Klopapier aus Blattgold
E
in neapolitanischer Fischer lümmelt am Strand und schaut sich den Sonnenuntergang an. Kommt ein deutscher Tourist vorbei und fragt: „Warum sind Sie nicht draußen am Meer zum Fischen?“ – „Ich war heute schon fischen.“ – „Aber wenn Sie mehr Fische fangen, dann verdienen Sie mehr Geld und können Ihr Boot gegen einen Kutter tauschen.“ – „Was mach’ ich mit einem Kutter?“ – „Noch mehr Fische fangen, noch mehr Geld verdienen, eine ganze Flotte kaufen und andere für Sie arbeiten lassen.“ – Und? Was hab ich davon, andere für mich arbeiten zu lassen?“ – „Dann können Sie auf der faulen Haut liegen und sich den Sonnenuntergang anschauen“ – „Na, und was tu ich hier gerade? ...“ An den neapolitanischen Fischer musste ich denken, als ich einmal auf eine Website mit Luxusferienhäusern stieß. Via Button konnte man anklicken: „Nicht unter 4000 Euro“, „Nicht unter 5.000 Euro“... pro Tag, versteht sich. Wählte man „Nicht unter 10.000 Euro“, war zum Beispiel eine hübsche Villa nahe Nizza zu finden samt Haushälterin, Butler, Köchin und Steuermann für das klitzekleine Segelschiff unten am Privathafen. Wahrscheinlich gab’s auch Sonderausstattungen wie Klopapier aus Blattgold, dreilagig natürlich. An den neapolitanischen Fischer musste ich denken, als diesen Sommer eine Motorjacht im Hafen von Piran ankerte – so groß, dass sich sämtliche andere Skipper rundum wohl wie Kapitäne aus Minimundus fühlten. Ein Crewmitglied, das an Bord saß, verriet uns, dass die Jacht einem ägyptischen Milliardär gehöre und derzeit von einem Italiener gechartet sei. Man reise aber morgen sofort wieder ab, hier in Piran sei es so langweilig. Dann starrte der Bursche wieder in sein MacBook. Der Jachtmieter blätterte unter Deck vermutlich in einem Jacht-Magazin, um sich zu überlegen, welches noch größere Schiff er im nächsten Urlaub chartern wird, um in Monaco nicht zu den Minimundus-Kapitänen zu zählen. An den neapolitanischen Fischer musste ich denken, als ich kürzlich über das teuerste Haus der Welt las: Upper Phillimore Gardens 17 in Londons Stadtteil Kensington, von außen eher unscheinbar, wird von Maklern auf rund 1,27 Milliarden Euro geschätzt. Damit ist das Gebäude, das über zehn Schlafzimmer, Sauna, Fitnessraum, Swimmingpool, Kino und „Panic Room“ verfügt, gleich viel wert wie der Buckingham Palace mit seinen 775 Zimmern. Wenn die hübsche Elena Frantschuk, die Frau von Viktor Pintschuk, dem zweitreichsten Mann der Ukraine, ihr Anwesen jetzt verkauft, kann sie sich in der hübschen Villa nahe Nizza – abzüglich der dafür voraussichtlich nötigen Schönheitsoperationen – glatt 320 Jahre lang einmieten. Beim Schreiben dieser Kolumne habe ich mir geschworen, beim ersten Schneefall auf einen Hügel zu gehen, mich rücklings ins Weiß fallen zu lassen und wieder einmal Prunk und Pracht des diamantenen Sternenhimmels zu bestaunen. Und dort werde ich weder an gelangweilte Jachtkapitäne noch an Cosy Blattgold noch an Mrs. Frantschuk denken, sondern über den Großen Wagen hinunter nach Neapel grüßen. Kostenpunkt des Ausflugs übrigens: 0 Euro.
Foto: © 2010|TVB Innsbruck/Edi Groeger
Querweltein
Michael Tschida ist Kulturredakteur und lebt in Graz.
AUF KÖNIGLICHEN SPUREN WANDELN. Stolze 800 Jahre Kulturgeschichte haben wir den edlen Damen und Herren aus dem Hause Habsburg zu verdanken. Wer Lust hat, in deren Alltag einzutauchen, beschreitet am besten die „Via Habsburg”, die vom Elsass bis nach Tirol führt: 70 Sehenswürdigkeiten (im Bild: Kaiserliche Hofkirche, Innsbruck) und 150 Ziele liegen auf der Strecke, vier Routen werden vorgeschlagen. via-habsburg.de
APP Ab auf die Piste! Die TIPP Bergfex-App bietet Infos zu den Skigebieten in der Schweiz, in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich und Slowenien. 5.000 Webcams zeigen, was bzw. wie’s wo läuft. Mit Schneeprognosen u. v. m.