Migros Magazin 52 2011 d ZH

Page 72

leben 72 |

|

gesellschaft

Vom KV-Stift zum Big Boss

«Das KV» ist die wohl schweizerischste aller Ausbildungen. Hunderttausende haben die Stifti im Büro gemacht. Dieses Jahr feierten die Kaufmännischen Verbände Bern und Zürich den 150. Geburtstag. Drei Beispiele zeigen, dass die kaufmännische Lehre auch heute noch ein Fundament für eine Karriere sein kann.

|

Nr. 52, 27. Dezember 2011 | Migros-Magazin |

Martin senn, Konzernchef der zurich

Auf der obersten Karrieresprosse

E

igentlich wollte Martin Senn (54) Militärpilot werden, fiel aber bei der fliegerischen Vorschule durch. Nachdem er seinen Traum von der Aviatik aufgegeben hatte, absolvierte er als 18-Jähriger dank eines Handelsschulabschlusses eine verkürzte KV-Lehre beim damaligen Bankverein in Basel. «Neben der Fliegerei war ich fasziniert von den Handelsräumen der Börse und dem globalen Umfeld. Mit dieser Ausbildung hatte ich früh die Chance, im Ausland Karriere zu machen.» Tatsächlich: Als 23-Jähriger ging er für den Bankverein ein Jahr nach New York, drei Jahre später war er im gleichen Unternehmen Chef von 150 Mitarbeitern in Hongkong. «Das hätte ich nach einem Studium in diesem Alter nie erreicht.» Er habe immer den Weg gewählt, der ihm Spass bereitete,und sich kaum mit der Frage beschäftigt, ob er ein Studium in Angriff nehmen solle. Nur am Anfang seiner Karriere dachte er daran, diese zu unterbrechen, um ein MBA nachzuholen. Er kam aber davon ab, weil er stets befördert wurde. Am 1. Januar 2010 erreichte der Basler die oberste Sprosse seiner Karriereleiter: Der Vater einer 23-jährigen Tochter und eines 20-jährigen Sohns ist heute Konzernchef bei Zurich Financial Services. Zum «weltweit globalsten Versicherungsunternehmen mit Kunden in 170

Ländern» ist Senn vor fünf Jahren via New York, Hongkong, Singapur und Tokio respektive Credit Suisse und Swiss Life gestossen. Er verbringt 50 Prozent seiner Arbeitszeit im Ausland — manchmal in Begleitung seiner koreanischen Frau. Die frühere Meistergeigerin lernte er auf einer Dschunke anlässlich einer 1.-August-Feier im Südchinesischen Meer kennen. Senn tritt sehr selten in den Medien auf, was ihm den Titel «Martin who?» in der «Bilanz» eintrug.

«ich weiss, was es bedeutet, wenn ein Kunde am schalter ist» Von der KV-Ausbildung profitiert er noch heute: Der Zurich-Chef beherrscht das Zehnfingersystem blind. Ausserdem hat er das Geschäft von der Pike auf gelernt und versteht deshalb die meisten Prozesse und Zusammenhänge. «Ich weiss, was es bedeutet, wenn ein Kunde am Schalter ist», sagt Martin Senn, und das ist keine Floskel. Mehr noch: Als Stift musste er für die Chefs Znünibrötli holen. Das hat den Führungsstil des 54-Jährigen geprägt. «Ich versuche, immer auf dem Boden zu bleiben, und will, dass meine Mitarbeiter offen sind und Hierarchien nicht als Schwellen verstehen. Hätte ich studiert, dann würde ich darüber vielleicht anders denken.» Vielleicht würde er seine

Diese Prominenten haben ihre Karriere mit dem KV begonnen

Frank Baumann (54), Werber, Fernsehmoderator und Komiker

Roland Rino Büchel (46), Sankt Galler SVP-Nationalrat und Sportmanager

Ancillo Canepa (58), Wirtschaftsprüfer und Präsident des FC zürich

Urs Fischer (45), ex-Fussballer und Cheftrainer des FC zürich

Daniel Fohrler (44), Solothurner radio- und Fernsehmoderator


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.