Jahrbuch 2013 web

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Forschung Research

Der Architektenberuf in der DDR Im April 1990 beschäftigte sich die archplus in einer ihrer Ausgaben ausführlich mit DDR-Architektur. Die Titelseite war provokant und zugespitzt zugleich mit der Überschrift „Architektur ohne Architekten“ versehen, während eine Collage die gängigen Vorurteile über das Planen und Bauen in der DDR einzufangen versuchte. Für den Betrachter des Heftes ergab sich dabei eine sehr klare Lesart. So schien der immer wieder angewandte Typenbau zum einen nahezulegen, dass es eine individuelle Architektenarbeit gar nicht gab. Und zum anderen standen der 1953 verstorbene Generalsekretär der KPdSU und die beiden Parteichefs der SED dafür, dass Architektur und Städtebau nach dem Vorbild Moskaus in umfassender Weise politisch dominiert und gelenkt waren. Im Gegensatz zu diesem schon im Heft selbst hinterfragten weit verbreiteten Bild, stellt die Dissertation die Architekten selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung. Trotz einer auf die Kollektivierung und Entindividualisierung der Architektentätigkeit abzielenden Baupolitik wird dabei ganz bewusst nach Rolle und Bedeutung der Fachleute in Architektur und Städtebau der DDR gefragt. Untersucht werden dazu die sich immer wieder verändernden Berufs- und Aufgabenprofile, das Verhältnis von fachlicher und politischer Ebene sowie unterschiedlichste Handlungsstrategien der Architekten. In den Blick genommen werden zudem Diskurse der Fachleute, die sich kaum im konkret Gebauten niedergeschlagen haben, trotzdem aber Bestandteil des fachlichen Selbstverständnisses waren. Über eine reine Struktur- und Institutionengeschichte hinaus wird der DDR-Architektenberuf so in umfassender Weise charakterisiert und in seinen spezifischen Eigenarten beleuchtet.

Jahr Year 2007-2013 Verfasser Author Tobias Zervosen Betreuer Supervisor Prof. Dr. Andreas Tönnesmann (ETH Zürich); Prof. Dr. Christiane Salge (FU Berlin) Förderung Funding Stiftung „Bildung und Wissenschaft“ im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft; Gerda-Henkel-Stiftung; Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta), ETH Zürich

The profession of an architect in the GDR In April 1990, an issue of the journal archplus dealt with the architecture of the GDR. The title made a provocative claim by combining the headline “architecture without architects” with a collage that tried to capture common misconceptions about GDR architecture. This led the viewer to a clear interpretation: on the one hand, the endless repetition of prefabricated facades suggested that there was no individual architectural work. On the other hand, the images of the deceased CPSU’s secretary and the two party leaders of the SED underpinned the idea that architecture and urban design, following the example of Moscow, were comprehensively dominated and directed by politics. In contrast to this widespread point of view, which was already challenged in the archplus issue itself, the Ph.D. thesis focuses on the architects themselves. Despite the fact that building politics was generally aimed at collectivizing and de-individualizing architectural production, the thesis deliberately focuses on the architect’s role and impact. It takes a closer look at the constantly changing professional role and tasks, the relationship between architects and politicians and the different ways of acting as architects. In addition, the thesis examines the contemporary discourse within the profession that, despite rarely influencing architectural production, was integral to the architects’ self-conception. Rather than merely relating the structure and institutional history of the profession, the thesis undertakes a comprehensive characterization of the architectural profession in the GDR and its specific manifestation.

archplus, Heft 103/April 1990, Titelbild archplus 103, April 1990, Cover image

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