Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz 2000-2019

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MICRO CENTER ­CENTRAL-SWITZERLAND AG

Mikrotechnologie Initiative Zentralschweiz 2000–2019


INHALT

4 Hightech aus der N채he: Ein Lokaltermin im CSEM Alpnach

8 Industriestandort Zentralschweiz: Wenn Unternehmer, Forscher und Politiker zusammenspannen

Das MCCS-Netzwerk 14 Die Karte 16 Die Testimonials 18 Die Zahlen und Personen 20 Wettbewerbsf채hig dank Open Innovation: Im Gespr채ch mit Schurter-Chef Ralph M체ller


VORWORT

Weitsicht in Politik und Wirtschaft Anfang 2020 übergibt die MCCS AG die Verantwortung für die Fortführung der FuE-Aktivitäten der Mikrotechnologie-Initiative dem CSEM in Alpnach. Die MCCS-Aktionäre haben, in Absprache mit dem CSEM und den Zentralschweizer Kantonen, diesen Entscheid einstimmig beschlossen. Was 1999 mit der Initiative einzelner Unternehmer und Unternehmerinnen begann, hat sich über die letzten 20 Jahre zu einer Erfolgsgeschichte ent­ wickelt. Das Ziel war, eine international wettbewerbsfähige Technologieforschung in der Zentralschweiz zu etablieren sowie ein Umfeld zu schaffen, das den Wissens- und Technologietransfer fördert und nicht zuletzt attraktiv für hochqualifizierte Fachkräfte ist. Neben der Sicherstellung der Finanzierung und einer möglichst nahe an den Bedürfnissen der regionalen Wirtschaft ausgerichteten Forschung war die Entwicklung eines Netzwerks aus Unternehmen, Forschungs- und Bildungsinstitutionen, Technoparks und Gründerzentren die Hauptaufgabe der MCCS AG. Dieses Netzwerk bildet die Grundlage für den Erfolg der Mikrotechnologie-Initiative. Es gibt nur wenige Public-Private-Partnerschaften, die eine vergleichbare Erfolgsbilanz aufweisen. Die Zentralschweizer Mikrotechnologie-Initiative ist zu einem Benchmark für andere Regionen geworden. Technologie ist die Hauptquelle für Produkt- und Prozessinnovationen. Bis sich Technologien in marktreife Produkte umwandeln lassen, dauert es aber Jahre; erfolgsentscheidend sind weitsichtige Personen in Wirtschaft und Politik. Wir freuen uns, dass die Zentralschweizer Kantone auch in Zukunft die Forschung am CSEM in Alpnach unterstützen – zum Wohle eines ­international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts Zentralschweiz.

Dr. Ulrich Claessen Präsident des Verwaltungsrates MCCS AG, CTO maxon international ag

Bruno R. Waser Delegierter des Verwaltungsrates MCCS AG, Prof. Hochschule Luzern – Wirtschaft

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Mit Blick auf die ­Serienfertigung beim Kunden: ­Stefan Mohrdiek, Leiter des Bereichs «Integration und Optik», überprüft die Verbindung zwischen zwei ­Bauteilen.

Hightech aus ­Obwalden

Intelligente Automation und Prozesskontrolle: Am CSEM ­Alpnach arbeiten 40 Ingenieure und Wissen­ schaftler an T ­ echnologien, welche die Wirtschaft weiterbringen. Ein Orts­termin.

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CSEM ALPNACH

Ein unscheinbares Gebäude im Industriegebiet von Alpnach. Im Erdgeschoss parken die Lösch­ wagen der Freiwilligen Feuerwehr. Das Regionalzentrum des CSEM (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) belegt die oberen Etagen. Der Hausherr heisst Helmut Knapp. Er stösst die Tür zu einem Grossraumlabor auf, schaut sich um und meint: «Wir rücken nicht erst aus, wenn’s brennt. Wir arbeiten täglich daran, technologisch an der Spitze zu bleiben.» Szenenwechsel: Im Technopark Luzern produziert die Firma Amphasys ein Gerät, das die biologische Qualität von Pollen prüft. Etliche Saatguthersteller nutzen den Ampha Z32 in ihren Labors. «Jetzt überzeugen wir sie davon, dass das Gerät auch in der Massenproduktion Nutzen stiften kann», so Gründer Marco Di Berardino. Parallel dazu ist der studierte Mikrobiologe daran, seiner Sensortechnologie neue Anwendungsfelder zu erschliessen, zum Beispiel in der Milchwirtschaft. Deshalb hat er vor gut zwei

Jahren Kontakt mit dem CSEM Alpnach aufgenommen. Die beiden Partner gleisten zusammen mit der Hochschule Luzern das Innosuisse-Projekt «Auto­ MIA » auf. Das Ziel: ein einfach zu bedienendes, mobiles Gerät, das automatisch die Anzahl der somatischen Zellen in der Milch detektiert. Für die milchverarbeitende Industrie handelt es sich dabei um einen Schlüsselwert, denn je mehr ­tierische Zellen in der Milch, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kuh an einer In­ fektionskrankheit leidet. Muster im elektrischen Messfeld In Alpnach schleusten die Spezialisten des CSEM die Milch durch ein elektrisches Messfeld und werteten das Feedback aus. «Im Kern ging es darum, in den elektrischen Signalen signifikante Muster zu erkennen», erzählt Helmut Knapp. In Alpnach ist man bestens gerüstet für Jobs im Umfeld von Sensorik, Software und Big Data.

Macht den Doktor in Materialwissenschaften: Zahra Halvorsen arbeitet an einem Verfahren zum Nachweis von Bakterien im Trinkwasser.

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Ansprechpersonen für die Wirtschaft: Philippe Steiert (l.), Leiter der CSEM-­ Regionalzentren, und Helmut Knapp, Chef des CSEM ­Alpnach.

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Denn «Smart Automation und Process Control» ist die übergreifende Technologieplattform, die Knapp und sein Team betreiben. Getragen wird sie durch Kernkompetenzen in den Bereichen «Robotik und Maschinenlernen», «Instrumente für die Life Sciences», «System- und Prozess­ monitoring» sowie «Integration und Optik». Was dem Laien einigermassen willkürlich vorkommt, hat für den Physiker Knapp eine innere Logik. Auf dem Gang durch die Büros und Labore zeigt er auf eine Unzahl von elektronischen Geräten und Laborausrüstungen. «Wir haben eng verwandte Kernkompetenzen, lassen uns von der wissenschaftlich-technischen Neugier antreiben und machen die Rückkoppelung mit den Bedürfnissen der Wirtschaft.» 40 hochqualifizierte Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten aktuell an der Unteren Gründlistrasse 1. Einer von ihnen ist Moritz Kirschmann; studiert hat er am Institut für Neuroinformatik der ETH Zürich; sein Spezialgebiet ist das Ma-

schinenlernen. «Mich fasziniert die enge Verbindung von Forschung und Anwendung», sagt Kirschmann und dreht sich wieder seinen Bildschirmen zu. Von Toulouse über Paris nach Alpnach Ganz neu im Team ist der 25-jährige Franzose Brice Platerrier; er hat in Toulouse, Paris und an der ETH Lausanne studiert. Jetzt arbeitet er an einer Plattform für maschinelles Sehen; sein aktueller Projektkunde ist ein Anlagenbauer aus der Romandie. «Die Schweizer Mitarbeiter sind bei uns die grösste Minderheit», sagt Helmut Knapp. Er selber ist ursprünglich Deutscher, lebt aber seit mehr als 20 Jahren in der Zentralschweiz und wurde vor acht Jahren eingebürgert. Er hat die Gründung des CSEM Alpnach miterlebt und wurde vor drei Jahren zum Chef befördert. Wissenschaft und Forschung kennen keine Landesgrenzen. In der Wirtschaft hingegen ist


CSEM ALPNACH

Wenn Innovationen Freude machen: Maschineningenieur Jonas Goldowsky mit einem selbstlernenden Sortiergerät.

räumliche Nähe Gold wert. So kommt es, dass die meisten Kunden des CSEM Alpnach Unternehmen aus der Schweiz sind; mehr als jeder dritte Kunde kommt aus einem der sechs Zentralschweizer Kantone. «Wir erbringen hier eine wichtige Leistung für die regionale Wirtschaft», erläutert Philippe Steiert. Der 57-jährige Werkstoffingenieur und Physiker ist nur auf Zwischenstopp in Alpnach; er gehört zur Geschäftsleitung des CSEM und leitet die drei Regionalzentren in Alpnach, Muttenz und Landquart. Steiert zeichnet das grosse Bild. Das CSEM sei in den 80er-Jahren gegründet worden, weil die Quarzuhr zwar in der Schweiz erfunden, aber von den Japanern vermarktet worden sei. Der Schock sass tief. Die Uhrenindustrie im Jurabogen und weitere Schweizer Unternehmen rauften sich zusammen und gründeten gemeinsam mit dem Bund ein Zentrum für Forschung und Entwicklung. «Es geht seit den Anfängen darum, neue wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die Wirtschaft zu bringen», erklärt Steiert die Mis­ sion des CSEM.

Die Kompetenzen der Zentralschweizer Niederlassung sind ins Technologieportfolio des CSEM eingebettet; ausserdem kooperiert Alpnach intensiv mit Schweizer Hochschulen und ausländischen FuE-Einrichtungen wie der FraunhoferGesellschaft oder der Steinbeis-Stiftung. «Wir bilden hier das regio­nale Portal zu einem länderübergreifenden FuE-Netzwerk», sagt Steiert. Zurück in den Technopark Luzern zu Marco Di Berardino. Im Mai dieses Jahres schlossen er, die Hochschule Luzern und das CSEM das Innovationsprojekt «AutoMIA » ab. Die Resultate liegen vor. Die hochgesteckten Ziele wurden grossteils erreicht. Ende Jahr soll ein Prototyp des Milch­ analysegeräts vorliegen. Der Markteintritt ist für Anfang 2021 geplant. Geht alles nach Plan, wird das weltweit erste Feldgerät für die Milchanalyse in Tanklastwagen aus der Zentralschweiz kommen. Dass ihm jemand zuvorkommt, kann Marco Di Berardino nicht ausschliessen. «Aber der Mitbewerber müsste einen komplett anderen Ansatz wählen.» Das Messverfahren von Amphasys ist weltweit patentgeschützt.

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Von der Wirtschaft für die Wirtschaft

Um die Jahrtausendwende initiierte eine Gruppe von Zentral­ schweizer Unternehmen die Micro Center Central-Switzerland AG. Das ­erklärte Ziel war die Stärkung des Technologiestandortes ­Zentralschweiz. Eine vorläufige Bilanz. Der Swiss Technology Award ( STA ) ist der renommierteste Technologiepreis der Schweiz. Tradi­ tionellerweise wurde er an Grossfirmen wie die ABB, an etablierte KMU mit globaler Ausstrahlung oder an Spinoffs der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich verliehen. Es war daher eine Sensation, als der STA 2007 in die Zentralschweiz ging – genau gesagt nach Obwalden, ans CSEM -Regionalzentrum in Alpnach. Die Jury honorierte die Entwicklung eines sogenannten Deltaroboters für die Montage von extrakleinen mechanischen Bauteilen. Später lizenzierte das CSEM Alpnach die In­ novation mitsamt den zugehörigen Patenten an den Freiburger Anlagenbauer CP Automation.

Das Gros der MCCSInitianten stammte aus Obwalden.

Preisgekrönt: Deltaroboter aus der Zentralschweiz.

Wei­tere sieben Jahre später beschaffte die Sachsler maxon motor neue Montageautomaten für die Präzisionsfertigung. Die Wahl fiel auf die Deltaroboter von CP Automation. Ulrich Claessen, Leiter Forschung und Entwicklung bei maxon motor, hat Freude an dieser Geschichte: «Sie zeigt, wie Technologien ent­ stehen, reif werden und kommerziell durch­ starten.» Claessen kennt die Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz wie kein Zweiter. Er war von Anfang an dabei; vor seinem Wechsel zu maxon motor als Leiter des CSEM Alpnach, später als Verwaltungsrat und Verwaltungsratspräsident der Micro Center Central-Switzerland AG ( MCCS ). Bald 20 Jahre ist es unterdessen her, da erhielt der damals 44-jährige Claessen das Angebot, in der Zentralschweiz eine Forschungsstätte für Mikrotechnik aufzubauen. Auftraggeber war eine Gruppe von Zentralschweizer Unternehmern um elmicron-Gründer Jürg Strub, maxon-motor-Chef Jürgen Mayer und die Leister-Inhaberin Chris­ tiane Leister. Nähe zu Luzern und Autobahnanschluss Drei Pflöcke waren zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschlagen. Der erste in Alpnach. Das Dorf am Fuss des Pilatus war als Standortgemeinde gesetzt. Die Nähe zu Luzern und der Autobahnanschluss sprachen ebenso dafür wie die Tatsache, dass das Gros der MCCS -Initianten aus Obwalden stammte.

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20 JAHRE MCCS

2000 April  Gründung der Micro Center ­Central-Switzerland AG (MCCS AG) mit folgendem Firmenzweck: «Aufbau und Betrieb einer Forschungs- und Ausbildungsstätte für mikro­technische Verfahren und ­Produkte mit dem Ziel, der mikrotechnischen I­ndustrie der Zentralschweiz Fach­wissen, Forschungsund Ent­wicklungseinrichtungen und Fachkräfte bereit­zustellen.»

Ebenfalls bestimmt war der wissenschaftlich-­ technische Partner: das CSEM (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) in Neuenburg. Der dritte Eckpfeiler war die Beteiligung der öffentlichen Hand: Die Zentralschweizer Kantone hatten sich verpflichtet, über die MCCS AG die Grundlagenforschung am CSEM zu finanzieren; dafür standen über die ersten drei Betriebsjahre je gut zwei Millionen Franken bereit. Der damalige Obwaldner CVP -Nationalrat Adalbert Durrer übernahm den Vorsitz im Verwaltungsrat der MCCS AG . Die Arbeiten in Alpnach begannen im Oktober 2000. Ulrich Claessen hatte seinen Job bei der damaligen ABB -Tochter Adtranz gekündigt und war in die Zentralschweiz gezogen. «In der Zeit vor der Eröffnung kam es vor, dass ich auf einem Feldbett zwischen den Umzugskisten übernachtete», erinnert sich der Physiker. Viel Prominenz an der Eröffnung Zur Eröffnung des CSEM Alpnach am 23. März 2001 erschien viel regionale und nationale Prominenz aus Wirtschaft und Politik. Es herrschte Aufbruchsstimmung, denn die Forschungsstätte in Alpnach stand für den Anschluss der Zentralschweiz an einen globalen Megatrend. Zur Erinnerung: Es war die Zeit, als die Euphorie über die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Zusammenspiels von World Wide Web, Telekommunikation und Mikrotechnik kaum Grenzen kannte. Das Silicon Valley war zum globalen In-

Ulrich Claessen heute und vor 20 Jahren mit dem damaligen CSEMChef Thomas Hinderling.

Gründungsaktionäre: CSEM SA Concepcion Technologies AG elmicron ag Komax AG Leister Process Technologies AG maxon motor AG Obwaldner Kantonalbank AG Sika Sarnafil Manufacturing AG Schindler Aufzüge AG Schurter Holding AG Tegimenta AG (Roche Diagnostics AG) Ulrich & Hefti AG September  Start der Forschungs­ aktivitäten am CSEM Alpnach unter der Leitung von Ulrich Claessen. Oktober  Der Luzerner Bürsten­­ hersteller Trisa AG stösst zum MCCS-­Aktionariat.

2001

Für die ersten drei Betriebsjahre standen je gut zwei Millionen Franken bereit.

August  Per Beschluss des Kantons­ rates stimmt Zug als letzter Zentralschweizer Kanton einer befristeten Finanzierung der Forschungs­ aktivitäten des CSEM Alpnach zu.

2002 September  Wechsel in der Geschäftsführung der MCCS AG: Auf Rudolf O. Friederich folgt Bruno R. Waser.

2003 Februar  Erste microClusterVeran­ staltung zusammen mit der Partner­ institution TechnologieForum Zug.

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«Aus Sicht der Kantone ist es eine Erfolgs­geschichte» Roche Diagnostics und Medela; beide Firmen engagierten sich später bei der MCCS AG.

Gianni Bomio hat die Mikro­technologie-Initiative als General­sekretär des Zuger Volkswirtschafts­ departements begleitet. Wie, Herr Bomio, würden Sie die Rolle beschreiben, die Sie zwischen 2000 und 2019 gegenüber der MCCS AG eingenommen haben? Einen offiziellen Jobbeschrieb gab es nicht. Aber ich war eine der Schnittstellen zwischen dem MCCS und den Kantonen in allen technisch-fachlichen Fragen. Gleichzeitig vertraten Sie die Zuger Behörden. Wie wurde die Mikrotechnologie-Initiative im Zugerland aufgenommen? Die Zentralschweiz war – man muss es so sagen – eine ­Forschungswüste. Der Zuger Regierungsrat war deshalb offen gegenüber Vorstössen, die das zu ändern ver­ sprachen. Für uns war klar: Wenn unsere Firmen sich etwas von einer regionalen Mikro­ technologie-Forschung erhofften, würden wir dabei sein. Mit welchen Industrie­ betrieben haben Sie gesprochen? Wir haben viele Gespräche geführt, unter anderem mit

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Die Initianten der MCCS AG argumentierten, dass der Aufbau von Kapazitäten in der Grundlagenforschung Geld koste und dass sie mit einem namhaften Beitrag der Zentralschweizer Kantone rechnen … Richtig. Zur Zeit der MCCS Gründung war allerdings bloss von einer Anschubfinanzierung durch die öffentliche Hand die Rede. Unterdessen zahlen die Kantone schon seit knapp 20 Jahren und sie wollen es weiterhin tun. Was ist geschehen? Es stellte sich heraus, dass sich der Betrieb des CSEM in Alpnach nicht ausschliesslich aus privaten Mitteln bestrei­ten lässt. Das Mutterhaus des CSEM in Neuenburg liess durchblicken, dass es die ­Niederlassung in Alpnach schliessen würde, wenn die öffentliche Mitfinanzierung nicht auf Dauer gestellt würde. Die kantonalen Vorlagen waren teilweise stark umstritten, doch schliesslich kam in allen Parlamenten eine Mehrheit zum Schluss, dass der Nutzen eines regionalen Technologie- und Forschungs­ zentrums die Kosten überwiegt. 2013 wurde die Finanzierung des MCCS neu geregelt. Sie läuft seither über das revidierte Fachhochschulkonkordat der sechs Zentralschweizer Kantone.

Wie kam es dazu? Ich muss vorausschicken, dass der Wechsel nicht in allen Kantonsparlamenten gut ankam. Die Volksvertreter fürchteten, übergangen zu werden. Aber letztlich setzte sich die Einsicht durch, dass Grundlagenforschung eine gewisse Stetigkeit braucht. Ausserdem gibt es im Konkordat eine Spezial­ bestimmung, welche die Finanzierung von Projekten, die das Angebot der Hochschule sinnvoll ergänzen, ausdrücklich vorsieht. Seither wird das CSEM Alpnach von einer interpar­ lamentarischen Kommis­ sion politisch begleitet. Hat sich dieses Setting bewährt? Ich denke ja. Die Mitglieder der Kommission sind sehr aktiv und werben in ihren Parlamenten um Verständnis für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Zentralschweiz. Die MCCS AG wird jetzt liquidiert. Die Forschungsbeiträge der Kantone gehen ab Anfang 2020 direkt an das CSEM . Warum? Am Anfang fühlten sich die Regierungen und Parlamente nicht wohl beim Gedanken, Geld an eine in Neuenburg domizilierte Forschungsstätte zu ­schicken ohne zu wissen, wie viel davon in die Zen­ tralschweiz zurückfliesst. ­Unterdessen ist viel Goodwill geschaffen worden: Es hat sich gezeigt, dass das CSEM ein kompetenter, vertrauens­ würdiger und an einer langfristigen Zusammenarbeit inte­ressierter Partner ist.


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begriff des technischen Fortschritts geworden. Das neuartige Ökosystem aus Spitzenhochschulen, Investoren, jungen Gründern und innovationsgetriebenen Grossfirmen wie Microsoft, Cisco oder HP faszinierte auch Schweizer Wissenschaftler, Ingenieure und Unternehmer. Mitte der 1990er-Jahren wurde in Zürich der erste Technopark gegründet. Die ETH richtete eine Technologietransferstelle ein, die Kommission für Technologie und Innovation ( KTI ) – die heutige Innosuisse – entwickelte sich zu einer effizienten Agentur für die Innovations- und Startup-Förderung; die Risikokapitalgeber entdeckten die Schweiz und junge Ingenieure gründeten Hightech-Firmen wie u-blox, Avaloq oder Sensirion – Firmen, die heute in ihren Märkten zu den globalen Technologieführern zählen. «Die Initianten der MCCS AG erkannten, dass da etwas im Tun war, das auch die Zentralschweizer Industrie betraf», erinnert sich Bruno R.  Waser, Professor für Wertschöpfungsnetzwerke an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und langjähriger Geschäftsführer der MCCS AG . Eine Region ohne Grundlagenforschung Was allerdings fehlte, war eine Einrichtung, die naturwissenschaftlich-technische Grundlagenforschung in der Region betrieb. Das Technikum in Horw, die heutige Hochschule Luzern – Technik & Architektur, betrieb nur wenig Forschung; und die neu gegründete Universität verzichtete ganz auf Lehre und Forschung in Naturwissenschaft und Informatik.

Mai  Erste Ausgabe microNews mit einem Versand an 3000 Adressen. Mai  Gerresheimer Wilden AG und Rosen Swiss AG beteiligen sich an der MCCS AG.

Junge Ingenieure gründeten Firmen wie u-blox, Avaloq oder Sensirion.

Dezember Die MCCS AG unterzeichnet erstmals eine vierjährige Leistungs­vereinbarung mit jedem Zentral­schweizer Kanton.

2004 Mai Im KKL Luzern geht der erste microDay über die Bühne. Das Leit­ thema lautet «Innovation durch neue Technologien – betriebs- und volks­ wirtschaftliche Potenziale der Mikrotechnologie».

2007 März  Die Schwyzer Celfa Folex AG wird ­Aktionärin der MCCS AG. Mai  Die Pilatus Flugzeugwerke AG beteiligt sich an der MCCS AG. September  An der Hochschule Luzern – Technik & Architektur startet das Modul Mikrotechnik im ­Rahmen des Bachelor of Science in Elektrotechnik und Informations­ technologie. Kleiner Alleskönner: Mikrochip des CSEM aus nächster Nähe.

2008 Mai  Am dritten microDay referiert Bertrand Piccard vor 220 Gästen über sein Projekt «Solar Impulse».

2010 Februar  Die Credimex AG stösst zum Aktionariat.

2011 September  Der Innovationszirkel der FuE-Leiter aller an der MCCS AG ­beteiligten Unternehmen trifft sich zum ersten Mal.

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«Wir verfolgten einen ‹green field approach›», sagt Ulrich Claessen. Das CSEM war der ideale Partner. Denn die Neuenburger hatten einerseits einen starken Fokus auf angewandte Forschung und Entwicklung und nahmen anderseits gegenüber dem Bund und der Europäischen Union die gleiche Stellung wie eine Hochschule ein. Das CSEM ist berechtigt, zusammen mit der Indus­ trie öffentlich geförderte FuE-Projekte durchzuführen. Für die MCCS -Initianten war dies von entscheidender Bedeutung. Denn Projekte, die von der Innosuisse oder der europäischen Förderagentur Euresearch mitgetragen werden, bilden eine Brücke zwischen der öffentlich finanzierten Grundlagenforschung und dem kostendeckenden Auftragsengineering. Sie erlauben es, aus einer Technologieplattform – zum Beispiel im Bereich Robotik – schrittweise marktfähige Produkte zu entwickeln. «Wir kamen gut aus den Startlöchern», erinnert sich der damalige Geschäftsführer Ulrich Claessen. Es gelang, Topforscher und -ingenieure nach Alpnach zu lotsen. Die Zentralschweizer Technologiefirmen gleisten die ersten FuE-Projekte mit dem CSEM auf.

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Das CSEM darf mit der Industrie öffentlich geförderte FuE-Projekte durchführen.

Volle Ränge im KKL: Bertrand Piccard am microDay 2008.

Drei Jahre später drohte dem Projekt allerdings bereits wieder das Ende. Die Startfinanzierung der Kantone lief aus und es zeichnete sich ab, dass sich die Grundlagenforschung in Alpnach nicht aus den Projekterträgen finanzieren liess. Die Kantone willigten in eine Folgefinanzierung ein, wollten aber anstelle der bisher zwei Millionen Franken nur noch rund 1,7 Millionen Franken zur Verfügung stellen. Allen Beteiligten in der Politik und Wirtschaft war klar, dass das Projekt «Hightech in der Zen­ tralschweiz» auf der Kippe stand. Die Lage war ernst. Dass es schliesslich weiterging, war dem damaligen CSEM -Direktor Thomas Hinderling zu verdanken. Er erklärte sich bereit, die Forschungsaktivitäten in Alpnach mit maximal 1,5 Millionen Franken jährlich mitzutragen. «Seine Verdienste um das CSEM Alpnach», so Ulrich Claessen über den 2011 verstorbenen Forschungsmanager, «sind nicht zu überschätzen.» Die Ingenieure, Informatiker und Wissenschaftler in Alpnach konnten sich wieder auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren: die Entwicklung von Grundlagentechnologien, abgestimmt auf die Nachfrage der Wirtschaft. Dabei bewährten sich die Forschungsaudits, die das MCCS


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ab 2005 in Alpnach durchführte. Sie gaben den Aktionärsfirmen Gelegenheit, ihre Bedürfnisse direkt einzubringen. Tatsächlich meldeten Firmen wie Schindler, Komax, Roche oder Trisa einen wachsenden Bedarf an Know-how in den Bereichen Prozessautomation, Sensorik oder Softwareentwicklung und Codierung von selbstlernenden Algorithmen. Sie machten sich für eine sanfte strategische Anpassung der Forschungsaktivitäten stark. Das CSEM Alpnach nahm die Anregungen auf und setzte ab 2016 neue Akzente. Der ursprünglich gewählte, exklusive Fokus auf die Mikrotechnologie wurde aufgegeben. Seither ist Alpnach eine themenübergreifende Forschungsstätte an der Schnittstelle von naturwissenschaftlicher Forschung und Ingenieurskunst. «Die Abstimmung der Hightech-Initiative auf die Bedürfnisse der Region war neben der Finanzierung des CSEM Alpnach eine unserer Hauptaufgaben», erklärt MCCS -Geschäftsführer Bruno R. Waser. Zu diesem Zweck wurde ein Technologienetzwerk mit Zentralschweizer Unternehmen, mit Technoparks und Gründerzentren, mit der Hochschule Luzern und dem CSEM aufgebaut. Im Rahmen dieser Plattform fanden zum Beispiel Innovationszirkel der regionalen FuE-Chefs statt. «microDay» mit internationalem Publikum Ebenfalls zu den Tätigkeiten der MCCS AG gehörte das Marketing gegen aussen: Es galt, den Technologiestandort Zentralschweiz auch in der übrigen Schweiz und im Ausland bekannt zu machen. Die MCCS AG gab die halbjährlich erscheinenden «microNews» heraus und or­ ganisierte ab 2004 alle zwei Jahre im KKL den «microDay». Er brachte jeweils mehrere Hundert Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft nach Luzern. Die MCCS AG sei stets mehr gewesen als ein reines Finanzierungsgefährt, sagt Ulrich Claessen. Eine gewisse Wehmut sei natürlich. Anderseits fiel der Beschluss der Aktionäre, die Firma zu liquideren, einstimmig. Die beteiligten Unternehmen waren zum Schluss gekommen, dass sich das CSEM Alpnach inzwischen etabliert habe. Insofern, so Claessen, sei es folgerichtig, die ­Bücher zu schliessen. «Ich bin überzeugt», so der CTO von maxon motor, «dass es das CSEM in Alpnach auch alleine kann.»

2012 Mai Die MCCS AG vereinbart eine ­regelmässige Forschungszusammenarbeit mit der Hochschule ­Luzern – Technik & Architektur. Dezember  Die Finanzierung des CSEM Alpnach durch die MCCS AG wird neu strukturiert und neu über das Fachhochschulkonkordat der sechs Zentralschweizer Kantone abgewickelt. Die MCCS AG unterzeichnet eine Leistungsvereinbarung.

2013

Der ursprünglich gewählte, exklusive Fokus auf die Mikrotechnik wurde aufgegeben.

April  Die Olle Larsson Holding AG mit ihren beiden Tochterfirmen ­Medela und Carag beteiligt sich an der MCCS AG.

2016 Februar Start der Vertiefungsrichtung «Value Network & Process ­Management» an der Hoch­schule Luzern – Wirtschaft im Rahmen des Bachelor of Science in Business Administration. Aktionäre der MCCS AG engagieren sich sowohl bei der Konzep­tion der Studienrichtung wie auch im Rahmen von Praxis­ referaten.

2019 Mai  Beschluss der Generalversammlung der MCCS AG zur Beendigung der Geschäftsaktivitäten per Ende 2019. Oktober Zentralschweizer Fachhochschul-Konkordat beschliesst Leistungs­vereinbarung mit CSEM zur Finanzierung der Forschung von 2020–23.

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Trägerschaft und Partner

Aktionäre MCCS AG

1 Aurovis AG, Alpnach

Intelligente Lösungen für die Automation von anspruchsvollen Produktionsprozessen. Know-how an der Schnitt­ stelle von Automation, Robotik und maschinellem Sehen. www.aurovis.ch Spezialfolien und Papiere für den Einsatz in aktuellen Druck- und Kopier­ technologien. Lichtempfindliche Filme für die Herstellung von Leiterplatten in der Elektronikindustrie. www.folex.ch

3 elfo ag, Sachseln

Entwicklung, Industrialisierung und Produktion von Kunststoffkomponenten und -produkten, auch in Kombi­­nation mit Metall- und anderen Einlege­teilen. www.elfo.ch

Kabelverarbeitungssysteme für die Automobilindustrie. Montageautomation für Medizinaltechnik und Photovoltaik. www.komax.ch

6 Leister AG (mit Axetris AG), Kägiswil

Leister: Schweissgeräte und Heissluftanlagen. Lasersysteme zum Schweis­ sen von Kunststoffen. Axetris: Mikro­ optische und silikonbasierte Sensoren. www.leister.com | www.axetris.com

8 Olle Larsson Holding AG

(mit Medela AG + CARAG), Zug Medela: Hersteller fortschrittlichster Milchpumpen und medizinischer Vakuum­technologie. CARAG: HighMedtech-Forschungs­unternehmen mit ­multidisziplinären Fachkompetenzen. www.medela.com | www.carag.com

9 Obwaldner Kantonalbank, Sarnen

Dienstleistungen und massgeschneiderte Lösungen in allen Finanzfragen, speziell auf lokale Unternehmen und Privatpersonen ausgerichtet. www.owkb.ch

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Instrumente zur Inspektion von Ölund Gasrohrleitungssystemen sowie ober­irdischen Sammelbehältern. www.roseninspection.net

13 Schindler Aufzüge AG, Ebikon

Entwicklung, Herstellung und Wartung mechatronischer Systeme in der Aufzugstechnik. www.schindler.ch

14 Schurter AG, Luzern

Komponenten und Systeme zur Gewährleistung einer sicheren Stromzuführung und zur einfachen Bedienung von elektrischen Geräten. ­ www.schurter.ch

15 Sika Manufacturing AG, Sarnen

Kunststoff-Abdichtungssysteme für den modernen Hoch- und Tiefbau. che.sika.com

16 Trisa AG, Triengen

Wissenschaftlich entwickelte Produkte für Mundhygiene, Haarpflege und ­Haushalt. www.trisa.ch

17 Ulrich + Hefti AG, Alpnach

7 maxon motor ag, Sachseln

Hochpräzise Antriebe und Systeme auf Basis der maxon DC- und EC-Motoren. Hochwertige Mikroantriebe für die Medizinindustrie. www.maxonmotor.ch

Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Prävention, Diagnose sowie Therapie von Krankheiten. www.roche-diagnostics.ch

12 Rosen Swiss AG, Stans

Küssnacht a.R. Hochwertige Kunststoffprodukte im Spritzgiessverfahren. www.wilden.ch

5 Komax AG, Dierikon

Entwicklung, Bau und Wartung von Turboprop-Flugzeugen und Trainingssystemen. www.pilatus-aircraft.com

11 Roche Diagnostics AG, Rotkreuz

2 Celfa Folex AG, Seewen

4 Gerresheimer Küssnacht AG,

10 Pilatus Flugzeugwerke AG, Stans

Schaltanlagen zur Energieverteilung, Steuerung und Signalisierung. www.ulrichhefti.ch

CSEM SA, Neuenburg Forschungs- und Entwicklungszentrum mit Fokussierung auf Mikro- und Nanotechnologie, Mikroelektronik, Systems Engineering und Kommunikations­ technologien. www.csem.ch


MCCS-NETZWERK

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8  23  11

ZUG

24  5   13

4

LUZERN   14    18

SCHWYZ

22  2

20

10  12 1  17  19 21

NIDWALDEN

6  9  15  3  7

Zentralschweiz Innovativ OBWALDEN

URI

20 InnovationsTransfer Zentralschweiz,

Horw Praxisorientierter Wissens- und ­Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. www.itz.ch

21 microPark Pilatus, Alpnach

Business-Park für technologieorientierte Jungunternehmen mit Infrastruktur und Dienstleistungen für einen erfolg­ reichen Start in die unternehmerische Selbstständigkeit. www.microparkpilatus.ch

22 Technologiezentrum Schwyz, Steinen

Forschung und Entwicklung

18 Hochschule Luzern

Aus- und Weiterbildung im Rahmen von Bachelor- und Master- und Nachdiplomstudiengängen in sechs Departementen: Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik, Musik, Soziale Arbeit, Design & Kunst. www.hslu.ch

19 CSEM Alpnach

Grundlagenforschung in den Bereichen Intelligente Prozesskontrolle und Automation sowie FuE-Kooperationen mit der Wirtschaft. www.csem.ch/alpnach

Leistungen zur An­siedlung und Gründung neuer Unternehmen sowie zur Unterstützung von Diversifikations- und Innovationsprojekten. www.tzsz.ch

23 TechnologieForum Zug, Zug

Vernetzung und Förderung des vor­ handenen Know-how für technologie­ orientierte und innovative Unternehmen im Kanton Zug und Umgebung. www.technologieforumzug.ch

24 Technopark Luzern, Root D4

Erfolgreicher Aufbau von neu gegrün­ deten Unternehmen mit Wachstums­ potenzial und damit Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen. www.technopark-luzern.ch

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Christiane Leister CEO Leister Gruppe

Daniel Petermann Leiter Automation Engineering, Roche

Roche investiert am Standort Rotkreuz viel in Forschung und Entwicklung. Deshalb haben wir uns im ­Auditteam der MCCS AG engagiert. Wir haben die Forschungsstrategie des CSEM Alpnach aus Sicht der ­Unternehmen beurteilt. Von diesem Miteinander profitierten alle – nicht zuletzt unsere Lieferanten. Sie konnten mit dem CSEM Alpnach Inno­vationen entwickeln, die wieder in unsere P ­ rodukte einflossen.

Das CSEM gehört seit Jahren zu unseren Partnern für Forschung und ­Entwicklung. Je nach ­Themenstellung und vorhandenen Kompetenzen ­arbeiten wir auch mit dem CSEM in Alpnach zusammen. Wir schätzen auch, dass das CSEM Alpnach zu­ sammen mit anderen Bildungsinstitutionen einen Beitrag zur Bekannt­ machung und Ausbildung mikrotechnischer Berufe in der Zentralschweiz leistet.

Peter Ryser emeritierter Professor für Mikrotechnik, ETH Lausanne Hansruedi Lingg Geschäftsleiter Technopark Luzern

Die Startups aus unserem Techno­park konnten immer wieder von der hohen Tech­nologiekompetenz des CSEM profitieren.

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Die historischen Wurzeln der Schweizer Mikrotechnik liegen in der Uhren- und Präzisions­industrie am Jurasüdfuss. Der Aufbau des CSEM Alpnach war eine Art regionaler ­Wissens- und Technologietransfer. ­Rückblickend kann man sagen: Es hat funktioniert.


MCCS-NETZWERK

Franco Viggiano FuE-Leiter, Komax

Im Rahmen des Innovations­zirkels der MCCS AG traf ich mich regel­ mässig mit FuE-Leitern der anderen Aktionärs­firmen. Themen wie Digi­ talisierung, verteilte Entwicklung oder Plattformstrategien be­schäftigen uns alle. Ich habe den Austausch über die Branchengrenzen hinweg als sehr wertvoll erlebt.

Daniel Wyler Volkswirtschaftsdirektor, Kanton Obwalden

Für uns als Standortkanton ist die Niederlassung des CSEM in Alpnach in jeder Beziehung ein Gewinn. Es verschafft unseren Unternehmen Zugang zu Know-how auf inter­ nationalem Spitzenniveau und hilft ihnen, hoch­qualifizierte Arbeitsplätze in Obwalden zu halten oder sogar neu zu schaffen.

Andrea Weber Marin Vizedirektorin, Leiterin Fachbereich Technik, Hochschule Luzern – Technik & Architektur

Die Kompetenzen des CSEM ­Alpnach und der Hochschule L ­ uzern – Technik & Architektur sind komplementär. Die offene und freund­ schaftliche Beziehung führt immer wieder zu gemein­samen Inno­vations­projekten zum Nutzen der Zentralschweizer Wirtschaft.

Bruno R. Waser VR-Delegierter MCCS AG

Mit der Ansiedlung des CSEM in ­Alpnach und dem Aufbau eines ­thematischen Netzwerks konnte angewandte Spitzenforschung in der ­Zentralschweiz ­etabliert werden. Die Mikrotechnologie-Initiative der MCCS AG hat gezeigt, was ­möglich ist, wenn Wirtschaft und Politik am gleichen Strick ziehen.

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Zahlen und Personen Die Einkünfte des Forschungszentrums ins Alpnach stammen aus drei Quellen: aus Entwicklungsaufträgen für Firmen, aus öffentlich geförderten Innovationsprojekten mit der Industrie sowie aus Forschungsbeiträgen des CSEM-Mutterhauses in Neuenburg und des Fachhochschul-Konkordates der Zentralschweizer Kantone. Die Kantonsbeiträge wurden bisher durch die MCCS AG entrichtet. Im Verwaltungsrat dieser Public-Private-Partnerschaft haben sich in den letzten 20 Jahren 21 Persönlichkeiten aus Politik und ­Wirtschaft engagiert.

CSEM Alpnach – Umsatz

CHF Mio.

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6

4

2

0

2001

2003

2005

2007

2009

2011

2013

2015

Entwicklungsaufträge   Fördergelder Innosuisse (bis 31. 12. 2017 Kommission für Technologie und Innovation KTI)   Fördergelder europäische Programme   Forschungsbeitrag CSEM SA   Forschungsbeitrag MCCS AG

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2017

2019


MCCS-NETZWERK

MCCS AG – Verwaltungsräte Adalbert Durrer Nationalrat, Kanton Obwalden Maria Küchler Volkswirtschaftsdirektorin, Kanton Obwalden Niklaus Bleiker Volkswirtschaftsdirektor, Kanton Obwalden Daniel Wyler Volkswirtschaftsdirektor, Kanton Obwalden Peter Zumstein Marketing- und Unternehmensberatung, Sarnen Hans Sieber Präsident Kommission für Technik und Innovation (KTI), Bern Stephan Bieri Präsident Fachhochschulkommission Präsident VR next consulting group AG, Luzern Thomas Hinderling CEO CSEM SA, Neuenburg Rudolf O. Friederich Sarnen Bruno R. Waser Prof. Hochschule Luzern – Wirtschaft, Luzern Carlo von Ah Top Fifty AG, Zug Werner Steinegger CEO & Delegierter VR Celfa Folex AG, Seewen Hansruedi Schurter CEO Schurter Gruppe, Präsident & Delegierter VR Schurter Holding AG, Luzern Ralph Müller CEO Schurter Gruppe, Luzern Jürgen Mayer Präsident VR maxon motor AG, Sachseln Ulrich Claessen Leiter Forschung & Entwicklung maxon motor international AG, Sachseln Ulrich Pistor Schindler Management AG, Ebikon Karl Weinberger Leiter Bereich Technology & New Business Development Schindler Aufzüge AG, Ebikon Jürg Strub Delegierter VR Elmicron AG, Sachseln; CEO & Präsident VR Precisa Gravimetrics AG Michael Larsson Präsident VR & CEO Olle Larsson Holding AG, Zug

2019

2017

2018

2015

2016

2013

2014

2011

2012

2010

2009

2007

2008

2005

2006

2003

2004

2001

2002

2000

Jérôme Bernhard CEO CARAG AG, Baar

Präsident des Verwaltungsrats   Delegierter des Verwaltungsrats  Geschäftsführer

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«Wir brauchen die angewandte Forschung in der Region» Die digitale Transformation als Chance: Ralph Müller, der Chef der Schurter-Gruppe, über die Bedeutung des Technologie­ transfers, die Rekrutierung von Hoch­quali­fizierten und ein ­spektakuläres ­Geschäft. 20


AUSBLICK

Wie man hört, Herr Müller, ist Schurter seit Neuestem auch im Handygeschäft. Was dürfen Sie dazu sagen? Namen darf ich leider keine nennen. Aber ich kann bestätigen, dass unsere Sicherungen im neuesten Netzteil eines amerikanischen Smartphone-Herstellers verbaut sein werden. Was sagt ein solcher Prestigeerfolg über Schurter aus? Wir haben einmal mehr bewiesen, dass wir in der Lage sind, in einer global aufgestellten, extrem wettbewerbsintensiven Branche mitzuhalten. Neben der Unterhaltungselektronik sind wir ja auch in der Automobilindustrie engagiert sowie im Anlagen- und Gerätebau, wo wir mit unseren Touch Panels eine gute Marktposition haben. Die grossen Themen in der fertigenden Indus­ trie sind Big Data und Automatisierung. Wie geht die Schurter-Gruppe damit um? Wir begreifen die Digitalisierung als Chance. Ich nenne das Beispiel Gerätestecker. Früher waren das einfache elektromechanische Komponenten, heute sind es intelligente Bauteile. Wir statten sie mit Bluetooth-Schnittstellen aus. So schaffen wir die Möglichkeit, dass Maschinen, aber auch Haushaltsgeräte wie Kaffeemaschinen künftig drahtlos gesteuert werden können. Vom Komponentenhersteller zum Technologie­ lieferanten: Könnte man das so formulieren? Unbedingt. Denn wir machen nicht einfach einzelne Produkte «smart», wir betreiben auch das, was Ökonomen Vorwärtsintegration nennen. «Schurter Solutions» entwickelt und produziert ganze Baugruppen. Gestartet sind wir damit auf dem Schweizer Markt und wir haben schon einige wichtige Kunden gewonnen. Wie wirken sich Digitalisierung und Vorwärtsintegration auf Ihre internen Prozesse aus? Zum einen forcieren wir die Automatisierung der Fertigung: dafür haben wir allein hier in Luzern neun Millionen Franken in den investiert. Zum anderen stärken wir unsere Fähigkeit, kreative Ideen aufzunehmen und umzusetzen. Wir haben vor gut einem Jahr eine Innovationsplattform aufgeschaltet. Die Mitarbeitenden laden ihre Ideen hoch, ein sogenannter Innovations­zirkel validiert

Auf dem Weg zur smarten Fabrik: Produktion von Schurter in Luzern.

In einem industriellen Umfeld zählen Realisierbarkeit, Kosten und Termine.

die Ideen und entscheidet über all­fällige Investitionen. Ich kann mir vorstellen, dass wir die Plattform künftig auch für Kunden öffnen. Der Schlüsselbegriff lautet «Open Innovation». Wie wichtig ist er für Schurter? Was wir beobachten, ist ein fundamentaler Kulturwandel. Früher hatten Manager in der Indus­trie Angst vor Kooperationen, weil sie befürchteten, das betriebliche Know-how fliesse ab. Unterdessen haben wir gelernt, dass wir schneller werden, wenn wir unser Wissen mit Lieferanten, Partnern und Kunden teilen. Welche Bedeutung haben Kooperationen mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen? Sie sind sehr wichtig für uns. Wir sind nicht ABB, Siemens oder IBM . Wir können uns keine Forschungslabors leisten. Wenn wir – um ein Beispiel zu nennen – dabei sein wollen, wenn das E-Auto zum Standard wird, sind wir auf externe Forschungsressourcen angewiesen. In der Zentralschweiz betreiben die Fachhochschule und das CSEM Alpnach angewandte Forschung auf Spitzenniveau. Sie kooperieren mit beiden Institutionen (siehe Seite 22). Worin besteht der Unterschied? Die Fachhochschule in Horw hat einen weiteren Fokus, sie bearbeitet mehr Themenfelder. Das CSEM hingegen ist von der Kultur her indus­ trienäher: Die CSEM -Mitarbeitenden verstehen vielleicht etwas besser, was in einem industriellen

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Umfeld zählt: Realisierbarkeit, Kosten und Ter­ mine. Ich möchte das nicht werten. Für uns sind beide Institutionen wichtig. Eine Open-Innovation-Strategie wirkt sich auch auf die Mitarbeitenden aus. Was hat sich bei Schurter verändert in den letzten Jahren? Wir haben einen dramatischen Wandel hinter uns. Die Jobprofile von Schurter verschieben sich in Richtung hohe und höchste Qualifikation. Ein Beispiel: 2004 hatten wir in der Gruppe vielleicht 30 MINT -Fachleute mit ETH -­Abschluss. ( MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, Anm. d. Red.) Heute sind es über 100. MINT -Fachleute sind gesucht. Wie schwer oder leicht fällt Ihnen die Rekrutierung?

Wir tun uns schwer. Denn man muss es ganz offen sagen: Die Zentralschweiz ist auf einer Karte des Technologiestandortes Schweiz nach wie vor ein weisser Fleck. In Zürich kennt uns niemand. Wenn ein ETH -Absolvent aus dem Aargau einen Job sucht, denkt er an den Grossraum Zürich, an den Arc Lémanique, vielleicht noch an Basel oder die Ostschweiz, aber sicher nicht an die Ferienregion um den Vierwaldstättersee. Das müssen wir ändern. Wie? Wir Zentralschweizer Industrieunternehmen müssen vermehrt Lobbying betreiben – in der Politik, aber auch in Branchenverbänden wie dem Swissmem. Gleichzeitig müssen wir die Forschungsinfrastruktur, die wir haben, pflegen. Das CSEM Alpnach, die Hochschule und der Inno­ ­ vationspark Zentralschweiz in Rotkreuz sind unverzichtbar. Sie ermöglichen regionale FuE-Kooperationen und machen unsere Region attraktiv für Hochqualifizierte. Schurter baut. 2021 nehmen Sie in Luzern einen Erweiterungsbau in Betrieb. 2450 zu­sätzliche Quadratmeter für Büro und Produktion. Sie scheinen an den Standort Zentralschweiz zu glauben? Absolut. Ich bin zuversichtlich, dass es den hier ansässigen Industriefirmen zusammen mit den Forschungseinrichtungen gelingt, ein kleines, aber feines Hightech-Ökosystem zu kreieren.

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Innovativer Sicherungshalter

Die Jobprofile von Schurter verschieben sich in ­Richtung hohe und höchste Quali­ fikationen.

Insgesamt 17 Projekte hat die Schurter Gruppe mit dem CSEM Alpnach in den ­letzten gut 15 Jahren durchgeführt. Das vorerst letzte ist nach dem Produkt genannt, das die Partner gemeinsam ­entwickelten: Indicating Fuse Holder, ein Sicherungshalter mit einem integrierten Lämpchen, das anzeigt, wenn die Sicherung ausfällt. «Das Ziel war ambitioniert», sagt Ent­ wicklungsleiter Rolf Nussbaumer. Kaum Stromverbrauch bei gleich­zeitiger Hal­ bierung der Produktionskosten g ­ egenüber den mechanischen Standard­produkten. Das Projekt startete 2015, zwei Jahre später gleisten die Partner ein InnosuisseProjekt auf und im Herbst 2018 lag ein ­Prototyp vor. «Die Experten aus Alpnach hatten den Überblick über die Techno­ logielandschaft und wiesen uns den Weg zu einem ‹Smart Glass›, das in einem ­elektrischen Feld seine Farbe verändert.» Läuft alles nach Plan, wird der neue Sicherungshalter bis Ende 2020 die nötigen Zulassungen erhalten haben. Der Markt­ eintritt ist für 2021 geplant.


Impressum Herausgeberin Micro Center Central-Switzerland AG Industriestrasse 23, 6055 Alpnach Konzept/Redaktion Bruno R. Waser, MCCS AG JNB Journalistenbüro © 2019 MCCS AG, Alpnach Texte: JNB Journalistenbüro, Luzern Korrektorat: Petra Meyer, Korrektorium, Beromünster Fotos: Zvonimir Pisonic, Schurter AG, CSEM und MCCS Illustrationen: Bianca Litscher, Luzern Gestaltung: Schön & Berger, Zürich



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