Der August-Becker-Wanderweg

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Auch hier, wie Martha Saalfeld (1898-1976) schreibt, die lange in der Zeppelinstraße lebte, der stete Austausch von Wald und Garten . Am Liebfrauenberg steht die Villa Pistoria , Refugium Daniel Pistors, der zu den Hambachern von 1832 gehörte. Wir sind wieder auf der Spur der Freiheitsbaumsetzer aus August Beckers Kindheit. Wandern wir mit ihm auch drunten durch die Stadt: An den dicken runden Türmen des Schlosses vorüber , wo er in die Lateinschule ging

und in den Galerien und unterirdischen Gängen Walter Scotts Helden nachgeisterte; heute dort Verwaltung und Heimatmuseum... Zum grotesken Haus ,Zum Engel mit seinen Erkern, Kuppeln, Windfahnen und Drachenhäuptern (wo Georg Büchner im März 1835 auf der Flucht nach Frankreich unruhige Rast hielt)... Und, nach Berg- und Marktkirche, zum Böhämmerbrunnen und -haus, weil es nichts Romantischeres, nichts Abenteuerlicheres und Phantastischeres geben konnte, als diese Böhämmerjagd ... Dahinten an den Böllenborner Halden, auf der hohen Derst und am Guttenberger Schloss , mit Blasrohr, Lehmkugeln und Leuchtpfanne hinter den Böhämmern , den Bergfinken, her. Auf dem Weg dahin - und das macht heute Bergzaberns Name das Bad. Die therapeutische Tradition reicht bis ins Mittelalter: Tabernae Montanus (1525-90) wurde hier geboren, sein Neuer Wasserschatz war eine neue Heilkunst, und kein Geringerer als Sebastian Kneipp verhieß 1896: Hätte ich nicht in Wörishofen begonnen, hier hätte ich es tun müssen!


Wonneberg und Metzenbühl: der Weg hält, was er verheißt. Man wandert durch Wingert und Wald, am Ende lockt mit Fachwerk, Renaissance-Rathaus und Wehrkirche Dörrenbach. August Becker erzählt vielerorts Dörrenbacher Geschichten: Seit der Zerstörung des Schlosses Guttenberg war der Kirchhof die Hauptfeste der leiningischen und später zweibrückischen Herrschaft Guttenberg. In der pfälzischen Fehde 1460 wurde er mehrmals, aber vergeblich,

von den Kurpfälzern, Weißenburgern, Hagenauern und den Schweizern des Kurfürsten, die bei Billigheim standen, gestürmt. Viele Wagen brachten sie mit, um den in Dörrenbach aufbewahrten Wein mitzunehmen; sie stürmten fünfmal - vergeblich. Moral: Wenn's um ihren Wein geht, verstehen die Pfälzer keinen Spaß. Im festen Kirchhof findet auch August Beckers Held Jungfriedel seine Marie wieder. Happy End: Sie küsst ihm weg den leisen Schmerz, Er drückt sie an sein warmes Herz... Es ist, auch auf dem Dörrenbacher Friedhof, stets die alte neue Geschichte. Vor Ort beginnt der letzte Teil der Wanderung. Der Alte vom Stäffelsberg steht da auf einem Grab. Der Alte war der protestantische Schulmeister Joseph Knieriemen, 1913 ist er 78jährig gestorben. Am Weg zu seinem Berg, auf den er den Aussichtsturm brachte, liegt die Kolmerbergkapelle. Dort hauste, nach August Becker, der Waldbruder vom Kolmerberg, der in einer Krankheit das Gelübde getan, keinen Wein mehr zu trinken. Als er wieder gesund wurde, aß er den Wein mit dem Löffel. Moral wie gehabt und Kurzweil auf den Weg. Bei den Drei Eichen sind wir schon am Ziel. Vom Waldplatz Drei Eichen, der auch einen Parkplatz hat, geht


es einhellig zu Fuß. Nach Süden, direkt in ein Politikum, in den Mundatwald. Dies sind große Wälder , schreibt August Becker, die dem Stift und der Bürgerschaft der einstigen Freien Reichsstadt Weißenburg angehörten (weil hier ihre Wasserquellen lagen)... Und deren Grenze durch eine Reihe ,Mundatsäulen oder ,Lagersteine bezeichnet war, die über Berg und Tal liefen (heute noch auszumachen, mit Abtsstab oder Petrusschlüssel). Auch der Krieg hat seine Spuren hinterlassen: gesprengte Westwallbunker flankieren den Weg. Mitten im Wald auf einem Bergkegel steht die Ruine Guttenberg. Sie war ursprünglich Reichsburg: der Minnesänger Ulrich von Guttenberg (um 1190) stammt von hier, der seine Berühmtheit einem (343 Verse langen) Minne-Leich verdankt ( Leich = Spiel, Tanz); nach dem Bauernkrieg 1525 verfiel die Burg. Der Rückweg führt durchs weiland Böhämmerjagdgebiet: vorbei am Steinernen Tisch, hinunter ins Reisdörfchen , hinauf zu Pfälzer Hütte und Hirzeckhaus und endet dort, wohin sich die etwas gemischte Gesellschaft von Hedwigs Helden (vulgo ein Leutnant und ein Forstmann, der Schakob, der Hammichel und der Moggl), Böhämmerschützen ohne Fortune überdies, in der Winternacht verirrt: Mir ist s , sagt der Forstmann, als seien wir im Lauterschwaner Tälchen, bei den Bleigruben an der Porzbach. Da kann Erlenbach nicht weit sein und muss hier links drüben liegen, wenn ich nicht irre. Aber dann müssten wir das Bärbelsteiner Schloss und auf der Höhe daneben den Turm Kleinfrankreich sehen. Man mache die Probe aufs Exempel. Sagenlandschaft, hier erweist es sich, kennt keine Grenzen.


Wenn die Kinder in Weißenburg schreien, kommt heute noch Hans Trapp . Hans Trapp ist Hans von Drott, Hofmarschall von Pfalzgraf Philipp und Schrecken von Burg Berwartstein, der Ende des 15. Jahrhunderts den Wasgau, das arme Volk wie die reichen Weißen-burger Mönche, tyrannisierte. Heute ist seine (nicht immer glücklich wiederaufgebaute) Burg zum Teil Museum. Unterhalb liegt Erlenbach. In der Binsenhohlstraße steht, durch ein holländisches Dach ä la Mansarde gedeckt , das Hedwighaus . Der Erlenbach weist weiter. Ihm entlang führt unser Weg nach Vorderweidenthal am Fuß des Rödelsteins, und von dort hinauf zu Berg und Burg Lindelbrunn (438 m). Der im 12. Jahrhundert als Reichsburg zum Schutz des Trifels erbaute Lindelbohl wurde

im Bauernkrieg niedergebrannt. Die Sage vom Lindenmütterchen weiß es anders, August Becker erzählt sie: Die Steinalte hatte einen Lindenzweig als Stab in der Hand, den stieß sie mitten im Schlosshof an den Brunnen und sagte: Wachse und falle mit diesem edlen Haus! Nach Jahren rief ein Bruderzwist sie wieder auf den Plan. Sie kam und stieß ihre Kunkel in die Linde, aus Ast und Stamm floss der Lebenssaft des Baums herab in den Brunnen, dass der zur Stunde versiegte. Ein Wetter kam noch her gesaust, warf Turm und Mauern um, dass die Steine den Berg hinab rollten. Der böse Bruder hing sich an die dürre Linde, der gute aber las die Steine auf und baute sich den Bauernhof, der steht noch heute . Anlass genug zur Einkehr im Cramer Haus . Es rastet sich gut an der Lindelbrunner Wegspinne.



Pfalzklinikum


Die Burg erhebt sich hoch über die merkwürdige Landschaft. Die merkwürdige Landschaft ist August Beckers Pfälzische Schweiz : Was den Namen betrifft, so ist er so viel oder so wenig gerechtfertigt wie bei der ,sächsischen , ,fränkischen oder gar ,märkischen Schweiz . Denn die Erhabenheit der Alpen wird man hier vergebens suchen; aber das Wilde, das Wildromantische in der Natur, das Groteske, Phantastische und Schauerliche wird uns auf jedem Schritt geboten ... Dazu grüne, von klaren Flüsschen durchschlängelte Täler zwischen bewaldeten, kegelförmigen Bergen oder Hügel, deren untere Halden rundherum rotes Ackerfeld umgibt, während sich oben der Kiefernwald lagert und auf der Spitze ein hoher Felsturm emporragt, von dessen Haupt Tannen und Birken wie Helmbüsche nicken. Dann ragen solche Türme wieder an den Halden der höheren Berge in die Luft oder die Felsen bilden zackige, fortlaufende Bergkämme ... Oft zaubern sich uns menschliche Figuren vor Augen, eine Riesenwelt. August Becker gesellt ihr die Welt seiner Kleinen Leute hinzu. Mit ihnen sind wir unterwegs. Nach Darstein zunächst, friedlich in seinem Obsthain an und hinter den Felsen ... Im Bergwald dann dicht am Weg der Hasenfels in kühnen, hohen Massen ... der Kühhunger Felsen... Schwanheim, ringsum auf den Bergen mächtige Felsen gleich Schlössern . Zigeunerstoffeles Sippschaft traf man früher hier: Sie sind getauft und schnitzen aus Holz Küchengeräte, manchmal aber auch ,Herrgötter .. Gestalten, wie man sie als niedrige Romanstaffage braucht, seitdem verschwunden, kein Mensch weiß wohin ... Der Pfad führt jetzt bergunter; drunten liegt das Dörfchen Dimbach.


Weiter im Text auf August Beckers Wanderung durch die Pfälzische Schweiz : Nachdem wir in dem Wirtshaus uns erfrischt haben, geht es wieder östlich steil bergan auf der angebauten Berghalde, wo uns gewaltige Felsmassen entgegen starren, durch die kein Ausweg erscheint. Gleich Giganten und Zyklopen stehen die Blöcke und Pfeiler des Sandsteins rechts und links. Aber diese Riesen weichen nach und nach auseinander, und wenn wir oben an den Halden des Dimbergs angelangt sind, lassen sie ein hohes, natürliches Felsentor frei, durch das wir hindurch schreiten. Genauer markiert: Zunächst führt unser Weg von Dimbach nach Südosten bis zur Schutzhütte am Rötzenberg, von dort im spitzen Winkel an den Isselmannsteinen vorbei nach Nordosten auf den Dimberg. Gossersweiler bleibt dann rechts liegen, die Kirche St. Cyriacus wäre allerdings den Exkurs wert. Völkersweiler ist die nächste Station, es liegt schon an der Schuhstraße . In der Mitte zwischen beiden Dörfern die Jergenkapelle; nordöstlich das ehemalige St. Paulusstift, die letzte Niederlassung des Ordens in Europa. Das letzte Stück Wegs wieder mit August Becker: Vor uns erhebt sich (nun) ein Fels, der Asselstein, einer der gewaltigsten Felskegel dieser Gegend, auf einem niedrigen Berg, zwischen dem Ebersberg und Rehberg, denen er kaum bis an den Gürtel reicht... Von einer Seite her gesehen sieht er einem riesigen Altar nicht unähnlich, weswegen man ihn auch mit dem altheidnischen Kult in Verbindung gebracht hat und seinen Namen von den hohen Göttern, den Äsen, ableiten wollte. Jetzt jedenfalls ist er Kletterfelsen, der großartigste des Wasgaus. Gleich zu Beginn ein pfälzischer Superlativ: die Rehbergquelle am 576 m hohen Rehberg, den zudem noch ein Turm krönt, ist mit 550 m die höchstgelegene der Pfalz. Den Seitensprung sind alle drei wert.


Für den, der unten bleibt und die Scharfenberg-Parkplätze ansteuert, scheiden sich dann dort die Geister: Trifels oder nicht? August Becker hat ihn noch in seiner ruinösen Herrlichkeit erlebt, Sinnbild der Geschichte des deutschen Reiches selber... das wenig mehr von seiner einstigen Herrlichkeit hat wie der Trifels, der in Trümmern liegt , und er hat Lage, Geschichte und Sage mit dem Pathos und der Poesie seines Jahrhunderts beschworen. Da alles aber seine Zeit hat, schwenken wir für diesmal nur den Hut, mit Respekt, wie sich's gehört, und wandern vorüber. In den Wald Am Zollstock hinauf und hinunter nach Neukastell. August Becker: Weithin im ebenen Land sieht man den Meierhof wie ein zweites Bergschloss das Land beherrschen, während über ihm der Felsen des Neukastells starr und öde in die Luft ragt... Gleich dem Trifels war es freie Feste des Reiches, so dass es völlig dessen Schicksal teilte. Vor August Becker schwärmte schon Maler Müller hier, nach August Becker wählte Max Slevogt den Meierhof zu seinem Castello Nuovo ; er liegt, 1932 gestorben, hier auch begraben. Im Musiksalon befinden sich Wandbilder zu Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte und Don Giovanni , zu Richard Wagners Ring des Nibelungen und Carl Maria von Webers Freischütz ; in der Bibliothek Motive aus Goethes Faust , Tausendundeinernacht , Shakespeares Mac beth , der Ilias und J.F. Coopers Lederstrumpf . Malerei, Musik, Dichtung: romantisch fließen die drei Künste zusammen.


In Leinsweiler kommt man schwer auf den Weg. Man würde lieber bleiben. 1200 Jahre ist das Winzerdorf alt. Den Abschied macht etwas leichter, dass man wieder durchs Rebland wandern kann. Allerdings nur für ein, zwei Kilometer, die Bergpartie , wie s in August Beckers Hedwig heißt, ist noch nicht zu Ende. Und da Hedwigs Helden eher die Maiden - (cherchez la femme!) als die Madenburg suchen: Ist's die rechte, so hat der Herrgott unsere Bergpartie gesegnet , vertraut man sich fürs erste am besten ihnen an. Droben, überm Wald und mehr als tausend Fuß hoch über der unabsehbaren Ebene, der Burghof frei nach der Rheinseite , tritt dann

doch die Geschichte in ihr Recht: 1176 erste Erwähnung, vielleicht aber auch identisch mit einer schon 1076 genannten Parthenopolis , Reichsburg, wechselnd bischöflich, leiningisch, württembergisch, französisch gar, 1689 endgültig in Trümmern. Im Juni 1848 erschien die Frankfurter Linke und veranstaltete ein Hambacher Fest en miniature; Hauptredner Robert Blum. Als der ein halbes Jahr darauf in Wien erschossen wurde, schrieb ihm August Becker die Todtenfeier : Zu Wien in blut ger Erde, da liegt der Robert Blum, Da hat er sich errungen der Freiheit Märtyrerthum... Drei Kilometer sind's noch bergab zur Kaisersbachermühle, eineinhalb von dort zur Nikolauskapelle beim ehemaligen Magdalenenhof (in den 1950er Jahren wurde er abgerissen) in den Weingärten beim Pfalzklinikum Landeck. August Becker über die Nikolauskapelle: Der Kontrast dieses grauen Kirchleins zu der heiteren Umgebung macht den wohltuendsten Eindruck. Das ,Münsterer Schloss blickt vom Berg ganz nahe herüber.


Das Münsterer Schloss ist die Landeck. Direkt folgen wir August Becker allerdings nicht dahin, den Fahrweg, sanft am Hang des Katzenköpfchens hinan, durch einen Kastanienbusch . Wir schlagen uns noch einmal, zum letzten Mal, in den Wald. Zum Schlössel zunächst hoch, einer salischen Adelsburg, deren größter Teil eine spätkarolingische Fliehburg einnimmt... Hinüber zum Heidenschuh , wo sich eine noch ältere, frühmittelalterliche Fliehburg verbirgt... August Becker: Der Blick ins Tal und in die Gebirgswelt ist pittoresker als der vom höheren Treitelsberg. Hier irrt August Becker, sagen die modernen Führer und setzen den Treutelskopf (504 m) mit dem Martinsturm als einen der schönsten Aussichtspunkte der Pfalz dagegen. Wir sind derweil schon unterwegs nach Klingenmünster, via Landeck. Landeck , erzählt August Becker, ist, nach der Sage, das älteste Schloss im Lande und überlässt Jungfriedel , seinem Spielmann, den historischen Exkurs: Zu Landeck auf der Feste saß König Dagobert, auf seinem Haupt die Krone, in seiner Hand das Schwert... Beim jährlichen Landeckfest kann man der Geschichte weiter nachgehen und, wenn's wieder ruhiger ist, ein Kapitel Burgenkunde nachholen, vom staufischen Kernbau mit dem viereckigen Bergfried bis zu den spätmittelalterlichen Zwingermauern. Drüben, jenseits des Tales, auf dem Friedhof von Klingenmünster, nimmt die ganze Geschichte und unsere Wanderung ein Ende. Hier ruht August Becker, am 23. März 1891 in Eisenach gestorben: Die Pfalz und die Pfälzer haben ihren Dichter heim geholt im Jahre 1930, als die Franzosen die Pfalz verließen , steht auf seinem Grab. Bleibt als Ermunterung, von jenseits des Grabes sozusagen, ein Wort aus der letzten Erzählung des Dichters Reichsgraf Jockel : Auf längerer Fußwanderung ist nichts erquicklicher als den Abend unter freundlichem Obdach bei einem Glas Wein mit den Wirtsleuten zu verplaudern.




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