren kleiner gewordenen Lebensraum nur noch in bestimmten Gebieten zu sehen und dann auch schnell durch den roten Schnabel und die roten Beine zu erkennen. Aufpassen muss man in der Brutzeit von April bis Juni, denn dann ist der orangefarbene Schnabel der Jungvögel leicht mit dem der Alpendohle zu verwechseln, die einen gelben Schnabel und ebenfalls rote Beine besitzt. Die Jungvögel der Alpendohle wiederum haben schwarzgräuliche Beine. Die nächsten beiden Rabenvögel sind die Blauelster (Cyanopica cyana) und die Elster (Pica pica). Erstere kommt mehr in den südlichen Teilen Europas vor und ist durch ihr blau, braun, weiß und schwarz gefärbtes Gefieder zu erkennen. Sie hat genau wie die bei uns vorkommende Elster sehr lange Schwanzfedern. „Unsere“ Elster dagegen ist hauptsächlich schwarz und weiß gefärbt. Nur der genaue Beobachter erkennt ihre metallisch grün und blau schimmernden Schwanz- und Schwungfedern. Als letztes sind die Häher zu nennen, die mit dem Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes), dem Unglückshäher (Perisoreus infaustus) und dem Eichelhäher (Garrulus glandarius) in Europa vertreten sind. Der heimische Eichelhäher ist auch zu den sehr bunten Rabenvögeln zu zählen, denn er hat braunes, blaues, schwarzes und weißes Gefieder. Dieser Waldvogel ist seit einigen Jahren immer mehr in den Städten anzutreffen, da er dort leicht an Nahrung heran kommt, die aus den Wäldern immer mehr verschwindet. Der Tannenhäher wiederum ist ein schlicht-bräunlich gefärbter Rabenvogel mit schwarzweißem Gefieder, der in den Tannenwäldern der Mittelgebirge und der Alpen sein Verbreitungsgebiet hat. Der Unglückshäher als letzte der elf Rabenvogelarten lebt in den Wäldern Skandinaviens. Er ist kleiner als der Eichelhäher und rötlich, grau und braun gefärbt. 3


Rabenkr채he im Flug

Elster im Flug

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Allgemeine Daten über diese Rabenvögel findet man in guten Bestimmungsbüchern, daher belasse ich es hier bei dieser kurzen Charakterisierung.

Im Oktober 2009 war ich zusammen mit meinem Freund und Fotokollegen Ulf Krahnepuhl im österreichischen Grünau im Almtal. Dort leben in der Nähe eines Wildparks freilebende Kolkraben. Die Beobachtung der Vögel war dort sehr einfach, und oft konnte man die größten Singvögel der Welt aus nächster Nähe fotografieren. Ein Besuch der Konrad Lorenz Forschungsstelle war natürlich ebenso in unsere Tour eingeplant wie ein Besuch bei Dr. Gertrude Drack, die uns ihre beiden Kolkraben Kraxi und Arthur „vorstellte“ und uns einige interessante Einzelheiten über die beiden Vögel erzählte. Zu einem Interview mit Prof. Dr. Thomas Bugnyar kam es leider nicht, da er zu diesem Zeitpunkt nicht in der Forschungsstelle war. Per E-Mail bekam ich später dann aber von ihm sehr interessante Informationen sowie Adressen von zwei weiteren Spezialisten für Dohlen und Rabenkrähen. Mit Dr. Claudia Wascher, die sich mit Graugänsen und Rabenkrähen beschäftigt, und Dr. Christine Schwab, deren Untersuchungsobjekte die Dohlen sind, konnte ich zwei zusätzliche Experten über Rabenvögel befragen. Als letztes fand ich durch Zufall die EMail-Adresse von Professor Bernd Heinrich, dem Rabenexperten schlechthin, heraus, und stellte auch ihm einige Fragen zu den Kolkraben. Seine Bücher haben mich sehr beeinflusst und mein Interesse an der Natur noch verstärkt. Seine Art, die Dinge zu erklären, ist faszinierend und man lernt beim Lesen seiner Bücher sehr viel dazu. Dr. Drack, Dr. Wascher, Dr. Schwab, Prof. Heinrich und Prof. Bugnyar waren so freundlich, mir meine Fragen zu beantworten. Auf den folgenden Seiten gebe ich die zum Teil per E-Mail geführten Interviews im Wortlaut wieder. Zur besseren Lesbarkeit sind die Antworten der Wissenschaftler in blauer Schrift dargestellt. Mein erster Gesprächspartner war Prof. Bugnyar, der an der Universität Wien seine Forschungen betreibt. Herr Bugnyar, gibt es wirklich eine Kommunikation unter den Rabenvögeln, und über welche Kanäle funktioniert sie? Ja, es gibt sie eindeutig. Sie ist visuell, akustisch und taktil, eventuell auch olfaktorisch. (Taktil= Berührung, olfaktorisch= Wahrnehmung über den Geruch [Erklärung des Autors]) Rabenvögel sind bekanntlich sehr soziale Vögel. Gibt es in dieser Hinsicht Neuigkeiten? Wir arbeiten gerade an der Qualität von Beziehungen zwischen Nichtbrütern a) in der Voliere und b) im Freiland. Es ist allerdings noch viel zu früh, um konkrete Aussagen machen zu können. 5


Das Verständigen anderer Artgenossen nach dem Auffinden von Futter scheint unter Rabenvögeln weit verbreitet zu sein. Tun dies alle elf europäischen Arten? Dies bezweifle ich. Richtige Studien dazu gibt es meines Wissens nur von Raben, oder? Ich habe Beobachtungen bei Rabenkrähen gemacht, die ich aber nur an einem kleinen Gebiet bestätigen könnte. Dieses Gebiet stellt auch eine außergewöhnliche Umgebung für Rabenkrähen zur Verfügung, da hier jeden Tag gefüttert wird, und daher kann man es nicht verallgemeinern. Was kann ein Bauer gegen die Anwesenheit von Rabenvögeln tun, ohne sie zu verletzen oder zu töten? Gibt es außer z.B. der Ballonmethode eine humane und preiswertere Möglichkeit? Gute Frage. Wir starten kommendes Jahr ein Projekt mit Krähen in Wien, wo wir uns u.a. genau mit diesem Thema beschäftigen. Im Moment kann ich dazu nicht viel sagen, weil ich bei den Raben immer mit der umgekehrten Problematik konfrontiert bin: wie krieg ich die Viecher dazu, an bestimmte Plätze zu kommen. Welche Möglichkeiten hat der Gartenbesitzer, Rabenvögel fern zu halten, um kleinen Singvögeln die Brut zu ermöglichen? Siehe Oben. Aber warum müssen gerade Rabenvögel ferngehalten werden? Mit Hauskatzen macht man das ja auch nicht, oder? Doch, doch. Mein Vater z.B. vertreibt die streunenden Katzen regelmäßig aus dem Garten. Gibt es unter den Rabenvögeln auch Arten, die nicht so intelligent sind? Sicherlich gibt es Artunterschiede. Wir können allerdings noch nicht sagen, wie groß die sind und in welche Richtung sie gehen – einfach weil es bis jetzt kaum vergleichende Studien gibt. Warum sind Rabenvögel eigentlich fast alle mit schwarzem Gefieder ausgestattet? Gibt es dafür einen Grund, wie beispielsweise dass ein Weibchen eben schlichter gefärbt ist, weil es während der Brut dann geschützter ist? Auch hier sind wir ein bisserl dran. Wir haben vor kurzem in Kooperation mit Prof. J. Endler das Gefieder von Raben und Krähen auf ihre UV-Reflektierung vermessen. Ergebnisse sind erst in Auswertungsphase. Mit einer schlichten Färbung für die Brut hat die Gefiederfarbe wahrscheinlich wenig zu tun. Eine interessante Hypothese ist ein thermischer Vorteil. Können Rabenvögel auch täuschen, also den Menschen an der Nase herum führen? Kolkraben können einander gut täuschen. Mit dem Menschen klappt es weniger bzw. versuchen sie es kaum. Was sind die neuen Ziele der Forschungsstelle und welche anderen Tierarten werden zusätzlich erforscht? Im Punkto Ziele würde ich Sie gern auf unsere Homepage verweisen (www.klf.ac.at). Bei den Tierarten bleibt der Fokus auf a) Gänse, b) Corviden (hauptsächlich Raben, 6


dazu Krähen und Dohlen) und c) Waldrappe. Ich habe bei meinen Beobachtungen festgestellt, dass Rabenkrähen größere Probleme haben, ihren Kopf in einen Hohlraum zu stecken, als Dohlen. Liegt das möglicherweise am Lebensraum der Dohlen, da sie Höhlenbrüter sind? Das würde ich auch so interpretieren. Kann man bei Kolkraben sagen, dass bestimmte Rufe bestimmte Bedeutungen haben? Ja. Aber nicht allzu viele. Es gibt spezifische Rufe z.B. für Hunger/Futter, Angst/Submissivität, Aggressivität/Dominanz, Kontaktaufnahme und Bewegungsspiel. Welche neuen Erkenntnisse hat die Forschungsstelle über Kolkraben und Dohlen gewonnen? Es ist relativ schwierig, dies in ein paar Sätzen zusammenzufassen. Am besten lesen Sie hierzu die Berichte in den Fachzeitschriften (pdfs auf unserer Homepage: www.klf.ac.at) bzw. den populärwissenschaftlichen Zeitschriften, wie z.B.: Kotrschal, K. & Bugnyar, T. 2005. Rabenvögel – gescheite Biester. Natur und Land, 91, 24-29. Kotrschal, K., Schloegl, C. & Bugnyar, T. 2007. Instinkt oder Verstand? Lektionen von Rabenvögeln und Gänsen. Biologie unserer Zeit, 37, 366-374. Heinrich, B. & Bugnyar, T. 2007. Wie intelligent sind Raben? Spektrum der Wissenschaft, 7/07, 24-31. Bugnyar, T. 2008. Rabenintelligenz: Vom Verhaltens- zum Gedankenleser? Natur und Wissen, 4, 5-6. Vielen Dank für Ihre interessanten Antworten, Herr Bugnyar. Da lohnt es sich, regelmäßig wieder neue Berichte über Rabenvögel zu lesen. Denn wenn solche Forschungsprojekte in Planung sind, wird es möglicherweise bald neue interessante Erkenntnisse geben.

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Rabenkr채hen

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Als ich die Antworten von Herrn Bugnyar erhalten hatte, war ich neugierig geworden, was Bernd Heinrich, Autor informativer und spannender Rabenbücher, auf meine Fragen antworten würde. Ich schrieb ihm und bekam recht schnell Antwort aus Hinesburg/Vermont. Zuerst fragte ich Herrn Heinrich natürlich sofort nach der Wiederveröffentlichung seiner Bücher über Kolkraben: Gibt es Überlegungen, Ihre beiden Bücher über Kolkraben erneut zu veröffentlichen? Ich hatte gehört, dass sie nicht mehr in Deutschland erhältlich sind und scheinbar auch nicht mehr in den USA. Ich hoffe der Verlag kümmert sich darum, denn ich selbst habe darauf keinen Einfluss. Doch ist es wie mit allen Sachen so, dass das Angebot von der Nachfrage bestimmt wird. Wird es ein weiteres Buch über die Kolkraben geben? Es ist bisher noch nichts definitiv geplant worden. Doch hatte ich mit Thomas Bugnyar darüber geredet, etwas in naher Zukunft zu veröffentlichen. Gibt es einige Rufe bei Kolkraben, die Sie mittlerweile definitiv einem bestimmten Zweck zuordnen können? Leider nur sehr wenige. Einige werden emotionell in bestimmten Situationen ausgelöst. Das Verständigen anderer Artgenossen nach dem Auffinden von Futter scheint unter Kolkraben verbreitet zu sein. Haben Sie dies auch bei anderen Rabenvogelarten beobachtet? Nein, denn unsere Krähen sind lediglich etwas aufgeregt, wenn sie etwas finden und die, die sich in der Nähe befinden, werden dadurch darauf aufmerksam. Es wird aber keine Rekrutierung (Anwerbung) durchgeführt, höchstens eine lokale Veränderung der Krähengruppe. Ist der Kolkrabe eigentlich in Amerika ähnlich unbeliebt wie in Europa? Wenn nein, wie erklären Sie sich das? Ich habe noch niemanden getroffen, der den Raben nicht mag, aber sehr viele, die ihn schätzen. Aber es gibt immer Menschen, die sie nicht mögen und die machen dann den meisten Trubel um diese Vögel. Sie finden dafür immer einen Vorwand. Ich glaube, früher war es mehr in Mode, sie zu hassen als sie zu schätzen. Meinen Dank möchte ich auch Herrn Prof. Bernd Heinrich aussprechen, der immer ein offenes Ohr für einen Rabenvogelfreund hat und mir meine Fragen nicht nur für diesen Bericht beantwortete. Als letzten Kolkraben-Experten schrieb ich Dr. Gertrude Drack an. Frau Drack, die sich seit den 90er-Jahren mit Rabenvögeln beschäftigt, hat ein sehr intensives Verhältnis zu ihrer Rabendame Kraxi. Die Kolkrabendame hat mit ihrem Partner Arthur schon mehrere gesunde Kolkraben zur Welt gebracht. 2010 waren es vier Junge in der riesigen Voliere im österreichischen Scharnstein. Dadurch hat Frau Drack außergewöhnliche Möglichkeiten, diese Vögel zu beobachten, mit ihnen zu leben. Sie beobachtet aber 9


auch sehr viel in der freien Natur, was auch meiner Meinung nach „natürlichere“ Ergebnisse hervor bringt. Frau Drack, Sie haben seit einigen Jahren täglich Kontakt zu Kolkraben. Hat das Ihr Verhalten auf gewisse Weise verändert? Ich meine nicht die regelmäßige Pflege jeden Tag, sondern Ihr Verhalten allgemein, denken Sie manchmal wie Kraxi? Ich arbeite seit 1993 mit Kolkraben (Diss.1995). Ab 1997 Handaufzucht mit „Kraxi“, der Vogel, der mein Leben verändert hat. Ich versuche immer wieder, mich in seine Natur hinein zu versetzen und seinen Ansprüchen Genüge zu tun. Wie viele junge Raben haben Ihre beiden Kolkraben Kraxi und Arthur bisher zur Welt gebracht bzw. wie viele konnten Sie auswildern? Bisher hatten wir 2 Bruten mit je 4 und 5 Jungen, die ausgewildert wurden. In diesem Jahr war der Schlupf bereits Mitte März. Den Stimmen nach sind es mindestens 3, die Altvögel lassen mich nicht an das Nest heran. In einer Woche werde ich es genau wissen, wenn sie über den Rand des Nestes schauen. Über Kolkraben wird gesagt, dass sie auf dem Rücken fliegen können. Haben Sie das jemals bei „Ihren“ Raben beobachtet? Kraxi fliegt manchmal während seines Freifluges auf dem Rücken (nicht jetzt während der Brut-Nestlingsphase). Das Rückenfliegen wurde auch schon gefilmt. Haben Sie Unterschiede im Verhalten von Arthur und Kraxi bemerkt, die man als typisch Weibchen oder Männchen bezeichnen könnte? Typisch Weibchen bzw. Männchen kann man nicht immer sagen. Bei meinem Paar ist die Stimme eindeutig zuzuordnen. Kraxi schnalzt mit der Zunge (Lockruf und als Begrüßung von Kindern und Freunden verwendet). Arthur ist lauter und tiefer im Ton. Kraxi teilt mir mit einem tieferen „rob-rob“ immer nur mit, wenn sich wilde Raben im Revier aufhalten, also in der Nähe der Voliere, was Arthur mit harschen Tönen und lauten Rufen kommentiert. Der Oberschnabel scheint beim Männchen etwas kräftiger entwickelt zu sein. Das Aufplustern des Kopfgefieders verwenden beide als Imponierhaltung. Gibt es Beobachtungen, die Sie in den Jahren Ihrer Arbeit mit Kolkraben gemacht haben, die Sie als etwas Besonderes oder in der Tierwelt als einzigartig bezeichnen würden? Die klugen Vögel wissen immer, wo ich gerade bin, sie kennen unser Auto und teilen mir mit, wenn sich ein ungewöhnlicher Vorfall in der Nähe ereignet. Sie starren dann in Richtung des Geschehens, was auch mit lautem Gekrächze einhergeht, bis ich endlich begriffen habe. Erst dann kehrt wieder Ruhe ein. Sie verstehen auch Worte, oder zumindest den Ton, der bekanntlich die Musik macht. Als Kraxi meinen Ohrclip versteckte und nicht mehr hergeben wollte, bat ich Arthur: Hol mir den Clip! Arthur grub und fand, warf ihn mir zu Füßen. Das Verstecken und Austricksen des Artgenossen ist eine altbekannte Sache bei Raben. Interessant ist, dass sie die verborgenen Schätze noch nach Wochen, und sogar unter 10


einer dicken Schneedecke, wieder finden. Bekannte Gesichter werden noch nach Jahren von den schlauen Raben wieder erkannt. Das Hochziehen der Beute an der Schnur beherrschte Kraxi auf Anhieb (Experiment HEINRICH). Auch Frau Dr. Drack sage ich meinen herzlichen Dank für ihre ausführlichen und sehr interessanten Antworten. Bei meinem letzten Besuch im Oktober 2010 konnte ich einen der Jungvögel in der Voliere beobachten und auch Kraxi noch näher kennenlernen. Sie setzte sich unter anderem auf das Bein meiner Frau und hüpfte auch auf meinen Arm. Es war ein unwahrscheinlich schönes Erlebnis, diesem Vogel so nahe zu kommen.

Zwei Elstern

Nach den Fragen zu den Kolkraben hatte ich das Bedürfnis, mehr über die Vögel zu erfahren, die ich am häufigsten beobachte. In dieser Hinsicht war mir Dr. Claudia Wascher von der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau behilflich und beantwortete meine Fragen per E-Mail. Frau Wascher, kann man die Junggesellen unter den Rabenkrähen erkennen? Ich meine, es wird oft von Junggesellentrupps gesprochen, sind diese am Verhalten zu erkennen? Prinzipiell muss ich Ihnen sagen, dass wir bis zum heutigen Tag leider sehr wenig über Rabenkrähen und deren Verhalten wissen. Das ist ein Grund, warum wir die Forschung in den nächsten Jahren intensivieren wollen, was sowohl Tiere in Volieren (z.B. Kognitionsexperimente) als auch freilebende Tiere (z.B. Sozialverhalten) angeht. 11


Prinzipiell handelt es sich bei „Junggesellen“ oftmals um jüngere Tiere, diese kann man am leichtesten durch die Färbung der Schnabelinnenseite (rosarot) bzw. des Federkleides (noch bräunlich) erkennen. Außerdem kann man sie durch bestimmte Verhaltensweisen (z.B. anbetteln von dominanten/älteren Tieren im aggressiven Kontext) erkennen. Wie schon gesagt, allzu viel wissen wir aber noch nicht über Altersstrukturen in Rabenkrähengruppen. Was bei Krähen (im Unterschied zu Raben) oftmals zu beobachten ist, sie schließen sich zu „winter flocks“ zusammen. Das heißt im Frühjahr sind die einzelnen Paare in ihren Territorien anzutreffen, nach erfolgter Brutzeit schließen sich aber die Familien (plus Nachwuchs) einer Gruppe an. Was das betrifft, gibt es sicherlich geographische Unterschiede, prinzipiell handelt es sich bei vielen Krähengruppen aber nicht um klassische „Nichtbrüterverbände“. Außerdem interessiert mich, ob man mittlerweile auch das Geschlecht der Vögel optisch unterscheiden kann? Für ein geübtes Auge sicherlich in vielen Fällen möglich. Männchen sind tendenziell (!) größer und schwerer. Ein guter Anhaltspunkt ist auch der Schnabel, der ist bei Männchen länger und massiver. Auch im Verhalten kann man prinzipiell Unterschiede erkennen. Männchen neigen häufiger zu territorialem Verhalten (Rufen), Weibchen, vor allem in der Brutzeit, betteln stark beim Männchen. Es gibt aber keine allgemeinen Regeln und viele Überschneidungen (kleine Männchen, aggressive Weibchen,...). Lernen junge Rabenvögel auch von anderen und nicht nur von den Eltern? Das ist eine sehr gute Frage und wurde wissenschaftlich bis heute definitiv noch nicht ausreichend geklärt. Prinzipiell ja, es konnte in einfachen „social learning“ Experimenten gezeigt werden, dass Individuen von anderen Individuen (Geschwister, Partner, aber auch andere Gruppenmitglieder) „lernen“, das heißt z.B. Objekte länger inspizieren, wenn ein anderes Individuum dieses Objekt zuvor „gehandelt“ hat. Wie das nun in freier Wildbahn ausschaut, ist schwierig zu sagen. Junge Krähen sind ja relativ lang von den Eltern abhängig und werden in dieser Zeit wahrscheinlich auch wenig von anderen Individuen lernen (aber auch hier dürfte es geographische Unterschiede geben, man denke nur an kooperativ brütende Krähen in Nordspanien, wo sich auch andere Gruppenmitglieder um den Nachwuchs kümmern). Wenn die Tiere sich aber einmal einer Gruppe angeschlossen haben, nehme ich stark an, dass Individuen untereinander lernen. Haben Sie auch festgestellt, dass sie ähnlich wie Kolkraben zu Futterstellen rufen? Auch hierzu wurde bisher wenig wissenschaftlich gearbeitet. Ich kann von unseren Krähen in der Voliere aber definitiv sagen, dass sie einen „Krähenruf“ haben, der hauptsächlich im Futterkontext verwendet wird (neben einem im territorialen Kontext, Alarm-Kontext,...). Das sind aber reine Anekdoten und wissenschaftlich wird man das noch zeigen müssen. Vielen Dank Frau Wascher, durch Ihre Antworten ich habe einiges dazu gelernt und beobachte nun dadurch auch ein wenig mit anderen Augen.

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Elster im Flug

Als letzte Mitarbeiterin der Forschungsstelle befragte ich Dr. Christine Schwab, mit der ich schon seit 2008 in Kontakt stehe. Da ihr Spezialgebiet die Dohlen sind, hatten wir uns schon damals kennengelernt. Auch Dr. Schwab stellte ich die Frage mit den Dohlen, die ihren Kopf ohne Furcht in Hohlräume stecken, da ich von ihr in Bezug auf diese Frage noch mehr Details erwartete. Ich habe bei meinen Beobachtungen festgestellt, dass Rabenkrähen im Gegensatz zu Dohlen größere Probleme haben, ihren Kopf in einen Hohlraum zu stecken. Liegt das möglicherweise am Lebensraum der Dohlen, da sie Höhlenbrüter sind? Ja, das denke ich schon. Dohlen, als Höhlenbrüter, haben keinerlei Probleme sich durch engste Ritzen und Löcher zu quetschen, um ihre Nester zu erreichen. Und da sie dabei mit dem Kopf voran gehen, scheint es ihnen grundsätzlich wenig auszumachen, ihren Kopf in einen Hohlraum zu stecken. Von den baumbrütenden Rabenkrähen ist dies jedoch nicht zu erwarten. Dohlen benötigen für ihre Brutplätze bestimmte Bedingungen (Kamine, Hohlräume in Bäumen usw.). Wäre es denkbar, ihnen eine Nisthilfe anzubieten? Es ist nicht nur denkbar, ihnen Nisthilfen anzubieten, sondern, im Gegenteil, sie nehmen diese auch meist bereitwillig an. Eine Nistbox sollte eine Grundfläche von etwa 30*30 cm haben, bei einer Höhe von etwa 60 cm. Der Durchmesser des Einfluglochs, das sich im oberen Drittel der Nistbox befindet, sollte 9 cm nicht überschreiten und eine Sitzstange davor haben, auf der das Männchen sitzen und das Nest bewachen kann, während das Weibchen brütet bzw. die Jungen hudert. Grundsätzlich gilt, dass Dohlen 13


höhere Nistgelegenheiten bevorzugen. Je höher man also die Nistbox (etwa an einem Baum) anbringt, desto willkommener ist sie für die Vögel. (Es gibt auch eine Studie dazu, die zeigt, dass die Gelegegröße bei höher gelegenen Nestern größer ist als bei niedrigeren, vermutlich, da der Feinddruck in diesen nicht so hoch ist. (Liebers & Peter 1998) Ich beobachte bei Dohlen sehr häufig, dass sie immer als Paare unterwegs sind. Ist dieses Verhalten bei der Dohle besonders ausgeprägt oder sind meine Beobachtungen da eher ein Zufall? Nein, das ist kein Zufall. Die Paarbindung unter Dohlen ist eine sehr enge Verbindung, die meist Langzeit monogam ist und sie bleibt auch über das Jahr hinweg bestehen, nicht nur vor und während der Brutsaison. Paar-Partner verbringen dabei die meiste Zeit in unmittelbarer Umgebung zueinander, auch während der Futtersuche. Sie füttern sich auch häufig gegenseitig und unterstützen einander auch in Auseinandersetzungen mit Artgenossen. Männchen greifen dabei meist aktiv in Auseinandersetzungen ihrer Partnerinnen ein, während Weibchen, die aufgrund ihres etwas geringeren Körpergewichts und der geringeren Körpergröße Männchen ja grundsätzlich unterlegen sind, ihre Partner eher dahingehend unterstützen, dass sie sich neben sie stellen und zumindest gegen den Gegner drohen und laut rufen. Unsere neuesten Untersuchungen der sozialen Beziehungen einer Dohlengruppe scheinen aber sogar darauf hinzudeuten, dass das Paar-Konzept bei Dohlen derart ausgeprägt ist, dass zumindest erwachsene Männchen, in Ermangelung von potentiellen Paar-Partnern des anderen Geschlechts, dann Bindungen mit Individuen des gleichen Geschlechts eingehen, die in ihrer Qualität (mit Ausnahme von Kopulationen, aber selbst die kommen – sehr selten vor) denen heterosexueller Partner ähnlich sind. Es scheint das Prinzip zu gelten: „nur eine verpaarte Dohle ist eine gute Dohle“, denn verpaarte Individuen steigen in der Hierarchie innerhalb der Gruppe auf. Ein höherer Rang bringt natürlich Vorteile, wenn es etwa um den Zugang zu begrenzten Ressourcen geht, oder um Auseinandersetzungen mit Artgenossen. So gehen also erwachsene Männchen Allianzen miteinander ein, die allerdings schnell wieder auseinander brechen können, sobald sich eines der Männchen dann mit einem Weibchen verpaart. Dohlen kommen in Europa ja in drei Unterarten vor: unsere Mitteleuropäische Dohle, die Halsbanddohle und die Nominatform in Skandinavien. Wie würden Sie diese letzte Art Corvus monedula monedula beschreiben, bzw. den Unterschied zur mitteleuropäischen Dohle erklären? Grundsätzlich kann man sagen, dass C.m.soemmerringii (Halsbanddohle) wohl am deutlichsten zu erkennen ist, da ihr „Halsband“ immer deutlich weiß zu erkennen ist und es klar definiert über den gesamten Nacken verläuft. Bei C.m.monedula hingegen ist das silbrige Halsband sehr variabel, von kleinen Flecken über ein kaum sichtbares dünnes Band bis hin zu einer sichtbareren, breiteren Ausformung. Der deutlichste Unterschied zur sehr dunklen Form C.m.spermologus (ohne „Halsband“) ist aber vermutlich die hellere Unterseite von monedula, die eine dunklere Sprenkelung aufweist. Spermologus hingegen ist gleichmäßig dunkel ohne (oder mit kaum sichtbarer) Sprenkelung. 14


Gibt es in der Forschung über die Dohle nennenswerte Neuigkeiten? Da weiß ich nicht, was Du unter Neuigkeiten verstehst, weil ich nicht weiß, auf welchem Stand Du bist. Sind die Wechsler-Arbeiten von Ende 1980/Anfang 1990 für Dich neu? Oder die Arbeiten der Groningen-Gruppe? Oder die Henderson-Sachen? Da stellt sich auch die Frage welchen Bereich der Forschung Du meinst. Henderson etwa hat sich vor allem die Monogamie und das Investment der Eltern, eigentlich des Männchens, in die Jungenaufzucht angeschaut (Henderson & Hart 1993; Henderson et al. 2000), Liebers zeigt aber wiederum , dass die Monogamie doch nicht ganz so strikt ist (Liebers & Peter 1998), manchmal, wenn auch selten, gibt es doch Kopulationen außerhalb der Paarbeziehung. Eine Studie über das Füttern, die zeigt, dass Dohlen zum einen sich deswegen gegenseitig füttern, um eine enge Beziehung aufrecht zu erhalten, und dass dieses Füttern auch auf Gegenseitigkeit beruht, zum anderen sie einander aber auch füttern, um ihre Ruhe zu haben („harassment avoidance“) stammt von de Kort (De Kort et al. 2006). Von Bayern weitet derartige Untersuchungen auch auf Interaktionen mit Objekten aus (von Bayern et al. 2007). Sie zeigt auch, dass Dohlen Aufmerksamkeit und kommunikative Hinweise des Menschen erkennen können (von Bayern & Emery 2009). Ich selbst habe in einer Vergleichsstudie mit Raben gezeigt, dass Dohlen besser/bereitwilliger von Artgenossen lernen, mit denen sie keine enge Beziehung haben, wohingegen Raben besser von jenen lernen, mit denen sie eine solche pflegen (Schwab et al. 2008a; Schwab et al. 2008b). Eine mögliche Erklärung für das doch sehr überraschende Ergebnis der Dohlen (da die gängige Hypothese natürlich lautet, dass man besser von jenen lernen sollte, mit denen man eine enge Beziehung hat, weil man mit diesen Individuen auch viel Zeit in unmittelbarer Nähe verbringt) wäre: 1. dass Individuen, die viel Zeit miteinander verbringen (die also eine enge Beziehung haben) dieselbe Information aus ihrer Umwelt bekommen. Ein Paarpartner „weiß“ also im Grunde genommen dasselbe wie das Subjekt selbst. Und 2. Da Dohlen sich auch so häufig füttern bzw. Futter vom Partner einfach „einfordern“ können, könnten sie ihren Paarpartner als „Futterressource“ betrachten, nach dem Motto: Wenn der was hat, hab ich auch was. Beides zusammen könnte es somit wichtiger machen auf die Individuen zu achten, mit denen man keine so enge Beziehung pflegt (was sich auch in räumlicher Distanz ausdrückt). Der, der weiter von mir weg ist, könnte etwas anderes „wissen“ (also etwa Futter gefunden haben) als ich selbst oder eben mein Partner. Es könnte sich also lohnen, mehr auf einen anderen zu achten und daher auch eher von diesem zu lernen. Denn wenn ich etwa dem anderen im Rang überlegen bin, dann kann ich ja einfach hingehen und ihm etwa sein Futter wegnehmen. Ist momentan die (für mich) plausibelste Erklärung. Unterstützt wird das auch durch eine Studie einer Kollegin, die dieselben Muster bei Raben und Dohlen gefunden hat als sie sich anschaute, welchen Individuen sie mehr Aufmerksamkeit schenken: auch hier achteten Raben mehr auf Individuen mit denen sie eine enge Beziehung haben, die Dohlen allerdings stärker auf die nicht-affiliierten Individuen (Scheid et al. 2007). [Literaturangaben von Dr. Schwab] De Kort, S. R., N. J. Emery, et al. (2006). Food sharing in jackdaws, Corvus monedula: what, why and with whom? Animal Behaviour, 72: 297-304. 15


Henderson, I. G. and P. J. B. Hart (1993). Provisioning, parental investment and reproductive success in Jackdaws Corvus monedula. Ornis Scandinavica, 24: 142-148. Henderson, I. G., P. J. B. Hart, et al. (2000). Strict monogamy in a semi-colonial passerine: the Jackdaw Corvus monedula. Journal of Avian Biology, 31(2): 177-182. Liebers, D. and H.-U. Peter (1998). Intraspecific interactions in jackdaws Corvus monedula: a field study combined with parentage analysis. Ardea, 86: 221-235. Scheid, C., F. Range, et al. (2007). When, what, and whom to watch? Quantifying attention in ravens (Corvus corax) and jackdaws (Corvus monedula). Journal of Comparative Psychology, 121(4): 380-386. Schwab, C., T. Bugnyar, et al. (2008b). Preferential learning from non-affiliated individuals in jackdaws (Corvus monedula). Behavioural Processes, 79: 148-155. Schwab, C., T. Bugnyar, et al. (2008a). Enhanced social learning between siblings in common ravens, Corvus corax. Animal Behaviour, 75: 501-508. von Bayern, A. M. P., S. R. de Kort, et al. (2007). The role of food- and object-sharing in the development of social bonds in juvenile jackdaws (Corvus monedula) Behaviour, 144(6): 711-733. von Bayern, A. M. P. and N. J. Emery (2009). Jackdaws respond to human attentional states and communicative cues in different contexts. Current Biology, 19: 602-606. Vielen Dank, Christine, für Deine Antworten zu meinem Lieblingsvogel. Ich habe ihn durch den sehr engen Kontakt zu einer Rabenkrähe in den letzten Monaten etwas vernachlässigt. Doch werde ich bald wieder einige spezielle Dohlengebiete aufsuchen, um wieder mehr über die „kleinen Grauen“ zu erfahren, wenn ich sie beobachte. Eigentlich war sehr vieles neu für mich, was Du in Deiner letzten Antwort beschrieben hast.

Im letzten Teil schildere ich meine in Form von Blogeinträgen und „Naturtagebüchern“ gesammelten persönlichen, über die letzten Jahre an den unterschiedlichsten Orten gemachten Beobachtungen und Begegnungen mit Rabenvögeln. Dabei kommen eigentlich alle sechs Arten vor: Allen voran natürlich die Rabenkrähen, dann die Dohlen und Saatkrähen, die Kolkraben und Elstern und einige wenige Erlebnisse mit dem Eichelhäher. Da ich die Texte zumeist unverändert aus meinen Aufzeichnungen übernommen habe, gibt es zum Teil inhaltliche Überschneidungen, und auch die Reihenfolge entspricht nicht immer der natürlichen Chronologie der Ereignisse.

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Dohle im Flug

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Die Elster 27. Februar 2008 An diesem Tag hatte ich mir vorgenommen, eine gute Aufnahme der Elster zu machen. Ich fuhr in mein Beobachtungsgebiet und stellte mich mit dem Auto in die Nähe eines Hügels, auf dem ich schon sehr oft Elstern beobachtet hatte. Um sie anzulocken, legte ich Erdnüsse auf die Wiese und auf die Zaunpfähle. Mit einer längeren Wartezeit war nach dem Auslegen der Nahrung auf jeden Fall zu rechnen. Allerdings hatte ich es auch schon erlebt, dass Aaskrähen bereits auf dem Pfahl saßen, obwohl ich noch nicht im Auto war. In diesem Gebiet sammeln sich sehr oft große Mengen Dohlen oder Aaskrähen. Zeitweise kann man bis zu über 100 Vögel in den Bäumen beobachten und ihrem außergewöhnlichem Gesang zuhören. An einem Morgen zählte ich einmal über ca. 200 Vögel, die am Ufer des Rheins saßen. Es waren Aaskrähen, Dohlen und auch zwei Saatkrähen, die etwas abseits der großen Gruppe hockten. Es war beeindruckend, diese große Menge Rabenvögel zu beobachten, zwischen denen an diesem Morgen auch ein paar Bachstelzen unterwegs waren. Nach ca. 50 Minuten kam die erste Aaskrähe und erkundete die Umgebung, fraß aber nicht eine Nuss.

Elster im Anflug

Dann stieß sie mit nach vorn gestrecktem Kopf laut einen Ruf aus. Kurze Zeit später folgten dann die nächsten Krähen, darunter wohl einige ranghohe Vögel, die sofort anfingen, die Nüsse zu fressen. Nach einiger Zeit konnten auch die anderen Krähen an die Nüsse heran. Dann tauchten zwei Elstern auf, die sofort zwischen die Aaskrähen flogen und ein paar Nüsse nahmen. Eine Krähe flog die Elstern an und verscheuchte sie damit. Danach flogen die Elstern gezielt die Pfähle an, auf die die Aaskrähen sich nicht 18


hinauf wagten. Dort schnappten sich die Elstern eine Nuss und verschwanden sofort wieder, denn auch sie hatten mich natürlich bemerkt. Bei diesen Anflügen gelangen mir einige gute Aufnahmen, die in den Galerien meiner Rabenvogel-Webseite zu sehen sind. Interessant war für mich die Schnelligkeit, mit der die anderen Krähen an dem ihnen noch nicht bekannten Futterplatz auftauchten.

Rabenkrähen 29. Februar 2008 Das Verhalten bei der Nahrungssuche interessierte mich jetzt umso mehr. Ich wollte wissen, wie lange es im Durchschnitt dauerte, bis eine Rabenkrähe die Nahrung entdeckt. An den Zaunpfählen war die Zeit bei Anwesenheit der Krähen in der Nähe der Futterstelle unterschiedlich gewesen. Dort sahen sie dann auch sofort, wie ich die Nüsse an die Stellen verteilte. Meist machte ich das auch sehr ausführlich und mit großer Gestik, um auf mich aufmerksam zu machen. So bemerkten mich die Vögel auch sofort und flogen kurze Zeit später die Stellen an. Das war aber wiederum nicht die Regel, manchmal blieben sie auch dort, wo sie sich gerade aufhielten, und kamen erst später oder auch gar nicht.

Rabenkrähen

Heute wollte ich einmal Nahrung an einer Stelle auslegen, an der keine Aaskrähe zu sehen war. An einer Trauerweide, an der ein Ast abgebrochen war, steckte ich Nüsse auf und zwischen die Bruchstellen, so dass die Vögel sie zum Teil suchen mussten. Ich 19


setzte mich wieder in den Wagen und wartete. Während der Wartezeit konnte ich vier Stare beobachten, wie sie Regenwürmer aus dem Boden zogen. Mit großer Geschwindigkeit tippelten sie über die Rasenfläche und durchsuchten das Grün. Erstaunlicherweise waren sie sehr erfolgreich und konnten während der kurzen Beobachtung mindestens 6 Würmer in ihrem Schnabel verschwinden lassen. Dann wieder ein Blick an die Trauerweide. Nichts zu sehen. Die Stare flogen ab und zu auf, weil vorbei fahrende Autos sie aufscheuchten. Bei der Suche blieben sie fast immer in der Nähe der anderen Stare und ab und zu standen sie neben einer Lachmöwe. Der Größenvergleich war beeindruckend, die Möwe war fast doppelt so groß. Wie würde ein Star wohl erst neben einer Silbermöwe aussehen! Dann bemerkte ich im Augenwinkel schwarze, sich bewegende Flecken. Die Krähen hatten die Nüsse gefunden. Keine 30 Minuten waren vergangen, bis sie die Nahrung aufgespürt hatten. Ich war überrascht, denn ich hatte noch lange nicht damit gerechnet. Dort war dann auch wieder ein ähnliches Verhalten zu beobachten wie an der mehr oder weniger sichtbaren Futterstelle. Die anwesende Krähe rief sofort wieder und kurze Zeit später erschienen drei, vier andere Krähen. Dohlen wurden bei meinen bisherigen Beobachtungen meist nicht vom Futterplatz verscheucht. Elstern dagegen wurden sofort angegangen und oft von mehreren Vögeln in die Flucht geschlagen.

Rabenkrähen und Dohlen 09. März 2008 Heute hatte ich den Eindruck, dass eine Rabenkrähe mich wiedererkannt hat. Ich verließ den Wagen, um Futter auszulegen, und eine der anwesenden Krähen flog sofort an einen Pfahl, so als wüsste sie, dass es nun was zu futtern gibt. Auch bei meiner Annäherung machte sie keine Anstalten, den ca. 4-5 m von mir entfernt stehenden Pfahl zu verlassen. Die Zeit, bis alle Krähen aus der Umgebung am Futterplatz ankamen, hat sich wesentlich verkürzt. Heute waren ca. 5 Dohlen und 16 Rabenkrähen da. 15. März 2008 Ich habe fast für jeden Vogel ein spezielles Gebiet, für diese Dohlen-Beobachtung bin ich heute über 50 km gefahren. Eine alte Burg mit Efeu und vielen alten Hohlbäumen war mein Ziel. Ich hatte noch nie Dohlen in Baumhöhlen gesehen, bei uns in Walsum sind sie meist in der Stadt anzutreffen. Hier konnte ich ca. 40 Brutpaare beobachten, bei denen das Synchronverhalten sehr gut zu beobachten war. Als ich auf einer Wiese Futter auslegte, rief eine Dohle sofort einen für sie typischen Ruf. Wie im Chor antworteten die ca. 20 anderen im Nachbarbaum. Das Paarverhalten konnte ich an dieser Stelle besonders gut studieren.

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Rabenkrähe

Saatkrähen 23. Mai 2008 In der letzten Woche war ich mal wieder in meinem Saatkrähengebiet. Dort brüten im Moment ca. 30 Paare, und so ist die Chance, eine Saatkrähe zu sehen, natürlich wesentlich höher, da sie ständig nach Nahrung suchen. Ich konnte die Nester (wegen der Blätter) leider nur schlecht einsehen, und so habe ich mich damit beschäftigt, die Saatkrähen im Umfeld der Bäume zu beobachten. Dabei sind die auf meiner Website gezeigten Aufnahmen auf der Wiese entstanden, für die ich ca. 2-3 Stunden auf einem leichten Hügel getarnt am Boden lag. Die abgebildete Saatkrähe war neugieriger als die anderen und so näherte sie sich auch ohne Scheu. Das von Dohlen als störend empfundene Auslösegeräusch machte der Saatkrähe keine Probleme. Als jedoch die anderen Rabenvögel starteten, flog „meine“ Saatkrähe mit davon. In der Umgebung waren außerdem zwei Elstern, sechs Rabenkrähen und vier Dohlen zu beobachten. Die Saatkrähen sind sehr schwer mit Nüssen oder ähnlichem zu locken. Würmer, Käfer und andere Insekten wurden während meiner Anwesenheit von ihnen gefressen. Die interessanteste Begegnung war die einer Saatkrähe mit einem Kaninchen auf dem Feld. Nach längerer Zeit war ich auch mal wieder in meinem speziellen Dohlengebiet. Dort waren meiner Meinung nach weniger Aktivitäten zu beobachten. Neben einer Dohle mit nur einem Auge konnte ich in der Nähe auch einen Teilalbino beobachten. Die 21


Dohle schien mit dieser Behinderung wohl auf die Welt gekommen zu sein, denn man merkte ihr nicht an, dass sie dadurch Einschränkungen oder Probleme hätte. Jedoch

Saatkrähe

war sie zutraulicher als die anderen und lief Nahrung suchend um eine Frau herum, die sich auf einen Stein gesetzt hatte. Besonders die unglaublichen Flugkünste kann man hier immer wieder sehr schön sogar ohne Fernglas betrachten. Der „Gesang“ der Dohlen vor Ort bildet eine unbeschreibliche Geräuschkulisse, die man schon fast, wenn man den Ort verlässt, irgendwie vermisst. 18. März 2008 Das schlechte Wetter hält die Rabenvögel nicht davon ab, an ihre Futterstellen zu kommen. In meinem Beobachtungsgebiet war heute richtig etwas los: Ca. 80 Rabenkrähen und 12 Dohlen waren in den großen Bäumen versammelt! Als der Wind stärker wurde, drehten sie eine Runde in der Nähe der Bäume und setzen sich am Ufer des Rheins nieder. Immer wieder ging die Truppe in die Luft, und einige der Rabenvögel vollzogen rasante Flugmanöver. An meiner Futterstelle trafen drei Paare Dohlen ein, und ich konnte auch ein Paar recht gut fotografieren.

Kolkraben in NRW 12. Juli 2008 Mein letzter Besuch bei den Dohlen liegt zwar schon etwas zurück, aber ich kann mich noch gut eine Szene erinnern, bei der ich wirklich geschluckt habe. Sowas hatte ich bis dahin nicht gesehen: Eine Dohle flog auf mich zu, da ich in der Nähe ihrer Gruppe war. Dann plötzlich machte sie eine kurze Bewegung mit dem gesamten Körper und 22


drehte sich um die eigene Achse. Von Kolkraben, die auf dem Rücken fliegen können, hatte ich schon gehört, aber Dohlen, die sich in der Luft drehen, das war mir neu!

Kolkrabe

Dann habe ich eine Stelle ausfindig gemacht, an der ich Kolkraben beobachten kann. Sie haben sich dort an eine Rotwildhaltung gewöhnt, brüten dort im Frühjahr (Angabe laut Ornithologen) und kommen immer wieder sehr früh zur Nahrungsaufnahme an die Gehege. Einen Kolkraben konnte ich an diesem ersten Beobachtungstag (hatte also sofort Erfolg) sehen. Er saß in einem sehr hohen Baum und kontrollierte die Umgebung. Ich versuche demnächst, mit Anfüttern in einem Tarnzelt die Burschen an meinen Platz zu locken. Bald werde ich auch Nebelkrähen beobachten können, da ich im Urlaub in den Müritz- Nationalpark fahre.

Nebelkrähen und Corvus Corax 08. August 2008 In meinem Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern konnte ich an der Müritz neben der Nebelkrähe auch den Kolkraben beobachten. Nebelkrähen kamen dort in ähnlich großen Schwärmen wie Aaskrähen vor. Sie glichen auch von der Fluchtdistanz ihren Verwandten und waren ebenfalls sehr neugierig. Besonders interessant war es, sie im Flug mit dem Blick nach hinten zu beobachten, wenn ich in ihre Nähe kam. Aaskrähen und Elstern waren genauso wie Kolkraben in ihrem Umfeld zu sehen. Mehrmals konnte ich Ausflüge von großen Schwärmen beobachten, bei denen sie nach kurzer Zeit wieder auf „ihre“ Bäume zurückkehrten. Ihr grau-schwarzes Gefieder wirkt immer wieder etwas zottelig auf mich, im Gegensatz zum Gefieder der Aaskrähe. Aaskrähen konnte ich nur äußerst selten beobachten. Ich schätze, es waren nur 10 Vögel im 23


gesamten Urlaub, wobei ich eine Verwechslung mit Kolkraben auf große Entfernung ohne Fernglas nicht ausschließe! Dohlen konnte ich nur in der Nähe einer größeren Stadt entdecken. Dort waren es vier Vögel, die in der Nähe eines Parks Futter suchten. Bei einer Beobachtung konnte ich aber auch eine große Anzahl auf einem Feld mit Nebelkrähen und Aaskrähen sehen. Zwei Eichelhäher habe ich während meines Aufenthalts mitten im Wald entdeckt. Sie waren sehr scheu und verschwanden sofort im Gehölz. Elstern waren in etwas größerer Anzahl zu beobachten, oft in kleinen Trupps, die nach Nahrung spähten. Sie verhielten sich ähnlich wie Elstern in meinem Beobachtungsgebiet. Nicht übermäßig scheu, aber auch nicht leichtsinnig beim Kontakt mit Menschen. Kolkraben konnte ich sehr ausführlich beobachten. Meine ersten Begegnungen waren eher kurz, im Vorbeifahren sah ich sie oft zu zweit ca. 10-20m entfernt am Straßenrand sitzen. Dann hatte ich zwei Paare genauer ins Auge gefasst: Eins saß auf einem großen Feld und suchte sehr wahrscheinlich Reste von Körnern oder Insekten. Sie waren immer einige Meter voneinander entfernt; ich schätze, um zu beiden Seiten das Feld zu kontrollieren. Aaskrähen sitzen oft in einer Gruppe enger bei einander. Einen Tag danach versuchte ich, mit Hilfe eines Tarnschals näher an sie heran zu kommen. In ca. 40m Abstand hockte ich mich das erste Mal hin. Dann versuchte ich, in gebückter Haltung näher zu kommen. Als ich hoch schaute, sah ich die beiden vom Feld fliegen. Eine halbe Stunde später waren sie immer noch außer Sichtweite. Auch nach einer Stunde konnte ich sie nicht wieder sehen, doch ein Feld weiter, hinter einem kleinen Wäldchen, tauchten sie dann wieder auf, diesmal jedoch ungefähr hundert Meter von der Straße entfernt.

Kolkrabe

Das andere Paar hatte ich auf einer Wiese zwischen Heuballen gesichtet. Dort konnte 24


ich auch einen Fuchs beobachten. Sie verhielten sich genauso wie das erste Paar, auch sie waren einige Meter voneinander entfernt. Am nächsten Tag waren sie nicht mehr da und eine Gruppe Nebelkrähen schmückte die Wiese, von der die Heuballen inzwischen entfernt worden waren. Einen Kilometer südlich sah ich dann einen einzelnen Kolkraben am Straßenrand sitzen. Er suchte ungestört nach Nahrung und in seiner Nähe konnte ich auch einen Mäusebussard beobachten. Ich drehte meinen Wagen und parkte ihn in einer größeren Entfernung auf einem Parkplatz. Dann ging ich mit meiner Kamera die Straße entlang und sah ihn plötzlich viel näher als erwartet. Ich ging weiter, um den Vogel nicht zu verunsichern, und versteckte mich hinter einem Baum, nachdem ein großer LKW an mir vorbei gefahren war. Dann wartete ich ab, und als sich der Kolkrabe nach vorn beugte, wechselte ich die Straßenseite und warf mich in den Graben. Dann robbte ich auf den Raben zu. Ich konnte ihn ca. 15-20m hinter einigen Gräsern bei der Insektenjagd beobachten. Er schnappte beim Gehen immer wieder nach größeren Nachtfaltern und Heuschrecken, die er durch seine Bewegung aufscheuchte. Eine herrliche Szene, die sich da im Gegenlicht abspielte. Ich hielt die Kamera auf ihn und sah ihn nur noch in den Gräsern verschwinden. Ich wartete mit dem Auge am Sucher auf ihn und es dauerte einige Zeit, bis ich mich dazu entschied, in der Hocke nach ihm zu sehen. Dann sah ich ihn ca. 20m weiter, also jetzt fast 40m weiter weg. Darum stand ich auf und ging gebückt am Waldrand eine kleine Steigung hinauf. Dann robbte ich wieder einige Meter weiter. Nun wurde ich vorsichtig, denn ich wusste ja nicht, in welche Richtung er sich bewegt hatte. Plötzlich tauchte er nur knapp 5-6m vor mir auf und wippte mit dem Kopf auf und ab. Ähnlich muss es für ihn ausgesehen haben, denn ich ging auch „hoch und runter“ um abzuschätzen, wie weit er von mir entfernt war. Dann hatte er mich wohl entdeckt und flog auf. Ich zog die Kamera hoch und drückte ab. Dabei sah ich einen zweiten Vogel, den ich wohl aus der Hocke heraus zuvor entdeckt hatte. Den ersten, mir näheren Vogel hatte ich leider nicht gesehen und mich daher verschätzt. Denn tatsächlich waren es zwei Kolkraben und nicht nur einer, wie es für mich zunächst den Anschein hatte. Fotos habe ich leider kein einziges machen können, doch konnte ich ein wunderbares Erlebnis in meinem Gedächtnis festhalten. Danach ging ich wieder in Deckung, denn ich konnte ihren Ruf hören. Nach einer Viertelstunde sah ich die beiden dann über die Wiese fliegen und über den Spitzen der Nadelbäume verschwinden. Natürlich hätte ich aus diesem Urlaub gerne das eine oder andere gute Foto mit nach Hause gebracht, doch die Vorbereitungen für ein optimales Foto von einem Kolkraben hätten deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen, als mir zur Verfügung stand, und so habe ich sehr viel in Büchern über Rabenvögel gelesen. Im Moment lese ich „Die Seele der Raben“ von Bernd Heinrich. Dieses Buch hat mich schon nach wenigen Seiten begeistert und mir sehr viel Wissen für meine nächsten Aufnahmen von Rabenvögeln vermittelt!

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Rabenkr채he mit Muschel

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Schlaue Nussknacker 20. Dezember 2008 Meine letzten Beobachtungen an Rabenkrähen waren sehr interessant, weil ich zuvor im Buch von Bernd Heinrich oder auch in Filmen Beschreibungen ähnlicher Verhaltensweisen gelesen bzw. gesehen hatte. In einem Filmbericht wurde gezeigt, wie Krähen mit Walnüssen umgehen. Eine Krähe hatte wenig Erfolg mit der Methode, sie aus einer gewissen Höhe fallen zu lassen. So nahm sie die Nuss und flog damit auf eine Ampel über der Straße. Dort wartete sie die Rot-Phase ab und ließ die Nuss fallen. Dann überfuhr ein Auto die Nuss und die Krähe flog dann in der Fußgänger GrünPhase herunter, um die Nuss zu fressen. Ein ähnliches Verhalten konnte ich bei einer Rabenkrähe in meinem Beobachtungsgebiet sehen. Die Krähe flog immer wieder mit einer Haselnuss in die Höhe und ließ sie fallen. Als sie schließlich merkte, dass ihr Plan nicht von Erfolg gekrönt war, nahm sie die Nuss und hackte sie zwischen den Kieseln am Ufer klein. Ein paar Tage später konnte ich beobachten, wie die Rabenkrähen auf meine Annäherung reagierten. Ich wollte sie in der Gruppe fotografieren und legte Erdnüsse als Köder aus. Dann legte ich mich in etwa 3 oder 4 m auf meinen Ansitzsack und wartete auf sie. Zuerst flog alles im Umkreis von ca. 15 m davon. Danach kamen einige wieder zurück, setzen sich aber mit mindestens zehn Meter Abstand zu mir in die Wiese. Nach ungefähr 10 Minuten kam eine einzelne Rabenkrähe und flog näher heran. Sie beobachtete mich sehr genau, und jeder Schritt wurde mehr oder weniger „kontrolliert“ ausgeführt. Als sie in die Nähe der Nüsse kam, wurde sie extrem vorsichtig und machte lange breite Schritte auf die Nüsse zu – und doppelt so schnelle wieder zurück. Also wurde immer nur kurz eine Nuss geschnappt und dann schnell wieder Abstand gewonnen. Der Kehlsack füllte sich schnell, und nach wenigen Minuten folgten dem „Späher“ einige Kollegen: Drei weitere Krähen kamen und verhielten sich fast genauso wie die erste Krähe. Da keine Reaktion von mir kam, wurde man nach einer Weile mutiger und verhielt sich weniger vorsichtig. Doch kaum bewegte ich mich nur minimal mit der Kamera, schreckten alle auf und verhielten sich wieder wie am Anfang. Dann blieb ich eine Zeit lang regungslos liegen und beobachtete nur. Da kam meine Lieblingskrähe - ich erkenne sie sofort, weil sie ein Teilalbino ist und ein bestimmtes weißes Muster in ihren Schwingen hat - lief auf mich zu und tippelte sogar in zwei Metern Entfernung an mir vorbei. Dabei konnte ich sehr gute Detailaufnahmen von Füßen, Schnabel und Augen machen. So hatten sich die Rabenkrähen fast genauso wie die Kolkraben von Bernd Heinrich verhalten, die auch sehr oft einen „Späher“ unter sich hatten.

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Die Schwanzlose 12. Februar 2009 Glück und Beharrlichkeit haben mir in der letzten Zeit immer wieder recht gute Bilder von Rabenvögeln beschert. Meine Vorliebe für diese schwarzen Vögel kommt wohl auch von dem Hobby, das ich vor der Naturfotografie betrieben habe, nämlich Burgen erkunden. In den alten Gemäuern hielten sich oft Dohlen und Aaskrähen auf, ganz unseren Klischeevorstellungen von mittelalterlichen Befestigungsanlagen entsprechend. Doch letztendlich war es die Intelligenz und das Verhalten dieser Tiere, die mich zu einem Freund der Rabenvögel gemacht haben.

Rabenkrähe „Alf“

Neben einigen Aufnahmen, die das Verhalten von Aaskrähen dokumentieren, sind mir auch sehr viele Flugaufnahmen gelungen. Wenn ich „meine“ Rabenkrähen in Walsum beobachte, stelle ich immer wieder neue Dinge in ihrem Verhalten fest. Da im Moment nicht das Wetter zum Fotografieren ist, schaue ich mir mehr an, was sie tun. Am Wochenende habe ich eine Rabenkrähe beobachtet, die immer wieder eine Haselnuss in die Luft mit sich nahm und dann in ein paar Metern Höhe fallen ließ. Sie war nicht erfolgreich, doch versuchte sie sofort etwas Anderes, indem sie die Nuss erst vorsichtig, dann immer heftiger mit dem Schnabel bearbeitete! Schließlich fiel die Nuss auseinander, und die Krähe zerkleinerte sie noch mehr. Sie fraß die Stückchen sofort auf, denn einige Dohlen sahen dem Schauspiel höchst interessiert zu! Der doch recht kräftige Schnabel der Aaskrähe kann solche Nüsse problemlos knacken. Dohlen konnte ich dabei noch nicht beobachten. Dass sie ihre „Beute“ im Flug fallen lassen, habe ich vorher schon mit Muscheln oder Schnecken beobachten können. Dann habe ich die Sache mit Walnüssen getestet und festgestellt, dass nicht alle Vögel die gleiche 28


Erfahrung haben. Junge Krähen, an ihrem noch leicht bräunlichen Gefieder zu erkennen, waren erst einmal gierig auf die Nüsse. Dann jedoch merkten sie, dass man da nicht sofort fressen konnte, und ließen die Nuss liegen. Auf die Weise komme ich sehr nah an die Krähen heran, manchmal bis auf 3-4 Meter. Die Nähe zu diesen Vögeln ist etwas Beeindruckendes, man kann sie sehr gut beobachten und sogar ihre Augen verfolgen, wie sie uns beobachten. Seit ein paar Wochen habe ich einen speziellen Freund, der keine Schwanzfedern mehr hat und auch sonst ziemlich gerupft aussieht. Er ist ein Teilalbino und immer überall dabei. Meist streift er über den Platz der Anlegestelle, und wenn ich komme, lässt er mich erstaunlich nah (1-2m) an sich heran. Er ist ein sehr cleverer Vogel, denn er nutzt meine Anwesenheit auch geschickt aus, indem der seine Beute (Walnuss) in meine Nähe legt. Alle anderen Rabenvögel, auch die erfahrenen Adulten (bläuliches Gefieder), trauen sich nicht so nah heran, und so kann er seine Nuss in Ruhe bearbeiten. Ein wirklich schlauer Bursche, der mich dann fast überhaupt nicht beachtet. Es sieht fast so aus, als würde er mir vertrauen!

Christian Falk und Rabenkrähe „Alf“

Alf 19. März 2009 Ich habe einer Rabenkrähe einen Namen gegeben, sie heißt jetzt „Alf“. Ich habe sie so genannt, weil ich eine echte Freundschaft zu ihr aufgebaut habe. „Alf“ ist eine junge Rabenkrähe, die von den anderen wohl viel „geärgert“ wird. Meist wird er verscheucht oder man reißt ihm mal wieder eine Feder aus. Er hat nämlich nicht mehr viele Schwanzfedern und man erkennt ihn auch an dem weißen und braunen Gefieder. 29


Braune Federn deuten auf eine junge Rabenkrähe hin. Der Bursche weiß sich aber zu helfen, denn er ist richtig schlau. Er war es, von dem ich schon unter einem anderen Bild berichtet hatte. Damals schrieb ich, dass er meine Anwesenheit ausnutzt, um sein Futter in Sicherheit zu bringen, denn andere Rabenkrähen kommen nicht so nahe an mich heran wie er. Er legt seine Nüsse dann in meine Nähe und frisst sie ungestört auf. Wenn ich ungünstig stehe, kommen oft andere Krähen und jagen ihm die Beute ab. Er hat so etwas wie Vertrauen zu mir, denn er kommt bis auf 1-2m an mich heran. Es dauert vielleicht nicht mehr lange, dann frisst Alf mir aus der Hand!? Die Rabenkrähen in meinen Beobachtungsgebieten fressen die verschiedensten Sachen, sie sind ja auch Allesfresser. Ich bringe ihnen meist Erdnüsse, Walnüsse, Äpfel oder normales Vogelfutter in Form von Fettfutter mit. Viele fressen auch Beeren, und darauf freuen sich dann besonders die Dohlen! An einem anderen Tag war ich wieder kurz bei „Alf“. Er war wie immer an seinem Lieblingsplatz und suchte Nahrung. Als ich ihn ansprach (ja, ich spreche mit ihm!), kam er angehüpft. Alf reagiert natürlich auf jeden, der ihn füttert, das tun andere Vögel (z.B. Höckerschwäne und Enten) ja auch. Nur, er reagiert auf meine Zeichen, da ich sie immer wiederhole. Er holte sich sofort ein kleines Stückchen Apfel und hielt es zwischen seinen Beinen fest. Dann wurden Stückchen heraus getrennt. Brot weicht er grundsätzlich am Flussufer ein und frisst es erst dann. Am besten gefallen ihm im Augenblick die Haferflocken als Fettfutter. Die pickt er sehr gern auf. Danach setzte er sich auf den kleinen Pfahl und beobachtete die Umgebung. Heute war ich wieder bei meinem kleinen Freund. Er war nicht sofort da, als ich ankam, und so beobachtete ich zuerst seine Kollegen und ein paar Weißwangengänse. Dann fütterte ich die Rabenvögel – und da kam Alf auch schon! Er schnappte sich etwas und ging damit spazieren. Ich beobachtete ihn genau und merkte, dass er recht geheimnisvoll und unauffällig tat. Er nahm die Beute in den Schnabel und stanzte ein Loch in den Boden, dann drückte er die Beute hinein und stülpte etwas Erde und Gras drüber. Anschließend ging er unauffällig weiter und suchte den Boden ab. Als er zwei bis drei Meter weg war, kam eine andere Rabenkrähe von einem Baum heran geflogen und landete gezielt an seinem Versteck. Sie holte sofort das Futter heraus und flog davon. Das Spielchen wiederholte sich ein paar Mal, dann hatte Alf eine neue Taktik. Gerade in dem Augenblick als die andere Krähe wieder an Alfs Versteck ging, versteckte dieser seine neue Beute an einem neuen Platz. Da die andere Krähe nun beschäftigt war, konnte Alf in Ruhe sein Futter verstecken. Dann ging er wieder zum Einweichen der Nahrung ans Wasser. Er kam heute auch noch ein Stückchen näher zu mir. Ich habe es dann mit der Nähe nicht übertrieben und gab ihm eine Belohnung. Ein paar Minuten später flog er davon!

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Verstecken 20. März 2009 Heute war ich wieder bei „Alf“, der Rabenkrähe. Er war wieder nicht sofort da, sondern blieb zunächst in den großen Bäumen sitzen, kam dann aber angeflogen, als er sah, dass ich Futter verteilte. Man muss sich das als Spaziergänger einmal vorstellen: Da steht jemand, wirft Futter auf eine Wiese, ein Rabenvogel kommt auf ihn zu geflogen und landet drei bis vier Meter vor ihm. Was würden sie denken?

Alf bei der Futtersuche

Alf machte wieder das gleiche Spielchen wie an den Tagen zuvor: Futter finden, Loch stanzen und das Stückchen verstecken. Ich habe ihn an dem Tag gefilmt. Einmal beim Verstecken, dann beim Rufen und als ich ihn gefüttert habe. Dann habe ich zum zweiten Mal etwas an ihm bemerkt, was ich nicht deuten kann und bisher auch nirgendwo gelesen habe. Aber ich werde mich bei ein paar Experten erkundigen, was dahinter steckt: Alf macht seltsame Geräusche, ich würde es fast als Würgen bezeichnen, doch klingt es eher nach einem Klappern mit dem Schnabel. Ich werde versuchen, es auch zu filmen. Dann habe ich ihn eben auch beim Rufen gefilmt und fotografiert. Das war auch sehr lustig, denn er stand vor mir, krächzte mich an, und ich unterhielt mich mit ihm!

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Nähe 23. März 2009 Die Nähe zu einem wilden Vogel ist etwas Beeindruckendes. Man fühlt sich der Rabenkrähe nicht nur optisch näher, sondern auch gefühlsmäßig. Es muss so etwas sein wie bei einem Hund und seinem Halter: Die Gestik und Mimik des Tieres aus 12 Metern Entfernung zu betrachten, macht einfach Spaß! „Alf“ hat mich gestern erkannt, so würde ich es deuten. Zunächst lief er nämlich zu meiner Frau, die meine Kamera in der Hand hielt. Aber dann hopste er zu mir, weil ich ihn rief. Erkannte er wirklich meine Stimme oder war es mein Gesicht, welches sich einige Rabenvögel, wie Forschungsarbeiten berichten, merken können? Ich werde das in einem weiteren Test prüfen.

Portrait von Alf

25. März 2009 Ich habe nun eine Erklärung für dieses Würgen und Klappern mit dem Schnabel. Es ist ein Verhalten beim Balzen, das u.a. schon in einer Arbeit von Bernd Heinrich beschrieben wurde. „Alf“ stellte die Nackenhaare und Kehlhaare auf und machte dieses Geräusch, das sich nach Würgen anhörte. Gestern war ich kurz bei ihm um zu sehen, wie er auf Trauben reagiert. Er nahm sie wie alle anderen Sachen auf und versteckte sie. Später hat er dann eine gefressen. Er lief mir übrigens hinterher, als ich nur eine Traube für ihn auf den Boden warf. Ein abgestelltes Plastiktöpfchen erkundete er zwar, nahm aber nichts heraus.

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Junger Kolkrabe 14.05.2009 Neues von Alf: Er jagt mittlerweile ganz gerne Stockenten durch die Gegend. Seine Kollegen sind da eher etwas ängstlicher und haben mehr Respekt vor den Enten und Schwänen. Alf schnappt schon mal nach einer Ente oder zieht ihr an den Federn, um beim Fressen in der ersten Reihe zu stehen! Ich habe ihn beobachtet, wie er eine Erdnuss öffnete. Das sah sehr gefährlich aus, denn er hackte zwischen den Krallen auf die Nuss ein. Schnell hatte er den Inhalt aus der Schale befreit, und die Nuss wurde von ihm gefressen.

Kolkrabe

18.05.2009 Heute an meinem ersten Beobachtungstag, in einem Waldgebiet am Niederrhein, habe ich auch gleich einen der drei Kolkraben gesehen, die ich in einem Waldstück vermutete. Ich war zuerst an eine Stelle gelaufen, deren Koordinaten ich von einem Freund bekommen hatte. Da ich dort aber nichts von ihnen sah oder hörte, lief ich weiter zu einem kleinen See. Dort konnte ich dann Baumfalken beim Jagen der Libellen fotografieren. Insgesamt vier Baumfalken waren es, die knapp über den großen Wasseroberflächen die schnellen Flieger jagten. Ein Zwergtaucher fühlte sich gestört und protestierte. Schließlich zogen die Baumfalken zum benachbarten See ab, und kurz darauf flog ein Mäusebussard auf. Die vielen verschiedenen Libellen um mich herum wären ein schönes Motiv gewesen, wenn da der Wind nicht gewesen wäre! Ich beobachtete gerade den Zwergtaucher, als ich plötzlich seltsame Töne hörte. Ich drehte 33


mich um und sah in einiger Entfernung einen Kolkraben am Himmel fliegen! Er rief ständig und flog um den See herum. Dann machte er eine „Rolle“ und flog weiter. Irgendwann konnte ich ihn über den Wolken nicht mehr erkennen. Das war ein tolles Erlebnis!

Schönreden 27.05.2009 „Schönreden“ möchte ich meine Lieblingsvögel auf gar keinen Fall. Es geht mir vielmehr darum, ihr über die Jahrhunderte tradiertes schlechtes „Image“ einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und dabei vielleicht auch einige Missverständnisse auszuräumen. Denn schon im Mittelalter war der Rabenvogel ein Vogel, der gehasst wurde. Er wurde zur Abschreckung über Feldern aufgehängt, damit seine Artgenossen fern blieben. Dass so etwas heute noch vom Menschen praktiziert wird, zeigt, wie wenig sich mancher Homo sapiens entwickelt hat! Neben den häufig völlig unberechtigten Abschüssen dieser Vögel ist auch die Aussage, dass sie Singvögel dezimierten, im Grund kein wirkliches Argument. Denn Singvögel lassen ihrerseits auch die Zahl der Schmetterlinge und Libellen schrumpfen, Katzen fangen neben Mäusen auch Jungvögel, und Löwen fressen auch Antilopen!

Rabenkrähe

Kurz: Wenn zwei das Gleiche tun, scheint es noch lange nicht dasselbe zu sein. Und wenn man jemanden schlechtreden will, findet man ein Argument, das den wenig informierten Bürger auf die Seite der Rabenvogelgegner bringt. Vielleicht ist es ihre Art, sich immer wieder auf alles einstellen zu können und sich „klug“ zu vermehren, was sie 34


dem Menschen ein wenig „unheimlich“ macht und eine Ablehnung dieser wunderbaren Vögel hervorruft. Ich jedenfalls liebe diese Vögel – und das „wissen“ sie auch!

Dohle im Flug

Unerfahren 22.06.2009 Oft verhalten sich junge Dohlen in vielen Dingen noch sehr unerfahren. Sie verlieren z.B. schon mal im Eifer des Gefechts um ein bisschen Futter ihre Eltern aus den Augen. Meist begleitet den Jungvogel nur ein Elternteil und der zeigt dann, wie man sich in der „großen weiten Welt“ verhält. Die Futtersuche ist dabei ebenso wichtig wie die Ausbildung im Fliegen. Da kann man oft wahre Kunstflieger beobachten! Seitwärts gedreht oder im Sturzflug, hoch aufsteigend oder mit einem Ausweichmanöver, die Dohle ist immer Herr über die Richtung, die geflogen wird. So ähnlich hat es auch Konrad Lorenz in seinem Buch „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“ beschrieben: „Und was treiben die Dohlen nicht alles mit dem Winde! Auf den ersten Blick scheint es, als spiele der Wind mit den Vögeln wie die Katze mit der Maus. Aber die Rollen sind vertauscht: Die Vögel spielen mit dem Sturm. Beinahe, immer nur beinahe, lassen sie dem Sturm seinen Willen, lassen sich vom Aufwind hoch, hoch in den Himmel werfen, sie scheinen dabei nach oben zu fallen – und dann drehen sie sich mit einer lässigen kleinen Bewegung des einen Flügels auf den Rücken, öffnen die Tragflächen für den Bruchteil einer Sekunde von unten her gegen den Wind, stürzen mit einem Vielfachen der freien Fallbeschleunigung nach unten, drehen sich mit einer ebenso winzigen Flügelbewegung wie vorher wieder in die normale Lage zurück und schießen nun mit fast völlig

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geschlossenen Schwingen in rasender Fahrt gegen den Sturm, der sie nach Osten blasen will, hunderte Meter nach Westen davon. Das kostet die Vögel keine Kraft, der blinde Riese selbst muss die Arbeit leisten, die nötig ist, um den Vogelkörper mit weit mehr als hundert Stundenkilometer Geschwindigkeit durch die Luft zu treiben, die Dohle selbst hat nichts dazu beigetragen, nur zwei oder drei lässige, kaum merkbare Stellungsveränderungen ihrer schwarzen Schwingen.“

Wer jemals eine solche Akrobatik in der Luft beobachten durfte, kann wohl nachempfinden, wie leicht man in Situationen wie diesen vergessen kann, dass man eine Kamera in der Hand hält!

Vogelinsel Texel 14.7.2009 Auf der Nordseeinsel Texel lassen sich zahlreiche Vogelarten beobachten: neben vielen typischen Seevögeln auch Rabenkrähen, Elstern, Eichelhäher und Dohlen. Letztere haben auf Texel die größte Verbreitung, sie sind auf dem Lande, an der Küste und in der Stadt zu finden. Die Vögel auf dem Lande treten oft in sehr großen Gruppen auf, die vor allem die Landwirte stören, weil sie an die Saat gehen. An der Küste suchen kleinere Gruppen nach Nahrung aus dem Meer und sie spekulieren auch auf eine „Zwischenmahlzeit“ an der Anlegestelle der Fähre. Die Stadtdohlen sind nur einzeln oder zu zweit zu entdecken und schauen nach Abfällen und anderen fressbaren Dingen. Sie habe sich an den Menschen gewöhnt, wissen, dass hier meist keine Gefahr droht.

Tote Dohle an einem Stab aufgehängt

Im Inland der Insel sieht das anders aus. Dort hängen manche Bauern wie vor 400 36


Jahren tote, vielleicht selbst geschossene Rabenvögel an Seilen auf. Im Mittelalter wurde dies auch praktiziert, heute allerdings wären die Landwirte besser beraten, wenn sie nicht mehr den Tipps vom Urgroßvater, sondern den neuesten Forschungen Glauben schenkten. Mich hat dieses Bild mehr als angewidert, zumal eine solche Vorgehensweise überhaupt keine Wirkung hat, wie groß angelegte Tests bewiesen haben. Sympathie für die Vogelinsel Texel hat das Ganze bei mir nicht gerade geweckt. Hoffentlich wird dieses Ritual nicht vom niederländischen Gesetzgeber geduldet.

Kolkrabe in der Lüneburger Heide

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Beobachtung im Wildpark Lüneburger Heide 19.07.2009 Schon bei der Greifvogelflugschau mit Lothar Askani waren mir in einiger Entfernung zwei Paare dunkel gefiederter Vögel am Horizont aufgefallen. Bei der Größe der Vögel in dieser Entfernung vermutete ich sofort, dass es Kolkraben sind. Als wir dann zum Wolfsgehege liefen und uns einen Vortrag von Tanja Askani anhören wollten, sah ich über dem Gehege einen Kolkraben in einem Nadelbaum sitzen. Er hielt sich nur sehr kurze Zeit dort auf und war nach knappen drei Minuten verschwunden. Solange ich aber nicht 100%ig sicher bin, prüfe ich immer erst die Bilder auf dem Laptop, wenn ich die Fotos herunter geladen habe. Tatsächlich, es waren Kolkraben, die ich gesehen hatte. Ich recherchierte sofort und schrieb einen Kollegen an, der in dieser Ecke zu Hause ist. Er bestätigte mir, dass es dort den Corvus Corax gibt und gab mir sofort noch einen Tipp in Bezug auf eine gute Beobachtungsstelle.

Kolkrabe

Meine ersten Beobachtungen am Kolkrabenwald 20.07.2009 Mithilfe der Beschreibung meines Kollegen fuhr ich nun die besagte Stelle an und sah aus einiger Entfernung schon die ersten schwarzen Vögel. Natürlich waren sie noch weit von meinem Auto weg. Ich ließ den Wagen stehen und ging die letzten fünfhundert Meter zum Wald mit schwerem Gepäck: Zwei Kameras, Stuhl, Stativ, 38


Wasser und Tarnung musste ich zum Zielort tragen. Ich versteckte mich in etwa 50m Entfernung, um die Vögel nicht sofort auf mich aufmerksam zu machen. Dann pirschte ich mich näher an sie heran. Sie flogen immer wieder über dem Wald umher um nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Mit dem Tarnschal über dem Kopf bewegte ich mich am Waldrand entlang und setzte mich immer wieder nach ein paar Metern hin um zu sehen, wie sie sich verhielten. Meist hatte ich Glück, sie bemerkten mich nicht, und so kam ich immer näher an ihre Ruheplätze heran. In ca. 100 m Entfernung lag eine gute Futterquelle für die Raben, an der auch Möwen und manchmal auch Greifvögel zu sehen waren. Diese hatten es allerdings sehr schwer, denn sie wurden immer wieder von den Kolkraben verjagt. So konnte ich auch eine Szene beobachten, in der eben ein Kolkrabe einen Bussard in die Flucht schlug. Im Rücken hatte er natürlich noch etliche Kollegen, die den Greifvogel zur Flucht bewegten. Ich schätze, es waren insgesamt ca. 50-60 Kolkraben, von denen sich etwa 30 im Gebiet der Futterquelle, etwa 10 im Umfeld und ungefähr 20 im Wald aufhielten.

Bussard der aus dem Revier der Kolkraben vertrieben wird

An diesem Tag konnte ich auch ein paar Vögel im Flug fotografieren und auch ihr Verhalten gut beobachten. Bei einer Begegnung war ich an einer Weggabelung angekommen, und sie flogen über mich hinweg. Es schien wie ein planmäßiges, organisiertes Vorgehen, wenn immer wieder neue Kolkraben kamen, die mich überflogen um sicher zu gehen, dass der komische grüne Fleck dort unten nicht doch ein Mensch war. Später begegnete ich einem sehr alten Jäger mit seinem Hund, der mir auch noch einige wichtige Hinweise gab.

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An diesem Tag fuhr ich gegen 17:30 Uhr zurück und hatte damit fast 4 Stunden lang dort beobachtet.

Die Gesänge des größten Singvogels der Welt 21.07.2009 Am nächsten Tag war ich schon um ca. 9 Uhr am Platz und staunte nicht schlecht, als ich feststellte, dass sich um diese Zeit kaum Vögel dort aufhielten. Einen Grünspecht konnte ich zwar ausmachen und auch einige kleine Singvögel, doch kaum Kolkraben. Um 11 Uhr fuhr ich dann auf einem Umweg auch erst einmal zurück zu unserem Haus. Drei Stunden später kehrte ich zum Beobachtungsplatz zurück und konnte wie am Tag zuvor sehr viele Raben sehen. Insgesamt waren es ungefähr genauso viele, diesmal jedoch sehr viele im Waldgebiet. Ich schlich mich getarnt um den Wald herum und begegnete einem einzelnen Vogel. Ich änderte sofort die Richtung und lief zurück. Dann versteckte ich mich in einem Gebüsch und wartete. Zwei Kolkraben kamen wie Kontrolleure über das Waldstück geflogen, in dem ich mich aufhielt. Als sie außerhalb meiner Sichtweite waren, bewegte ich mich wieder in die anfangs eingeschlagene Richtung, also rechts um den Wald herum. Ich ging sehr langsam und merkte, dass in diese Richtung sehr viele ihre Kontrollflüge machten. Ich wechselte erneut die Richtung und gelangte auf einen schmalen Waldweg, der mit Glockenblumen und einigen Tagpfauenaugen geschmückt war.

Mäusebussard im Anflug

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Dann sah ich in diesem Waldstück einen kleinen Hochstand in etwa 5 m Entfernung, der vielleicht nur 3 m hoch war. Ich lief in seine Richtung und wurde sofort durch laute Rufe der Kolkraben aufmerksam gemacht. Die Entfernung genau abzuschätzen war sehr schwer, aber ich glaube, sie waren etwa 15 m von mir entfernt. Dann flogen ca. 10-15 Raben über den Wald – die Späher! Sie hatten wohl meine Anwesenheit bemerkt. Ich verhielt mich ruhig und lief erst, als sie abgezogen waren, unter den Hochstand, dessen Fuß vollständig mit einem Tarnnetz bedeckt war. Ich hatte zusätzlich ja noch meinen eigenen Tarnschal und blieb erst mal eine halbe Stunde dort sitzen. Langsam wurde es ruhiger. Nach weiteren 20 Minuten hörte ich zum ersten Mal dieses Klopfen, das ich aus den Erzählungen von Bernd Heinrich kannte. Dann seltsame Töne, die ich nicht nachahmen könnte. Fast so etwas wie leiser Gesang, aber mehr so ein Murmeln. Dann wieder „Quoks“ in unterschiedlicher Intensität, meist auch mehrere Male hintereinander. Es war höchst interessant, ihnen zuzuhören. Ich saß dort unter einem Hochstand am Boden, und die Fliegen und Ameisen hatten mich schon als Waldboden akzeptiert. Auch eine Hummel schlug gegen meinen Tarnschal. Sie flog im Gegensatz zu einer Wespe schnell wieder weg. Die Wespe machte mir Probleme, denn mit Pusten war nicht viel zu machen. Ich wollte nicht entdeckt werden! Ein, zwei, drei Mal habe ich sie mit der Hand verjagt, dann ist sie Gott sei Dank davon geflogen. Ameisen saßen mittlerweile auf meiner Schulter, aber wenn man nett zu ihnen ist, sind sie es auch. Ich hörte weiter der „Unterhaltung“ der Kolkraben zu und konnte so sehr viele verschiedene Lautäußerungen hören. Nun kann ich Bernd Heinrich verstehen, dass er im kalten Winter ausharrte, um sie zu studieren! Nach fast 1 1/2 Stunden trat ich vorsichtig aus dem Hochstand heraus, ich wollte sie jetzt fotografieren. Über den schmalen Weg lief ich zum Hauptweg zurück. Dort flogen immer wieder ein oder zwei Raben in Richtung Futterplatz und zurück, so als würden sie sich abwechseln. Ich hatte große Mühe, nicht von ihnen gesehen zu werden. Schließlich erreichte ich den mittleren Bereich des Waldstücks. Dort wollte ich den Kolkraben auflauern und sie beobachten und fotografieren. Ich nahm den Tarnschal und befestigte ihn an zwei Ästen in einem Gebüsch, stellte mein Stativ auf und platzierte den Hocker direkt dahinter. Dann setzte ich mich hin und beobachtete die Baumspitzen. Nach einer halben Stunde kam ein Grünspecht, vielleicht der vom Vortag. Ich löste aus: keine Reaktion. Ich machte vier, fünf Fotos, dann verschwand er.

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Kolkrabe

Ich wartete weiter, und immer wieder flogen Kolkraben, zum Teil paarweise, über mich hinweg. Auch das von Heinrich beschriebene Flügelgeräusch konnte ich sehr gut hören. Es war interessant, wie es einmal zu hören war und einmal beim Gleiten nicht. Dann tauchte ein Rabe in einer Nadelbaumspitze auf und machte sich daran, einen sicheren Platz zu finden. Ich löste während der Aktion aus, und als er saß, schaute er hinunter. Na, war da wer? Ich drückte dummerweise wieder den Auslöser, und der Kolkrabe flog schnell davon. Kurze Zeit darauf setzte sich ein Mäusebussard in die Birke links von mir. Er schaute sofort nach unten, denn ich hatte gerade wieder eine Wespe verjagt. Das war ihm nicht entgangen, und so flog er sofort hoch und machte sich davon. Dabei konnte ich ihn sehr gut fotografieren. Gegen 18 Uhr – ich war nun wieder gut vier Stunden vor Ort gewesen – flogen zwei Kolkraben in die Birke rechts von mir. Sie landeten in unterschiedlicher Höhe, der eine mehr im unteren Bereich und der andere ganz oben in der Spitze. Ich nahm mein Fernglas und schaute mir den Burschen in der „oberen Etage“ an. Er war in dieser Position gut zu sehen, und ich beobachtete ihn fast 10 Minuten lang. Dann fotografierte ich die beiden beim Platzwechsel, und als der eine jetzt oben saß und der andere aus meinem Sichtfeld verschwand, konnte ich ihn ganz gut ablichten. Ich war in diesem Augenblick so glücklich und zufrieden, das werden wohl nur wenige wirklich verstehen. Nach insgesamt sieben Stunden war meine Kolkrabenexkursion vorerst zu Ende. Dass sie so erfolgreich für mich werden sollte, hätte ich drei Tage zuvor nie geglaubt. Jetzt freue ich mich umso mehr auf meinen Ausflug zu den Kolkraben in Grünau im Almtal.

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Kolkrabe

Der letzte Beobachtungstag 24.07.2009 Der letzte Beobachtungstag (der Regen machte mir oft einen Strich durch die Rechnung) war auch noch sehr interessant für mich. Es gab in zweierlei Hinsicht gute Ergebnisse bei den Kolkraben. Erstens gelang mir noch eine gute Flugaufnahme, und zweitens konnte ich noch einige Rufe der Vögel hören. An diesem Tag war ich gegen 15:45 Uhr angekommen und sah über dem Gebiet einen Rotmilan kreisen. Er wich den Kolkraben immer wieder aus und setzte sich auch an den Futterplatz, da nicht so viele Raben da waren. Dann fing es wieder an zu regnen, und einige der Vögel verließen den Platz in Richtung Wald. Ich hatte selbst Futter ausgelegt und wartete an einem sehr unbequemen Platz auf die Raben. Doch wie Bernd Heinrich schon in einem seiner Bücher schrieb, dauert es manchmal Tage, bis sie das Futter auch fressen. So wartete ich den Regen ab und machte mich dann auf den Weg zum Wald. Dort waren einige Vögel in den Bäumen und „verständigten“ sich sehr gut hörbar. Nach ein paar Metern blieb ich, getarnt wie ich war, stehen und hörte genauer hin. Ihre Lautäußerungen klangen ziemlich hektisch, vielleicht ja wegen meiner Anwesenheit. Ich ging weiter und setzte mich nach 20 m an eine Stelle in einem Busch. Dort lauschte ich weiter und konnte fünf bis sechs verschiedene Rufe wahrnehmen. Ihren hektischen Ruf „rab, rab, rab, rab“ abkürzend, rief ich nur „rab rab“! Es wurde still. Was auch immer ich da geantwortet hatte, ich hatte den Eindruck, sie waren etwas beruhigt. Das Spiel ging eine Weile hin und her, bis ich es dann abbrach. Den Wechsel ihrer Sitzplätze konnte ich auch wieder beobachten, wobei ich nicht sagen kann, ob sich bestimmte Gruppen 43


der Kolkraben abwechselten. Ich konnte lediglich sehen, dass eine kleine Gruppe vom Wald zum Futterplatz flog und umgekehrt.

Kolkrabe

Der M채usebussard tauchte wieder auf, es war wieder der helle Bussard vom ersten Tag. Auch er setzte sich in die N채he des Futterplatzes. Ich konnte ihn dort zum Schluss aus dem Auto heraus beobachten. Insgesamt habe ich in diesen wenigen Tagen sehr viel dazu gelernt und freue mich jetzt schon auf ein Wiedersehen mit den Kolkraben in der L체neburger Heide!

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Junger Kolkrabe

Zurück bei meiner Rabenkrähen-Bande 04.09.2009 Nach langer Zeit konnte ich wieder einmal meine Rabenkrähen besuchen. Die Beobachtungsstelle war relativ menschenleer, und so hatte ich nur Besuch von einem kleinen Jungen, der mich beobachtete, während ich die Rabenkrähen fotografierte. Ich hielt natürlich Ausschau nach „Alf“, der Rabenkrähe, die höchstwahrscheinlich in Menschennähe oder als Handaufzucht aufgewachsen ist. „Alf“ flog denn auch plötzlich zu uns, setzte sich in unsere Nähe, und ich begrüßte ihn. Der etwa fünfjährige Junge fragte mich darauf: „Sprichst du mit dem Vogel?“. Ich bejahte. Nach ein paar weiteren Fragen verließ er mich und lief zu seinen Eltern. Ich hätte gern die Reaktion der Eltern gehört bzw. gesehen, als er ihnen erzählte, dass dort ein Mann mit Vögeln spreche! Alf hatte einige junge Rabenkrähen in seiner Nähe, die ihn zum Teil nachahmten und sehr nahe an mich heran kamen. Das geschah mittlerweile schon ohne Futter. Als ich ihm und seinen „Kollegen“ einige Nüsse gab, kamen sie aber auch nicht viel näher und hopsten immer sehr vorsichtig in meiner Nähe zum Futter und zurück. 45


Rabenkrähe

Alfs Kollegen waren fast ständig in der Luft, und so ergaben sich viele Möglichkeiten, sie im Flug zu fotografieren. Eine von mir aufgestellte Plastikdose mit offenem Deckel, in der sich Nüsse befanden, beäugten sie kritisch und vorsichtig. Sie ließen die Dose aber unberührt. Alf als Ausbilder 15.09.2009 Alf ist in den letzten Wochen von jungen Rabenkrähen beobachtet worden, und sie ahmen ihn nach. Sie sind nach einer Weile relativ gesellig, kommen aber nicht so nah zu mir heran wie er. Ein Krähe, ich nenne sie die Halsbandkrähe, weil sie einen weißen Ring um den Hals hat, ist fast immer in Alfs Nähe und kommt auch sehr nah zu mir heran. Heute hatte ich zum Schluss die Futternüsse auf einen ca. 30 cm hohen Stein gelegt. Eine echte Herausforderung für die Rabenkrähen! „Da gehe ich erst mal nicht dran“, schien ihr vorsichtiges Verhalten auszudrücken. Doch als dann eine Dohle oben auf dem Stein eine Nuss ergatterte, war das Eis gebrochen, und alle versammelten sich um den Stein.

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Alf

Als ich dann später meinen Beobachtungsplatz verließ, saßen Alf und Halsbandkrähe auf einem Geländer in Augenhöhe und verabschiedeten sich von mir.

Rabenkrähen, Dohle, Elster, Eichelhäher 10.10.2009 Gestern Nachmittag habe ich einen Spaziergang durch die Rheinauen in Walsum gemacht. Da ich von einem Silberreiher gehört hatte, der sich dort aufhalten soll, war ich die komplette Runde im Kerngebiet gelaufen. Leider ohne Sichtung des Reihers. Unterwegs konnte ich jedoch Schwanzmeisen, Graureiher, Bruchwasserläufer und Sturmmöwen beobachten. Unterwegs musste ich auch leider wieder die Feststellung machen, dass sich manche Menschen offensichtlich nicht an gewisse Regeln halten können: Die letzte übrig gebliebene Beobachtungshütte im Süden ist mittlerweile total zerstört. Der Boden hat Löcher, die Wände sind herausgerissen, und das Dach hat auch schon Schäden. Es ist traurig, so etwas zu sehen, und man wird wütend auf solche Leute. Auf der anderen Seite kann ich auch nicht verstehen, dass so ein Schrotthaufen noch weiter in einem Naturschutzgebiet stehen bleibt? Fast am Ausgang des Weges angekommen, sah ich in großer Entfernung einen Eichelhäher. Mit dem Fernglas bewaffnet schaue ich ihn mir genauer an. Er ist nicht allein: Zwei weitere Vögel sind in seiner Nähe und fliegen spielend um einen abgesägten Baum herum. Möglicherweise zwei Jungtiere, denn kurze Zeit später sehe ich einen weiteren Eichelhäher auf dem gegenüberliegenden Feld. Sie treiben ihr Spiel 47


weiter, es wirkt fast wie ein Versteckspiel in der riesigen Eiche. Nebenan fliegen zwei Elstern hoch auf ein Gebüsch und versuchen, aus dieser Position das Gelände zu überblicken. Elstern sind ähnlich aufmerksam wie Eichelhäher und sind die buntesten Rabenvögel, die es in Deutschland gibt. Die Eichelhäher fliegen nun hinüber auf das Feld, auf dem ich einen adulten Vogel gesehen hatte. Die Elstern haben irgendetwas erspäht und eilen in ihrem typischen, flatterig wirkenden Flugstil davon.

Rabenkrähe

Ich kehre zum Wagen zurück und fahre zum Rhein um zu sehen, ob sich dort wieder Dohlen oder Rabenkrähen aufhalten. Als ich ankomme, sind fast überhaupt keine Vögel zu sehen. Ein paar Enten und Möwen schon, aber eben keine Rabenkrähen. Ich steige aus und verteile einige Erdnüsse in Schale auf dem Boden. Eine überfliegende Rabenkrähe sieht mich und dreht eine Runde über der Stelle. Sie landet, und nach zwei Minuten haben sich zwei weitere hinzugesellt. Die erste Krähe holt sich eine Nuss und fliegt davon. Ich werfe noch etwas anderes Futter dazu, und die anderen Krähen kommen ebenfalls näher und holen sich etwas ab. Eine der Krähen ruft in der typischen Haltung mit nach vorn gestrecktem Kopf. Weitere zwei Minuten später sind es ca. 10 Vögel und ungefähr 20 Möwen, die sich ebenfalls um das Futter bemühen, jedoch schnell merken, dass es nicht das richtige Futter für sie ist. Nach insgesamt 5-6 Minuten sitzen fast 30-40 Rabenkrähen um mich herum und springen zum Teil aufgeregt um das Futter. Andere sind „cooler“ und kommen ohne dieses „Gehüpfe“ zur Futterstelle. Alf kann ich heute nicht verlässlich ausmachen und vermute nur, dass er oben am Straßenrand wieder Nüsse versteckt, sicher bin ich mir aber nicht. Ein Dohlenpaar kommt rufend vorbei geflogen und schaut sich die Szenerie an, landet aber nicht. Ob es an mir oder den vielen Rabenkrähen liegt? Ich glaube, dass ich wohl zu nahe an der 48


Stelle sitze. Als ich dann zwei bis drei Minuten lang nichts mehr werfe, kommen sie wie auf Kommando näher. Ich verhalte mich passiv, löse auch die Kamera nicht mehr aus, da die Tiere sowieso schon im Nahbereich der Brennweite stehen. Sie beobachten mich zwar genau, wirken aber auf mich sehr ruhig und sicher in meiner Nähe. Die Vögel haben, wie ich sie so aus der Nähe sehe, wenig weiße Federn im Gefieder (was ein Zeichen von Mangelernährung wäre). Ob es an meiner guten „Küche“ liegt, dass sich die Jungvögel so prächtig entwickelt haben? Nach 10 Minuten Beobachtung stehe ich auf und gehe zum Wagen. Kein Alf kommt mich verabschieden, er scheint nicht da zu sein oder ist vielleicht schon wieder weg. Als ich zu Hause ankomme, begrüßt mich eine Dohle. Sie sitzt auf dem Dach unseres Hauses und springt zum Kamin hinauf. Auf unserem Dach sind zwei Kaminschächte, von denen jedoch nur einer in Betrieb isst. Vielleicht sucht die Dohle einen Unterschlupf für den Winter, denn die Brutzeit ist lange vorbei. Ich werde sie im Auge behalten. In der Nähe unseres Hauses haben im letzten Jahr Elstern ein Nest in einem Baum gebaut. Seitdem sind sie häufig in der Nähe zu beobachten, und oft „begrüßen“ sie mich morgens beim Frühstück mit ihrem seltsamen Ruf. Der Eichelhäher, den ich 2006 beobachtet hatte, ist nicht mehr zu sehen. Er hatte damals den Nachwuchs der in unserem Nistkasten brütenden Blaumeisen gefressen, und seitdem mag meine Frau den Eichelhäher nicht mehr. Aber sie versteht trotz allem, dass solche Jungvögel eben Nahrung für die Rabenvögel sind.

Grünau im Almtal und das Wunderwelten-Festival 15.11.2009 Ende Oktober bin ich zusammen mit meinem Freund Ulf zum lange geplanten Trip nach Österreich aufgebrochen. Wir fuhren morgens in aller Frühe los, um rechtzeitig an Köln und Frankfurt vorbei zu sein. So waren wir dann auch nach ca. 7 Stunden Fahrt in Grünau im Almtal. Nachdem wir uns in unseren Zimmern bei Frau Martina Raffelsberger in der Pension Kasbergblick (http://www.kasbergblick.at/) eingerichtet hatten, fuhren wir zur Familienalm Hochberghaus, wo wir erst einmal unser Mittagessen einnahmen. Die Sicht war leider durch Nebel getrübt, so dass wir kurz darauf wieder kehrt machten. Auf dem Weg hinunter entdeckte ich einen gelben Fleck auf der Fahrbahn. Ulf hielt an, denn ich vermutete einen Feuersalamander. Bingo, es war einer! Er saß mitten auf der Straße und machte keinerlei Anstalten, den Weg zu verlassen. Da ich kein Makro-Objektiv dabei hatte, musste ich mit meinem 300 mm „Universal“Objektiv den Lurch fotografieren. Er blieb auch für einige Aufnahmen auf der Straße, danach brachten wir ihn behutsam ins Grüne. Unsere Fahrt führte uns nun am Wildpark Cumberland vorbei zum Almsee. Dort angekommen, packten wir unsere Ferngläser aus und schauten uns um: Gänsesäger, Zwergtaucher, Graureiher, Kolbenente und Reiherente waren auf den ersten Blick zu sehen. Auch die leicht schneebedeckten Berge boten uns eine schöne Aussicht, und ich 49


versuchte, in den Lichtungen Wildtiere zu erspähen. Kurz darauf versteckte sich die Sonne hinter den Bergen, so dass ein effektives Beobachten nicht mehr möglich war.

Waldrapp

Am nächsten Tag ging es dann in den Cumberland Wildpark (http://www.wildparkgruenau.at/), für den wir während unseres Aufenthalts eine Art Dauerkarte hatten. Wie in den Prospekten beschrieben, war der Park auf den ersten Blick wirklich kaum zu erkennen: Die gesamte Anlage ist in die Landschaft integriert, und so wurden keine landschaftlichen Merkmale des Tals oder gerade dieser Umgebung verändert. Es gibt dort ein Kassenhäuschen und ein kleines Restaurant, in dem man einen guten Milchkaffee und kleine Leckereien bekommt. Die Bedienung im 50


Gasthaus sowie das gesamte Parkpersonal waren sehr freundlich. Einen schönen Kinderspielplatz und genügend Plätze zum Verschnaufen gibt es übrigens auch. Der Park beherbergt viele verschiedene Tierarten wie z.B. Fischotter, Waschbär, Braunbär, Wolf, Fuchs, Wildkatze, Luchs, Gänsegeier, Uhu, Schneeeule, Steinadler, Wisent, Gänsesäger, Moorente, Ziegen, Mufflons, Rotwild, Steinböcke, Urwildpferde, Wildschweine, Damwild, Rehe, Biber, Graugänse, Dohlen, Waldrappen und Kolkraben. Die Gehege von Braunbär, Wolf und Luchs könnten etwas größer sein. Aber da bin ich vielleicht von anderen Gehegen, wie denen aus dem Biosphärenpark Anholter Schweiz (http://www.anholter-schweiz.de/) oder dem Wildpark Granat (http://www.naturwildpark.de/) etwas „verwöhnt“. Der Park ist sehr weitläufig, und es gibt verschiedene Touren mit unterschiedlichen Längen. Die Wege sind gut begehbar und sauber. Der Kinderwagen oder der Trolley für die Fotoausrüstung kann gut mitgeführt werden. Viele Tiere können fast wie in freier Wildbahn fotografiert werden, und auch viele „freiwillige“ Parkbesucher wie Buchfinken, Baumläufer, Wasseramsel und Eisvogel sind hier zu beobachten. Der Park wird übrigens in den nächsten Jahren ausgebaut, jedoch soll das natürliche Erscheinungsbild erhalten bleiben. Am selben Tag ging es dann auch zur Konrad Lorenz Forschungsstelle (http://www.klf.ac.at/), die sich in der Nähe des Wildparks befindet. Über die Infotage (an denen Besucher Informationen über die Forschungsstelle und deren Aufgaben bekommen) sollte man sich vorab informieren, da die Studenten nicht jeden Tag Zeit haben. Spektakuläres gibt es dort nicht zu sehen, doch wer sich für eine Fütterung der Graugänse und der Waldrappen begeistern kann, ist genau richtig. Auch die immer wieder einfliegenden Dohlen mit ihren hell gekennzeichneten Schwanzfedern (damit die Forscher sie von den anderen unterscheiden können) sind einen Besuch wert. Allen Tieren begegnet man aber auch im Wildpark Cumberland.

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Bild auf Seite 51: Waldrapp und Christian Falk

Am Mittwoch waren wir dann zu Besuch bei der Rabenforscherin Dr. Gertrude Drack in Scharnstein (10 Minuten von Grünau entfernt). Sie begrüßte uns sehr herzlich und führte uns sofort zu der riesigen Voliere der mir aus Büchern schon bekannten Rabendame Kraxi. Neben dem weiblichen Kolkraben hält Frau Drack noch einen männlichen Vertreter mit dem Namen Arthur, der vor Jahren wegen eines zerstörten Flügels aus der Forschungsstelle „ausgemustert“ wurde. Die gut gepflegte Voliere gleicht einem Paradies für verspielte Raben. Überall sieht man Spielzeug und Klettermöglichkeiten, zudem gibt es einen Futterplatz und einen Nistplatz. Dort oben, unter der Decke der ca. 4 m hohen „Wohnung“, haben Kraxi und Arthur schon 9 junge und gesunde Kolkraben zur Welt gebracht! Es war seinerzeit wohl „Liebe auf den ersten Blick“: Kraxi akzeptierte den Kolkrabenmann sofort und sitzt oft schmusend mit ihm auf einem Ast. Die Volierenwände sind aus flexiblem Gittermaterial, das den Vögeln keinen Schaden zufügen kann, und so kehrt Kraxi nach einem Flug oder „Ausflug“ am Abend immer wieder zurück in die Voliere. Meist ruft Arthur sie schon, wenn sie sich bei ihren akrobatischen Flugmanövern zu lange von der „Wohnung“ entfernt aufhält. Es war sehr interessant, die beiden aus der Nähe zu betrachten, und Kraxi kam mir irgendwie „verlegen“ und verspielt vor. Arthur zeigte uns dann auch, zu welchen Gesängen ein Kolkrabe fähig ist und brachte Töne heraus, die wir beide noch nie gehört hatten. Trotz der Information von Frau Drack, dass wir beide ja Rabenfreunde seien, ließ sich Kraxi dazu hinreißen, Ulfs Pullover einmal mit dem Schnabel zu testen. Danach lernte Ulf dann die Kraft des Schnabels an seiner Hand kennen. Er hat es übrigens überlebt, denn das war eben nur eine mehr oder weniger „zärtliche Tuchfühlung“. Wir verabschiedeten uns für erste von den beiden Kolkraben und wurden von Frau Drack zu Tee und Kuchen eingeladen. In ihrer Wohnung, in der es von Rabenbildern, figuren und -skulpturen nur so wimmelte, lernten wir auch Herrn Drack, den „Rabenvater“, kennen. Wir unterhielten uns sehr lange über die Rabenvögel und auch über den Naturschutz. Frau Drack gab mir auch ein selten gewordenes Buch von Bernd Heinrich als Leihgabe, „Die Weisheit der Raben“, nach dem ich schon einige Jahre lang vergeblich gesucht hatte. Schließlich kehrten wir noch einmal zur Voliere zurück und schauten nach den beiden Kolkraben, die an diesem Tag sehr mit den Besuchern des nahe gelegenen Friedhofs beschäftigt waren. Nach einigen Aufnahmen verabschiedeten wir uns von Herr und Frau Drack (die übrigens auch „Rabengerti“ genannt wird), und bedankten uns für den Tee und den Besuch bei Kraxi und Arthur.

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Frau Dr. Gertrude Drack und Christian Falk

An den folgenden Tagen besuchten wir immer wieder den Wildpark, um die Kolkraben zu beobachten und zu fotografieren. Einmal, als wir gerade eine kleine Pause einlegten, fiel uns ein einzelner Kolkrabe auf, der ein Stückchen Fleisch gefunden hatte. Er hantierte damit herum und lief dann zu einem Stück Wiese am Rande des Spielplatzes. Dort versteckte er seine Beute im Boden, ganz wie ich es bei meinem Freund Alf schon oft beobachtet hatte, und „tarnte“ sie sofort mit Grasbüscheln. Dann lief er zum Zaun auf der gegenüber liegenden Seite und lenkte so anscheinend andere Beobachter von der Beute ab. Er rief auch ein paar Mal und beschäftigte sich mit einem größeren Grasbüschel, das er dann, ähnlich wie zuvor, wieder über eine Stelle stülpte. Schließlich flog er auf einen der Pfähle in der Nähe des Wildschweingeheges, und von dort aus hoch zu dem Berg, an dem sich wohl die Nester der Kolkraben befinden. Ob sich danach jemand an dem Versteck bedient hat, weiß ich nicht zu sagen. Doch hatte der Kolkrabe aufwändig daran gearbeitet, dieses Versteck zu vertuschen. Einen Tag darauf gingen wir den Weg im Park gleich in Richtung Wildschweingehege. Einige Kolkraben flogen über dem Gelände, andere saßen in den Bäumen und einige sogar am Boden. Wir liefen ins Tal hinein und hockten uns an der Rechtsbiegung an eine Hütte. Dass sich nun ausgerechnet dort jemand niederlassen wollte, gefiel den 53


meisten von ihnen offensichtlich überhaupt nicht. Den Grund erfuhren wir auch kurze Zeit später: Um die Hütte herum lag Futter für Rehe in einem Holzbehälter. Wir entfernten uns langsam genau wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Dann setzen wir uns an den Wegesrand. Ulf nahm einen Kolkraben auf einem Nadelbaum ins Visier, und ich lief noch ein kleines Stückchen weiter. An der Futterstelle der Wildschweine trieben sich zwei Kolkraben herum. Einer flog auf die Hütte in der unmittelbaren Nähe und beobachtete mich. Mit einem großen Satz flog er dann weiter auf einen der hohen Pfähle am Schafsgehege. Er schaute wieder zu mir, blickte aber irgendwie an mir vorbei. Ulf näherte sich meinem Standort und setzte sich langsam wieder ins Gras. Er wollte die beiden nicht unnötig beunruhigen und blieb vorerst sitzen. Ich saß geschützt hinter einem dicken Felsen, auf den ich auch meine Nikon mit dem 4/300 mm auflegen konnte. Von dem Vogel auf dem hohen Pfahl konnte ich jetzt einige Aufnahmen aus einer Entfernung von ca. 15 m machen. Dann flog plötzlich der zweite Rabe auf und setzte sich in einiger Entfernung auf die Zaunpfähle bei den Wildschweinen. Von dort aus beobachtete er mich genau. Es war der Kolkrabe vom Vortag, der seine Beute so aufwändig versteckt hatte! Ich erkannte ihn an einer roten Flügelmarke mit einem speziellen Zeichen. Ich stand auf, lief zu einem der Pfähle und legte etwas Futter darauf, dies tat ich ziemlich auffällig und mit vielen langsamen Handbewegungen. So konnte der Kolkrabe es nicht übersehen. Dann ging ich zurück hinter meinen Stein und setzte mich wieder. Ich drehte mich auch für kurze Zeit zu Ulf, denn der hatte mich schon wegen der Störung ermahnt, beruhigte sich aber wieder, als ich ihm mein Vorgehen erklärte. Der Kolkrabe schaute unterdessen immer wieder herüber, flog dann auf einmal los, drehte eine Runde über dem Gehege und zog an dem Futter vorbei. „Siehst du“, sagte Ulf, „nun ist er weg!“ Doch plötzlich drehte der Vogel und setzte sich auf einen Pfahl direkt neben den mit dem Futter. Er schaute mich prüfend an und wägte anscheinend ab. Sein Blick wanderte immer zwischen Futter und mir hin und her. Dann drehte er sich etwas von mir weg. Wollte er das Futter nicht? Er sah über die Schulter, und in dem Moment löste ich die Kamera aus. Nur leicht zuckte er zusammen und hüpfte fast einen Augenblick später auf den Pfahl, auf dem das Futter lag. Er nahm zwei, drei Stücke, schaute sich um und nahm noch zwei Stücke. Dann sprang er hoch und flog in Windeseile davon. Schnell wurde er am Horizont kleiner und kleiner, bis er über den Bergen nicht mehr zu erkennen war.

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Kolkrabe

Diese Begegnung, dieser Blick des Raben, bleibt wohl für immer in meinem Kopf, denn es war, als hätte er erkannt, dass ich keine Gefahr für ihn bin. Bei jedem Besuch im Wildpark war die Kolkrabenvoliere natürlich unsere tägliche Anlaufstelle. Dort konnten wir gut die unterschiedlichen Rufe hören und auch ein paar Tests mit den Kolkraben verfolgen. In einem der Tests wurde versucht, die Kolkraben an einen Futtertopf zu gewöhnen. Ein anderer stellte die Geschicklichkeit der großen Vögel auf die Probe. Dabei waren zwei über Kreuz gelegte Streifen an einem Ende mit Futter versehen. Der Rabe sah auch das Futter, nur musste er verstehen, dass er am rechten Streifen ziehen musste, um das Futter links zu bekommen. Das fand er auch sehr schnell heraus. In der Voliere herrschen die gleichen Bedingungen wie in der Natur. Es gibt immer einen ranghöheren Vogel oder anders gesagt einen ranghöchsten Vogel. Dieser kam auch zu uns, wenn wir ihnen unsere getrockneten Fleischbrocken anboten. Alle anderen trauten sich nicht an „seinen“ Platz. Ein Kolkrabe in einer Großvoliere an der nördlichsten Stelle des Wildparks war besonders sprachbegabt. Er ahmte verschiedene 55


Vogel, aber auch Säugetiere nach. Er war aus einem Zoo in den Cumberland Wildpark gekommen. Dort hatte er wohl in der Nähe dieser Tiere gelebt. Am letzten Tag im Wildpark kam Ulf und mir der Vogel „Rotmarke“, so hatten wir den Kolkraben mit der roten Flügelmarke genannt, sehr nahe. Wir waren wieder an der Großvoliere, in der die Tests durchgeführt werden. Zuerst hörte ich nur den Ruf eines Kolkraben, dann tauchte er auf der Voliere auf und beobachtete seine Kollegen im Inneren. Ich versuchte, ihn zu locken, um ihn näher an die Kamera zu holen. Da hatte ich mit ihm dann echtes Glück, denn er flog hinab auf den Boden und holte sich den Fleischkringel ab. Natürlich war er vorsichtig, wie es sich für einen Kolkraben gehört, doch konnte man ihm die Vertrautheit mit Menschen anmerken.

Kolkrabe

Neben den Kolkraben war auch die Begegnung mit den Waldrappen ein tolles Erlebnis, denn auch diese Vögel, die hier im Wildpark Cumberland sehr auf den Menschen geprägt sind, haben mich auf Anhieb mit ihrem Verhalten begeistert. Grünau im Almtal wird mich und auch Ulf wiedersehen, denn die Begegnungen mit den Kolkraben und Waldrappen haben uns so sehr fasziniert, dass wir sie gerne noch einmal erleben möchten. Wunderwelten: In diesem Jahr waren wir mit unserer Naturfotografen-Gruppe beim „Wunderwelten“Festival in Friedrichshafen am Bodensee vertreten, wo wir als „Naturfotografen-fn“ (die Abkürzung „fn“ = „for nature“ benutzen wir auf unserer Website) einen kleinen Stand auf dieser Veranstaltung für Naturschutz und Naturfotografie hatten. Freitag, der 30.11.2009, war unser Anreisetag, der für die Anlieferung des Ausstellungsmaterials 56


genutzt wurde. Am Samstag war dann der erste echte Messetag, und es gab auch gleich eine ganze Reihe interessanter Gespräche mit einigen Besuchern. So hatte sich Herr Dr. Tillmann Stottele vom Amt für Umwelt- und Naturschutz der Stadt Friedrichshafen fast eine ganze Stunde für uns Zeit genommen. Er war von unserem Engagement begeistert und wünschte uns weiterhin viel Erfolg. Auch der Vorsitzende einer NABU Gruppe aus der Umgebung wollte über unsere Tätigkeiten Genaueres wissen.

Naturfotografen-fn Stand in Friedrichshafen

Viele Besucher hielten uns kurioserweise wegen der Bezeichnung „FN“ für einen Fotoclub aus Friedrichshafen, und so mussten wir immer wieder diese Abkürzung erklären. Als Naturschutzorganisationen waren u.a. Greenpeace, der Deutsche Alpenverein, das Amt für Umwelt- und Naturschutz, die Bodensee-Stiftung, Euronatur und die Naturschule Konstanz e.V. vertreten. Auch Workshops wurden angeboten, von denen einer sogar über alle drei Festivaltage ging. Außerdem konnte man an mehreren Exkursionen in die Umgebung des Bodensees teilnehmen. Natürlich präsentierte sich auch der Hauptsponsor Nikon mit einem großen Ausstellungsstand und Kameraservice auf dem Festival. Außerdem waren Novoflex, Apple Computer, Terra Unica Reisen, Berlebach, Minox, Panasonic, Leica und Isarfoto Bothe mit einem Stand in der Ausstellungshalle dabei.

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Die Beamershows waren fast alle ausverkauft und es gab natürlich unterschiedliche Meinungen, was die Zusammenstellung solcher Vorträge angeht. Beeindruckend waren die Bilder der anwesenden Naturfotografen (u.a. James Balog, Markus Mauthe, Michael Martin) auf alle Fälle, und am letzten Tag bildete der Vortrag „Passion for Limits“ des Stargastes Reinhold Messner den gelungenen Abschluss dieser „Wunderwelten“-Veranstaltung, mit der Emmanuel Schulz als Veranstalter sichtlich zufrieden war. Für uns war diese Veranstaltung ebenso wie der Trip nach Grünau auf jeden Fall ein Erfolg, denn wir konnten viele Leute auf den Naturschutz aufmerksam machen und wurden mit wundervollen Erlebnissen beschenkt.

Eine Krähe als Freund 29.11.2009 Ende November bin ich mit dem Ziel, die Rabenkrähen und vielleicht auch Dohlen auf einen umgestürzten Baum zu locken, an „meinen“ Futterplatz gefahren. Es war an diesem Tag noch relativ warm, als ich mit meinem Futter am Rhein ankam. Das Wasser stand schon sehr hoch, und so waren Teile des Gebietes nicht begehbar. Zuerst einmal suchte ich eine Stelle, die sich zum Anlocken einer großen Gruppe eignete und legte dort Futter aus. Nach wenigen Minuten kamen auch die ersten „Schwatten“ angeflogen und nahmen sich ihr Futter. Auch mein Freund Alf ließ sich bald sehen. Wie immer nutzte er geschickt meine Anwesenheit, indem er in meine Nähe kam. Dort war er vor den anderen sicher, die ihm sein Futter streitig machen wollten. Nachdem ich im Umkreis ebenfalls Futter ausgelegt hatte, entfernte ich mich immer weiter in Richtung auf den ausgewählten Baum, an dem ich in einem Astloch Erdnüsse versteckt hatte. Keine zwei Minuten später folgte mir die ehemals schwanzlose Rabenkrähe, die ich mittlerweile wirklich in mein Herz geschlossen habe. Sofort nahm „Alf“ eine Erdnuss, begann sie zu öffnen und futterte sie auf. Für die anderen war dies eine neue Situation, ähnlich wie bei meinem Test mit dem Futter auf dem Stein (30 cm hoch) dauerte ihre Annäherung sehr viel länger als sonst. Sie beobachteten „Alf“ aus sicherer Entfernung und wagten sich nur langsam näher heran. Zuerst nahmen sie nur Futter vom Boden, dann flog die erste Krähe hoch und schnappte in der gewohnten hopsenden Art und Weise eine Erdnuss vom Baum, flog damit aber sofort an einen für meine Kamera nicht erreichbaren Platz. Dort öffnete sie dann ihre Beute. „Alf“ dagegen saß seelenruhig am Stamm, nahm sich eine Nuss nach der anderen und schaute nur selten in die Umgebung, um zu kontrollieren, ob Gefahr drohte.

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Rabenkrähe

Irgendwann war die Futterquelle erschöpft. Ich musste wieder ein paar Erdnüsse nachlegen, um die Krähen weiter beobachten zu können. Dadurch machten sich natürlich einige aus dem Staub, um aus sicherer Entfernung zu beobachten, was der Mann, der immer Futter bringt, da wohl macht. Nun dauerte es nicht mehr so lange, bis sie sich wieder an den Platz setzten. Nach einer Weile war mein Vorrat erschöpft, und ich ging wieder zurück zur Straße. Den Rest schüttete ich dann an einer angrenzenden Wiese aus. Ich lief herüber an ein Geländer, hockte mich nieder und beobachtete die Krähen, wie sie das Futter aufnahmen. Plötzlich kam eine direkt auf mich zugeflogen, nahm auf der Stange des Geländers Platz und schaute mich an. Ich sah sofort, wer mir da Gesellschaft leistete, und sprach meinen Freund auch gleich an. Ich erzählte ihm so einige Sachen, und er blickte weiterhin zu mir, als würde er mir tatsächlich zuhören. Ihn so aus der Nähe zu betrachten, seine Bewegungen zu sehen und seine Blicke zu beobachten, war ein unglaubliches Gefühl. In diesem Moment hatte ich den Eindruck, ich würde mit einem Freund sprechen. Als es mir dann doch zu kalt wurde, verabschiedete ich mich von ihm und ging nach Hause. Er blieb auf der Stange sitzen und schaute mir hinterher. Ob er weiß, dass Menschen Kälte nicht so gern mögen?

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Alf

Schwarz auf Weiß 06.01.2010 Der Schnee der letzten Wochen hatte mich auf die Idee gebracht, meine Freunde an der Anlegestelle zu besuchen und sie in dieser schönen Stimmung zu fotografieren. Meine Frau hatte mich begleitet und half mir, die Rabenkrähen zu füttern. Es war an diesem Tag bitterkalt, so um die - 5° C. Sofort tauchten auch die ständig „schimpfenden“ Lachmöwen auf. Sie kommen bei jeder Armbewegung zu den neuen Besuchern der Anlegestelle. Meist ist das Futter ja auch für sie interessant, doch bei Erdnüssen, dachte ich, würden sie nicht zugreifen. Schnell tauchte auch die uns vertraute Rabenkrähe „Alf“ auf und machte sich sofort daran, einige der Nüsse zu fressen. Dabei nimmt sie immer die Nuss zwischen die Füße, klemmt sie dort fest ein und hackt dann mit dem Schnabel die Schale auf. Danach frisst sie die kleinen Stückchen. Innerhalb kürzester Zeit waren ca. 50 Lachmöwen und 30 Rabenkrähen an der Futterstelle. Die Lachmöwen waren eigentlich ständig in der Luft und die Rabenkrähen immer mit kurzen Landemanövern bei den Erdnüssen. Nachdem „Alf“ sich ein paar Nüsse einverleibt hatte, fing er gleich wieder an, Futter zu verstecken. Aber da er die Eigenschaften von Schnee wahrscheinlich nicht so kennt wie wir, steckte er die Nüsse einfach in den „weißen Sand“. Prima, das ließ sich leicht verstecken! Schnell hatten die anderen das Versteck erkundet und die dunkle Nuss sofort gefunden. Dann gingen wir um die Wasserstelle herum, die von den beiden 60


Anlegestellen eingerahmt wird. Auf halber Strecke erkannten wir an der unter Wasser stehenden Anlegestelle meinen Freund Ulf, der gerade dabei war, mit seinem neuen Teleobjektiv die Lachmöwen im Flug zu fotografieren.

Alf im Schnee

Da tauchte „Alf“ auch schon wieder auf. Er setzte sich auf das Geländer. Ein Besucher fütterte die Schwäne und Enten mit Brot, und „Alf“ nahm sich auch gleich ein in seine Richtung geworfenes Stück Brot. Doch anders als noch vor wenigen Minuten versteckte er es nicht wieder im Schnee, sondern hinter einem kleinen Busch auf der gegenüber liegenden Straßenseite. Hatte er schon wieder etwas dazu gelernt, oder war das nur Zufall? Beim nächsten Besuch werde ich versuchen, das heraus zu bekommen.

Angst überwinden... 06.02.2010 Angst zu überwinden, ist bei Rabenkrähen eine Sache, die manchmal etwas länger dauert. Mein Versuch, sie auf einen ca. 30 cm hohen Stein zu locken, war nicht sofort von Erfolg gekrönt. Die Rabenkrähen hüpften um den Stein herum, als sie sahen, dass dort Futter zu finden ist. Zuerst wurde neugierig und vorsichtig beobachtet und geprüft, ob es sich nicht um etwas Gefährliches handelt. Dann wurde genau inspiziert und getestet, dabei aber immer auf den Kollegen nebenan geachtet. Zu beobachten, was die anderen tun, ist immer wichtig bei Rabenkrähen. Die Jungvögel schauen sich viel von den Alten ab. Oft werden aber auch die jungen Rabenvögel vorgeschickt, um zu 61


sehen, was passiert, und so erarbeitet sich die junge Krähe einen Vorteil gegenüber anderen gleichaltrigen Vögeln. Ich hatte gedacht, dieser Platz auf dem Stein wäre mit einem Zaunpfahl zu vergleichen. Doch dies erwies sich als glatter Irrtum, denn die Rabenkrähen brauchten etwa ein halbe Stunde, bis die Erste einen Sprung auf den Stein wagte.

Rabenkrähen an der Futterstelle

Eine Erklärung für diese Verhaltensweise habe ich bislang noch nicht. Die Vögel verhielten sich während dieser Beobachtungszeit sehr scheu, und jede unbekannte Bewegung wurde sofort als Gefahr gedeutet. So flogen alle anwesenden Rabenkrähen auf, sobald sie etwas beunruhigte, und schlichen sich danach, genau wie bei der ersten Annäherung, wieder langsam an das Objekt heran. Ich werde diesen Versuch bald einmal wiederholen, um Vergleiche ziehen zu können.

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Rabenkrähen nach einer langen Zeit dann auf der Futterstelle

Eine große Überraschung hatte ich ein paar Tage zuvor erlebt, als ich im Internet auf ein seltenes, schon lange von mir gesuchtes Buch von Bernd Heinrich stieß. „Die Weisheit der Raben“ stand mir bisher nur als Leihgabe von Frau Dr. Drack zur Verfügung. Nun werde ich endlich bald eine eigene Ausgabe dieses Klassikers unter den Rabenvogelbüchern mein Eigen nennen können!

Kein gutes Rabenvogel-Wetter 29.03.2010 In diesem Jahr spielt das Wetter bei meinen Beobachtungen irgendwie nicht mit. Fast immer wenn ich Zeit habe, ist es draußen trübe, der Himmel ist mit Wolken bedeckt, oder es regnet den ganzen Tag. So sind zwar ab und zu Beobachtungen möglich, doch nur sehr selten kann ich dann Aufnahmen von Rabenvögeln machen. So bleibt mir eben manchmal nichts anderes, als mit dem Fernglas die Umgebung abzusuchen. Dabei kam mir vor ein paar Tagen eine Situation vor die Linse, die ich bisher noch nie erlebt hatte. Ich hatte ein paar Tauben auf einem Baum beobachtet und sie dann bei einem Platzwechsel noch näher ins Auge gefasst. Da kam wie aus dem Nichts eine Rabenkrähe fast wie ein Wanderfalke im Sturzflug angeschossen. Die Tauben flohen schnell in alle Himmelsrichtungen, und so hatte bei diesem Versuch die Krähe auch kein Glück bei ihrer Jagd. Solch ein Verhalten hatte ich bisher noch nie gesehen oder in Büchern etwas darüber gelesen. Die in der Nähe unseres Hauses lebenden Elstern habe ich bisher nicht bei ähnlichem Verhalten beobachten können. Die letzte derartige Aktion hatte ein Eichelhäher direkt in 63


unserer Umgebung erfolgreich durchgeführt: Innerhalb von ein paar Minuten hatte eine junge Blaumeise gerupft, die in unserem Nistkasten groß geworden war. So etwas kommt immer wieder einmal vor, wenn Tiere krank, zu schwach oder wie im erwähnten Fall noch jung und unerfahren sind.

Junge Elstern

Die gegenüber unserem Haus in einem Nadelbaum nistenden Elstern haben da einen „gedeckten Tisch“ und kommen deshalb vielleicht nicht so schnell in eine solche Situation. Den Eichelhäher konnte ich bisher auch nur sehr selten an Futterstellen in der Stadt beobachten. Im Sauerland habe ich ihn schon häufiger an einem Futterhaus gesehen, das aber auch in direkter Nähe eines Waldes steht. „Unsere“ Elstern inspizieren alles in der Umgebung: Der Kamin, die Dachrinnen, der Garten, der Straßengraben und vieles mehr wird von ihnen systematisch unter die Lupe genommen. Es ist sehr interessant, sie bei ihren Streifzügen zu verfolgen. Die Landungen mit dem typischen Zucken mit den Federn oder das lustige Gehopse zum Überbrücken kurzer Strecken sind immer wieder zu sehen. Gerade jetzt sind sie sehr aktiv und bauen an ihrem eigenwilligen Nest herum. So gibt es immer wieder eine schöne ElsterBeobachtung vom Fenster aus. Am Rhein habe ich erst kürzlich noch eine Saatkrähe in einer Rabenkrähengruppe gesehen. Sie wurde immer wieder zur Seite gedrängt, wenn es darum ging, ein paar Nüsse zu fressen. Beim Beobachten dieser Saatkrähe fiel mir auch auf, dass sie sich immer wieder mal wegen des Futters „in die Federn bekamen“, eine Beobachtung, die ich bisher eher seltener gemacht hatte. Ich vermute, dass dies dann, ähnlich wie bei den raufenden Elstern, auch einjährige Jungvögel waren. Dohlenschwärme wie im letzten Jahr sind in diesem Jahr nicht vor mein Fernglas geflogen. So warte ich, was der April bringt, hoffentlich wird er seinem normalen Ruf nicht gerecht.

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Klausrabe 31.03.2010 Dem Waldrapp, einem vom Aussterben bedrohten Vogel, begegnete ich im letzten Jahr, wie in einem früheren Bericht schon erwähnt, im österreichischen Grünau. Diese Begegnung hat mich zu diesen Zeilen bewogen und auch zur Unterstützung der Arbeit von Dr. Johannes Fritz und seinen Kollegen. Der Waldrapp wurde auch als Klausrabe bezeichnet und oft mit Raben verwechselt. Vielleicht ist er deshalb auch besonders bejagt worden und ähnlich wie der Kolkrabe fast komplett aus Europa verschwunden. Der Kolkrabe hat sich jedoch seit einiger Zeit deutlich erholt, während der Waldrapp immer noch einer der am stärksten gefährdeten Vögel weltweit ist. In Grünau sind ca. 40-50 Vögel im freien Flug zu beobachten. Sie leben frei im Almtal und kommen nur zum „Abendessen“ zur Konrad Lorenz Forschungsstelle, die dafür gesorgt hat, dass die Waldrapp-Population sich wieder erholt hat. Dort wurde auch das Arterhaltungsprojekt ins Leben gerufen, ein Projekt, das auch den Vogelzug dieser Art wieder beleben soll. Dabei werden die Tiere mit einem Leichtflugzeug begleitet und an die Brutplätze in Italien geführt. Ich kannte den Waldrapp bisher nur aus dem Zoo, doch war er mir dort nicht aufgefallen, da er nicht sehr attraktiv oder interessant für meine Augen aussah. In Duisburg, Wuppertal, Rheine und Köln wird der Waldrapp in Volieren gehalten. Eine besonders eindrucksvolle große Voliere, die sogar begehbar ist, kann man im Alpenzoo Insbruck sehen. Die weltweit größte Voliere steht in Waidhofen an der Thaya.

Waldrapp im Flug

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Das Begrüßungsritual und seine Art generell haben mich bei diesem Vogel total begeistert. Der Waldrapp ist natürlich kein Rabenvogel, aber als ich den volkstümlichen Name Klausrabe hörte, dachte ich sofort an einen kleinen Bericht dazu. Ich unterstützte den Waldrapp mit meinen Workshops zum Thema Pflanzenfotografie und spendete den kompletten Erlös im Dezember 2010 für das Waldrapp- Projekt der Gruppe Waldrappteam in Österreich (http://www.waldrappteam.at). Dieser Vogel kann unsere Unterstützung gut gebrauchen!

Portrait vom Waldrapp

Der Waldrapp ist auf der oben genannten Webseite genau beschrieben, und es gibt dort eine Vielzahl an Informationen zu diesem „ulkigen Vogel“. Ein sehr schönes und interessantes Video ist unter dem folgenden Link zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=awNcXlnZpvE

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Waldrapp bei der Futtersuche

Die Dohlenschwärme 10.04.2010 Schon etwa eine Woche nachdem ich in meinen Aufzeichnungen vermerkt hatte, in diesem Jahr noch keine Dohlenschwärme beobachtet zu haben, tauchten sie auf! Eine große Gruppe von ca. 100 Dohlen flog am Rhein entlang und verbreitete eine beachtliche Geräuschkulisse. Der Ruf einer einzelnen Dohle ist ja schon sehr markant, und im Schwarm wirkt er noch eindrucksvoller. Sehr oft habe ich in diesen Schwärmen einige Halsbanddohlen beobachten können. Die Halsbanddohle oder auch Corvus monedula soemmeringi ist eine Unterart der Dohle, die in Osteuropa vorkommt. Neben dieser Unterart gibt es noch die skandinavische Dohle, die Nominatform Corvus monedula monedula, die eher selten bei uns in NRW zu sehen ist. „Unsere“ Dohle trägt die lateinische Bezeichnung Corvus monedula spermologus und hat im Ruhrgebiet eine sehr weite Verbreitung, da sie sich in alten Häusern ihre Nester baut, und gerade die vielen alten Zechenhäuser bieten da gute Möglichkeiten. Fotos auf den folgenden Seiten: Dohlenschwarm und Dohle im Flug

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Die einzelne Dohle im Flug zu beobachten, ist schon sehr interessant, doch einem ganzen Schwarm zuzuschauen, ist noch viel aufregender: Die Richtungswechsel und das dabei durch die Flügel erzeugte Geräusch sind schon ein Erlebnis. Und wenn dann noch alle auf einmal rufen, ist bei mir die Begeisterung am größten! Aber so ist das nun einmal bei einem Dohlenfan.

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Im Wald der Kolkraben 01.05.2010 Oberhalb von Wesel gibt es ein ziemlich großes Waldgebiet, in dem vor Jahren ein Projekt mit Kolkraben durchgeführt wurde. Dort und in einem Gebiet nahe Kirchhellen wurden Kolkraben ausgesetzt, um sie in unserer Gegend wieder heimisch zu machen. Das ist jetzt über 15 Jahre her, und auch heute noch sind die Kolkraben im Diersfordter Wald zu sehen, zumindest aber zu hören, denn ihre Warnrufe sind für ihre Jungvögel wichtig. Als ich den Wald betrat, wurde ich denn auch gleich von einem Kolkraben am Himmel verfolgt. Er flog mir eine Weile hinterher um zu sehen, wohin ich laufe. Die Begegnungen mit diesem für unsere Gefilde eher seltenen Vogel sind für mich immer etwas Besonderes. Vor allen Dingen, weil ich schon so viel über sie in den Büchern von Bernd Heinrich und Dieter Glandt gelesen habe.

Kolkrabe

Es war auch an diesem Tag wieder sehr aufschlussreich, ihre Rufe zu hören und sie mit den eigenen Rufen zu locken. Ich hatte mich getarnt und rief einige Male in den Wald. Kurze Zeit später überflog eine kleine Gruppe (vier Kolkraben) mein Versteck. Einer rief auch immer wieder, und so war es fast wie eine Art Abfragen und Antworten. Irgendwann hörte und sah ich sie nicht mehr – Stille im Wald, der sonst so viele Vogelstimmen hervor brachte. Dann plötzlich ein Sperber über mir und zwei Kolkraben hinter ihm her! Sie jagten ihn, bis er ca. 500 m von meinem Versteck entfernt war. Ich verfolgte die drei und sah den Sperber im Wald verschwinden. 69


Eine Stunde später eine ähnliche Situation. Diesmal war es ein Mäusebussard, der von den Kolkraben vertrieben wurde. Hier oben habe ich schon viele verschiedene Greifvogelarten beobachten können. Neben Mäusebussard, Sperber und Turmfalke habe ich auch Wespenbussard und Baumfalke gesehen. Immer wurden sie aus dem Bereich verjagt. Dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung: Das Nest der Kolkraben musste hier in der Nähe sein.

Der Futterplatz 15.05.2010 Am „meinem“ Futterplatz kann man eigentlich mit sehr großer Sicherheit Rabenvögel beobachten. Dieser Platz besteht aber auch schon seit ca. 10-15 Jahren und ist dadurch entstanden, dass sich durch die Anlegung einer Rampe für die Rheinfähre eine Art Becken gebildet hat. Sehr viele Besucher oder Gäste der Fähre kommen so täglich an diese Stelle und füttern die Wasservögel, was eigentlich nicht erlaubt ist. Nicht nur, dass den Vögeln häufig völlig Ungeeignetes als Futter angeboten wird (Schoko-Kekse, Chips usw.), sondern auch die Tatsache, dass überhaupt am Wasser gefüttert wird, ist für die Vögel schädlich. Durch diese Fütterungen kommt es zum „Umkippen“ des Gewässers, das durch die Trockenheit oft vom Rhein abgeschnitten ist, und im schlimmsten Falle zu Botulismus, eine durch ein bakterielles Nervengift hervorgerufene Erkrankung, die fast stets zum Tode führt. Im April hatte ich meine Idee, die Vögel einmal an einen bestimmten Platz zu locken, erneut umgesetzt. Dieses Mal sollte es wieder nicht die Anlegestelle sein, sondern wie beim ersten Versuch das kleine Waldstück in der Nähe, das sich mit einem umgekippten Baum besonders gut für meine Zwecke anbot. Ich baute mein Tarnzelt auf und lockte die Rabenkrähen in die Richtung des kleinen Waldes, wo ich vorher schon an dem Baum Futter ausgelegt hatte. Eine gewisse Strecke folgten mir die Vögel, nach ca. 50 m jedoch flogen sie zurück an den Rhein. Ich hockte mich ins Tarnzelt, um auf die Vögel zu warten. Eine Blaumeise interessierte sich für die ausgelegten Erdnüsse. Nach einer Weile tauchte auch eine Ringeltaube auf. Sie blieb aber der neuen Futterstelle fern. Drei Stunden lang keine Rabenkrähe! Ich stand auf, ging wieder zum Wasser und wiederholte, was ich vor drei Stunden schon einmal gemacht hatte: Ich lockte die Vögel wieder an das Waldstück heran. Abermals folgten sie mir eine kleine Strecke, flogen dann jedoch wieder zurück zur Fähranlegestelle. Ich setzte mich schließlich in der Nähe des umgekippten Baumes auf die Wiese. Warum wollten sie nicht zu dem Wald? Was hielt sie davon ab? Plötzlich flog eine Rabenkrähe auf den Baum und schnappte sich etwas Futter, flog dann um mich herum und setzte sich auf einen kleinen Zweig in meiner unmittelbaren Nähe. „Hallo, Alf!“, sagte ich und sah ihn an. Er blickte mich ebenfalls an und blieb eine Weile auf dem Zweig sitzen. Dann flog er wieder zum Baum und holte sich Nachschub. Alf hatte also keine Probleme mit dieser Umgebung, weil er mich natürlich kennt und auch an allen möglichen Stellen Futter von mir annimmt. Die anderen Vögel, so konnte ich es mir nur erklären, waren es gewohnt, an der Anlegestelle Futter zu 70


fressen. Da dort schon seit Jahren ständig gefüttert wurde, gab es für die Tiere keinen Grund, jetzt an einen anderen Platz zu gehen, um Futter zu bekommen. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon einmal in dem kleinen Wald gefüttert, damals jedoch mit dem Erfolg, auch andere Krähen dorthin zu locken. Natürlich wäre es nach einigen Tagen Bemühungen möglich, die Vögel an diesen neuen Platz zu locken, da durch die Wiederholungen auch wieder eine Gewohnheit entstünde. Doch war mir durch die Idee mit dem Tarnzelt klar geworden, dass diese Vögel eben wie wir ihre Gewohnheiten haben, die sie nicht so schnell mal eben ändern.

Rabenkrähe Alf

Alf folgte mir an diesem Tag noch zur Anlegestelle zurück und fraß noch eine Menge mit seinen „Verwandten“ an ihrem Stammplatz!

Saatkrähen, Elstern und Dohlen 25.05.2010 In der Nähe von Rheinberg kann man vier verschiedene Rabenvogelarten beobachten: die Dohle in der Gemeinschaft mit der Saatkrähe, die Rabenkrähe, die sich ab und zu in der Nähe der Saatkrähenkolonie aufhält, und die Elster, die in einem angrenzenden Gewerbegebiet ein Nest hat. Dieses Gewerbegebiet liefert für die Rabenvögel eine Menge Nahrung. Die Grünflächen um die Geschäfte sind relativ groß gehalten, und ein Imbiss bietet auch einige Leckereien. Ein von landwirtschaftlichen Flächen umgebenes, sehr großes Naturschutzgebiet in der Nähe bietet den Vögeln ebenfalls einige Nahrungsquellen. So kommt selten Streit auf, wenn es ums Futter geht. 71


Oft sieht man direkt in der Kolonie eine Dohle sitzen, und die Saatkrähen dulden diese Nähe. Auch während der Brutzeit wird dabei keine Ausnahme gemacht. Die Dohlen sind auch nicht nervös oder aufgeregt, wenn ich sie in der Nähe der Kolonie beobachte. Die beiden Rabenvogelarten leben friedlich nebeneinander und akzeptieren sich gegenseitig. Es ist sehr schön, die Eltern beim Füttern zu beobachten. Wenn die erwachsene Saatkrähe zum Nest zurückkehrt und sich dann plötzlich die Hälse in die Luft recken, geht das Geschrei los: „Hunger, Hunger!“ scheinen sie zu rufen, und auch der zurück gebliebene andere Elternteil bettelt den nahrungssuchenden Vogel an. Auf dem Foto oben kann man dies sehr gut sehen. Wenn dann in der ganzen Kolonie die Jungen schreien, ist das ein ganz schönes „Theater“! Oft wird das Nest noch ausgebessert oder etwas daran rumgezupft, denn der Wind bringt doch so einiges durcheinander.

Saatkrähen am Nest

Doch manchmal sieht die Welt dann doch wieder ganz anders aus, wenn – wie an diesem Tag – die Dohle plötzlich wegen eines Brotstückchens die größere Saatkrähe jagt. Da hatte die Saatkrähe in der Not wohl mal etwas beim Nachbarn Dohle ausgeliehen, und das gefiel der Dohle dann doch nicht so gut! Streit zwischen den Vögeln konnte ich bisher überhaupt nicht beobachten. Eine kurze Meinungsverschiedenheit, die auch gleich wieder beigelegt wird, kommt schon einmal vor. Aber selbst dabei sieht man keine böswilligen Attacken. Sogar die Elster wird an einem gemeinsamen Futterplatz nicht attackiert. Wohl schon einmal verjagt, wenn sie in die Nähe der Saatkrähen kommt, aber nie angegriffen. So waren jedenfalls meine Beobachtungen. Da gibt es schon eher mal eine kleine 72


Auseinandersetzung unter Saatkrähen und Rabenkrähen. Die Elster und die Saatkrähen, die hier brüten, haben auch in dieser Zeit genug mit der Nahrungsbeschaffung zu tun, und so fliegen sie sehr oft hin und her, um möglichst schnell und viel Futter für die Jungen zu besorgen.

Oben: Dohle verfolgt Saatkrähe, Unten: Elster im Flug

Meine Nähe bemerken sie dadurch manchmal überhaupt nicht, denn ich sitze oft am Wochenende auf einer Grünfläche im Tarnzelt oder auf Parkplätzen im Auto. Die Brutkolonie kenne ich seit über 10 Jahren, und ich hoffe, dort noch lange meine Beobachtungen machen zu können.

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Alf ist gewachsen 08.06.2010 Alf ist in den letzten Monaten wirklich „gewachsen“, nicht körperlich, sondern in seinem Verhalten. Seine Art, mit anderen umzugehen, besonders sein Verhalten gegenüber Jungvögeln, und seine Bewegungen wirken viel selbstbewusster. Wo er sich anfangs noch sehr unsicher verhielt, kann man jetzt einen kräftigen jungen Vogel beobachten. Er jagt die Stockenten in die Flucht, wenn sie den jungen Krähen oder ihm zu nahe kommen, und auch vor einem großen Schwan macht er keinen Halt.

Alf und ein Höckerschwan

Als der Schwan auf ihn zuging, wich er keinen Zentimeter zur Seite, und auch nach dem typischen Fauchen des Höckerschwans zeigte er keine Reaktion. Ob er dem großen weißen Vogel sagen wollte, dass man hier bei so vielen Brotkrümeln doch teilen könne? Der Schwan jedenfalls hatte es nicht verstanden und drängte Alf immer mehr zur Seite. Doch kaum hatte er sich umgedreht, um mal wieder etwas Grün zu fressen, zog Alf ihn an den Schwanzfedern. Das Spielchen ging eine Weile so, bis Alf einen größeren Brocken Brot an eine entfernte Stelle brachte, um es zu verstecken. Danach gab es für Alf kein Durchkommen mehr, zu viele Schwäne und Enten hatten sich breit gemacht. Die anderen Rabenkrähen gehen selten in dieses Getümmel. Alf dagegen sitzt manchmal mittendrin! Am gleichen Tag tauchte ein seltener Gast an dieser Stelle auf, eine Saatkrähe, die sich unter die große Menge von Rabenkrähen mischte. Den Rabenkrähen fällt so ein „Eindringling“ sogleich auf, nur die Jungvögel reagieren nicht sofort. Die Saatkrähe wurde auch nicht augenblicklich vertrieben, erst als sie zu nahe an die Futterstelle kam, 74


ging eine der älteren Rabenkrähen sie an. Die Saatkrähe hatte jedoch wohl mächtigen Hunger und ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie blieb auch noch in den folgenden Tagen dort und versuchte immer wieder, oft mit Erfolg, dort Nahrung zu bekommen. Ich vermute, dass es eine noch jüngere Saatkrähe aus der Kolonie von der anderen Rheinseite sein könnte. Nach einer Woche habe ich sie nicht mehr dort gesehen.

Saatkrähe mit Rabenkrähen

Im Wald der Kolkraben II 21.07.2010 Als ich Wochen später wieder in den Wald bei Wesel fuhr, um dort erneut die Kolkraben zu beobachten, hatte ich meinen Tarnumhang und meinen Ansitzsack, der auch von Jägern bei Kälte gern benutzt wird, mitgenommen. Ich wollte sehen, ob ich die Kolkraben aus einem Versteck heraus beobachten könnte. Durch den Tipp eines Naturbeobachters wusste ich zwar jetzt, wo sich das Kolkrabennest befindet. Die Vögel dort zu fotografieren, würde jedoch nicht so klug und interessant sein. Ich wusste durch meine Besuche, dass sie sich immer wieder in der Nähe der Lichtung aufhielten, und so richtete ich mein Versteck an dieser Stelle ein. Nach etwa einer Dreiviertelstunde hörte ich Stimmen. Nein, nicht die von Kolkraben, sondern von zwei Besuchern des Waldes. Ich blieb erst in meinem Versteck liegen und wartete ab. Dann gingen der Mann und die Frau an mir vorbei. Als sie am Aussichtspunkt angekommen waren, stieg ich aus meinem Versteck, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich wollte die Leute schließlich nicht erschrecken. So kam ich ins Gespräch mit den beiden Vogelbeobachtern, die an diesem Tag schon verschiedene 75


Singvögel vor ihr Spektiv bekommen hatten. Als sie den Punkt wieder verließen, beobachtete die Frau mich um zu sehen, wie meine Tarnung ausgesehen hatte. Sie war verblüfft, als ich unter meinem Tuch verschwand. Nach einer Stunde dann Rufe im Wald. Ganz eindeutig Kolkraben. Ich hörte sie über mich hinweg fliegen – dieses Geräusch der Flügel kannte ich von meinen bisherigen Kontakten mit Kolkraben. Doch sehen konnte sie nicht, da sie anscheinend im Schutz der Bäume flogen. Dann wurden die Rufe immer seltener und leiser. Nach weiteren zwei Stunden brach ich die Sache ab.

Kolkrabennest

Auf dem Rückweg schaute ich noch am Nest vorbei. Leider war auch hier kein Rabenvogel zu entdecken. Im nächsten Jahr werde ich früher mit meinen Beobachtungen beginnen, damit ich mehr von den Vögeln sehen kann. Der Winter war zu kalt für ein längeres Ansitzen in der Nähe der Vögel. Auf dem Weg zum Auto hatte ich dann doch noch eine kurze Begegnung mit dem größten Singvogel der Welt, der hoch oben am Himmel einen Falken jagte. Fazit: Menschen kann man wohl täuschen, da sie nicht so genau beobachten, Kolkraben jedoch schauen ihre Umgebung sehr genau an und bemerken jede Veränderung. Diese klugen Vögel lassen Menschen nicht so einfach an sich heran kommen.

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Vier auf einen Streich 15.08.2010 Die letzten Tage im Mai brachten mir in meinem Beobachtungsgebiet ein ganz besonderes Erlebnis. Ich war so gegen 10 Uhr dort angekommen und legte mich auf eine Decke in den Sand. Nachdem ich ein paar Nüsse ausgelegt hatte, kamen gleich wieder mindestens 30-40 Rabenkrähen, um sich einen Teil der Nüsse abzuholen. Angelockt von der großen Menge der Krähen, erschien kurze Zeit später eine Saatkrähe, die zuerst einen ziemlich großen Abstand von der Menge hielt. Sie beobachtete ganz genau, vor allen Dingen, wie ich das Futter verteilte. Ich warf, in einigen Minuten Abstand, immer wieder Nüsse zu den Krähen. Dann fotografierte ich und beobachtete auch eine Zeit lang. Ich schaute wieder zu der Saatkrähe, denn sie war näher herangekommen und stand jetzt fast in 4-5 m Entfernung von meiner Kamera. Da erschien plötzlich über ihr eine Rabenkrähe und versuchte, die Saatkrähe zu vertreiben.

Rabenkrähe verscheucht eine Saatkrähe

Die Saatkrähe wich sofort ein Stück zurück und breitete ihre Flügel aus. Sich groß zu machen, ist eine typische Abwehrhaltung von Vögeln allgemein, und der Saatkrähe war es offenbar gelungen, die Rabenkrähe zu beeindrucken, denn sie unterließ eine weitere Attacke, und so konnte die Saatkrähe ungestört weiter fressen. Ich beobachtete sie noch eine Weile, stand dann auf und ging zur Straße. Auf der anderen Seite der Straße ist eine große Wiese, auf der oft auch Hunde mit ihrem Haltern spazieren gehen. Dort halte ich mich auch sehr häufig auf, da hier die Rabenvögel neben einer Trauerweide und einer Reihe Kopfweiden noch viele andere natürliche Landeplätze zur Verfügung haben. Auch dort legte ich Futter aus, weil hier sehr oft Dohlen, die in den 77


hohen Bäumen landen, zum Fressen herunter kommen. Kurze Zeit nachdem ich das Futter ausgelegt hatte, erschien auch schon die erste Dohle. Auch sie scheinen mich hier zu beobachten und nach der typischen Streubewegung mit der Hand auf mich zu reagieren. Ich fotografierte die Dohle, denn sie kam ungewöhnlich nahe. Dann geschah das Gleiche wie vor einer halben Stunde auf der anderen Straßenseite: Ein Vogel kam vom Himmel herab und griff die Dohle an, um sie vom Futter zu verscheuchen.

Elster vertreibt Dohle vom Futterplatz

Diesmal war es aber keine Rabenkrähe, sondern eine Elster, die hier ganz in der Nähe ein Nest hat. Dieses Paar lebt schon seit vier Jahren hier am Deich. Auch die Dohle wich zuerst zurück, doch streckte sie genau wie die Saatkrähe ihre Flügel aus, um die Elster zu beeindrucken. Da die Elster hier im Allgemeinen sowieso schon recht scheu und schreckhaft ist, machte sie sich schnell aus dem Staub. Zudem waren auch die drei nach ihr angekommenen Rabenkrähen sofort auf sie aufmerksam geworden, so dass diese Reaktion wohl die klügste Lösung für die Elster war. So konnte ich an diesem Morgen vier verschiedene Rabenvogelarten beobachten, und das auch gleich in recht interessanten und spektakulären Szenen.

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Was denken Rabenvögel... 12.09.2010 ....wohl über uns Menschen? Diese Frage hatte ich mir vor ein paar Tagen gestellt, als ich vor „meiner“ Rabenkrähe saß und wir uns gegenseitig ansahen. Sie hat so einen „treuen und liebevollen“ Blick, wie sie da vor mir saß. Natürlich beeinflusse ich sie mit dem Futter, und die Rabenkrähe „denkt“ dann sehr wahrscheinlich gut von mir. Ich glaube jedoch auch, dass Rabenvögel in ihrem Verhalten zum Menschen Unterschiede machen und merken, warum jemand sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Es gibt ja schließlich auch Jäger, Bauern und andere Menschen, die die Rabenvögel jagen, und die locken sie sicher auch mit einem Leckerbissen.

Rabenkrähe im Flug

Aus den Büchern von Bernd Heinrich habe ich erfahren, dass beispielsweise Kolkraben dabei unterscheiden. Etwa bei Tieren wie dem Wolf oder einer Katze. Sie reagieren auf die Anwesenheit dieser Tiere mit größter Vorsicht und wissen das Verhalten einzuschätzen. Der Wolf, der Adler oder andere Beutemacher helfen ihnen ja, an Futter heranzukommen, und der Kolkrabe findet seinerseits die Nahrung für sie. In entlegenen Gebieten Amerikas haben Jäger dies bei Kolkraben auch beobachtet. Sie folgten den Tieren, als sie den Eindruck hatten, diese wollten sie auf einen bestimmten Weg bringen. Tatsächlich war dann dort ein verendetes Reh zu finden, welches der Jäger vor Ort zerlegte. So war für den großen Rabenvogel auch noch einiges übrig. Wolf und Adler reißen die Beute ebenfalls auf, und so kann der Kolkrabe auch hier die Reste fressen. Manchmal versucht er sogar, einen Adler von der Beute zu vertreiben. Der Haushund und die Katze sind dagegen eher mit Vorsicht zu genießen, denn sie werden 79


ja meist vom Besitzer mit Futter versorgt. Diese Tiere stehen in keiner Abhängigkeit, die für beide von Nutzen ist. Wie also denkt ein Kolkrabe zum Beispiel über Jäger, die sich ihnen gegenüber ja ganz unterschiedlich verhalten? Menschen in der Nähe von Feldern oder anderen offenen Futterquellen begegnen sie sehr wahrscheinlich immer mit der allergrößten Vorsicht, denn Bauern oder Gärtner verteidigen ihren Lebensunterhalt natürlich. Auch Menschen, die wenig mit der Natur oder Tieren anfangen können, kein Verhältnis dazu haben, dürften sie schnell einzuschätzen wissen.

Rabenkrähe Alf

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Vertrauen zu solchen Tieren lässt sich auch nicht von heute auf morgen aufbauen. Da vergehen Monate und Jahre, bis sich Mensch und Tier verstehen. Abhängig ist so etwas immer vom Umfeld, in dem sich die beiden bewegen. Fernab von der Zivilisation vertrauen Tiere dem Menschen schneller, denn dort haben die Tiere oft weniger negative Erfahrungen gemacht. Ein Beispiel dafür kann ich aus der Naturfotografie nennen, wo die Fluchtdistanz von Gänsesägern in der Schweiz geringer ist als bei uns im Ruhrgebiet. Verallgemeinern kann man dies jedoch nicht, es gibt immer wieder seltene Ausnahmen. Menschen sind für Rabenvögel wahrscheinlich ein Rätsel, denn im Gegensatz zu ihren Artgenossen, mit deren Verhalten sie sich nach einigen Lehrjahren auskennen, sind wir Menschen sind für sie schwieriger, denn wir haben Launen, töten aus Spaß und tun oft Dinge, hinter denen keine Logik steckt, die ein Rabenvogel verstehen würde. Ob Tiere bzw. Rabenvögel eine Zuneigung bemerken? Ob sie unser Verhalten an unserem Gesichtsausdruck, unserer Körperhaltung oder dem Klang unserer Stimme erahnen können? Manchmal habe ich bei Alf das Gefühl, dass er sein Verhalten davon abhängig macht. Ich habe ihn oft beobachtet, bevor er mich sah. Oft wurde er auch von anderen Besuchern der Anlegestelle gefüttert. Eine so kurze Distanz wie bei mir konnte ich nie beobachten. Eher immer noch diese typische „ein Bein für den Fluchtweg“-Haltung. Zum Teil sind dies meine Vermutungen, vieles habe ich jedoch selbst so erlebt oder in den Arbeiten von Wissenschaftlern gelesen.

Almtal und Bayerischer Nationalpark Teil 1 Waldi, Kraxi und die Vögel vom Almtal 28.10.2010 Nach fast einem Jahr war ich wieder in Grünau im Almtal. Im letzten Jahr hatte mich mein Freund und Fotokollege Ulf Krahnepuhl begleitet, in diesem Jahr war meine Frau Birgit mit mir in das schöne Almtal gefahren. Da auch sie begeisterte Fotografin ist und auch Tiere sehr mag, war sie schon sehr gespannt, nachdem ich ihr sehr viel über den Ort in Österreich erzählt hatte. Gleich am ersten Tag ging es wieder in den Wildpark Cumberland (http://www.wildparkgruenau.at), der uns mit einigen Neuigkeiten begrüßte. Gleich am Eingang war auf mehreren Schildern zu lesen, dass hier demnächst kräftig gebaut wird: Einige Gehege sollen vergrößert und verschönert werden, der Wirtschaftshof soll erneuert werden, und der komplette Eingangsbereich wird neu gestaltet. Im Eingangsbereich wird für eine Million Euro ein Besucherzentrum mit Kasse, Souvenirshop, Gastronomie, Seminar- und Vortragsräumen, Ausstellungsflächen und einem Verwaltungsgebäude entstehen. Insgesamt wird der Umbau über 2 Millionen Euro kosten und vom Land Oberösterreich und dem Förderverein Wildpark Cumberland finanziert werden. 81


Das war gleich am Anfang schon mal eine schöne Überraschung, und der Park ist es wert, erweitert zu werden, denn die Einbettung in die wunderschöne Landschaft ist hier hervorragend umgesetzt worden. Kurz darauf begrüßten uns schon die ersten Kolkraben mit ihrem durchdringend markanten Ruf. (Foto oben: Almtal, Foto unten: Kolkrabe)

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Der einsame Wolf in der Nähe der Gastronomie hatte wohl sein Gnadenbrot bekommen und in sein Gehege sind vier junge aufmerksame Wölfe eingezogen. Die Tiere waren zu sechst im Alpenzoo Insbruck zur Welt gekommen und gelten in Fachkreisen als die schönsten, die man in Europa zu sehen bekommen kann. Auch in den anderen Gehegen hatte sich einiges getan. Die Elche, die Wisente und viele andere Tiere hatten Junge bekommen, und auch einige im Vorjahr noch leere Gehege waren mit neuen Tieren belegt worden. Der einzeln gehaltene Kolkrabe aus der großen Voliere war in die Voliere am nördlichen Rand gezogen: Er gilt als „schwierig“, da er allein in einem Zoo aufwuchs. In die große Voliere sind jetzt die jungen Waldrappe gezogen und bereichern dieses riesige Vogelhaus mit ihrem interessanten Aussehen. Der Park war wie im letzten Jahr sehr sauber und gepflegt, der Gastronomiebereich hatte sich sogar noch verbessert. So war es besonders für meine Frau ein Erlebnis, sich im Park umzusehen. Die Forschungsstelle besuchten wir natürlich auch wieder und erfuhren sehr interessante Neuigkeiten. An diesem Tag gelangen mir sehr gute Fotos vom Waldrapp beim Anflug auf die Forschungsstelle. Dort werden sie in den Wintermonaten gefüttert, da sie unter der dicken Schneedecke nicht genügend Futter finden. So besuchen diese Ibisse die Forschungsstelle gelegentlich auch in den anderen Monaten des Jahres, weil sie wissen, dass es dort immer etwas gibt. Neben den Kolkraben faszinieren mich diese Vögel am meisten, und das nicht nur, weil sie sehr selten und vom Aussterben bedroht sind. Sie haben etwas, das anderen Vögeln fehlt, sie sind größtenteils, natürlich durch die Handaufzucht, auf den Menschen geprägt und nehmen gern Kontakt mit ihm auf. Aber auch ihr Verhalten untereinander, ihre Begrüßung und ihre Bewegungen sind einfach bemerkenswert. So ist es dann auch, wie im letzten Jahr mit Ulf, zu einer Situation gekommen, die jeden Beobachter nur schmunzeln lässt. (Unten: Konrad Lorenz Forschungsstelle)

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Christian Falk im „Gespräch“ mit einem Waldrapp

Ich hatte an dem Futterautomaten ein wenig Fischfutter (kleine winzige Kügelchen) gekauft und den Waldrappen angeboten. Sie fraßen es, untermalt von einem seltsamen Geräusch, aus meiner Hand und warteten, als die Hand leer war, auf neues Futter. Da die Portion aus dem Automaten recht groß war, konnte ich drei- bis viermal nachfüllen, 84


und so kam es erst nach dem vierten Mal zu dieser ulkigen Reaktion des Waldrapps: Als meine Hand dann endgültig leer blieb und ich mich wieder aufrichtete, kam er näher an mich heran und zog mir tatsächlich am Hosenbein. Ja, er zog mich sogar in Richtung Futterautomat, als wollte er mir zeigen, was ich zu tun hätte. Meine Frau, die diese Begebenheit nur vom Erzählen kannte, hielt sich den Bauch vor Lachen, und auch ich amüsierte mich köstlich. Manchmal wenn es mit dem Futter zur Neige ging, erwischte der Waldrapp auch schon mal meine Hand, und so schimpfte ich mit dem „lustigen Vogel“, der mich dann sehr erstaunt ansah. Auch ihr Stochern im Boden beobachtete ich in diesem Jahr mit anderen Augen und konnte dabei sehen, wie einer von ihnen einen riesigen Regenwurm aus dem Boden zog. Sie besitzen im Schnabel eine Art Sensor, der es ihnen erlaubt, Dinge unter der Erde aufzuspüren.

Waldrapp bei der Futtersuche

Später kamen wir in den unteren Bereich des Bärengeheges, wo wir wieder Kolkraben beobachten konnten. Sie sammelten sich dort fast an jedem Tag, an dem wir im Park waren. Fleischreste, die Wolf oder Bär nicht mehr interessieren, sind ein „gefundenes Fressen“ für die Rabenvögel. Auch am Wildschweingehege im oberen Teil des Parks finden sie sich regelmäßig ein. Dort verbrachte ich auch einen großen Teil der Zeit im Park, denn ich wollte mich natürlich auf den großen schwarzen Vogel konzentrieren. Einige Begegnungen mit ihnen werde ich demnächst genauer beschreiben. Insgesamt waren die Besuche im Park immer sehr interessant, da er wegen des großen Futterangebots auch von anderen Tieren besucht wird. In diesem Jahr waren es unter anderem ein Eisvogel, ein Erlenzeisig, Rabenkrähen und viele andere Singvögel.

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Ein Besuch bei Dr. Gertrude Drack stand auch in diesem Jahr auf dem Programm, schließlich wollte ich ja das geliehene Buch von Bernd Heinrich wieder nach Scharnstein bringen. Neben meiner Frau waren noch vier weitere Gäste an diesem Tag bei Frau Drack zu Besuch. Zwei Paare aus Wien waren zur „Raben-Gerti“, wie sie auch genannt wird, gekommen. Sie wollten unbedingt einmal die Rabendame Kraxi kennenlernen. Nach einer interessanten und anregenden Unterhaltung, leckerem Kuchen und einer Tasse Kaffee ging es dann auch zu der großen Voliere, die dem Haus der Dracks gegenüber liegt.

Kolkrabendame Kraxi

Die beiden Kolkraben leben dort seit Jahren in einer sehr großen Voliere, die keinen normalen Volierendraht besitzt, sondern ein Geflecht aus Seil. Dies bedeutet für Kraxi und Arthur, die beiden Kolkraben, ein sanftes „Abprallen“ beim Berühren der Maschen dieser Voliere. In diesem Jahr hatten die beiden Rabenvögel vier Junge zur Welt gebracht, von denen drei Jungvögel schon ausgeflogen waren. Der verbliebene Vogel war sichtlich aufgeregt und zeigte das typische scheue Verhalten von Rabenvögeln. Einer der Besucher aus Wien fragte mich dann, welcher Vogel denn Kraxi wäre, und ich antwortete wie selbstverständlich: „Der auf dem Balken dort!“. Ich hatte sie nach über einem Jahr an ihrem Verhalten und ihren Bewegungen wiedererkannt. Frau Drack holte darauf hin Kraxi aus der Voliere (im letzten Jahr ging es wegen der zahlreichen Besucher des gegenüber liegenden Friedhofs nicht) und war dann sehr erstaunt, dass sie nicht sofort wegflog. Vielmehr lief sie zum Teich und rief immer wieder „Raab, Raab“, was Frau Drack als Zeichen für zusätzliche freilebende Raben in der Umgebung deutete. Dann taxierte Kraxi ihre Besucher und schlich förmlich um alle herum. Sie setzte sich schließlich auf den Fuß meiner Frau und merkte wohl, dass da jemand saß, 86


der sich häufig mit Singvögeln beschäftigt. Auch zu mir kam sie, und Frau Drack meinte, dass sie mich erkannt hätte, das würde sie an ihrem Verhalten mir gegenüber erkennen. Kraxi strich dann mit den Federn an meinem Bein entlang und lief immer wieder um mich herum. Dann drückte sie richtig gegen mein Bein, und ich hielt ihr meinen Arm hin. Schwups, da saß der Vogel, den ich so begeistert schon oft aus über 100 Metern Entfernung beobachtet hatte, direkt vor mir auf meinem Arm! Eine Mischung aus Respekt vor dem Vogel mit seinem beachtlichen Schnabel, Stolz und Freude breitete sich in mir aus. Ich genoss diesen Augenblick sehr und war auch froh, dass meine Frau ein Erinnerungsfoto machen konnte.

Bergwelt bei Grünau

Almtal und Bayerischer Nationalpark Teil 2 15.11.2010 In den letzten Tagen in Grünau waren wir dann auch einige Male am Almsee. Dort gibt es immer sehr viele Wasservögel zu beobachten. Das Totengebirge ist besonders gegen Abend sehr reizvoll, wenn sich die Berge rot von der Sonne färben. An einem besonders schönen Tag – die Wettervorhersage hatte einmal nicht übertrieben oder falsch berichtet – fuhren wir hoch zur Sepp-Huber-Hütte. Bei dem hervorragenden Wetter hatten wir eine tolle Aussicht über die Berge. Wir waren da oben schon über den Wolken, das machte sich auf den Fotos sehr gut. In der Nähe eines kleinen Waldstücks hörte ich dann Kolkraben rufen, kurz darauf flogen sie über uns hinweg. Ich stieg weiter in die Richtung hoch und hörte die Rufe deutlicher. Nun ging ich vorsichtiger und langsamer vorwärts. Die Raben waren wohl noch in der Luft, denn ich hörte das typische Geräusch des Flügelschlags in der Nähe. Dann sah ich plötzlich doch einen Kolkraben am Waldboden sitzen. Er bemerkte mich erst nicht, denn er suchte den Boden ab. Mir blieb nur kurze Zeit, den Raben zu 87


fotografieren. Doch er war sehr aufmerksam und blickte mich auf einmal direkt an, Sekunden später war er auch schon wieder in der Luft. Ein totes Tier hatte ihn angelockt. Welches es mal war, konnte ich nicht identifizieren, denn es lagen nur noch Teile davon herum.

Kolkrabe

Das Ganze war für mich ein besonderes Erlebnis und wohl auch ein wahnsinniges Glück. Der Weg zur Hütte zog sich noch ein ganzes Stück, im letzten Teil war der Anstieg auch sehr beschwerlich. Doch der Weg zur Hütte hatte sich auf alle Fälle gelohnt. Zum Schluss kehrten wir noch ins Hochberghaus ein, denn nach der langen Tour knurrte der Magen. Wir konnten dort direkt von der Terrasse ebenfalls einen schönen Ausblick genießen. So ging die Zeit in Grünau dem Ende zu. Wir wären gern noch länger beim Waldrapp und den Kolkraben geblieben.

Bayerischer Wald Oktober 2010 22.10.2010 In der zweiten Woche hatten wir eine Ferienwohnung in der Nähe des Freigeheges im Bayerischen Nationalpark gemietet. Die Wohnung war sehr schön und mit einem echten Naturgarten ausgestattet. Die Vögel und Tiere der Umgebung waren darüber erfreut, und so ließen sich Eichhörnchen, Gimpel, Blaumeisen, Kolkraben, Blaumeisen, Eichelhäher, Elstern und viele andere sehen. 88


Wildkatze im Gehege

Das Freigehege ist auf jeden Fall eine Reise wert, denn man bekommt einen Eindruck davon, wie es wohl vor über 100 Jahren in unseren Wäldern aussah. Neben Braunbär, Biber, Wolf und Co konnte man sehr viele Volieren besuchen, in denen Greifvögel, kleine Singvögel, Eulen und auch Kolkraben untergebracht sind.

Wolf

Baumfalke

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Besonders viele Fotografen waren meist am Wolfsgehege in „Lauerstellung“ gegangen, und da an einem Tag sogar Schnee fiel, war die Stimmung für ein Foto schon sehr interessant. An diesem Tag waren aber wegen des Wetters nur wenige gekommen, so gelangen mir mit dieser Stimmung recht seltene Aufnahmen. Die Fotografen kamen aus den unterschiedlichsten Regionen: aus Norddeutschland, Frankreich, den Niederlanden und sehr viele aus Italien. Mit einer kleinen Gruppe tauschte ich Kontaktdaten aus und einer der Fotografen meldete sich im Dezember sogar mit Weihnachtsgrüßen. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Der Park ist wirklich wunderbar angelegt, und auch das Informationszentrum mit Gastronomie ist einen Besuch wert. Die Umgebung bietet aber noch mehr als nur das Freigehege. Viele interessante Wandertouren sind möglich, für die es im Nationalpark-Zentrum auch kleine Flyer mit Karten gibt. Ich war aber in den ersten Tagen immer im Freigehege, denn ich wollte ja einen Baumfalken oder Wespenbussard fotografieren. An einem Tag gelang mir das mit dem Baumfalken auch. Es war aber mehr oder weniger ein Zufall, dass ich ihn so schön ablichten konnte, denn er saß sehr oft an eher ungeeigneten Plätzen. Ein französischer Naturfotograf sprach mich auf den Falken an und zeigte mir den Platz, auf dem dieser saß. Ich hatte ihn zuvor nicht direkt bemerkt und konnte ihn dann auf einem Baumstumpf ablichten. Er hielt sich dort recht lange auf, doch die Lichtverhältnisse gaben an diesem Tag nicht mehr her.

Kleine Ohe

Kolkraben im Gehege

Eine wunderschöne Wandertour führt durch das Tal der Kleinen Ohe. Die Eindrücke von dieser wildromantischen Landschaft lassen sich nur schwer in Worte fassen. Ich habe an diesem Tag bestimmt 200 Aufnahmen oder mehr gemacht, denn auch 90


Makromotive waren zahlreich vorhanden. Der Flusslauf bietet fast an jeder Stelle einen Platz für den Fotografen. Leider bin ich nicht der gute Landschaftfotograf, doch für meinen Geschmack sind ganz schöne Aufnahmen entstanden. Hier ist eine von der Kleinen Ohe. Diese Wandertour würde ich immer wieder machen, denn sie hat mir sehr viel Spaß gemacht und war sehr interessant. Die letzten Tage verbrachte ich häufig nur in der Kolkraben-Voliere, da das Wetter weniger gut war, und so konnte ich wenigstens die Raben beobachten. Sie sind dort mit zwei Gänsegeiern untergebracht, die erstaunlicherweise auch in der Voliere fliegen können. Die Kolkraben sind oft minutenlang in der Luft und drehen ihre Runden. Sie sind sehr kontaktfreudig, wie mir ein Besucher erzählte. In den knapp vier Stunden, die ich am letzten Tag in der Voliere verbrachte, konnte ich sehr viele Verhaltensweisen der Kolkraben beobachten, die mir aus diversen Büchern bekannt waren. Für mich eine unvergessliche Erfahrung. Den Nationalpark werde ich bald wieder besuchen, dann vielleicht mit anderen Zielen. Diese Aufnahme habe ich einmal von den Maschen der Voliere befreit, ich finde, das Balzverhalten ist so schöner anzusehen. Zum Schluss noch ein Foto im Schnee, den Kolkraben ebenso sehr lieben wie wir Menschen!

Wenig Freunde 20.02.2011 Rabenvögel haben in Deutschland eher wenige Freunde. Dies liegt nicht nur daran, dass die meisten Menschen zu wenig über diese Vögel wissen, sondern auch an der Verbreitung von negativen Nachrichten in der Presse. Da ich per Google einen entsprechenden „Alert“ gesetzt habe, bekomme ich regelmäßig Meldungen aus der Presse über Rabenvögel. Fast 80% sind negativ und stellen diese Vögel als mordende Monster dar, die Jungvögel und andere Kleintieren fressen. Klar tun sie das, aber sie würden erbärmlich verhungern, wenn sie sich rein davon ernährten. Des Deutschen liebstes Haustier wiederum darf das: Die Hauskatze tötet ebenfalls Kleinvögel. Nicht, dass ich ihnen das missgönne, nein, nur wird dies in den Nachrichten heruntergespielt oder gar nicht erst erwähnt. Auch andere Arten töten andere Tiere, da sie Fleischfresser sind. So ist nun einmal die Nahrungskette in der Natur. Rabenvögel aber sind Allesfresser, sie passen sich den vorhandenen Verhältnissen in ihrer Umgebung an. Der NABU schreibt dazu: „Die Rolle der Rabenvögel im Naturhaushalt als Aasvertilger, Nestbauer, Waldbegründer, teilweise auch als Prädator muss in Aufklärungs- und Informationskampagnen der breiten Öffentlichkeit erklärt werden; die Naturschutzverbände fordern hierbei den Gesetzgeber zur Unterstützung auf.“

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Rabenkr채he Alf

Kompletter Bericht: http://www.nabu.de/themen/jagd/jagdaufrabenvoegel/ Ein anderer Bericht, der zeigt, wie schwer es diese Tiere haben: http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/news/03526.html

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Eine außergewöhnliche Begegnung 06.03.2011 Unten am Rhein treffe ich fast immer „meine“ Rabenkrähe, die ich vor einigen Jahren „Alf“ genannt habe. Vor einer Woche war ich dort, um ihn mal wieder zu besuchen. Er kam nach wenigen Minuten zu mir und machte mir auch sofort klar, dass es nur er sein kann: Er fliegt immer sehr nahe an mir vorbei und setzt sich dann in einem so geringen Abstand zu mir, den kein anderer Vogel „aushalten“ würde. Ich fütterte ihn und natürlich auch seine „Verwandten“. Sie kamen in recht großer Zahl, und wenn sie dann sehen, wie Alf aus sehr kurzem Abstand zu mir Futter holt, kommen sie während seiner Anwesenheit auch immer recht nah an mich heran.

Rabenkrähe Alf

Da ich etwas unter Zeitdruck stand, verabschiedete ich mich nach etwa einer halben Stunde von ihm. Als ich dann den Hang in Richtung Auto herunterlief, flog er plötzlich sehr nahe um mich herum, als wollte er mich zum Bleiben auffordern. Er machte es auch gleich noch einmal und flog immer wieder in die Richtung, in der ich vor wenigen Minuten gefüttert hatte. Er kam mir ein bisschen vor wie ein Hund, der spielen möchte. Bisher hatte ich solch ein Erlebnis noch nie mit ihm gehabt. Es war für mich sehr intensiv und es hat mich sehr beeindruckt. Alf flog dann noch ein paar Meter hinter mir her, doch er verstand recht schnell, dass ich heute wohl nicht die gewohnten zwei bis drei Stunden bleiben würde. Schon ein wenig traurig fuhr ich dann nach Hause.

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Die Dohlen WG 18.03.2011 Es ist schon recht lange her, dass ich meinen Beobachtungsplatz für Dohlen besucht habe. Okay, Dohlen kann man hier in Duisburg-Walsum an sehr vielen Stellen beobachten. Im Kreis Borken gibt es jedoch eine Stelle, an der etwa 50-60 Dohlen auf einem Fleck zu beobachten sind, und das macht die Sache, da es ein vielbesuchter Platz ist, natürlich umso interessanter. Die Dohlen nisten nämlich auch dort, und so kann man sie beim Nestbau, bei der Nahrungssuche und bei ihren abenteuerlichen Flügen beobachten. Ich kam an diesem Tag leider erst recht spät, fast schon zur Mittagszeit dort an. Die Dohlen waren schon vom weiten zu hören. Meine Kamera hatte ich wie immer dabei, und so gelangen mir an diesem Tag einige schöne Fotos, sogar von fliegenden Dohlen.

Dohlen

Es gibt zwei Möglichkeiten, dort zu fotografieren: einmal an alten Bäumen, in denen die Dohlen auch nisten, und an einem Gebäude, das mit Efeu bewachsen ist. Es bietet den Dohlen sehr gute Nistmöglichkeiten. An der Stelle kann man sie auch im Flug sehr gut ablichten. Sie sitzen dort auch überall herum – an Fensterrahmen, auf den Dächern, in kleinen Nischen, im Efeu und auf Mauern. Im Umkreis sind sie häufig im Fluge zu sehen, da sie auf Nahrungssuche gehen. Aber auch in den umliegenden Parks oder privaten Gärten sind sie in den Bäumen sehr oft zu beobachten.

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Natürlich bringe ich den Dohlen auch mal einen Leckerbissen mit, denn so kann ich zu ihnen einen engeren Kontakt aufbauen. Sie sind nach recht kurzer Zeit relativ zutraulich, doch halten sie auch hier ihren Sicherheitsabstand ein, um bei Gefahr dann doch wieder auf einen der nahen Bäume zu flüchten. Sie tauchen in kleinen Gruppen auf und kommen, nachdem sie ihre „Beute“ in Sicherheit gebracht haben, auch schnell wieder zurück. Dann ergeben sich oft die Momente, in denen man sie in der Luft fotografieren kann. (Oben: Dohlen auf einem Dach, unten: Dohle im Flug)

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Sie können, ähnlich wie Turmfalken, sehr gut in der Luft stehen. Da sie im Vergleich zu Saatkrähe oder Rabenkrähe recht kurze Flügel besitzen, sind sie in der Lage, schnelle Flügelschläge auszuführen und so dann auf einer Stelle zu schweben. Am Rhein hilft ihnen der oft sehr starke Wind bei solchen Flugmanövern. Da Dohlen hervorragende Flugkünstler sind, kommen sie problemlos mit dieser Situation zurecht, und manchmal hat man den Eindruck, sie sind davon ähnlich fasziniert wie wir beispielsweise vom Radfahren oder Surfen. Wer sie in der Luft fotografieren möchte, muss dazu ihren Rhythmus ein wenig studieren und genau auf die Richtungen achten, in die sie verschwinden. An diesem Tag ist mir das wieder einmal gelungen, und ich glaube, die beiden Flugaufnahmen brauchen keinen besonderen Kommentar.

Dohle im Anflug

Einige von ihnen sind auch sehr neugierig, oft sind dies Jungvögel, aber auch ältere Dohlen kommen schon einmal sehr nahe an die Besucher heran. Das Zusammenleben der Dohlen ist dadurch sehr schön zu beobachten. Manchmal geht es auch heiß her, wenn eine sich einfach vordrängelt, die Rangordnung nicht einhält oder „den Hals nicht voll bekommt“. Dann fetzen sie sich wie wild, und oft sind dabei mehrere Dohlen in so einem Pulk. Nach mehr als vier Jahren intensiver Rabenvogel-Beobachtung habe ich aber nie einen verletzten Vogel aus einer solchen Situation hervorgehen sehen. Dabei glaube ich schon, dass so etwas passieren kann. Ich habe jedoch den Eindruck, dass keiner der Rabenvögel einen anderen wirklich verletzen möchte. Man will den anderen einfach nur beeindrucken, einschüchtern oder verjagen. Bei Schwänen habe ich oft stundenlange Kämpfe beobachtet, bei den Dohlen dagegen war nach einem kurzen kleinen Gefecht meist schnell wieder Schluss.

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Neugierige Dohle

Mit vielen interessanten und neuen Eindrücken von der Dohlen-WG bin ich dann wieder nach Duisburg gefahren, wo mich meine Elstern am unserem Haus gleich bei der Ankunft begrüßten.

Rabenvögel im Nationalpark Monfragüe 18.05.2011 In meinem diesjährigen Urlaub habe ich schon vor der Abfahrt viel über dieses Gebiet und die zahlreichen dort vorkommenden Vogelarten gelesen. Ein Eldorado für „Ornis“, ein Paradies für Naturfotografen, so hieß es auch aus dem Munde von Kollegen. Mein erster Tag bestätigte das sofort, denn schon auf der Fahrt nach Plasencia sahen wir Mönchsgeier, Gänsegeier, Milane und viele andere Vogelarten. Im Gebiet des Nationalparks Monfragüe wurden dann die Augen ganz groß, denn der auf Mallorca doch eher seltene Rotkopfwürger tauchte hier fast an jedem Straßenrand auf. Nach Informationen aus der einschlägigen Literatur und diversen Webseiten sollte es hier auch Kolkraben und Alpenkrähen geben. Oft wurde darauf hingewiesen, wie selten doch mittlerweile die Alpenkrähe geworden sei. Daher machte ich mir eher wenig Hoffnung auf eine Begegnung mit diesem interessanten Rabenvogel. Der Kolkrabe, der in meiner Umgebung ja auch eher selten vorkommt, sollte aber in der Extremadura nicht so rar sein. 97


Christian Falk am Geierfelsen

Am ersten Tag am Salto del Gitano im Nationalpark Monfragüe war es auf dem kleinen Parkplatz am Rande der Straße schon recht voll, Ornithologen und Reiseveranstalter gaben sich die „Klinke in die Hand“. Viele Naturfotografen habe ich nicht gesehen, eher mehr Spektive als Kameras. Neben Joachim Griesinger von „Reisen in die Natur“ begegnete ich auch Roberto Cabo, der mich vor mehr als fünf Jahren mit seinem Buch „Reiseführer Natur, Spanien“ für die Extremadura begeistert hatte. Seine Gruppe konnte neben den täglich zu beobachtenden Vögeln wie Schwarzstorch, Gänsegeier, Rotmilan, Schwarzmilan und verschiedenen Singvögeln auch einen Kaiseradler (nur durchs Spektiv erkennbar), einen Mönchsgeier, einen Zwergadler, eine Zippammer, Blaumerle und Kolkrabe beobachten. Ich habe mich sehr gefreut, Roberto persönlich kennenzulernen. Dank der Tipps von einigen spanischen Ornithologen erfuhr ich dann auch von der Existenz eines Alpenkrähenpaars am Salto del Gitano. Meine Infos hatten mir vorher verschiedene andere Plätze als günstiger empfohlen, doch nach diesen Hinweisen hielt ich die Augen hier erst einmal offen. Da wir auch keine allzu großen Reisen innerhalb der Extremadura machen wollten, besuchten wir, wenn auch manchmal nur kurz, regelmäßig den Geierfelsen, wie der Salto del Gitano auch genannt wird. Im Gebiet von Los Barruecos sahen wir dann die ersten Blauelstern. Ich war aufgeregt wie ein kleiner Junge, denn diese wunderschönen Vögel kann man auf unserem Planeten nur in Ostasien und auf der Iberischen Halbinsel beobachten.

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Blauelster

Die Blauelster war somit die siebte Rabenvogelart, die ich bisher fotografiert habe. Danach begegnete sie uns fast jeden Tag. Doch sie ist genauso scheu und schwer zu fotografieren wie alle Rabenvögel. Die äußerst aufmerksamen Tiere schrecken bei jedem Geräusch zusammen und flüchten meist sofort, es sei denn, sie sind mit einer entdeckten Beute beschäftigt. Dann kann man sie fast ungestört fotografieren, wie auf diesem Foto.

Rabenvögel im Nationalpark Monfragüe Teil 2 24.06.2011 Am nächsten Tag waren wir wieder am Salto del Gitano, um erneut verschiedene Vögel zu beobachten. Die Gänsegeier flogen an diesem Tag sehr tief, und im Gegensatz zum ersten Tag ergab sich so eine unbeschreibliche Nähe zu diesen riesigen Vögeln. An einer etwas höher gelegenen Stelle an der Burg Monfragüe konnten wir sogar eine Paarung von Gänsegeiern beobachten, sitzende Geier am Felsen und Jungvögel neben den Altvögeln.

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Meine Frau war besonders beeindruckt von dem Windgeräusch bei der Landung der Gänsegeier. Sie flogen in ca. 4-5 m Abstand über unsere Köpfe hinweg, direkt auf die Felsspalte zu, in der sich ihr Horst befand. Auf der Besucherplattform konnte ich ein Paar Kolkraben, eine Zippammer, eine Blaumerle und auch Schwarzstörche beobachten. Die Kolkraben flogen in sicherem Abstand zu den Greifvögeln, zeitweise konnte man sie aber auch einen Milan jagen sehen. Da am Felsen der Burg Monfragüe immer ein leichter Wind geht, sah man sie auch oft beeindruckende Flugmanöver ausführen. Sie sind eben wirklich außergewöhnliche Flieger! (Oben u. unten: Gänsegeier)

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Neben den von mir zuvor noch nie fotografierten Rabenvögeln – Alpenkrähe und Blauelster – konnte ich während meines Aufenthalts in Spanien noch Dohlen, Elstern, Rabenkrähen, Eichelhäher und eben Kolkraben beobachten. So habe ich in diesem Urlaub insgesamt sieben von elf europäischen Rabenvogelarten gesehen. Die Dohlen waren meist in der Nähe der Stadt zu sehen, einen Eichelhäher sahen wir in einem Waldgebiet über Plasencia und die Rabenkrähen waren an verschiedenen Plätzen zu beobachten, allerdings in weitaus geringerer Zahl als bei uns, in den von mir besuchten Gebieten. Elstern konnte man in jedem Park und am Rande der Waldgebiete sehen. Im Monfragüe-Nationalpark bekamen wir sie auch eher selten vor die Kamera, umso häufiger dafür aber die Blauelster, die fast jeden Tag unser Begleiter auf den Touren war. (Unten: Kolkrabe)

Nach ca. 10 Tagen stieg ich am Abend noch einmal zur Burg hoch und beobachtete den Luftraum. Ich rief auch ab und zu nach den Kolkraben, von denen jedoch nichts zu hören war. Ein paar Gänsegeier, ein Zwergadler und einige Milane waren in der Luft. Es fühlte sich für mich dort oben immer so an, als würde ich mit ihnen fliegen. Die Stelle erinnerte mich stark an einen Platz auf Mallorca in der Nähe der Bucht von Alcudia. Oben am Cap de Formentor hatte ich 2008 auch eine Schar von Kolkraben beobachtet, die über den Bergrücken in Richtung des Gebirges Sierra de Tramuntana flog. Das Bild erinnerte mich damals stark an eine Szene aus dem Film „Herr der Ringe“. Ich versteckte mich auch sofort, um sie besser beobachten zu können und sie gegebenenfalls nicht von einer Landung abzuhalten. Sie landeten damals nicht und flogen weiter.

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Alpenkrähe

Nach einer Stunde sah ich dann plötzlich etwas Schwarzes um den Turm fliegen. Ein Kolkrabe? Nein, in ca. 10 m Entfernung konnte ich schließlich einen leuchtend roten Schnabel und ebenso leuchtend rote Füße erkennen. Mein Herz schlug wie wild und ich konnte die Kamera kaum halten, so aufgeregt war ich. Eine Alpenkrähe flog um mich herum! Die Alpenkrähe ist im Gebiet Monfragüe in der Extremadura nur noch mit einem Paar am Geierfelsen vertreten. Der Vogel hielt mich in Bewegung und raubte mir den Atem. Das natürlich nicht nur, weil ich bisher noch keine Aufnahme von ihm hatte. Allein ihn zu sehen und zu beobachten, machte mich sehr glücklich. Die Alpenkrähe flog immer um den Turm herum und verschwand plötzlich. Ich versuchte, sie zu verfolgen und rannte, doch ziemlich unvorsichtig, auf der nicht abgesperrten Plattform des Turms herum. Wenn meine Frau mich gesehen hätte, hätte sie mich wohl gleich da oben herunter geholt. Nach einer Zeit stellte ich fest, dass die Krähe im Turm einige Schlupflöcher hatte, in denen sie sich versteckte. Sie narrte mich teilweise, indem sie die Flugrichtung änderte und mich so in die falsche Richtung laufen ließ. Das „Versteckspiel“ mit ihr machte mir Spaß, denn ich fand ihre Taktik bemerkenswert. Zum Schluss gelang es mir dann doch noch, sie einmal auszutricksen und in ihrem Versteck zu fotografieren. An drei weiteren Tagen konnte ich die Alpenkrähe noch beobachten. Sie war außerordentlich schlau, denn sie verschwand immer wieder und tauchte dann plötzlich wieder kurz auf, um zu sehen, ob ich noch da bin. Leider waren dies auch die letzten Tage im Gebiet von Monfragüe, und so musste ich meine Beobachtungen schweren Herzens abbrechen.

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Die Extremadura war ein einzigartiges Erlebnis. So viele seltene VÜgel habe ich lange nicht mehr gesehen. Dies war nicht mein letzter Besuch dort, das kann sich ja wohl jeder denken. (Oben und unten: Alpenkrähe)

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Und plötzlich ist da ein Loch.... 30.06.2011 Noch im März habe ich meinen kleinen Freund „Alf“ gesehen, es war damals diese Begegnung, von der ich auch hier berichtete. Ich hatte wenig Zeit und war nur kurz an „unserem“ Platz. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Mein Urlaub in der Extremadura, meine Workshop-Termine und einige andere Dinge hatten mich in den letzten Monaten und Wochen davon abgehalten, „Alf“ zu besuchen. Nun ist es mir in drei Wochen intensiver Suche nicht gelungen, Alf zu finden. Immer wieder bin ich zum Rhein gefahren und habe ihn gerufen, mit Leckereien gelockt oder einfach auf ihn gewartet. Alf konnte ich nie wirklich eindeutig an seinem Aussehen erkennen, er machte mich vielmehr durch sein Verhalten auf sich aufmerksam. Seine Art zu laufen, seine Angewohnheit, Sachen zu verstecken und natürlich auch sein Verhalten mir gegenüber. Er flog mich ja immer direkt an und landete in etwa einem halben Meter Abstand. Er zeigte mir stets, das bin ich, Alf. (Foto: Rabenkrähe: Alf)

Er war für mich in den letzen Jahren zu einem richtigen Freund geworden. Nur habe ich ihn wohl in den letzten Monaten zu sehr vernachlässigt. Oder hat er einfach eine Rabenkrähen-Dame oder einen Herrn kennengelernt? Ob er männlich oder weiblich war, wusste ich ja eigentlich nie. Ich wurde vor vier Jahren auf ihn aufmerksam, als er mir beim Fotografieren fast direkt vor die Linse lief. Am Boden liegend, hatte ich versucht, ein Paar zu fotografieren. Durch seine Sucherei am Boden war er mir zwar schon aufgefallen, aber da war er noch weiter von mir weg. Als er dann fast neben mir suchte und durchs Bild lief, war ich doch sehr erstaunt. 104


Aaskrähen werden nach ca. 2-3 Jahren geschlechtsreif, und Alf wäre dann jetzt seit 2 Jahren im „passenden Alter“. Es kann natürlich so viel passiert sein. Er hat zum Beispiel einfach sein Gebiet gewechselt, weil ihm Brot, Erdnüsse usw. „zum Hals heraus hingen“. Oder er hat sich verletzt oder ist sogar von einem der schnell auf die Fähre fahrenden Autos erwischt worden. Vielleicht werde ich das alles nie erfahren, was, glaube ich, ganz gut so ist.

Rabenkrähe Alf

Ich werde ihn wohl mein ganzes Leben lang nicht vergessen, denn er war für mich etwas ganz Besonderes. Er war eine Verbindung zu seinen Kollegen, ein Forschungsobjekt, ein toller Vogel und ein lieber Freund. Ich glaube, viele können sich nicht vorstellen wie es mir jetzt geht, denn plötzlich ist da ein Loch....

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Rabenkrähe Alf untersucht Abfall

Dies war mein letzter Eintrag in meinem Internet-Blog im Juni 2011, und er stellt natürlich einen besonderen Punkt, eine Veränderung für meine weiteren Beobachtungen und für mein Verhältnis zu Rabenvögeln dar. Einige Fragen sind auch offen geblieben und ich hoffe, ich kann sie in meinen nächsten Berichten doch noch klären. Leider können Wissenschaftler, Ornithologen und Laien, wie man mich bezeichnen würde, bis heute keine zufriedenstellende Auskunft zu der eingangs gestellten Frage geben, was letztlich auch wohl kaum überraschend ist. „Was denken Rabenvögel über uns Menschen?“ sollte eigentlich auch nur ein wenig nachdenklich machen. Was tun wir diesen Vögeln an, wie verhalten wir uns ihnen gegenüber, geprägt durch die Darstellungen in der Presse, im TV oder in uralten Überlieferungen? Vielleicht konnte ich ja mit meinen Schilderungen ein wenig dazu beitragen, dass der eine oder die andere die Rabenvögel von nun an einmal in einem anderen Licht betrachtet… 106


Was ich aus meinen hier geschilderten Erfahrungen ganz klar und eindeutig bejahen kann, ist die Tatsache, dass man auch zu einem „einfachen“ wilden Vogel eine genauso innige Beziehung aufbauen kann wie zu einem Hund oder einer Katze. Vor 10 Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten. Ich möchte hier aber keineswegs dazu aufrufen, dass doch bitteschön jeder in den Park gehen und ein Vöglein „adoptieren“ möge. Was mir allerdings wirklich am Herzen liegt, ist unsere Art des Umgangs mit den Wildtieren und den Rabenvögeln im Besonderen: Es ist immer bequemer, seine Einstellung auf ein seit Jahrhunderten tradiertes vermeintliches „Wissen“ über den Charakter und/oder Nutzen eines Tieres zu gründen, als einmal selbst die Augen aufzumachen, das Hirn einzuschalten und die eigenen Erfahrungen als Maßstab des Urteils zu wählen. Doch wer sich dazu aufraffen kann, wird feststellen, dass es sich lohnt! Im Grunde plädiere ich hier für ein Handlungsprinzip, das für unser Verhältnis zu der gesamten uns umgebenden Welt gilt: Vorurteile haben ihren Sinn, denn sie helfen dem Menschen von heute dabei, sein äußerst komplexes Leben zu strukturieren. Sie ermöglichen eine Art „Vorsortierung“. Manchmal können wir es dann auch dabei belassen, weil das Objekt unserer Vorurteile – sei es eine politische Partei, eine Ernährungsweise, eine Stadt, eine Farbe oder ein anderer Mensch – für unser Leben keine größere Bedeutung hat. Oft jedoch kann es sinnvoll sein, das Vor-Urteil einer genaueren Prüfung zu unterziehen und es mithilfe von selbst erworbenem Wissen und eigenen Erfahrungen womöglich zu korrigieren. Und im Falle der Rabenvögel lohnt sich dies ganz gewiss! Christian Falk – Juli 2011

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Weitere Bilder von Dohlen:

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Saatkr채hen

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Rabenkr채hen

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Elstern

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Kolkraben

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Mein Dank Mein besonderer Dank geht an meine Schwester Andrea Falk, die viele Stunden ihrer Freizeit für das Korrekturlesen meines Artikels opferte. Außerdem möchte ich Frau Dr. Gertrude Drack, Frau Dr. Christine Schwab, Frau Dr. Claudia Wascher, Prof. Bernd Heinrich und Prof. Thomas Bugnyar für die sehr interessanten Interviews danken. Des Weiteren danke ich Ulf Krahnepuhl und meiner Frau Birgit.

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Literaturverzeichnis: Die hier aufgeführten Bücher wurden für meine Arbeit verwendet. Von wegen Spatzenhirn von Immanuel Birmelin / Kosmos Verlag Vögel von Rob Hume / Verlag Dorling Kindersley Wissen neu erleben: Vögel von Joanna Burger / Verlag BLV Die geheime Sprache der Vögel von Ralph Müller / AT Verlag Vogelverhalten von Stephen Moss / Kosmos Verlag Das geheime Leben der Vögel von David Attenborough / Scherz Verlag Kolkrabe & Co - Verhalten und Strategien intelligenter Lebenskünstler von Dieter Glandt / Verlag Aula Die Seele der Raben von Bernd Heinrich / List Verlag 1994 Die Weisheit der Raben von Bernd Heinrich / List Verlag 2002 Ein Jahr in den Wäldern von Maine von Bernd Heinrich / Fischer Verlag 1997 Er redete mit dem Vieh, den Vögeln... von Konrad Lorenz / Verlag dtv Rabenschwarze Intelligenz von Josef H. Reichholf / Herbig Verlag Die fidelen Raben von Gertrude Drack / Denkmayr Verlag 2009 Rabenvögel von Wolfgang Epple / Verlag G. Braun Der Kolkrabe von Dieter Glandt / Verlag Aula Raben- und Nebelkrähe von Manfred Melde / Verlag Neue Brehm-Bücherei Die Dohle von Rolf Dwenger / Verlag Neue Brehm-Bücherei Die Elster von Udo Bärmann / Verlag Neue Brehm-Bücherei Der Eichelhäher von Andreas Keve / Verlag Neue Brehm-Bücherei

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Biografie (über den Autor) Christian Falk wurde 1961 in Duisburg-Walsum geboren und lebt dort auch heute noch. Er kam über die Naturfotografie zum Naturschutz und beschäftigt sich seit 2008 mit Rabenvögeln. Er ist Initiator und Leiter der Gruppe „Naturfotografen – for Nature“ und seit vielen Jahren Mitglied im Naturschutzbund Deutschland e.V. und in der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz. Seit drei Jahren setzt er sich für das Waldrapp Projekt von Dr. Johannes Fritz ein und engagiert sich seit einigen Jahren über die HGON für den Schutz des Rotmilans.

Christian Falk im Garten des “Tower of London”

Neben vielen veröffentlichten Fotos in den verschiedensten Bereichen schrieb er einige kleine Berichte zu Themen aus der Natur. Das vorliegende Buch ist seine erste größere Arbeit.

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