MFG - Das Magazin / Ausgabe 51

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MFG URBAN

„Der Richter hat weit über die Stränge geschlagen!“ Es geht um sehr viel Geld für St. Pölten – oder die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB). Seit Mai steht das Verfahren am Handelsgericht Wien über ein katastrophales SWAP-Geschäft still, weil die Stadt die Ablehnung des Richters beantragt hat. Wir fragten Stadtanwalt Lukas Aigner nach den Gründen sowie seine Sicht der Dinge. Bei der letzten Verhandlung am Handelsgericht Wien beantragten Sie die Ablehnung von Richter Martin Ogris. Was hat für diesen nicht alltäglichen Schritt den Ausschlag gegeben?

Das Verfahren war schon von Anbeginn über weite Teile durchaus emotional, die Medien und die Öffentlichkeit haben entsprechendes Interesse gezeigt. Harte Diskussionen kommen bei Gericht oft vor, müssen aber immer sachlich bleiben. Der Richter hat in der letzten Verhandlung mit seinen Aussagen aber weit über die Stränge geschlagen. Sein Verhalten war mit den Grundsätzen eines objektiven Verfahrens nicht mehr in Einklang zu bringen. Zu einem Zeitpunkt, als die Zeugenbefragung in vielen Punkten nicht abgeschlossen war, wurden zentrale Zeugen persönlich angegriffen und Beweise vorab gewürdigt. Dabei sieht die Zivilprozessordnung klare Spielregeln vor – diese wurden nicht eingehalten. Ich bin durch meine jahrelange Vertretungstätigkeit vor Gericht einiges gewöhnt und musste bisher noch nie einen Richter in der Verhandlung ablehnen. Als Sie den Ablehnungsantrag formulierten, waren alle Anwesenden überrascht. Hatten Sie diesen Schritt im Vorfeld mit der Mandantin erläutert bzw. sich dafür das nötige Pouvoir geholt?

Die Zivilprozessordnung sieht eine 26

unverzügliche Rügepflicht vor, wenn der Anwalt den Eindruck gewinnt, dass der Richter zu einer unbefangenen Verfahrensführung nicht mehr in der Lage ist. Daher musste der Antrag auch sofort gestellt werden, als er aus meiner Sicht geboten war. Eine Konsultation mit der Mandantin wäre also in einer solchen Situation gar nicht möglich. Außerdem vertrete ich nur die Interessen der Mandantin. Das inkludiert natürlich auch derar-

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tige Schritte, wenn diese geboten sind, um die Interessen zu schützen. Als Prozessbeobachter hatte man den Eindruck, dass im Verfahren wenig weitergeht. Ewig wurde um des Kaisers Bart diskutiert. Nun sind wieder vier Monate seit dem Ablehnungsantrag verstrichen. Spielt St. Pölten hier auf Zeit?

Die Verhandlungshoheit obliegt dem Richter. Der überwiegende Teil der

„Die Bank behauptet einen Schaden von 66 Millionen – sie wird ihre eigenen Bücher offenlegen müssen.“


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