Leibniz-Journal 2/2015

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Kinder

Aquakultur

Neandertaler-Menü

Zukunftsstadt

Was tun gegen dicken Nachwuchs?

Leibniz-Journal

Speisen wie zur Steinzeit

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Blick über den Tellerrand G 49121

Ernährungsforschung bietet mehr

Der neue Hoffnungsträger

Schüler bloggen, wie sie leben wollen


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2016

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KlarText! Jeder gewinnt!

Bewerben Sie sich

Teilnahmebedingungen

um den Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft, kurz: KlarText!

Promotion 2015 in Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften, Physik oder einem angrenzenden Fachgebiet

Herausragende Forschungsergebnisse

Ein allgemein verständlicher Textbeitrag über die eigene Forschungsarbeit

Einsendeschluss: 29. Februar 2016

Jedes Jahr zeichnet die Klaus Tschira Stiftung damit Wissenschaftler aus, die die Ergebnisse ihrer herausragenden Dissertation in einem Artikel erklären — verständlich, spannend, anschaulich.

Jeder Teilnehmer kann am zweitägigen Workshop Wissenschaftskommunikation teilnehmen

5000 Euro Geldpreis pro Gewinner in jedem der sechs Fachgebiete

Veröffentlichung der Siegerbeiträge in einer KlarText!-Sonderbeilage des Wissenschaftsmagazins bild der wissenschaft

www.klaus-tschira-preis.info Medienpartner


L E I B N I Z | I N H A LT

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THEMENSCHWERPUNKT: ERNÄHRUNG Von frittierten Insekten als Zukunft der Welternährung über neue Erkenntnisse in Aquakulturen mit Seegurken oder gesunde Kinderernährung bis hin zu ethischen Fragen nach dem Hunger in der Welt: Es gibt viel zu forschen rund um unsere Ernährung.

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KURZ & FORSCH

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NUR SO EIN VORSCHLAG…

32 Ess-Kultur: Geschirr im Wandel der Zeit 36 Welternährung: Hunger ist ein Gerechtigkeitsproblem 38 Kreislauf: Aus Abfällen fruchtbaren Boden machen

...von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner

10 TITEL: ERNÄHRUNG 10

Ernährungsforschung: Tilman Grune empfiehlt gesunde Mischkost Kinder: Strategien gegen das zunehmende Übergewicht

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Aquakultur: Schmuddelkind als Zukunftshoffung

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Lebensmittel-Innovationen: Edelfleisch, glutenfreies Bier und essbare Insekten

Fotos: Lukow/photocase (Titel); DPA; Matthias Heyde; Thomas Hoepker/DHM

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Steinzeit: Wie ernährten sich unsere Vorfahren?

40 SPEKTRUM 40 Zukunftsstadt: Wie Schüler später leben wollen 42 Forschungspolitik: Uni-Präsident Jan-Hendrik Olbertz spricht über die Zukunft der Forschungsförderung

SPEKTRUM Olbertz: Mut zum Experiment

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AUSSTELLUNGEN Wende = Alltag?

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48 AUSSTELLUNGEN 50 LEIBNIZ LIFE 51 Leibniz-Liste 52 Verlosung

55 IMPRESSUM 55 LEIBNIZ LEKTÜRE 56 LEIBNIZ LEUTE

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Liebe Leserin, Bei Fragen zur Ernährung scheiden sich oft Wie es mit der Exzellenzinitiative weiterlieber Leser, die Geister: konventionell oder Bio, vegeta- gehen soll, wird heftig debattiert. Ein Vorrisch oder gar vergan? Vielleicht Paläo? Gesund soll’s sein und trotzdem schmecken. Nachhaltig, aber günstig. Faire Preise für ­Erzeuger und vernünftige Haltungsbedingungen für Nutztiere. Gentechnikfrei wäre auch schön, oder doch nicht? Die meisten dieser Fragen kann letztlich nur jeder persönlich für sich beantworten. Es gibt kaum ein Richtig oder Falsch. ­Deshalb soll die Wissenschaft uns mit den Fakten versorgen, die wir für unsere indi­viduelle Lebensführung benötigen. Sie kann recht klare Antworten geben, wie wir uns möglichst gesund ernähren wollen. Aber: Die Currywurst mit Pommes, die so unglaublich lecker schmeckt, kann manchmal für unser Wohlbefinden viel wichtiger sein, als ein paar Transfettsäuren, Kalorien oder Kochsalze „zu viel“. Seite 10

schlag sind Leibniz-Universitätsinstitute. Was der Präsident der Berliner HumboldtUniversität davon hält, verrät er im Interview. Seite 42 Dass wir das Essen manchmal zu wichtig nehmen und unsere eigentlichen Aufgaben darunter leiden, glaubt Leibniz-Präsident Matthias Kleiner und hat dazu in seiner Kolumne „nur so einen Vorschlag“. Seite 9 Und nun guten Appetit beim Stillen Ihres Wissenshungers! Christoph Herbort-von Loeper Redakteur 3


Virenquelle Bunthörnchen Hamburger Tropenmediziner haben ein neues Virus identifiziert, das von Tieren auf Menschen übertragen werden kann. Der Erreger aus der Gruppe der Bornaviren wurde höchstwahrscheinlich von Bunthörnchen ­(Sciurus variegatoides) auf drei Züchter aus SachsenAnhalt übertragen, die zwischen 2011 und 2013 an einer Gehirnentzündung gestorben sind. Nachdem der Grund dieser Entzündung zunächst unklar geblieben war, ergab eine Metagenomanalyse von Gewebeproben der Tiere und der Züchter durch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und das Friedrich-Loeffler-Institut die bislang unbekannte Bornavirus-Form als Auslöser. Derlei Infektionen sind bei Tieren sind schon seit mehr als 100 Jahren bekannt und treten meistens bei Pferden auf. Die Viren befallen insbesondere das zentrale Nervensystem und lösen eine Gehirnentzündung aus, die mit einer Todesrate von etwa 90 Prozent einhergeht. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1415627

Fälschungssichere Münzen

Ein völlig neues Sicherheitsmerkmal für Münzen ist unter Mitarbeit des DWI – LeibnizInstituts für Interaktive Materialien in Aachen entwickelt worden. Die im ersten Halbjahr 2016 erscheinende 5-EuroSammlermünze „Planet Erde“ wird erstmals aus drei Komponenten bestehen: einem äußeren Ring, einem inneren Kern (Pille) sowie einem zwischen

Ring und Pille eingefügten blauen Polymerring, der teilweise lichtdurchlässig ist. Das DWI war mit seiner Kompetenz im Bereich Polymere an der Entwicklung beteiligt, die vielfältige neue Möglichkeiten bietet, Münzen fälschungssicher zu machen. Ob der Kunststoffring zukünftig auch bei herkömmlichen Euro-Umlaufmünzen verwendet wird, ist noch nicht klar.

DOI = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet

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Weniger Asylanträge aus sicheren Herkunftsstaaten Länder als sichere Herkunftsstaaten zu klassifizieren, verringert die Anzahl der Asylanträge offenbar deutlich. Zu dieser Einschätzung kommen Ökonomen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Sie verglichen die Asylanträge der Jahre 2014 und 2015 aus den inzwischen als sicher deklarierten Ländern Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien mit denen der nicht als sicher deklarierten Nachbarstaaten Albanien, Kosovo und Montenegro. In den ersten acht Monaten 2015 stieg die Zahl der Asylerstanträge aus den nicht als sicher geltenden Staaten von 8.570 auf 70.637 und damit um 724 Prozent im Ver-

gleich zum Vorjahreszeitraum. Demgegenüber stellten aus den als sicher deklarierten Ländern im gleichen Zeitraum nur 32 Prozent mehr Menschen einen Antrag auf Asyl in Deutschland, insgesamt 22.281. Hätte die Deklaration als sicherer Herkunftsstaat keinen Effekt, wäre zu erwarten, dass die Zahl der Asylanträge aus sicheren und nicht sicheren Herkunftsstaaten in der gleichen Region und bei ähnlichen politischen Entwicklungen einen ähnlichen Verlauf nimmt, schlussfolgern die Forscher.

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH Auf der Suche nach Leben im All

Fotos: Sander van Gijssel/Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0); Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen; DPA; Mallison/ MfN; Zoo Berlin; Igor Gromoff/fotolia

Original-T.rex im Naturkundemuseum

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Das Berliner Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung bekommt eines der weltweit am besten erhaltenen Exemplare von Tyrannosaurus rex. Der Besitzer des Skeletts, der private Mäzen Niels Nielsen, überlässt dem Museum das etwa 70 Millionen Jahre alte Fossil für mindestens drei Jahre unter der Bedingung, dass es wissenschaftlich untersucht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Von Mitte Dezember 2015 an soll das zwölf Me-

ter lange Tier erstmals in einer eigenen Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden – als derzeit einziges Originalskelett eines T. rex in Europa. Mit anatomischen Untersuchungen, CTAufnahmen, 3D-Scans und Computermodellierung wollen die Wissenschaftler am Naturkundemuseum das Bild des Raubsauriers weiter schärfen und neue Erkenntnisse über Gewicht, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und Beißkraft, aber auch über seine Krankheiten und seinen Lebensverlauf erlangen.

Knuts Todesursache geklärt

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat einen neuen Ansatz entwickelt, um nach Leben auf anderen Planeten zu forschen. Sie fanden heraus, dass so genannte biologische photosynthetische Pigmente (Biopigmente) von Pflanzen spezifische Spuren in dem von ihnen reflektierten Licht hinterlassen. Diese Biosignaturen hat Svetlana Berdyugina vom Freiburger Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Dänemark mithilfe von Polarisationsfiltern nachgewiesen. Wären auf einem Planeten Biopigmente als Zeichen für Leben vorhanden, würden diese ihre Signatur im reflektierten Licht hinterlassen und wären nachweisbar. International Journal of Astrobiology, doi:10.1017/ S1473550415000129

Neuer Herpes-Schutz

Der berühmte Berliner Eisbär Knut litt an einer Autoimmun­ erkrankung des Gehirns. Diese nicht ansteckende Erkrankung mit der Bezeichnung „AntiNMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ kommt in ähnlicher Form auch beim Menschen vor und wurde nun von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der Charité-Univer-

sitätsmedizin Berlin erstmals im Tierreich nachgewiesen. In Folge der Erkrankung hatte Knut im März 2011 einen epileptischen Anfall erlitten, war in den Wassergraben seines Geheges gestürzt und ertrunken. Die Forscher vermuten, dass fehlgeleitete Immunreaktionen möglicherweise häufiger an Hirnerkrankungen beteiligt sind als bisher angenommen. Scientific Reports, Doi: 10.1038/ srep12805.

Der Naturstoff Calcium-Spirulan ­(Ca-SP) schützt wirksam gegen das Herpes simplex-Virus Typ 1, dem Auslöser der meisten Fälle von Herpes im Gesichts- und Lippenbereich. Ca-SP ist in der Blaualge Spirulina platensis enthalten, die als Nahrungsergänzungsmittel verbreitetet ist. Forscher des Heinrich-Pette-Instituts – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg konnten gemeinsam mit Kollegen zeigen, dass eine Creme aus dem Algenextrakt und dem Polysaccharid Ca-SP effektiv Lippen-

herpes vorbeugt. Jetzt müssen sich weitere Studien zur äußerlichen Anwendung und zur klinischen Wirksamkeit bei der Behandlung anderer Herpesvirus-Infektionen anschließen.

Journal of Allergy and Clinical Immunology, DOI: 10.1016/j. jaci.2015.07.027

Zahnlos durch Rauchen

Raucher haben ein deutlich höheres Risiko als Nichtraucher, ihre Zähne bereits in jungen Jahren zu verlieren. Das zeigt die Langzeitstudie EPIC des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE). Aber: Wer mit dem Rauchen aufhört, kann das Risikoniveau bereits schon nach kurzer Zeit wieder verringern. Die Studie des DIfE und eines Kollegen von der Universität Birmingham ergab ein 2,5-fach erhöhtes Risiko bei Frauen und 3,6-fach erhöhtes Risiko bei Männern gegenüber Personen, die nie geraucht haben. Der Hauptgrund dürfte den Wissenschaftlern zufolge in der Parodontitis liegen, für die Rauchen als einer der Hauptrisikofaktoren gilt. Journal of Dental Research, DOI: 10.1177/ 0022034515598961

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

Vulkane bremsen globalen Temperaturanstieg in

Nature Communications, Doi: 10.1038/ncomms8692

Mehr Ärzte verbessern Brustkrebs-Diagnose

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Billionen

Rechenoperationen pro Sekunde kann der neue Hochleistungsrechner des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung ausführen. Er ist damit zurzeit einer der schnellsten 400 Computer weltweit. Mit ihm wollen die Forscher die komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozeanen, Landflächen und Eisschilden simulieren.

120 Millionen

Jahre alt ist das Skelett der von Wissenschaftlern der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung als Desmatochelys padillai sp. beschriebenen Meeresschildkröte aus Kolumbien. Das fast zwei Meter lange kreidezeitliche Fossil ist damit rund 25 Millionen Jahre älter als der bisher älteste bekannte Fund.

Fotos: Gardar Olafsson/shutterstock; Sven Bähren/Fotolia, racorn/123RF, Michael Schütze/Fotolia

Vulkanausbrüche haben dazu beigetragen, dass sich die globale mittlere Bodentemperatur seit der Jahrtausendwende weit weniger stark erhöht hat, als es durch den kontinuierlichen Anstieg der Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre erwartet wurde. Das zeigt eine Studie im Fachjournal „Nature Communications“, an der unter der Leitung der Universität Lund in Schweden auch das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig beteiligt war. Aerosolpartikel, die bei einem Vulkanausbruch in die Atmosphäre gelangen, reduzieren danach die Sonneneinstrahlung. Dieser kühlende Effekt war dem Bericht des Weltklimarats IPCC zufolge zwar bereits bekannt, wurde aber unterschätzt, so die Studie. Die Untersuchung griff erstmals auch auf Daten aus der unteren Stratosphäre (Tropopause) zurück. Demnach wurde die Sonneneinstrahlung dort zwischen 2008 und 2011 durch mehrere Vulkanausbrüche doppelt so stark abgeschwächt, als bisher angenommen. Da die Treibhausgaskonzentrationen aber weiter ansteigen werden und kühlende Vulkanausbrüche nicht vorherzusagen sind, wird die Erderwärmung langfristig trotzdem ansteigen, prognostizieren die Wissenschaftler.

Zahlen

PaleoBios, September 2015

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Kollektive Intelligenz könnte die Qualität von Brustkrebsdiagnosen erheblich verbessern, sind Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin sicher. Bereits fünf unabhängige Einschätzungen von Ärzten genügen, um die Zahl der falsch positiven Befunde (Krebsdiagnose, obwohl gar kein Krebs vorliegt) oder der umgekehrten falsch negativen Befunde zu senken. Statt von zwei Ärzten ließ der Verhaltensbiologe Max Wolf fünf oder sogar zehn Ärzte unabhängig voneinander Röntgenaufnahmen von

Mammo­graphien beurteilen. Dabei zeigte sich, dass bereits fünf unabhängige Einschätzungen eine deutlich bessere Diagnose ergeben. Laut Wolf ließe sich das einfache Verfahren leicht automatisieren und in das ScreeningProgramm eingliedern. Die medizinischen Gutachter würden dann unabhängig voneinander am Computer die digitalen Röntgenaufnahmen beurteilen und eine Software auf Basis dieser Einzeleinschätzungen den Befund ermitteln. PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal. pone.0134269

12,9 Prozent

der Energieversorgung in privaten Haushalten in Deutschland stammten 2013 aus erneuerbaren Energien. Das hat eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen ergeben. 2010 lag der Anteil noch bei 12,1 Prozent. Nach wie vor nahmen Erdgas mit 34,3 Prozent und Heizöl mit 27 Prozent den weitaus größten Anteil an der Energieversorgung ein. www.rwi-essen.de/haushaltsenergieverbrauch

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH Deutsche überschätzen ihren Versicherungsschutz

Keine Leistungssteigerung durch männliche Lehrer

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Der hohe Anteil weiblicher Lehrkräfte ist nicht schuld daran, dass Jungen in der Schule schlechter abschneiden als Mädchen. Bildungsforscher Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat in einer Überblicksstudie gezeigt, dass das Geschlecht der Lehrkraft keinen nachweisbaren Einfluss auf den Bildungserfolg von Schülern hat. Er wertete 42 Studien mit Daten zu 2,4 Millionen Schülern aus 41 Ländern aus. Die Studien zeigen, dass Lehrkräfte des jeweils gleichen Geschlechts die schulischen Leistungen von Jungen und Mädchen nicht verbes-

sern. Mädchen profitieren nicht von Lehrerinnen, Jungen nicht von Lehrern. Damit fehle die empirische Basis für politische Programme, die durch mehr männliche Lehrer die Bildungskrise der Jungen lösen wollen, so Helbig. Dass Jungen schlechter in der Schule abschneiden, führt der WZB-Forscher auf Unterschiede in der Leistungsbereitschaft zurück: Mädchen seien oft disziplinierter und fleißiger, was sich in besseren Noten niederschlage. Fleißig zu sein, gelte unter Jungen oft als uncool. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online, DOI: 10.3262/EEO17150352

Die Deutschen fürchten, dass der Klimawandel zu mehr Extremwetter­ eignissen wie Über­ schwemmungen, Stürmen, Hagel oder Hitzewellen führt. Allerdings zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Haushalte an ihre Versicherungen und den tatsächlich zu erwartenden Leistungen der Versicherungsunternehmen, wenn beispielsweise ein Überschwemmungsschaden eintritt. Eine Befragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ergab: Mehr als 70 Prozent der Haushalte erwarten, dass ihre

Versicherung sie im Schadensfall finanziell unterstützt. Allerdings ergeben die Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass deutschlandweit nur etwa 34 Prozent der Haushalte tatsächlich über eine Elementarschadenversicherung verfügen. Bei der Hausratversicherung ist die Situation ähnlich: 44,4 Prozent der Befragten gaben an, über eine Hausratversicherung mit Elementarschadendeckung zu verfügen. Laut GDV trifft dies für lediglich 20 Prozent zu.

http://www.zew.de/ de/publikationen/7959

Kongress ohne Kompromiss Ihr perfekter Gastgeber: Berlin

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Ein perfekter Kongress ist mehr als perfekte Organisation. Mehr als perfekte Räumlichkeit. Mehr als perfekter Service. Zu einem perfekten Kongress gehört auch ein Gastgeber, der sich um den Rahmen kümmert. Berlin, die aufregendste Metropole in Europa, tut das. Ob Kultur, Sport oder Party, Berlin gibt sein Bestes. Als Gastgeber für einen Kongress ohne Kompromiss! convention.visitBerlin.de Member of

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

Wissenschaftler des Berliner Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie haben analysiert, wie sich E. coli-Bakterien an der Innenwand der Harnblase festsetzen und dadurch eine Blasenentzündung auslösen können. Mit Hilfe feiner Fortsätze, so genannter „Pili“, haken sie sich ähnlich einer Angelschnur an der Schleimhaut fest und umgehen so den Schutzmechanismus des menschlichen Körpers, Bakterien aus dem Harntrakt mit dem Urin heraus zu spülen. Mit einer Kombination moderner Bildgebungstechnologien haben die FMPForscher die Bakterien bis in atomare Details hinein analysiert, um mehr über die Schlüsselstrukturen der Krankheitserreger zu erfahren. Damit sollen angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen die Basis für neue Therapeutika gelegt werden. Angewandte Chemie International Edition, DOI: 10.1002/ anie.201505065

Regional­flughäfen keine Wachstums­ motoren

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Regionalflughäfen sind keine Wachstumsmotoren für das Umland. Zu dieser Schlussfolgerung kommen Forscher des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Regionen mit Investitionen in einen Regionalflughafen seien durchschnittlich genauso stark gewachsen wie Regionen ohne Flughafen, ergab die Analyse. Fortlaufende öffentliche

Subventionen in die durchweg defizitären Regionalflughäfen setzten somit keine Wachstumsimpulse für die umliegende Region, so die RWIForscher. Ihre Empfehlung: Investitionen in große Infrastrukturprojekte sollten mit einer überzeugenden Wirtschaftspolitik verknüpft sein, um tatsächlich erfolgreiche Entwicklungen zu stärken. Ruhr Economic Paper #549

Ehrlichkeit im Internet

Die Nutzerprofile in sozialen Netzwerken wie XING oder Linked­ In sind überraschend realistisch und nicht idealisiert. Laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen sind die Netzwerke damit als Präsentationsplatt­ formen im Wett­ bewerb um Stellen für Arbeitgeber ein aussagekräftiges Mittel, um die Persönlichkeit von Kandida­ten einzuschätzen. Die Forscher stellten fest, dass die Profile von unabhängigen Gutachtern so beurteilt wurden, wie sie dem realistischen, nicht dem idealisierten Selbstbild der Nutzer entsprachen. Vermutlich liegt die Erklärung darin, dass Nutzer beruflicher Netzwerke wissen, dass auch ihre Bekannten ihre Profile lesen. Deshalb bleiben sie in ihrer Selbstdarstellung realistisch, da sie sich nicht nur für unbekannte Personen präsentieren, denen sie etwas vormachen können, so die Wissenschaftler. Computers in Human Behavior, doi:10.1016/ j.chb.2015.03.046

Monsterwellen — doch kein Zufall Monsterwellen auf dem Ozean („Kaventsmänner“) sind sehr seltene, aber für Schiffe oder Bohrinseln äußerst gefährliche Extremereignisse. Bislang ist nur wenig über sie bekannt, ­geschweige denn, dass sie sich vorhersagen ließen. Um das möglicherweise zu ändern, haben Forscher des Max-BornInstituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin nun drei Arten von Monsterwellen aus unterschiedlichen physikalischen Kontexten analysiert. Sie verglichen die Extremereignisse aus Ozean und Optik hinsichtlich ihrer Vorhersehbarkeit und Vorbestimmtheit. Während einige Monsterwellen in manchen Systemen komplett zufällig und damit auch unvorhersehbar sind, erwiesen sich die Ozeanwellen als nicht komplett zufälliger Natur. Trotz allem sei eine praktische Vorhersage noch weit entfernt und bestenfalls als Warnung in allerletzter Minute möglich, so die Forscher. Physical Review Letters, DOI: 10.1103/PhysRevLett.114.213901

Steinzeit-Massaker

Geradezu einen Gewaltexzess zeigen die anthropologischen Untersuchungsergebnisse eines steinzeitlichen Massengrabes in der Wetterau, die Forscher des Römisch-Germanischen Zentralmuseums – Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie mit Kollegen vorgelegt haben. Das aus der Zeit um 5000 v. Chr. stammende Grab in SchöneckKilianstädten offenbarte mindestens 26 Menschen, die durch stumpfe Gewalt und wohl auch Pfeilschüsse getötet wurden. Bei einigen wurden zudem die Schienbeine zerschlagen, um ein Fortlaufen zu verhindern –

oder nur um sie zu foltern. Nach dem Massaker wurden die Toten, darunter auch kleine Kinder, in einen Grabenabschnitt geworfen. Das Grab stammt aus der Endphase der so genannten Linienbandkeramischen Kultur (5500-4950 v. Chr.) der ersten Bauern in Mitteleuropa. Kurz vor deren Ende kam es zu teilweise massiven Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Untergruppen, bei denen offensichtlich ganze Dorfgemeinschaften ausgerottet wurden. Proceedings of the Academy of ­Sciences, DOI: 10.1073/ pnas.1504365112

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Fotos: NOAA/Flickr.com (CC BY 2.0); C. Lohr / RGZM

Neue Details über Blasenentzündung


LEIBNIZ | KOLUMNE

Foto: Christoph Herbort-von Loeper

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

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erinnern Sie sich noch an die „Butterberge“ und die die eigene Lebensweise zu reflektieren. Wenn stets und „Milchseen“, die einst unsere Landschaften metaphorisch allerorts Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, kann das beschämten als Ergebnis staatlicher Einkäufe, deren Pro- die persönlichen Angewohnheiten stark beeinflussen. Vor allem aber, und das ist eine Beobachtung, die ich mit duktion vorab subventioniert worden war? Mit Nahrung und Versorgung ist es wie mit vielem Argwohn wahrnehme, strukturiert die allzeitige Verfügim Leben: eine Sache des Umgangs und der Balance. barkeit von Nahrung und Versorgung unseren Alltag. Das rechte Maß kann die Nahrungsaufnahme des einzelWer zum Beispiel häufiger an Sitzungen, Tagungen oder Konferenzen teilnimmt, wird es kennen: das nen Menschen betreffen oder die Ausgewogenheit freundliche und omnipräsente Angebot von von Nährstoffen, es kann die Entsprechung am Speisen und Getränken und die reichhaltiMarkt zwischen Angebot und Nachfrage be„Erkenntnisse schreiben oder regionale Unterschiede der gen Büffets, die zu oft nur zum Teil verzehrt Versorgung markieren. Gerade dieses fawerden. Wer umgekehrt mit der Organisader Forschung tale Missverhältnis gibt Anlass zu Demut, tion dieser Sitzungen, Tagungen und Konhelfen, Bescheidenheit und Dankbarkeit – und ferenzen befasst ist, sieht sich seinerseits die Lebensweise natürlich zum Handeln. Unter anderem vermutlich geradezu einem kategorischen mit diesen Themenkomplexen beschäftigt Imperativ ausgeliefert: Für das „leibliche zu reflektieren“ sich der Leibniz-Forschungsverbund NachWohl“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer muss doch zu jedem Zeitpunkt umfassend gehaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung und eruiert Handlungsoptionen und sorgt sein. Wirklich? Denn auch das liebevollste -notwendigkeiten für die Ernährungssicherung als eine Angebot droht – auch wenn es immer noch die Möglichder großen globalen Herausforderungen zu Beginn des keit der höflichen Ablehnung oder des stillen Verzichts 21. Jahrhunderts. Es geht um nachhaltige Produktion, einräumt – sich zu einer ständigen Präsenz von Nahum gesunde Lebensmittel und Ernährungsweisen, und rungsmitteln zu entwickeln, der man, ich übertreibe etum faire Verteilung und Versorgung angesichts unserer was, nicht entkommen kann. So kann man es gelegentlich wachsenden Weltbevölkerung, des Klimawandels und erleben, dass für eine vorab fest terminierte Mittagspause der Verknappung bestimmter natürlicher Ressourcen. eine wichtige und interessante Diskussion unterbrochen Der Komplexität dieser Zusammenhänge kann die wird. So wird eben gegessen, wenn Pause ist, und nicht Kolumne nicht gerecht werden, und ich bin froh, dass etwa, wenn eine sinnhafte Zäsur dies nahe legte. sich in der Leibniz-Gemeinschaft eben gerade diese 15 Wie wäre es denn mit nur dem Nötigen während der Forschungseinrichtungen gemeinsam, systematisch und Sitzung? Mit einer umfänglichen, vielleicht einmal anaus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema anneh- strengenden Diskussion und einem gemeinsam errungemen. Nun hat Forschung – und Leibniz-Forschung sowie- nen Ergebnis kann schon einmal ein echter Hunger komso! – die Aufgabe und Angewohnheit, Aufmerksamkeit men. Dann geht es ein paar Schritte an die frische Luft und zu schaffen, zum Beispiel für Ernährungsmuster und zum gemeinsamen und gesunden Essen. Das bekommt Gewohnheiten im Zusammenhang mit regionalen Be- uns dann auch – oder? Auch nur so ein Vorschlag… dingungen und dem Entwicklungsstand des jeweiligen ­Landes. Ernährungsmuster und Gewohnheiten haben natürlich auch eine persönliche Dimension, und Erkenntnisse aus der Forschung helfen auch der und dem Einzelnen, m atth i as kl ei n er , pr äsi d en t d er l ei b n i z - g em ei n s c h aft

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LEIBNIZ | K N SDI TKÄOTN F L I K T E BR I OI EDGI V U ER

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LEIBNIZ | ERNÄHRUNG

Ernährung ist nicht alles Mischkost, Fleisch — oder doch lieber Veganer werden? Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) erklärt, warum es gar nicht so leicht ist, die Frage nach der richtigen Ernährung zu beantworten. In Wohlstandsländern wie Deutschland fragen sich viele Menschen, wie man sich ge­ sund ernährt – auch weil wir die Qual der Wahl haben. Was antworten Sie? Ich kann die Antwort ganz kurz machen: gesunde Mischkost. Doch es ist mir zugleich wichtig zu betonen, dass wir am DIfE ernährungswissenschaftliche Forschung betreiben. Die Richtlinien und Empfehlungen, die sich daraus für eine gesunde Ernährung ergeben, stellen andere auf.

Fotos: TTstudio/fotolia;; Till Budde/DIfE

Die stützen sich aber zuweilen auf Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse. Was weiß man über die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit?

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Wir wissen, dass es ursächliche Zusammenhänge zwischen beiden gibt. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, nimmt Einfluss auf den Stoffwechsel und kann ihn günstig oder ungünstig verändern. Inzwischen ist erwiesen, dass wir durch unsere Essensgewohnheiten Grundlagen für Erkrankungen wie Diabetes vom Typ 2 oder Herz-KreislaufErkrankungen legen und unser Risiko für einige Formen von Krebs erhöhen können. Das DIfE hat etwa im Rahmen der europäischen Langzeiternährungsstudie EPIC zu diesem Wissen beigetra-

Ein Wissenschaftler bei der mikrosko­ pischen Analyse von Leberzellen.

gen. Allerdings geht es nie um die Ernährung allein, sondern um den gesamten Lebensstil. Welche Rolle spielen in diesem Geschehen die Gene?

Ohne Zweifel gibt es bestimmte genetische Risikomuster, die dazu führen, dass Menschen mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit schlank bleiben, dick werden oder auch erkranken. Ein klassisches Beispiel sind die sogenannten „schlechten Futterverwerter“: Menschen, die viel essen, ohne dabei zuzunehmen. Die Kilokalorien, die täglich verbrannt werden, können von Person zu Person tatsächlich recht unterschiedlich sein. Es gibt Umstände, die kann man nicht ändern, das heißt allerdings nicht, dass man ihnen schutzlos ausgeliefert wäre. Die spannende Frage ist ja, inwieweit „Risi-

kogene“ zusammen mit einem bestimmten Lebensstil wirklich zum Risiko werden. Nicht umsonst ist das Thema „Personalisierte Ernährung“ derzeit sehr en vogue. In der Forschung sind wir allerdings längst noch nicht so weit, hier Empfehlungen geben zu können. Schließlich spielen Dutzende, wahrscheinlich sogar Hunderte von Einflussfaktoren eine Rolle. Über einen möglichen Einfluss­ faktor wird in letzter Zeit viel diskutiert: die Zusammenset­ zung der Bakterien im Darm.

Ja, das Thema Mikrobiom ist derzeit auch in den Medien sehr präsent, das ist sicher mehr als eine vorübergehende Modeerscheinung. Wir glauben, dass die Mikroorganismen des Darms die Verwertung von Nahrungsmitteln erheblich beeinflusst. Es hat

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LEIBNIZ | ERNÄHRUNG

also auch Einfluss auf Prozesse wie die Entstehung von Übergewicht und damit einhergehenden Krankheiten oder auch auf Defizite an Mikronährstoffen. Dazu kommt noch, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien auch die Funktion von Genen beeinflusst. Leider wissen wir über diese Zusammenhänge aber noch zu wenig. Im menschlichen Darm lebt eine Vielzahl verschiedener Bakterienstämme. Ihre Zusammensetzung ist individuell verschieden und wird auch durch die Ernährung beeinflusst, denn die Mikrobiota ist nicht so stabil wie die Gene. Weltweit wird derzeit der Einfluss bestimmter Klassen von Darmbakterien auf bestimmte Erkrankungen untersucht. Wird es künftig nur noch ­Empfehlungen zur indivi­du­ ellen Ernährung geben?

Wir werden dem wahrscheinlich näher kommen. Ich glaube aber nicht, dass in naher Zukunft wirklich personalisierte Empfehlungen für eine gesunde Ernäh-

hebung, an der sich das DIfE beteiligt?

Risikofaktor Übergewicht

rung realistisch sein werden. Bei den Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist das anders. Aber da sind die Betroffenen meist selbst die Experten: Sie wissen, welche Lebensmittel sie besser nicht zu sich nehmen, etwa bei einer Laktose-Intoleranz. Als Ernährungswissenschaftler versuchen wir vorrangig, Grundlagen für Empfehlungen zu legen, die dann weitgehend für die gesamte Bevölkerung gelten. Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von der Nationalen Kohorte, einer Langzeit-Er­

Das ist wirklich ein großes, auch in seiner Komplexität weltweit ziemlich einmaliges Unterfangen, von dem wir uns viel versprechen: 200.000 Menschen werden im gesamten Land rekrutiert. Im südlichen Berlin und Brandenburg sind es 10.000. Das DIfE bringt seine Erfahrungen aus der EPIC-Kohorte ein, es koordiniert die Ernährungsund Bewegungsanalysen. Unter anderem erheben wir die Ernährungsgewohnheiten und das Bewegungsverhalten, es gibt Blutproben und körperliche Untersuchungen, die Teilnehmer werden nach vier bis fünf Jahren zu einer zweiten Untersuchung eingeladen. Wir versprechen uns von der Nationalen Kohorte vor allem Aussagen über das Zusammenwirken von Bewegung, Ernährung und Gesundheit. Dabei müssen wir allerdings langfristig denken, in Jahrzehnten und nicht in Wahlperioden. Auch wir Wissenschaftler müssen dafür über unseren Schatten springen, weil

Leibniz-Forschungsverbund Lebensmittel & Ernährung Im Leibniz-Forschungsverbund „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ kooperieren 14 Leibniz-Einrichtungen verschiedener Disziplinen, um auf dem Gebiet der beiden gesellschaftlichen Herausforderungen „nachhaltige Lebensmittelproduktion“ und „gesunde Ernährung“ in der notwendigen wissenschaftlichen Breite neue Erkenntnisse, aber auch Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die gebündelt an Öffentlichkeit, Politik und Medien vermittelt werden. www.leibniz-lebensmittel-und-ernaehrung.de

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LEIBNIZ | LICHT

wir möglichweise die Früchte unserer Arbeit nicht selbst ernten werden.

Fotos: DPA; IAMO; Till Budde/DIfE

Welche Konsequenzen können Behörden und Gesetzgeber schon heute aus den Erkennt­ nissen der Ernährungsfor­ schung ziehen?

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Es muss gewährleistet sein, dass sich jeder in Deutschland gesund ernähren kann. Ernährungswissenschaftler, Gesetzgeber und Hersteller sind deshalb in der Pflicht, verständliche und vollständige Informationen über Lebensmittel sicherzustellen. Dazu kommt die Verantwortung für eine Versorgung der Bevölkerung mit Nährstoffen wie etwa dem Spurenelement Jod, das Nahrungsmitteln zugesetzt wird. Bei Vitamin D, mit dem in den USA die Milch angereichert wird, ist es dagegen schwer, ein vernünftiges Maß zu finden. Schließ-

lich konsumieren einige Bürger davon bis zu drei Liter pro Tag, andere gar nichts. Wir müssen, wenn es um die Gesamtbevölkerung geht, immer zugleich die Unter- und die Überversorgung im Blick haben. Neben der Frage der Supple­ mentierung wird derzeit auch die nach Steuern für bestimm­ te „ungesunde“ Lebensmittel gestellt.

Bei Steuern für Zucker und Fett wäre ich sehr vorsichtig. Das Beispiel Dänemark zeigt, dass sie nicht sehr wirkungsvoll sind, dort wurden sie ja inzwischen auch wieder zurückgenommen. Dazu kommt aber eine grundsätzlichere Erwägung: Wir können nicht pauschal sagen, dass Zucker oder Fett schädlich sind. Ich könnte mir kaum ein Lebensmittel ausdenken, dass man in angemessenen Mengen nicht

konsumieren sollte – ganz im Unterschied zum Tabak. Aus diesem Grund finde ich auch ein Ampelsystem schwierig.

Stoffwechsel­ untersuchung von Studien­teilnehmern in der Abteilung klinische Ernährung des DIfE.

Derzeit wird auch viel über den Einfluss unserer Ernährungs­ gewohnheiten auf die Umwelt diskutiert.

Das Thema Nachhaltigkeit wird schon seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Es ist aber nur die eine Seite der Medaille. Nehmen wir etwa die Versorgung der Menschen mit Eiweiß: Fleisch ist aus ökologischer Sicht nicht die beste Lösung, pflanzliche Proteinquellen sind aber ernährungsphysiologisch oft nicht so wertvoll. Wir arbeiten daran, die Ernährungsphysiologie mit in die Bewertung einzubeziehen und einen Mittelweg zu finden. Die Wertskalen, die sich daraus ergeben, können unter Umständen regional sehr unterschied-

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Untersuchung der körperlichen Belastbarkeit mit einem Fahrrad-Ergometer im Rahmen der Nationalen Kohorte.

ökologischen und ethischen Gesichtspunkten gewählt wird, wird dagegen von vielen Kollegen und auch von mir als problematisch angesehen. Man darf nicht vergessen, dass Fleisch, Eier und Milchprodukte große Mengen an Nährstoffen und Vitaminen enthalten. Wer völlig auf tierische Produkte verzichtet, muss einige von ihnen eigens einnehmen. Diese Notwendigkeit des Supplementierens ist vielen Veganern auch bewusst.

Gegen eine ovo-lacto-vegetarische Ernährungsweise gibt es keine fachlichen Bedenken. Die vegane Ernährung, die oft aus

Natürlich versucht man das. Und ich werde ja auch manchmal am Buffet darauf angesprochen, was ich mir selbst auf den Teller lege. Man wird notgedrungen als Spezialist wahrgenommen, schließlich konzentriert

Weil wir gerade von ökologi­ schen Gesichtspunkten und vom Fleischkonsum gespro­ chen haben: Was halten Sie von vegetarischer und veganer Ernährung?

Hat man als Direktor des DIfE eigentlich beim Essen eine per­ sönliche Vorbildfunktion?

Tilman Grune ist seit Juni 2014 Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in PotsdamRehbrücke und Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Toxikologie an der Universität Potsdam. Grune studierte medizinische Biochemie in Moskau, promovierte 1992 an der Berliner Humboldt-Universität und hatte zuletzt Lehrstühle an den Universitäten ­Hohenheim und Jena inne.

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sich jede Wissenschaft auf ein Feld. Letztendlich sollte man aber bedenken, dass zu einem gesunden Lebensstil nicht nur eine ausgewogene Ernährung mit vergleichsweise viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und wenig Fleisch gehört. Auch andere Lebensstilfaktoren wie Alkoholtrinken, Rauchen und Bewegung spielen eine Rolle. Die Potsdamer EPIC-Studie hat ja gezeigt, dass eine Person, die niemals geraucht hat, nicht stark übergewichtig ist, pro Woche mehr als dreieinhalb Stunden körperlich aktiv ist und sich gesund ernährt, im Vergleich zu einer Person, die sich gegenteilig verhält, ein um 78 Prozent vermindertes Risiko für chronische Erkrankungen hat. INTERVIEW: ADELHEID MÜLLER-LISSNER

Fotos: Till Budde/DIfE; Antje Lenz von Kolkow / Faceland Berlin

lich ausfallen. So steht in Kalifornien nicht das CO₂, sondern der Wasserverbrauch im Fokus. Die Zusammenarbeit zwischen Agrarwissenschaftlern, Ökonomen und Ernährungswissenschaftlern, wie wir sie im Leibniz-Forschungsverbund „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ praktizieren, und der Versuch, einen gemeinsamen Nenner zu finden, haben in meinen Augen einen ganz besonderen Charme.

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INNOVATION DAYS 2015

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Partnering-Konferenz im dbb-Forum in Berlin

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Dezember

Karl Heinz Beckurts-Preis und Abendveranstaltung im Roten Rathaus Berlin

BERLIN

RESEARCH MEETS BUSINESS! innovation Day

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Erfahren Sie mehr über deutsche Forschungsprojekte aus den Bereichen der Lebenswissenschaften und der Ingenieurwissenschaften.

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Treffen Sie Kooperations- und Lizenzpartner aus zukunftsträchtigen Geschäfts- und Forschungsfeldern.

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Nutzen Sie die Partnering-Plattform für vorab terminierte Treffen mit potentiellen Partnern.

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Treffen Sie anwendungsorientierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der führenden deutschen Forschungsorganisationen an einem Ort.

Deutschlands führende Forschungsorganisationen präsentieren ihre Innovationen

Auf den vierten Innovation Days stellen die führenden deutschen Forschungsorganisationen – Leibniz-Gemeinschaft, HelmholtzGemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft – ausgewählte Technologien und Spin-off-Projekte aus den Bereichen Life Sciences (Schwerpunkt Nutrition & Crop Science) und Physical Sciences (Schwerpunkt Photonics & Sensor Technologies) vor. Neben interessanten Präsentationen und Sessions bieten die Innovation Days eine ideale Plattform, um innovative Forscher, Technologietransfer-Experten, Business Development Spezialisten, Venture-Capital-Experten sowie Führungskräfte aus der Wirtschaft zusammenzubringen. Das detaillierte Programm und Hinweise zur Anmeldung finden Sie unter www.innovationsdays-partnering.de.

Organisator

Konferenzsprache Deutsch Ansprechpartner: Christine Wennrich, Leibniz-Gemeinschaft wennrich@leibniz-gemeinschaft.de T 030 206049-14

Co-Organisatoren

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„Raus mit Euch!“ Ernüchternd: 15 Prozent der deutschen Kinder sind zu dick. Die Zahl hat sich seit den 1990er Jahren verdoppelt. Falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und zu viel Stress sind die Hauptgründe

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Frühstück im Hause Lüers: Fünf Kinder tummeln sich um den abgewetzten Holztisch. Wo steht die Butter, wo das Müsli? Warum fehlt die Marmelade und wo ist der Käse? Bei drei Mädchen und zwei Jungen zwischen fünf und 17 Jahren spielt sich jeden Morgen ein buntes bis hektisches Tischprogramm ab – gespickt mit ermüdenden Pausenbrotdiskussionen: „Ich mag aber keine Möhren. Kannst Du mir nicht mal Apfelschorle einpacken? Immer nur Wasser! Und wieso darf ich mir keinen Donut in der Schulpause kaufen?“ Während die beiden Ältesten vorbildlich Müsli mit Obst und Joghurt essen, präferiert die Siebenjährige immerhin ein Frischkäsetoast mit Tomaten. Die Jüngste im Bunde wiederum würde am liebsten in einem Nutellaglas wohnen – für die zehnjährige Schwester eine albtraumhafte Vorstellung: „Dann doch lieber das Marmeladenglas.“ Viele Eltern sind längst verunsichert, wie sie ihren Nachwuchs gesund ernähren. Und schmecken soll es ja auch noch. Die Rede ist von Übergewicht, Bewegungsmuffeln und Folgeerkrankungen wie Diabetes und Arteriosklerose. Tatsächlich sind in Deutschland laut der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) etwa 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen übergewichtig, gut sechs Prozent sind sogar adipös. Über-

gewicht und die Gründe dafür stehen auch im Fokus der europäischen I.Family-Studie, die das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS gemeinsam mit der Universität Bremen koordiniert. Aus acht europäischen Ländern trägt das Forscher-Team Informationen über das Gesundheits-

verhalten von mehr als 16.000 Kindern und ihren Familien zusammen. Auch Geschmacksempfinden, Medienkonsum und Schlafverhalten stehen in Zusammenhang mit Übergewicht und werden erforscht. Doch zurück in die Praxis – an den norddeutschen Frühstückstisch. Kinder starten mit einem gesunden Frühstück besser in den Tag: „Ein Vollkornbrot mit Käse beispielsweise gehört dazu“, sagt BIPS-Wissenschaftlerin Antje Hebestreit, die die Studie mit leitet. Der Käse sei gut für die Calciumzufuhr, denn immer weniger Kinder trinken Milch. Und das Vollkornbrot macht lange satt. Auch ungesüßtes Müsli mit Joghurt oder Milch erfüllt diesen Zweck. Die Schokocreme hingegen stellt die Ernährungswissenschaftlerin nur am Wochenende auf den Frühstückstisch: „Das sollte etwas Besonderes bleiben.“ Und auch für jene Familien, die sich dem Schoko-Zwang nicht entziehen können, hat Antje Hebestreit einen einfachen Rat: „Einfach nicht kaufen!“ Viele Schulen monieren, dass Kinder sich nach der dritten Stunde nicht mehr konzentrieren: „Aber bei Weißbrot mit Nutella zum Frühstück und einer Milchschnitte als Pausensnack ist das kein Wunder; die Kinder haben viel schneller wieder Hunger“, sagt Hebestreit. Zu viele Kalorien, zu schnell verpufft.

Fotos: DPA; clautsch/photocas

für die Entwicklung. Leibniz-Forscher suchen nach Auswegen.

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Doch nicht nur die Ernährung bestimmt, wie gut es unseren Kindern geht. Ein zweiter großer Baustein, der auch in der I.Family-Studie untersucht wird, ist die Bewegung. „Deutsche Kinder bewegen sich viel zu wenig. Empfohlen wird mindestens eine Stunde an der frischen Luft: hüpfen, springen, klettern – ­alles ist gut“, sagt Wolfgang Ahrens, stellvertretender BIPS-Direktor und I.Family-Projektleiter.

Auf die Plätze, fertig, los!

Doch die Realität sieht anders aus: „Wir haben festgestellt, dass viele Kinder die empfohlene Stunde bei weitem nicht erreichen“, sagt Ahrens. Oft sind es überbesorgte Eltern, die den Bewegungsdrang der Kinder ausbremsen. Die elterlichen Befürchtungen reichen von zu viel Verkehr bis hin zu Kriminalität. Sie lassen ihre Kinder deshalb nicht unbeaufsichtigt draußen spielen. Die Folge: Die Kinder sitzen zu viel. Die Bremer Wis-

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senschaftler haben deshalb angefangen, den Blick nach außen zu richten: Welchen Einfluss hat die bebaute Umwelt auf das Bewegungsverhalten der Kinder? Wie muss die Umgebung aussehen, damit Eltern ihre Kinder laufen lassen? „Da sind Stadtplaner gefragt, das ist ein völlig unterbelichtetes Thema“, sagt Ahrens. Hilfreich wäre ein wissenschaftliches Mess­ instrument, mit dem die bebaute Umwelt quantitativ bewertet werden könnte. Jede Kommune wäre damit in der Lage, zu messen, wie kinder- und bewegungsfreundlich sie ist. In der europaweiten Kohortenstudie entwickeln die Forscher einen solchen Bewegungsindex. Um konkrete Daten zu bekommen, werden sie nicht nur mit einem Bewegungsmesser ausgestattet, der ausrechnet, wie lange und oft sie am Tag springen, rennen oder klettern, sondern auch mit einem GPS-Gerät, das anzeigt, wo sich der Nachwuchs gern bewegt. Die Ergebnisse könnten Stadtplaner künftig berücksichtigen.

Neben gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung ist Stress der dritte große Baustein, der die Gesundheit von Kindern entscheidend beeinflusst. Wie groß ist beispielsweise der Leistungsdruck in der Schule? Leiden Kinder unter Mobbing oder Zensurendruck? Und wie bewältigen sie Stress und Sorgen? In diesem Zusammenhang spielen gemeinsame Mahlzeiten eine wichtige Rolle. Die Kinder lernen bei selbst zubereiteten Speisen nicht nur, gesund zu essen, sondern haben die Chance, von ihren Sorgen und Ängsten zu erzählen. Fernseher und Smartphones sollten in dieser Zeit abgestellt sein.

Stress, lass nach!

Kinder, die während der Familienmahlzeit ein offenes Ohr finden, kompensieren später weniger durch sogenanntes „Comfort Eating“ und passiven Medienkonsum. Der Fernseher im Kinderzimmer bleibt weiter-

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Gesunde Ernährung – gar nicht schwer!

Fotos:DPA; colourbox

• Seien Sie ein gutes Vorbild: Ihr Kind orientiert sich an Ihrem Essverhalten • Geben Sie Ihren Kindern Wasser mit in die Schule, in den Kindergarten oder zum Sport: ­ Gezuckerte Getränke besitzen nicht nur viele Kalorien, sondern zerstören die Zähne • wenn süß, dann Haushaltszucker oder Traubenzucker verwenden — auf Maissirup verzichten • Achten Sie auf die Qualität der Nahrungsfette: Nüsse statt Chips, Backofenpommes statt ­frittierte Pommes • viel Gemüse, Obst und Ballaststoffe • Erlaubt sind täglich bis zu sechs kleine Mahlzeiten mit geringer Energiedichte • Frühstücken • regelmäßige Familienmahlzeiten – ohne Ablenkung durch TV oder Handy • Nehmen Sie sich Zeit, mit Ihren Kindern zu essen

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hin ein Risikofaktor für Übergewicht im Kindesalter, allerdings wird er zunehmend verdrängt von mobilen Geräten unter der Bettdecke. Wie sich Smartphone und iPad auf die kindliche Gesundheit auswirken, haben Wissenschaftler bisher noch nicht ausreichend untersucht. „Wir sollten die neuen Medien aber nicht nur verdammen, sondern auch ihre Chancen sehen“, resümiert Hebestreit. So böten ­„Handy und Co.“ Möglichkeiten, um Jugendliche in Bewegung zu bringen: Sie filmen sich beispielsweise beim Skaten und stellen den Film online, statt alleine vor dem Fernseher zu sitzen. Oder sie verabreden sich spontan über WhatsApp. Geht es um die Bewältigung von Stress, darf der gesunde Schlaf nicht fehlen. „Kinder

im Grundschulalter haben ein 40 Prozent höheres Risiko für Übergewicht, wenn sie nur neun statt elf Stunden schlafen.“

Schlaf gut!

„Die italienischen Kinder aus unserer Kohortenstudie, bei denen Übergewicht deutlich häufiger auftritt als im europäischen Vergleich, schlafen im Durchschnitt nur neun Stunden und damit weniger als gesunde Gleichaltrige“, erklärt Hebestreit. Dabei ist es nicht direkt der Schlaf, der sich negativ auf die Gewichtsentwicklung auswirkt, sondern vielmehr der veränderte Stoffwechsel, der sich bei zu wenig Schlaf einstellt und die hormonelle Regulation der Energiebalance durcheinander bringt.

„Schläft ein Kind ständig zu wenig, lässt die Zucker senkende Wirkung des Insulins nach, was Insulinresistenz und in weiterer Folge Diabetes und auch Übergewicht begünstigen kann“, erläutert Ahrens. Gesünder Essen, weniger Stress, mehr Bewegung – die meisten Eltern wissen eigentlich instinktiv, was ihren Kindern gut tut. Doch dieses Wissen allein reicht nicht aus – es muss auch entsprechend kommuniziert werden. Ergebnisse aus qualitativen Untersuchungen der I.Family-Vorgängerstudie IDEFICS zeigen, dass die Eltern Gesundheitserziehung und Regeln nicht kindgerecht kommunizieren. Moderne Eltern fühlen sich damit oft überfordert – insbesondere dann, wenn beide Eltern berufstätig sind oder

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Mittagessen „Bremer Speiseplan-Check­ liste“ für Kindertageseinrichtungen — auch für Familien zum Nachkochen Die Forschungsergebnisse des BIPS haben direkten Einfluss auf die Speisepläne der Bremer Kinder. Denn seit 1999 kooperiert das Institut mit zwei großen Bremer KitaTrägern. Die Fachberatung zur Ernährung erreicht mehr als 150 Bremer Kindertageseinrichtungen durch Veranstaltungen, Infomaterialien und die Beratung. Die Speisepläne werden in den meisten der Bremer Kitas nach der „Bremer Checkliste“ gestaltet, die ein vielfältiges und ausgewogenes Mittagessen ermöglicht. www.bips-institut.de/veroeffentlichungen/ratgeber.html

Eine ausgewogene Ernährung in einer 5-Tage-Woche:

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tel, die mit dem US-Verkaufsschlager Maissirup gesüßt sind. Das Fructose-Zuckerkonzentrat süßt in Deutschland Softdrinks und Joghurt, für viele Kinder alltägliche Lebensmittel. Das Gehirn reagiert auf den Fruchtzuckersirup allerdings anders als auf Haushaltszucker – unter anderem bleibt das Sättigungsgefühl aus. Die Folge: Die Kinder essen mehr und nehmen zu. So manche Mutter oder mancher Vater verliert da schon mal den Überblick. Vorbeugen ist deshalb die beste und kostengünstigste Variante: Mehr Wasser, mehr Obst und Gemüse und mehr Bewegung. Da können wir Eltern als Vorbilder schon viel leisten – um am Wochenende gemeinsam mit unseren Kindern auch einmal ein Schoko-Brötchen genießen zu dürfen. K AT J A L Ü E R S

Außerdem mindestens zwei bis drei Mal frisches Obst, zwei bis drei Mal Rohkost oder frischen Salat und zwei Mal frische Kartoffeln Jedes Mittagessen soll zudem aus drei Komponenten bestehen: • Vitamine: Gemüse oder Salat • Eiweiß: Fleisch, Fisch, Milchprodukt oder ­Getreide in Kombination mit Hülsenfrüchten • Ballaststoffe: Kartoffeln, (Vollkorn-)Nudeln, (Vollkorn-)Reis oder eine ­andere Getreidebeilage

Foto: DPA

ein Elternteil alleine erzieht. Ahrens geht deshalb noch einen Schritt weiter: „Wir benötigen strukturelle Änderungen, die in Schulen, Kindergärten und öffentlichen Einrichtungen greifen.“ In Schweden beispielsweise darf in den Schulen nur Wasser getrunken werden. So etwas würde er sich für Deutschland auch wünschen: „Wir müssen äußere Rahmenbedingungen setzen, die bis zu gesetzlichen Änderungen reichen“, fordert der Bremer. Schließlich sei auch der Tabakkonsum nicht über die Besteuerung zurückgegangen, sondern erst über die Erkenntnis, dass Passivrauchen schädlich ist. Somit durfte die Bundesregierung das Rauchen in öffentlichen Einrichtungen gesetzlich verbieten. Auch Ahrens hält solche staatlichen Regulierungsmöglichkeiten durchaus für denkbar – beispielsweise für Lebensmit-

• 1 Fleischgericht • 1 Eintopf oder Auflauf ­möglichst fleischlos • 1 vegetarisches Gericht mit einem Gemüse als Hauptbestandteil • 1 Seefischgericht • 1 Wunschessen der Kinder — es darf auch Pfannkuchen oder Milchreis sein, wenn es einen Rohkost­ teller vorweg gibt!

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Aquakulturanlagen entlang der K端ste Indonesiens

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Fotos: Hauke Reuter, ZMT; Susanne Eickhoff, ZMT

Kulturrevolution

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Zerstörte Mangroven und verschmutzte Küstengewässer haben ihr ein denkbar schlechtes Image eingebracht. Tatsächlich aber könnte die Aquakultur eine der wichtigsten Nahrungsquellen der Zukunft werden — wenn es gelingt, sie nachhaltig zu betreiben.

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Seegurken sind dicke schwarze Würste am Meeresgrund. Sie sind nicht besonders schön, doch sie haben es in sich. Wie Staubsauger der Ozeane durchwühlen sie den Sand nach Fressbarem und verwerten vieles von dem, was von oben herabrieselt – abgestorbeness, biologisches Material und sogar Kot. In Asien und ganz besonders in China sind Seegurken beliebte Lebensmittel – nicht zuletzt, weil ihre Trockenmasse zur Hälfte aus wertvollem Protein besteht. Einigen Seegurkenarten ist diese Beliebtheit zum Verhängnis geworden. Fischer haben sie zu Millionen vom Meeresboden geklaubt. In vielen asiatischen Küstengebieten sind ihre Bestände eingebrochen. China und andere Länder stecken deshalb viel Energie in die Entwicklung von Zuchtanlagen. Weil die Nachfrage groß ist und sich Seegurken zu einem guten Preis verkaufen lassen, werden trotzdem noch immer viele im Meer gefangen. Zur Rettung der ­ Seegurke könnte ein vermeintliches Schmuddel­ kind beitragen: Die Aquakultur beziehungsweise Mari­ kultur – die Züchtung im Meer – ist in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik geraten, aber sie könnte helfen, den Bedarf an Seegurken auch ohne Wildfang zu decken. Doch es geht nicht nur um schwarze Würste. Aqua- und Marikultur gelten vielen Experten heute als Hoffnungsträger, wenn es darum geht, die wachsende Weltbevölkerung satt zu machen. Fische und Meeresfrüchte könnten in Zukunft erheblich zur Eiweißversorgung der Menschheit beitragen. Schon heute werden weltweit jährlich 44 Millionen Tonnen Fisch und 15 Millionen Tonnen Muscheln und Schnecken in Aquakultur gezüchtet. Allerdings müsste sich die Pro-

duktion bis 2050 noch einmal verdoppeln. „Voraussetzung dafür ist, dass es gelingt, die Aquakultur nachhaltig zu betreiben“, sagt Andreas Kunzmann, Leiter der Arbeitsgruppe Ökophysiologie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen.

Krankheitserreger aus Monokulturen

Kunzmann spielt damit auf Fehler an, die in den vergangenen Jahrzehnten in der Aquakultur gemacht wurden. Für ShrimpsAnlagen wurden in den 1990er Jahren an den Küsten Indonesiens Hunderte Kilometer Mangrovenwälder gerodet. An ihrer Stelle entstanden Monokulturen, in denen sich Krankheitserreger ausbreiteten, die ganze Ernten vernichteten. Antibiotika kamen in großen Mengen zum Einsatz. Anderswo überdüngten Nährstoffe und der Kot der Garnelen die Gewässer und zerstörten so ganze Meereslebensräume. Inzwischen hat an vielen Orten ein Umdenken hin zu einer umweltschonenden Aquakultur eingesetzt. Andreas Kunzmann trägt seinen Teil dazu bei. Als Ökophysiologe beschäftigt er sich mit dem Stoffwechsel von Tieren. Im Labor und im Freiland untersucht er, wie viel Energie oder Sauerstoff ein Organismus benötigt – und vor ­allem auch, wie verschiedene Organismen aufeinander wirken, wenn sie zusammenleben. Das sind fundamentale Erkenntnisse für die Aquakultur der Zukunft. „Letztlich müssen wir weg von Monokulturen wie den Shrimps-Farmen in Indonesien“, sagt Kunzmann. „Ideal sind gemischte Aquakulturen, in denen verschiedene Organismen gemeinsam gehalten werden und

in denen die Ausscheidungen einer Art den anderen Organismen als Nahrung dienen.“

Zukunftsmodell gemischte Aquakultur

Integrierte Multitrophe Aquakultur (IMTA) werden solche Anlagen genannt. Darin lassen sich beispielsweise Fische, Algen, Muscheln und Seegurken gemeinsam züchten. Die Fische werden gefüttert, die Seegurken ernähren sich vom überschüssigen Futter und dem Kot der Fische, die Algen wiederum von sogenannten anorganischen Substanzen, die die Fische ausscheiden. Und dann sind da noch die Muscheln. Sie filtrieren alle möglichen Partikel aus dem Wasser und halten so die Zuchtanlage sauber. Das Futter wird optimal ausgenutzt. Weltweit gibt es bereits einige IMTA-Projekte. In vielen Fällen aber müssen die Bedürfnisse der Tiere noch genau erforscht werden, ehe man sie erfolgreich in so einer Anlage züchten kann. Mit Forschern in Tansania arbeitet Andreas Kunzmann an einer Methode, Meeresalgen und Seegurken gemeinsam zu halten.

Ein indonesischer Fischer bietet auf dem Spermonde-Archipel getrocknete Seegurken zum Verkauf an.

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Algen werden dort seit geraumer Zeit für den Export nach Asien und die Nahrungs- und Kosmetikindustrie angebaut. Da sie im Land selbst aber nicht zu hochwertigen Produkten weiterverarbeitet werden, sind die Gewinne gering, das Interesse an der Algenkultur schwindet. „Züchtet man in den Tangwäldern zusätzlich Seegurken in nennenswerter Menge, kann man auf derselben Fläche gleich zwei Produkte ernten.“ Nachwuchswissenschaftler aus Tansania und Kunzmanns Mitarbeiter haben unter anderem herausfinden können, bei welcher Dichte die Seegurken in den Tangwäldern am besten gedeihen: 200 Gramm Seegurke pro Quadratmeter sind ideal. Andreas Kunzmann arbeitet auch mit Forschern in Indonesien zusammen, unter anderem mit einem staatlichen Institut, das seit einigen Jahren Seegurken züchtet. „Hier bietet sich auch eine Kooperation mit Tansania an“, sagt er. Künftig will der Ökophysiologe auch andere Tiere daraufhin untersuchen, ob sie sich für die IMTA eignen. In einem aktuellen Projekt erforscht er außerdem, inwieweit mit Bakterien verunreinigte Partikel aus dem Abwasser intensiv betriebener Anlagen Krankheiten

verbreiten können. Auch damit will er dazu beitragen, die Aquakultur zu optimieren.

Pflegeleichte Pilgermuschel

Eine bessere, umweltfreundliche und Ressourcen schonende Aquakultur ist heute das Ziel vieler Wissenschaftler. Auch der ZMT-Biologe Matthias Wolff geht der Frage nach, wie sich die Aquakultur produktiv und zugleich nachhaltig betreiben lässt. Seit gut 30 Jahren beschäftigt er sich mit einem Meereslebewesen besonders: der Pilgermuschel Argopecten purpuratus. Diese Pilgermuschel ist vor Peru weit verbreitet. Früher tauchten Fischer auf wild gewachsenen Muschelbänken nach ihr. Seit etwa 15 Jahren wird sie meist gezüchtet. In Folge des Klimawandels hat sich das Wasser vor der peruanischen Küste durch eine Veränderung der Meeresströmung abgekühlt. Die Muschel findet jetzt weiter nördlich optimale Lebensbedingungen. Ideal ist die Situation in der etwa 60 Kilometer breiten Sechura-Bucht – hier gibt es weite Sandflächen, auf denen die Muscheln liegen. Zweimal am Tag treibt die Gezei-

tenströmung frisches, nährstoffreiches Wasser heran. Und auch der Salzgehalt und die Temperaturen stimmen. Statt wie früher wild gewachsene Muscheln zu sammeln, sind die Tauchfischer dazu übergegangen, Jungmuscheln in der Bucht auszusetzen und zu kultivieren. Bereits nach acht bis zehn Monaten sind die Tiere erntereif. „Die Situation ist perfekt für eine Aquakultur“, sagt Matthias Wolff. „Da Muscheln das Wasser filtern, braucht man die Tiere nicht zu füttern. So entstehen keine Kosten, und das Wasser wird nicht verschmutzt.“ Die ausgesetzten Jungmuscheln werden zuvor bei einer nahe gelegenen Insel wild gesammelt. Anders als bei den Seegurken in Asien schrumpft ihr Bestand aber nicht. Es gibt also stets ausreichend Nachschub für die Kultivierung. Dennoch geht Matthias Wolff und seiner Mitarbeiterin Lotta Kluger die Arbeit nicht aus. Die Bucht von Sechura ist ein Hotspot der Pilgermuschelzucht. 2013 stammten 88 Prozent der peruanischen und zwei Drittel der südamerikanischen Muschelproduktion von hier. Längst beliefert die Bucht auch Nordamerika und Europa.

Foto: Marie Caroline Badjeck, ZMT

Projektmitarbeiter beim Einbringen der Saatmuscheln in die Bodenkultur

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„2003 gab es nur drei Fischereiorganisationen, 2013 waren es bereits etwa 140“, sagt Kluger. Sie versucht deshalb herauszufinden, wie viele Muscheln in dem Gebiet maximal gezüchtet werden können. Sind es nämlich zu viele, kann sich die Wasserqualität verschlechtern und der Sauerstoffgehalt sowie das Nahrungsangebot so stark abnehmen, dass die Tiere in großer Zahl sterben. Dadurch wäre das Sediment, auf dem die Tiere leben, für mehrere Jahre nicht mehr zu besiedeln.

Welche Rolle spielt El Niño?

In Experimenten vor Ort haben Lotta Kluger und ihre Mitarbeiter den Stoffwechsel und die Lebensbedingungen der Tiere genau untersucht. Anschließend

wurden die Daten in ein mathematisches Modell eingegeben. „Wir wollen damit künftig vorausberechnen, wie sich die Situation der Muscheln mit den wechselnden Umweltbedingungen von Jahr zu Jahr oder mit den Jahreszeiten verändern“, sagt Kluger. Für die Züchter sind das wertvolle Informationen – denn davon hängt ab, wie viele Saatmuscheln sie aussetzen können, ohne dass die Bucht überlastet wird. Auch das Klimaphänomen El Niño wollen Kluger und Wolff künftig in ihrem mathematischen Modell berücksichtigen. Während eines El Niños verändern sich die Wind-,Temperaturund Strömungsverhältnisse vor Peru. Außerdem bringt er im Norden des Landes viel Regen, der das Wasser in der Bucht aussüßt – was zum Absterben der Muscheln führen kann. Insofern ist es wünschenswert, dass das

mathematische Modell auch die Folgen für die Muschelzüchter antizipiert. Wolff und Kluger beschäftigen sich daher nicht nur mit Biologie, sondern auch mit der wirtschaftlichen Situation der Muschelzüchter. „In der Bucht gibt es etwa 5.000 Züchter und 20.000 Menschen in der verarbeitenden Industrie – dabei handelt es sich nicht um Großkonzerne, sondern erfreulicherweise um Kleinbetriebe, die zumeist von Tauchfischern geleitet werden“, sagt Wolff. Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschaftler ihnen nicht zuletzt Tipps an die Hand geben, wie sie bei wechselnden Umweltbedingungen langfristig möglichst viel ernten können. Selbstverständlich ohne, dass der Lebensraum, der schließlich auch ihre Überlebensgrundlage bildet, Schaden nimmt. TIM SCHRÖDER

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Ökonomen, die ihre Forschungsergebnisse teilen, werden mehrheitlich häufiger zitiert. Die ZBW bietet alle Services rund um das Publizieren im Open Access sowie beim Forschungsdatenmanagement in den Wirtschaftswissenschaften. www.forschung-einfach-teilen-zbw.eu

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LEIBNIZ | ERNÄHRUNG

Tagesgericht: innovativ und trendig Wie und was wir essen wandelt sich in der zunehmend globalisierten Welt. Waren in den 1950er Jahren italienische Trattorien in weiten Teilen Deutschlands etwas exotisches, scheinen sie heute häufiger zu sein als Restaurants, die traditionell deutsche Küche servieren. Jugosla­ wisch, griechisch, amerikanisch, türkisch, chinesisch, japanisch, indisch — die Breite des kulinarischen Angebots steigt in dem Maß, in dem die Welt mehr und mehr zum Dorf wird. Aber auch die sich ändernden Ansprüche an die Ernährung mit Blick auf die Gesundheit schlagen sich im Speiseplan nieder. Wo früher

hart und körperlich gearbeitet wurde und die verbrann­ten 3.000 Kalorien erst mal wieder konsumiert werden mussten, sieht die Situation heute ganz anders aus. In einer zunehmend ­sitzenden Arbeitswelt zählt fast jeder Schritt, der den Stoffwechsel über die reine Lebenser­ haltung hinaus aktiviert. Zunehmende Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten tun ihr übriges dazu. Die Wissenschaft verursacht, begleitet und entwickelt neue Ernährungstrends, wie diese drei Beispiele von essbaren Insekten, japanischem Edelfleisch und glutenfreiem Bier zeigen.

„Traditionelles Gericht“ aus Laos – mit Heuschrecke als Eiweißkomponente.

Es bewegt sich was auf dem Teller

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„Knack!“ – diese Assoziation mag so manchen ereilen, denkt er an das Verspeisen von Insekten. Dass es dabei weit mehr zu bedenken gilt, zeigen wegweisende Forschungsergebnisse aus dem Leibniz-Institut für Agrartechnik.

Die globalen Auswirkungen der schier unaufhörlichen Abholzung des Regenwaldes auch für Weideflächen und den Sojaanbau sind mittlerweile in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Neben Soja wird Fischmehl als hochwertige Ei-

weißquelle genutzt. Gerade wird beides knapp und teuer. Überfischung und der enorme Fleischhunger unserer rasch wachsenden Bevölkerung verursachen derzeit eine weltweite Suche nach alternativen Eiweißquellen.

Fotos: Pascal Rateau/fotolia; DFA

Ein Lagebericht zur Zukunft von Speiseinsekten

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Eine mögliche Lösung sind Insekten. Speiseinsekten sind prinzipiell eine wertvolle alter­ native Eiweißquelle, wie eine Übersichtsarbeit der Lebensmitteltechnologen Birgit Rumpold und Oliver Schlüter vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB) zeigt. Abhängig von der Fütterung lässt sich vermutlich sogar ihr Gehalt an mehrfach unge­sättigten Fettsäuren beein­ flussen. Studien eines holländischen Kollegen ergaben, dass nur etwa zwei Handvoll Schmetterlingslarven den täglichen Vitaminbedarf eines Menschen decken.

Insekten statt Soja?

Bevor man Insekten jedoch kon­trolliert und in großem Umfang züchten kann, ist noch auf einiges zu achten, so die Forscher des ATB. So ist es wichtig,

die Qualität der Tiere sicherzu­ stellen, auch hinsichtlich des Schutzes vor möglichen Gesundheitsrisiken beim Verzehr. Menschen mit einer Hausstaubmilben- oder auch Krustentierunverträglichkeit könnten allergisch reagieren. Der allergieauslösende Stoff der Milben, die eigentlich Spinnen sind, und auch der Krebse, Krabben und Garnelen ähnelt dem von Insekten. Denn: Sie alle sind Gliederfüßer.

…und viele Fragen offen

Rechtliche Rahmenbedingungen müssen ebenfalls noch geschaffen werden: „Während man in Belgien Insektenburger im Supermarkt kaufen kann, verhindern es derzeit noch Reglementierungen in Deutschland und Europa, ganze Insekten an Nutztiere zu verfüttern“, so Oliver Schlüter.

Und dennoch, es bewegt sich was. Das Thema fasziniert und überzeugt nicht nur aufgrund nachhaltiger Ansätze. Für Furore sorgte ein Bericht der UN-Welternährungsorganisation (FAO) zu künftigen Erfolgsaussichten von Speiseinsekten: Quasi über Nacht wurde die Zusammenfassung zum Thema das meistheruntergeladene Dokument der FAO aller Zeiten. Auch wenn das ganz große Krabbeln auf dem Speiseplan hierzulande wohl eher ausbleiben wird: Ihr Potenzial als Ergänzung zur menschlichen und tierischen Ernährung ist längst nicht ausgeschöpft.

Der FAO-Bericht zu Speiseinsekten: Edible insects: future prospects for food and feed security“, Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Rom, 2013: http://www.fao.org/ docrep/018/i3253e/ i3253e00.htm

KARIN LASON

Insekten-Kochbuch

Wer einen Grashüpfer Kebab zu Hause zubereiten will, findet im Kochbuch „The Insect Cookbook — Food for a Sustainable Planet“ das Rezept dazu. http://cup.columbia.edu/book/the-insect-cookbook/9780231166843.

In gebotener Reinheit

Freisinger Lebensmittelchemiker haben das erste echte glutenfreie Bier entwickelt. Allein die Brauereien zögern noch. Wenn doch bloß die vermaledeite Sache mit dem Schaum nicht wäre. „In England wäre das kein Problem, aber die Deutschen legen beim Bier eben einen besonderen Wert auf eine lange haltbare Blume“, sagt Peter Köhler mit einem Augenzwinkern, aber nicht ohne ernsten Hintergrund. Der Lebensmittelchemiker hat etwas entwickelt, was es bislang in Deutschland nicht gibt: glutenfreies Bier.

72 Stunden gekeimte Getreidekörner ­machen dem Gluten den Garaus.

Brauen ohne Zusatzstoffe

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Alles, was bislang auf dem Markt ist, entspricht nicht dem Deutschen Reinheitsgebot, da entweder bei der Herstellung Enzyme beigemischt werden, die Gluten

binden, so dass es ausgefiltert werden kann; oder es werden von vorneherein glutenfreie Getreide wie etwa Hirse verwendet. Beides entspricht letztlich

nicht den Vorschriften des „Vorläufigen Biergesetzes“, darf folglich hierzulande nicht als Bier bezeichnet werden und firmiert daher meistens als „Bräu“.

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An der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) in Freising hat Peter Köhler einen Weg gefunden, wie er Bier aus Gerstenmalz ohne Zusatzstoffe brauen kann. Dazu braucht er einen zusätzlichen Arbeitsschritt. Zunächst läuft alles ganz normal: Schroten, Maischen, Läutern, Kochen der Bierwürze. Bevor dann aber durch Zugabe der Hefe der Gärungsprozess in Gang gesetzt wird, kommt ein Extrakt aus Spezialmalz zum Einsatz. Dieser wird aus gekeimter Gerste hergestellt, die besondere Enzyme entwickelt, die Gluten abbauen. Genau das tut der Malzextrakt in der Bierwürze und sorgt dafür, dass binnen eines Tages der Glutengehalt soweit sinkt, dass das Bier gemäß der entsprechenden Grenzwerte als glutenfrei gilt. Im Anschluss geht der Brauprozess dann wieder ganz normal weiter: Gären, Abfüllen, Lagern und Trinken.

Leider noch keine Abnehmer

„Leider ist die Industrie noch nicht auf unsere Ergebnisse angesprungen“, gibt Peter Köhler zu, obwohl der Forschungskreis der Ernährungsindustrie das

bei einem gleichzeitigen jährlichen Bierkonsum von zuletzt 107 Litern pro Person durchaus denkbar. Rein statistisch ergibt sich daraus die Jahresproduktion von fast acht durchschnittlichen deutschen Brauereien.

Geschmack wie „normales“ Bier

Premium-Produkt für Zöliakie-Betroffene

Projekt finanziert hat und sowohl Brauereien als auch Mälzereien im Projektausschuss ­saßen. Peter Köhler hat mit vielen gesprochen, aber die Brauereien halten sein glutenfreies Bier für ein Nischenprodukt. Dabei ist nicht nur der Schaum das Problem, sondern die Tatsache, dass das Bier vermutlich etwa zehn Prozent teurer in der Herstellung wäre. Dabei sind glutenfreie Lebensmittel in der Regel um einiges teurer als die konventionellen Vergleichsprodukte und ein gewisses Marktpotenzial ist bei 500.000 Zöliakie-Betroffenen in Deutschland

Aber Peter Köhler gibt die Hoffnung nicht auf, schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass die Wissenschaft mit einer neuen Entwicklung dem Markt voraus ist. Nicht zuletzt, weil das glutenfreie Bier in einer Test-Verkostung nach den Standards der DLG (Deutsche LandwirtschaftsGesellschaft) geschmacklich keine Unterschiede zu „normalem“ Bier zeigte, während etwa Hirsebiere im Urteil der Geschmackstester deutlich abfielen. Peter Köhler setzt jetzt auf Mälzereien, die den Brauereien Malzextrakt als Rohstoff zuliefert. Gerade in Zeiten, in denen zunehmend neue Biertrends wie Craft-Biere in Deutschland Fuß fassen, könnte ja eine kleine Mälzerei die entscheidende Zutat für das erste echte glutenfreie Bier als innovatives Produkt anbieten. CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Teure Steaks ohne Reue

Wagyu-Fleisch: je feiner die Maserung, desto edler das Steak.

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420 Euro verlangt ein Delikatessen-Onlineshop für ein Kilo Filet vom Wagyu-Rind. Ein Edel-Restaurant in Berlin-Mitte hat das Filet für 99 Euro auf der Karte – pro 100 Gramm. Um das auch unter seiner regionalen Herkunftsbezeichnung Kobe bekannte Fleisch aus Japan ranken sich wahre Legenden: tägliche Bier- oder Reisweinmassagen und die Beschallung mit klassischer Musik ließen die Tiere das extrem fein marmorierte Fleisch entwickeln, heißt es. Absolutes Luxus-Segment also und

Fotos: DFA; sattriani/fotolia; Japanexperterna/Flickr (CC BY-SA 2.0)

Japanisches Edelfleisch soll neue Erkenntnisse über Fettsucht bringen

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Wagyu-Rind in der japanischen Präfektur Hyōgo

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nichts, mit dem sich ein öffentlich finanzierter Agrarforscher beschäftigen würde, wenn er nicht kritische Fragen zur Verwendung von Steuergeldern für kulinarische Dekadenz riskieren wollte. Und dennoch: Steffen Maak vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie forscht auch an Wagyu-Rindern, denn dass, was ihr Fleisch so besonders macht – die hohe Fetteinlagerung im Muskelgewebe – hat sehr wohl Bedeutung für die Landwirtschaft und sogar für die Gesundheitsforschung. „Wir interessieren uns für Wagyu-Rinder als Modell für eine extrem hohe Fetteinlagerung“, erläutert Steffen Maak. Japanische Wagyu erreichen bis zu 40 Prozent Fettanteil im Rückenmuskel. Bei deutschen Rindern sind es in der Regel gerade mal fünf Prozent. Das liegt zunächst an einer unterschiedlichen Zuchtgeschichte. Während in Deutschland über Jahrzehnte auf möglichst fettarmes Fleisch gezüchtet wurde, war das in Japan beim Wagyu nicht der Fall. Die Dummerstorfer Forscher stellten sich zunächst die Frage, wie groß die genetischen Unterschiede zwischen europäischen und japanischen Rindern sind. Erstaunlich gering, stellten sie jetzt fest. Eine genetische Besonderheit zeichnet WagyuFleisch aber aus: Es hat einen hohen Anteil ungesättigter

Fettsäuren und wird deshalb auch als besonders „gesund“ vermarktet. In Deutschland gezüchtete Wagyu bringen es eher auf einen Fettanteil von zehn bis 15 Prozent. „Da Fett Geschmacksträger ist und dem Wagyu dadurch einen besonders intensiven Rindfleischgeschmack verleiht, könnte das für den Delikatessen-Markt durchaus interessant sein“, sagt Steffen Maak. Aber: „Fleisch mit 40 Prozent Fett entspricht einfach nicht unserem europäischen Geschmacksempfinden“, sagt der Agrarwissenschaftler.

Bis zu 40 Prozent Fettanteil

Seit einigen Jahren kooperieren die Wissenschaftler aus Mecklenburg mit dem noch jungen Wagyu-Zuchtverband. Die Wissenschaftler bekommen von den Züchtern Proben und Daten und beraten die Landwirte im Gegenzug unter anderem in Fragen der Genetik. Denn eine professionelle Zucht steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen – auch quantitativ. Während in Deutschland jährlich etwa 3,5 Millionen Rinder geschlachtet werden, beläuft sich diese Zahl bei den Wagyu auf wenige hundert, schätzt Steffen Maak. Das Interesse an den Rindern aus Fernost beschränkt sich aber nicht nur auf ihre­

Rolle als Nahrungsmittel. In einem gemeinsamen Projekt mit Medizinern sind Wagyu ein Beispielorganismus für die Erforschung von extremem Übergewicht (Adipositas), die sich unter anderem als Auslöser von Diabetes zu einem zunehmenden Problem entwickelt. Deshalb koordiniert Steffen Maak auch ein über den Leibniz-Wettbewerb gefördertes Projekt, das die Rolle von Hormonen und anderen Botenstoffen bei der Fetteinlagerung ins Muskelgewebe untersucht. Forscher, die zu Muskeln von Nutztieren, Nagetieren und Menschen arbeiten, wollen speziesübergreifend besser verstehen, wie die Wechselwirkungen zwischen Muskel und Fett ablaufen. Dadurch – so hoffen sie – könnten sich Impulse sowohl für die Verbesserung der Fleischqualität beim Nutztier als auch für die Ansatzpunkte bei der Therapie von Adipositas und Diabetes ergeben. Besseres Fleisch ohne gesundheitliche Bedenken essen; wie oft steht denn dann Wagyu bei Steffen Maak auf dem Speiseplan? Probiert habe er es natürlich schon mal, sagt er, und es schmecke auch sehr gut. ­Allerdings: „Bei den aufgerufenen Preisen wird Wagyu-Fleisch doch wohl eher ein Luxusgut als ein regelmäßiger Ernährungsbestandteil bleiben.“ CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

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Speisen wie zur Steinzeit Wovon unsere Vorfahren sich ernährten und was wir daraus bis ­heute lernen, darüber forschen Wissenschaftlerinnen und ­Wissenschaftler an mehreren Leibniz-Instituten.

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Zooarchäologe Lutz Kindler mit einem alten Freund und Forschungsobjekt, dem Neandertaler

10.000 Jahren, so zu zeigen, dass der heutige Besucher sich in ihnen wiederentdeckt“, beschreibt Lutz Kindler, Zooarchäologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter in Monrepos, das Konzept des Hauses. In der Ausstellung des im Sommer 2014 wiedereröffneten Museums wird aus vier Blickwinkeln heraus die Geschichte der menschlichen Ernährung beleuchtet: der öko-

logischen, die aufzeigt, dass Menschen Teil eines regional unterschiedlichen Nahrungsnetzes sind; der energetischen, die die Verwertbarkeit der Nahrung und den menschlichen Stoffwechsel thematisiert; der technologischen, die zeigt, wie die paläolithische Küche aussah und mit welchen Waffen gejagt wurde; und schließlich der strategischen, bei der es

Fotos: Nicole Viehöver/MONREPOS (2)

Waldpilze, Wildkräuter, Beeren, Fleisch, genau gesagt Wild: Aus diesen Zutaten kreiert Koch Sven Laschinski vom Bistro „Heimathirsch“ auch an diesem Abend wieder im Museum Monrepos ein schmackhaftes Menü. Wie stets ist es etwas ganz Besonderes, denn es orientiert sich am Speiseplan unserer Vorfahren aus der Altsteinzeit, dem Paläolithikum. Die Gerichte werden beim „Paläo-Abend“ serviert. Dieser findet zweimal im Monat im Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, so der vollständige Namen, statt. Die Idee ist: Forschung erlebbar machen. Und das mit allen Sinnen. Das Abendessen ist dabei Teil des prähistorischen Erlebnisses. Zu­ vor werden die Gäste exklusiv von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch eine Ausstellung geleitet; denn zu dieser Zeit ist das Museum für die Öffentlichkeit bereits geschlossen. „Wir versuchen, die Menschen des Paläolithikums – also der Altsteinzeit – von vor 2,5 Millionen Jahren bis vor rund

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Koch Sven Laschinski vom MuseumsBistro „Heimathirsch“ arbeitet bei den Paläo-Abenden mit den Zutaten unserer Urahnen.

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um die ­soziale Organisation der Nahrungsbeschaffung geht. Aus den vier Perspektiven ergibt sich ein Gesamtbild, das uns die Ernährung in der Steinzeit nahe bringt. So erfahren etwa die Besucherinnen und Besucher, wie der Mensch vor etwa 40.000 Jahren lernte, das Spektrum seiner Nahrungsquellen zu erweitern, und auch Vögel, Hasen und Kaninchen verzehrte. „Hier erkennen wir den heutigen Menschen gut wieder: Schließlich

konsumieren wir nach wie vor auch eine große Bandbreite von Tieren“, resümiert Lutz Kindler.

Proteinreich und fett

Die Paläo-Abende liegen voll im Trend. Was bei „Jägers und Sammlers“ auf den Tisch kam, das ist en vogue. Die vielen Kochbücher, Sendungen, Restaurants, die mit dem Slogan

„Essen wie in der Steinzeit“ werben, zeugen davon. Und: Der moderne Mensch will sich gesünder, regionaler, möglichst auch nachhaltiger ernähren und Lebensmittel wie Milchprodukte und Getreide eher vermeiden. Steinzeitkost also, denn der Altsteinzeit-Mensch lebte von dem, was er fand oder erjagen konnte. Ackerbau und Viehzucht waren noch kein Thema. Aßen aber unsere Vorfahren wirklich gesünder als wir? Und wie nah

Geschirrkultur im Wandel der Zeit

Kunst für die Suppe. Die Keramik­ expertin Silvia Glaser mit einem heute nicht mehr allgemein gebräuchlichem Geschirr.

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kommen die Menüs der PaläoAbende an den steinzeitlichen Speiseplan wirklich heran?

Strategien zum Überleben

Fotos: Monika Runge/GNM (2)

Für Lutz Kindler greifen solche Fragen zu kurz. Ernährung in der Steinzeit – das hieß vor allem, das Problem der Essensbeschaffung zu lösen. „Hunger“, sagt der Wissenschaftler, „ist ein

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Ein Blick in die Geschirrschränke moderner Haushalte zeigt es: Saucieren und schwere Fleischplatten werden hierzulande immer seltener gekauft. Auch die gute alte Suppenterrine lebt höchstens als Dekoration weiter. Denn die traditionelle deutsche Küche mit Suppe, Braten, Sauce und Kartoffeln befindet sich längst auf dem Rückzug. „Das Geschirr bildet nicht nur unsere Vorstellungen vom Essen ab, sondern zeigt auch, wie unsere Kultur sich insgesamt wandelt“, erklärt Silvia Glaser, Leiterin der Sammlung „Gewerbemuseum und Design“ am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Dies war offenbar schon in der Steinzeit so. Die Neandertaler waren Nomaden, die ihrer Jagdbeute hinterher zogen. Sie trugen allenfalls Faustkeile und Klingen aus Stein oder Gerätschaften aus Holz und Knochen mit sich. Gekocht wurde in Erdmulden aus festgestampftem Lehm, die man manchmal mit einem Stück Leder auskleidete. Mit Hilfe heißer Steine konnten in solchen Gruben Flüssigkeiten erwärmt werden. Und selbst im Mittelalter seien kaum mehr als ein großer Topf und Holzbretter auf den Tisch gekommen, berichtet die Keramikexpertin. Das Besteck — Bratspießgabel und Messer — brachte brachte jeder Gast selbst mit. Mit der Re-

zentraler Motor der menschlichen Entwicklung.“ Dass tierisches Eiweiß und Fett prächtige Energielieferanten sind, wussten offenbar schon frühe menschenartige Wesen. Bereits 3,4 Millionen Jahre alte Tierknochen aus Dikiia in Äthiopien tragen Schnittspuren von Steinmessern. Nahezu gleich alt sind die ältesten Steinartefakte aus Lomekwi am Turkanasee in Kenia. Um Tiere erlegen zu können, die größer, stärker und schnel-

Deckelterrine aus Steingut (18. Jahrhundert)

naissance wurden die Materialien dann wertvoller und vielfältiger. So mussten sich einfache Leute zwar weiter mit Holzgeschirr begnügen, aber das Bürgertum nutzte Becher und Teller aus Zinn. Und der Adel speiste aus Silbergeschirr. Mit dem zunehmenden Einfluss der französischen Küche setzte sich im Barock und Klassizismus schließlich eine opulente Geschirrkultur mit wertvollen Porzellanen und kunstvollen Dekors durch. Die erlesenen Speisen sollten angemessen präsentiert werden. Die großen Service mit mehreren hundert Teilen sind bis heute erhalten. Sie wurden an Deutschlands Höfen von Mitte des 18. Jahrhunderts an gesammelt. Das Geschirr war und blieb stets Ausdruck des Zeitgeistes – auch im 20. Jahrhundert. So kamen mit den Gastarbeitern aus Italien nicht nur Pizza und Pasta

ler waren als unsere Vorfahren, mussten die Steinzeitmenschen Strategien entwickeln: So gingen sie in der Gruppe jagen und fertigten geeignete Waffen. Die Entwicklung des menschlichen Soziallebens sowie erste technische Innovationen waren also direkt mit der Nahrungsmittelbeschaffung verknüpft. Zudem entwickelten unsere Vorfahren im Zuge der Evolution einen für die Jagd geeigneten Körperbau: Die Beine wurden länger, der

nach Deutschland, sondern in den 1970er Jahren auch übergroße Teller: „Hersteller von Geschirrspülmaschinen mussten ihre Geschirrkörbe in den Spülmaschinen vergrößern, damit die neuen Pizzateller auch hineinpassten“, weiß Glaser. Der Asientrend der 1980er und 90er Jahre hingegen brachte kleine Platten und Schalen in eher puristischem Stil ins Esszimmer. Im schnelllebigen 21. Jahrhundert, in der die Rolle der Familie sich verändert und immer mehr Frauen berufstätig sind, Allergien sich häufen und Menschen sich ganz unterschiedlichen Ernährungsformen öffnen, beobachtet die Expertin nun vor allem zwei Trends: Zum einen investierten Frauen wie Männer immer weniger Zeit in einen kunstvoll gedeckten Tisch. Kaffeebecher, Frühstücksbrett und Müslischale lösten morgens das alte Frühstücksgedeck ab. Zum Mittagessen kämen immer mehr Gratins, Aufläufe und Suppen „aus einem Topf“ auf den Tisch. Zum anderen individualisierten sich Essgewohnheiten immer weiter. Fleischlos, getreidelos, kohlenhydratarm, vegan oder glutenfrei: „Die Palette dessen, was Menschen heute auftischen, wird immer größer“, berichtet Glaser. Dementsprechend bunt werde auch das Geschirr kombiniert – selbst zu besonderen Anlässen.

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Körper richtete sich auf – gut, um schnell zu laufen und Speere zu werfen.

Fleisch gekonnt zerteilen

Energie- und Fettlieferanten: 30.000 Jahre alte aufgeschlagene Röhrenknochen.

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Auch das Zubereiten und Haltbarmachen von Nahrung gehört zu den Fertigkeiten, die unsere Vorfahren im Laufe der Altsteinzeit entwickelten. An einer Fundstelle in Israel wurden vor etwa 800.000 Jahren Damhirsche ausgeweidet. „Die dort an-

gewandte Praxis unterscheidet sich nicht von der in heutigen Metzgerbetrieben“, berichtet Kindler. Die ersten Gruben, in denen nahrhaftes Knochenmark ausgekocht wurde, sind 40.000 Jahre alt; und auch Fleischspeisen wurden in paläolithischen Kochstellen zubereitet, wie verschiedene Fundstellen belegen. Tierisches Fleisch war gewiss die wichtigste Nahrungsquelle der Menschen im Paläolithikum, aber nicht die einzige. Ottmar Kullmer, Forscher am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt/Main, untersuchte die Kauflächen von steinzeitlichen Backenzähnen. Sein Befund: Unsere Vorfahren nahmen auch viel Pflanzliches zu sich, jeweils in Abhängigkeit der regional-geografischen Gegebenheiten. „Wir haben Zähne verschiedener Jäger- und Sammlergruppen untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Zusammensetzung der Ernährung sehr unterschiedlich war: In nördlichen Regionen war der tierische Anteil der Nahrung unserer Vorfahren höher, im Nahen Osten und in mediterranen Regionen wurde

vielfältiger gegessen; schlicht, weil es das Angebot hergab – Seafood, Wurzeln, Pflanzen“, berichtet Ottmar Kullmer. Die „extreme Anpassungsfähigkeit“ an die Gegebenheiten ist für den Paläontologen das Entscheidende. Die Menschen kamen im Prinzip überall klar, gleichgültig wie beschränkt das Nahrungsangebot war. An dieser enormen Flexibilität hat unsere kulturelle Entwicklung, insbesondere die Vielfältigkeit der Nahrungsaufbereitung, sicher einen erheblichen Anteil. Doch die Biologie unseres Organismus konnte mit der rasanten kulturellen Evolution nicht Schritt halten. Dies zeigt sich etwa am menschlichen Gebiss und Kiefer. Denn es bereitet uns gerade in den Industrienationen mittlerweile große Probleme. „Es herrscht kein Selektionsdruck mehr auf unserem Kauapparat; der Organismus reagiert darauf mit Reduktion. Zahnfehlstellungen und rückgebildete Kiefer gehören deswegen zu den Zivilisationskrankheiten. Unser Organismus ist evolutionär auf die Abnutzung der Zähne einge-

Fotos: Sven Tränkner/Senckenberg, Nicole Viehöver/MONREPOS (2)

Auf den Zahn gefühlt: Senckenberg-­ Forscher Ottmar Kullmer ­analysiert die Kauwerkzeuge unserer Vorfahren.

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stellt; indem wir nur noch stark aufbereitete Nahrung zu uns nehmen und unsere Zähne nicht mehr wie in der Steinzeit stark beanspruchen, hebeln wir deren Funktion aus“, sagt Ottmar ­Kullmer.

„Süß“ schmeckt gut — dank der Energiedichte

Doch nicht nur was unser Kauwerkzeug betrifft, stehen wir heute noch auf dem Stand unserer Vorfahren; auch unser Geschmackssinn hinkt hinterher. „Unsere Ausstattung mit Geschmacksrezeptoren unterscheidet sich kaum von jener der Menschenaffen, und sie hat sich im Zuge der Menschwerdung nicht weiter verändert. Dabei ist Geschmack ein entscheidender Faktor bei der Auswahl unserer Nahrung“, sagt Maik Behrens vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung; „Süß signalisiert uns: Dieses Lebensmittel

enthält wertvolle Kalorien.“ Daran hat sich über die Jahrtausende nichts geändert, obwohl wir heute nicht mühsam über Stunden Beeren sammeln müssen, um uns an deren süßem Geschmack zu erfreuen: Zuckerreiche Lebensmittel gibt es in Hülle und Fülle beim Supermarkt um die Ecke. Grundsätzlich erfüllen die Rezeptoren allerdings noch ihre Funktion. So warnt uns auch bitterer Geschmack wie schon unsere Vorfahren vor Gesundheitsgefahren. Mit bitteren Stoffen plagt jedoch Sven Laschinski seine Gäste nicht, wenn er zum PaläoAbend in Monrepos aufkocht. Sie sollen zwar lernen, was in der Steinzeit gegessen wurde – die Zutaten werden aber selbstverständlich „nach heutiger Raffinesse zubereitet“, sagt Constanze Kamm vom MuseumsMarketing. Während des Essens haben die Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, Fragen zur steinzeitlichen Ernährung zu stellen; denn die Wissenschaftler sitzen ebenfalls am

Tisch. Der Austausch ist wichtig: „Zum einen macht es Spaß. Zum anderen regen uns die Fragen der Besucherinnen und Besucher zu neuen Perspektiven in der Forschung an; etwa wenn es um die Haltbarmachung von Nahrung geht“, berichtet Forscher Kindler. Das gute Essen spielt im zweiten Teil der Paläo-Abende selbstverständlich die Hauptrolle. Und was kommt heute auf den Tisch? Wildhasenkeule in pikantem Kirsch-Bratenjus, als Dessert Waldbeeren-Apfelragout mariniert mit wildem Waldhonig – das hätte auch unseren Vorfahren geschmeckt. Na dann guten Appetit!

WIEBKE PETERS

Steinzeit-Menü Die Paläo-Abende im Archäologischen Forschungs­ zentrum MONREPOS unter dem Motto „Wilde Küche im Schloss der Forscher“ finden etwa ein bis zwei Mal pro Monat freitags um 18 Uhr statt. http://monrepos-rgzm.de/

Steinzeitliche Lebensmittel, serviert im modernen Gewand.

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Eine Welt ohne Hunger Wie das Menschenrecht auf angemessene Nahrung helfen kann Weltweit hungern 795 Millionen Menschen. Addiert man jene, die am „Mikronährstoffmangel“ leiden, erhöht sich die Zahl auf mehr als das Doppelte. Selbst leicht sinkende Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Zeugen einer skandalösen chronischen Unter- und Mangel­ ernährung fast eines Drittels der Weltbevölkerung sind. Hieran hat auch die „Grüne Revolution“ und ihr Fokus auf landwirtschaftliche Produktivitätssteigerung nichts verändert. Denn die chronische Welternährungskrise ist nicht auf einen Mangel an ausreichender und angemessener Nahrung zurückzuführen. Sie ist vielmehr Ergebnis einer strukturellen Marginalisierung von Menschen,

die in Armut leben und mit einem erschwerten Zugang zu Nahrung kämpfen.

Technische Lösungen greifen zu kurz

Die überwiegende Mehrheit der Hungernden, 80 Prozent, lebt paradoxerweise in ländlichen Gebieten. Diese Frauen, Männer und Kinder verfügen als arme Kleinbauern, Hirten, Fischer, Jäger, Sammler, landlose Tagelöhner oder Indigene über keinen ausreichenden und sicheren Zugang zu produktiven Ressourcen; zu Land und Wasser, ebenso wenig wie zu Saatgut, Krediten und zusätzlichem Einkommen.

Die Ursachen hierfür liegen in Landenteignungen, Vertreibungen, geschlechtsspezifischer Dis­ kriminierung von Frauen, sträflicher Vernachlässigung ländlicher Entwicklung sowie ausbleibender Agrar- und Landreformen. Globale Dynamiken des „Landraubs“, etwa zur lukrativen Agrar­treibstoffgewinnung, verschärfen das Problem noch. All diese Faktoren treten keineswegs naturgesetzlich auf, sondern sind Folgen einer Politik, die bestehende globale, nationale und lokale Machtverhältnisse nicht wirklich antastet, sondern stattdessen die großen Agrarunternehmen und Eliten fördert. Um hier Abhilfe zu schaffen, bedarf es keiner „Grünen Revolu-

Junge Bauern in West-Dafur (Sudan)

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Fotos: Albert González Farran/UNAMID (CC BY-NC-ND 2.0); HSFK

Zugang zu Nahrung für jeden

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Das zugrunde liegende „Recht auf angemessene Nahrung“ ist ein völkerrechtlich verankertes Menschenrecht. Es ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) enthalten und wurde 1976 mit dem Inkrafttreten des bindenden Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gestärkt. In jüngerer Zeit ist es durch die Arbeit mehrerer Sonderberichterstatter und UNGremien ausbuchstabiert worden: Jeder Staat muss das Recht seiner Bürger respektieren, sich ernähren zu können – so darf er etwa Selbstversorgern (Subsistenzbauern) nicht den Zugang zu bewirtschaftetem Land verwehren (Achtungspflicht). Zudem müssen Staaten negative menschenrechtliche Folgen etwa bei der Rohstoffförderung durch privatwirtschaftliche Ak-

teure verhindern (Schutzpflicht). Schließlich bedarf es geeigneter Gesetze und Programme, die den Zugang eines jeden zur Nahrung sicherstellen, etwa durch wirksame Landreformen (Gewährleistungspflicht). Das Recht auf Nahrung weist somit klare Rollen zu und stellt die Ernährungssicherung auf rechtlichen Boden – weit weg also von Wohltätigkeit und kurzfristiger Nahrungsmittelhilfe. Das Umdenken, das sich hierin ausdrückt, findet jedoch noch keinen ausreichenden Eingang in die Handlungspraxis der Staaten. Noch haben die lobbystarken Interessen der Agrarindustrie, die gesellschaftlichen Eliten und Großgrundbesitzer das Sagen, wie mehrere Initiativen zur Hungerbekämpfung zeigen (siehe die „New Alliance“ der G8 oder die „German Food Partnership“). Das überrascht kaum, denn der Menschenrechtsansatz versucht unpopulär an den strukturellen Ursachen von Ernährungsunsicherheit und tief verwurzelten Machtverhältnissen zu rütteln. Das stößt auf Widerstand. Doch gibt es Beispiele, die zeigen, dass das Recht auf Nahrung und der damit einhergehende normative Wandel in den vergangenen Jahren bereits deutliche Spuren hinterlassen haben.

Handlungsbedarf für deutsche Politik

Generell haben mehr Staaten das Recht auf Nahrung in ihre Verfassung aufgenommen (zum Beispiel Bolivien, Ecuador, Nepal, Kenia) – ein erster Schritt zur Implementierung in natioAnzeige

nale Politik. Auch werden inzwischen in einigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit Menschenrechte zum Maßstab erhoben. Grundsätzlich hilft der Fortschritt „auf dem Papier“ zivilgesellschaftlichen Organisationen, Medien und UN-Akteuren, Handlungsdruck auf Staaten aufzubauen und damit eine nachhaltige Ernährungssicherung voranzutreiben. Hieran geht kein Weg vorbei. Selbst wenn chronischer Hunger meist „woanders“ geschieht – Handlungsbedarf für die deutsche Regierung gibt es ausreichend. Die politische Agenda hierzulande hat große Auswirkungen auf das Schicksal der marginalisierten Kleinbauern und weiterer Gruppen im globalen ­ Süden, wie die Beispiele Agrarsubventionen und -treibstoffe zeigen. In der Entwick­ lungszusammenarbeit, aber auch in der Außenwirtschaftsför­de­­rung, muss ­daher Deutsch­land eine Politik verfolgen, die das Recht auf Nahrung aller Menschen in der Praxis stärkt. Die massive Ungleichverteilung von Land, Ressourcen und Lebenschancen darf nicht durch den Schutz deutscher Wirtschaftsund Konsuminteressen und das Schielen nach reiner Produktivitätssteigerung verschärft wer­den. Vielmehr muss der Missstand unter anderem durch die Förderung umverteilender Agrar- und Landreformen abgebaut werden. Dies ist nicht mehr nur eine Frage der Humanität mit Blick auf ein Drittel der Weltbevölkerung, sondern immer mehr auch eine Frage von Recht und Gerechtigkeit.

Carolin Anthes ist Mitarbeiterin

am ­Leibniz-Institut ­Hessische Stiftung ­Friedens- und ­Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Dort befasst sich die Politikwissenschaftlerin unter anderem mit Fragen der Menschenrechte in den Vereinten ­Nationen und der Welternährung. Von September bis ­Dezember 2015 arbeitet sie als Fellow für das Global Soil Forum am Institute for Advanced Sustainabi­lity Studies in Potsdam.

CAROLIN ANTHES

Syrische Kinder in Not

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tion 2.0“; überfällig ist vielmehr, dass bestimmte Personengruppen nicht länger marginalisiert werden. Erforderlich sind die Stärkung ihrer Land- und Menschenrechte sowie die Förderung struktureller Lösungsansätze, die anerkennen, dass Hunger im Kern ein Problem politischer, sozialer und ökonomischer Exklusion ist. „Technische“ Lösungen zur Produktivitätssteigerung greifen schlicht zu kurz. Der Menschenrechtsansatz zur Lösung des Welternährungsproblems ist solch ein struktureller Ansatz. Er spielt seit einigen Jahren eine wachsende Rolle in Debatten zur Ernährungssicherung. Die Aufmerksamkeit richtet sich hier auf die Marginalisierung von Kleinbauern und weiterer Gruppen. Im Mittelpunkt stehen die Fragen: Wer wird warum am stärksten benachteiligt (Prinzip der Gleichheit und Nicht-Diskriminierung)? Und wessen Aufgabe ist es, dagegen vorzugehen? Staaten als primäre Pflichtenträger können so durch zivilgesellschaftliche Partizipation und Protestformen sowie administrative und juristische Beschwerdeverfahren von den Rechteinhabern sukzessive in die Verantwortung genommen werden.

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Ein Kreislauf Aus den Überresten der Ernährung könnten fruchtbare Substrate entstehen.

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Eine Gemüselasagne verursacht zweierlei Hinterlassenschaften: Küchenabfälle und – nach erfolgter Verdauung – diejenigen menschlichen Stoffwechselprodukte, die wir gemeinhin über die Toilette entsorgen. Sie als Abfälle zu bezeichnen, tut ihnen aber Unrecht. Auch wenn es bei letzteren eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung sein mag: Beide sind wertvolle Nährstoffträger. Wo fruchtbarer Boden rar, Anbaufläche begrenzt oder Wasser knapp ist, sind solche Nährstoffe zu wertvoll, um sie ungenutzt zu entsorgen. Deshalb arbeitet am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflan-

zenbau (IGZ) in Großbeeren die Arbeitsgruppe „Urban Cycles – guter Boden für die Stadt“ daran, regionale Nährstoffkreisläufe zu schließen. Kern ihres Ansatzes ist es, aus den vermeintlichen Abfällen qualitativ hochwertige Pflanzböden (Substrate) zu gewinnen. Die Grundlage hierfür bildet die menschliche Notdurft, die in speziellen Trocken-TrennToiletten nach Urin und Fäzes (Kot) getrennt aufgefangen wird. Die Fäzes werden zusammen mit Grünschnitt, Obst- und Gemüseabfällen sowie Pflanzenkohle kompostiert. Dadurch werden sie gleichzeitig hygienisiert. Das daraus gewonnene Subs­ trat dient wiederum als Nährboden für den Anbau von Nutzpflanzen zur menschlichen Ernährung. Deren Zubereitung kann mit einem Holzgasofen erfolgen, der zugleich die Pflanzenkohle für die Kompostierung liefert. Das Essen wird verdaut und der Gang zur Toilette startet den Kreislauf aufs Neue.

Der Teufel liegt im Detail sofen lzga o H

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Soweit das etwas vereinfachte Grundprinzip des Kreislaufs. Wie so oft, liegt der Teufel aber im Detail: Nicht alle GrundZutaten sind brauchbar. Biomüll beispielsweise, der aus normalen Haushalts-Biotonnen stammt, ist oft stark schwermetallbelastet. Zu oft landen Batterien oder andere Schadstoffe darin. Viel sauberer trennen dagegen Gemüsegroßmärkte oder Supermärkte, die die IGZ-Forscher deshalb als Rohstofflieferanten im Auge haben. Auch

die wenig verbreitete TrockenTrenn-Toilette ist aus einem ähnlichen Grund im Kreislauf: Landen die Fäzes erst in der Kanalisation, sind sie durch die beigemischten Industrieabwässer ebenfalls nicht mehr zu gebrauchen. Da aber kaum eine flächen­deckende Ausstattung deutscher Einfamilienhäuser mit Trocken-Trenn-Toiletten zu erwarten ist, setzen die Wissenschaftler hier unter anderem auf Gemeinschaftsgärten ohne Anschluss an die Kanalisation, wo diese Sanitäranlagen durchaus zu finden sind. Für die Forscher sind sie als Orte des sozialen Miteinanders gleichzeitig Innovationsräume für das Erproben neuer technischer Ansätze. Der letzte Haken an der Sache ist ein verwaltungstechnischer: In Deutschland sind Herstellung und Verkauf von Substraten für den Gemüsebau unter Verwendung von Exkrementen nicht zugelassen. Die Erfahrungen im Versuchsmaßstab am Institut und Feldversuche in Tansania zeigen aber, dass das Prinzip funktioniert. Im Zierpflanzenbau oder der Landschaftsgestaltung könnten die Substrate problemloser eingesetzt werden als beim Anbau von Gemüse zum Verzehr. Die Forscher wollen sie aber noch weiter verbessern, um eine Änderung der Zulassungsregeln zu erreichen. Schließlich sollte eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft nicht an der Düngemittel- und Bioabfallverordnung scheitern. CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

www.igzev.de/schwerpunkt_type/1-2-greencity-gartenbau-in-der-stadt/

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Visionen einer Zukunftsstadt

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In was für einer Welt wollen wir leben? Zwischen technischem Fortschritt, demographischem Wandel und den Folgen der Umweltbelastung stellt sich diese Frage unweigerlich — vor allem für das Leben in unseren Städten. Im Wissenschaftsjahr 2015 sind ihr Schüler gemeinsam mit Wissenschaftlern der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) und des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) nachgegangen. Entstanden ist daraus ein BlogProjekt mit Visionen von unseren Zukunftsstädten. Insgesamt 64 Schüler aus Hannover, Erkner und Berlin haben sich an diesem Projekt beteiligt. In ihren Geographiekursen beschäftigten sie sich zunächst mit dem Thema Stadtentwicklung und setzten sich kritisch mit Fragen zum Klimawandel, Arbeit und Worksharing oder dem Umgang mit Müll auseinander.

„Was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt“ lautet beispielsweise einer der Blog-Titel, mit dem sich eine Schülerin näher befasst hat. Mit den Forschern der ARL und des IRS konnten sich die Schüler anschließend in Gesprächen und Interviews austauschen. So entwickelte sich ein Diskurs zwischen denen, die die Zukunft noch vor sich haben und denen, die sie als wissenschaftliche Experten einzuschätzen vermögen. Dieser Diskurs konnte in 25 Blogtexte der Schüler ein­ fließen. Durch das Gemeinschaftsprojekt wurde „die Debatte zur Zukunftsstadt, der sich das Wissen-

schaftsjahr 2015 widmet, noch erweitert“, so Gerhard Mahnken vom IRS. „Es ging uns darum, die Sicht der nächsten Gene­ ration öffentlich zu machen und zu verbreiten. Die Schülerinnen und Schüler waren in den Interviews alle sehr gut vorbereitet und hoch innovativ. Das Thema Zukunftsstadt liegt ihnen am Herzen.“ Gezeigt hat das Projekt, dass an die Städte der Zukunft hohe Anforderungen gestellt werden. Sie sollen energieeffizient und nachhaltig sein, hoch innovativ und wirtschaftsstark, ein preiswertes Leben mit hoher ­Lebensqualität ermöglichen und ihre historische Authentizität neben neugewonnener Modernität nicht verlieren. In der besten aller möglichen Städte wollen wir in Zukunft leben – da sind sich Jugend und Wissenschaft einig.

LENA LUISA LEISTEN

http://futurecity.hypotheses.org

Illustraiton: Lena Luisa Leisten; Fotos: privat

Schüler bloggen darüber, wie sie später einmal leben möchten

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

Paul Wagner, Carl-Bechstein-Gymnasium in Erkner

Thema: „Neue ‚Coole Orte der ­Arbeit‘? Wie die Lab Szene in Berlin unser Verständnis von Zusammen­arbeit verändert“

Thema: „Wasserpolitik nachhaltiger gestalten“

In Zukunft werden Arbeitnehmer ­unter Umständen nur für wenige Monate an einem Ort bleiben und den Arbeitsplatz häufiger wechseln. Das verlangt eine hohe Flexibilität und Spontanität. „Labs“ als Orte des Zusammentreffens und des Austausches schaffen genau ­dafür Möglichkeiten, egal wo man ist und von wo man kommt.

Es ist doch verwunderlich, dass die Erde zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt ist und trotzdem viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Die gerechte Versorgung mit Wasser wird in den Städten der Zukunft noch schwieriger, da sie größer und dichter besiedelt sein werden. Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser und der Bau von Wasser- und Abwassersystemen werden deshalb immer wichtiger.

Pauline Thüne, Carl-Bechstein-Gymnasium in Erkner

Moritz Heumann, Gymnasium St. Ursula-Schule in Hannover

Mich interessiert besonders, wie Menschen von der Idee des Klima­ ­­schutzes überzeugt werden können. Für die Zukunft unserer Städte brauchen wir schon heute neue Konzepte, um das ­Klima zu verbessern. Dabei sollte sich ­jeder einbringen, da wir besonders in den Städten auf engem Raum zu­ sammenleben und deshalb auch ­gemeinsam Verantwortung für die Umwelt tragen.

Ich fahre jeden Morgen mit der Bahn zur Schule. Wenn es im Sommer heiß ist, kann das in einer überfüllten Bahn ganz schön unangenehm werden. Der Komfort ist nur einer von vielen Aspekten, der beim Thema „Mobilität in der Stadt“ noch verbessert werden sollte. Für unsere Zukunftsstädte, in denen die Bevölkerung noch größer sein wird, müssen wir Verkehrsmittel derart entwickeln, dass man sich in ihnen wohl fühlt und gleichzeitig energieeffizient und schnell unterwegs ist.

Thema: „Autarke Städte und Gemeinden“

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Johanna Skarabis, Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Friedrichshagen

Thema: „Mobilität in der Stadt“

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

Wir sollten das Experiment wagen Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik ­Olbertz, über das Engagement des Bundes in der Forschungs­ förderung, die Zukunft der Exzellenzinitiative und den ­Vorschlag, mit Leibniz-Universitätsinstituten die Zusammenarbeit ­zwischen der ­ Leibniz-Gemeinschaft und den Hochschulen weiter zu ­vertiefen.

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komplexen Abgrenzungs- und Trennungsrechnung beträchtliche Ressourcen dafür aufwenden muss, in Bezug auf seinen Haushalt verfassungsgemäß zu agieren. Ähnliche Beispiele gibt es zu Hauf. Wenn wir jetzt klar sagen können, worin ein gemeinsames Projekt besteht, welche Anteile jeder Partner daran hat, und die Mittel gemeinsam bewirtschaftet werden können, dann haben wir einen großen Schritt hin zur Normalität und Rationalität in der Wissenschaftsorganisation getan.

Jan-Hendrik Olbertz ist seit 2010 Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2002 bis 2010 war er Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt, wo er von 1992 bis 2010 auch eine Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung und wissenschaftliche Fort- und Weiterbildung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne hatte. Der studierte Lehrer für Deutsch und Musik ist unter anderem Senator der LeibnizGemeinschaft.

Welches Format sollte in der nächsten Runde der Exzellenz­ initiative gefördert werden? Da bin ich mir unsicher. Ich habe generell kein allzu großes Zutrauen in Visionen, die riesige, hochkomplexe Zentren zum Gegenstand haben. Verbünde, die so groß sind, dass am Ende niemand mehr überblickt, welche beteiligte Einrichtung sich mit welchen Beiträgen eingebracht hat, untergraben die Identität der einzelnen Forschungseinrichtung. Sie brauchen aber eine ausreichende eigene Kenntlichkeit, um sich als Institution im Wettbewerb zu behaupten. Daher plädiere ich eher für regionale thematische Verbün-

Fotos: Matthias Heyde, Andreas Süß

Leibniz: Der Weg für mehr Engagement des Bundes in der Forschungsförderung wird durch die Änderung von Art. 91b des Grundgesetzes freigemacht. Was erhoffen Sie sich davon mit Blick auf die Exzellenzinitiative? Olbertz: Die Gesetzesänderung könnte zu mehr Freiräumen führen, vorhandene oder in Aussicht gestellte öffentliche Mittel anders zu disponieren. Die strenge Trennung von Bundesund Landesfinanzierung hat ja letztlich auch zur Entfremdung der Lehre von der Spitzenforschung geführt, weil das eine auch mit Bundes-, das andere nur mit Landesmitteln gefördert werden konnte. Ich hoffe, dass der Weg nun frei ist, über ganz neue Formen der Gemeinschaftsfinanzierung von Wissenschaft und Bildung in Deutschland nachzudenken. Dass der Gordische Knoten mit einem novellierten Artikel 91b durchschlagen wurde, ist schon mal ein Riesenschritt. Jetzt können wir ungehindert neue Konzepte erörtern, ohne dass die Debatte sofort mit Hinweisen auf die Verfassungsmäßigkeit abgewürgt wird. Denken Sie nur an das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, das in einer hoch-

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin.

de, die von einer Sprecher-Universität initiiert und geführt werden, dies aber mit ausgebreiteten Armen allen Partnereinrichtungen gegenüber, die etwas zum Gelingen des wissenschaftlichen Vorhabens beitragen können.

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Sie sprechen also von Clus­ tern, die künftig in einer noch engeren Kooperation mit den außeruniversitären Partnern fortgesetzt werden sollen? Ja, genau. Ich will das System der Trennung von universitärer und außeruniversitärer Forschung gar nicht aufgeben, doch sollten die Brückenschläge zwischen ihnen intensiver werden. Ich setze große Hoffnungen in solche thematischen Verbünde, und wenn wir mal das Beispiel Berlin nehmen, ist hier doch großes Potenzial erkennbar: zum Beispiel in der Mathematik, in den Altertumswissenschaften, in den Lebenswissenschaften. Zu respektieren ist jedoch, dass die Universitäten ihre internationale Reputation durch ihre eigene Leistung erworben haben. Dieses Prinzip von Marke durch Leistung dürfen wir nicht aufgeben.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Vorschlag, Leibniz-Universitätsinstitute zu etablieren? Und zwar in der Form, dass die Institute Teil der Universität bleiben, gleichzei­ tig aber in die Finanzierung von Bund und Ländern aufge­ nommen und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft werden? Meinem Eindruck zufolge ist es bislang überhaupt der einzige Vorschlag, der mit dem institutionellen Status quo bricht und strukturell etwas Neues wagt. Ich stehe diesem Vorschlag also aufgeschlossen gegenüber und finde, dass wir ihn ausprobieren sollten. Viele Universitäten sehen darin eine Stärkung ihrer Strategiefähigkeit, einige be­ fürchten bei so einem Modell eine feindliche Übernahme durch die außeruniversitäre Organisation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die HumboldtUniversität Angst davor hat, von der Leibniz-Gemeinschaft übernommen zu werden. Angst rührt nur von einem Mangel an institutionellem Selbstbe‑ wusstsein her. Umgekehrt könnte doch auch die Leibniz-Gemeinschaft die Sorge haben, et-

was hergeben zu müssen; oder gar befürchten, in die mitunter langwierigen und lähmenden gremiengebundenen Prozeduren innerhalb einer Universität hineingezogen zu werden. Trotzdem ist sie über ihren Schatten gesprungen und hat diesen Vorschlag entwickelt.

Sie begrüßen also den ­Vorschlag? Es ist ein gut gedachter Ansatz, die Identität eines LeibnizInstituts zu nutzen, auch wenn sich dies im Rahmen einer Universität entwickelt – eben nicht durch Abgrenzung, sondern durch sichtbare Präsenz innerhalb universitärer Strukturen. Das könnte auf längere Sicht zum Beispiel in Form von Zentralinstituten geschehen. Damit wäre eine faire Struktur geschaffen, in der das betreffende Leibniz-Institut in der Universität seine Selbstständigkeit als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft lebte, gleichzeitig aber dem Charakteristikum seiner universitären Präsenz – der Einheit von Forschung und Lehre – in stärkerem Maße Rechnung trüge. Bei der üblichen Finanzierung von 50 Prozent durch den Bund und 50 Prozent durch die Länder würde ich dann eine

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

Offen für Veränderung Bundestagsabgeordnete reagieren positiv auf den Vorschlag der Leibniz-Universitätsinstitute

Tatsächlich sind Leibniz-Universitätsinstitute als neue Formate kooperativer Praxis zu verstehen. Warum die LeibnizGemeinschaft? Die 89 Institute der außeruniversitären For­ schungseinrichtung pflegen untereinander sowie mit vielen Universitäten bereits eine enge Zusammenarbeit. Leibniz-Uni­ver­sitätsinstitute können künftig helfen, herausragende Forschung an den Universitäten auch dauerhaft zu fördern. Dabei sollen sie integrales Element der jeweiligen Universität bleiben, gleichzeitig jedoch an der Leibniz-Gemeinschaft teilhaben. Die Vorteile liegen für Kleiner auf der Hand: „LeibnizInstitute arbeiten eigenständig, flexibel und eng vernetzt entlang einer langfristigen Mission,

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gleichzeitig werden sie regelmäßig streng evaluiert und dabei hälftig von Bund und Ländern finanziert.“ Überzeugt von der Idee ist der CDUBundestagsabgeordnete Kretsch­mer; also von „Instituten, die in der Körperschaft der Universität liegen, gleichzeitig jedoch den hohen Qualitätsansprüchen der Leibniz-Gemeinschaft genügen und so fortan über die Bund-LänderFinanzierung laufen können. Das ist auf Dauer viel besser, als herausragende Forschungsinstitute aus den Universitäten herauslösen zu müssen, weil sich die Länder nicht in der Lage sehen, sie angemessen auszustatten. Nun gilt es, den Vorschlag der Leibniz-Universitätsinstitute rasch in die Realität umzusetzen.“ Positiv ist auch die Reaktion der SPD: „Die Hochschulen müssen bei der Fortsetzung der Exzellenzinitiative klar im Fokus stehen. Aus unserer Sicht können also alle Vorschläge Sinn machen, die von diesem Grundsatz ausgehen. Die Initiative von Herrn Kleiner kann in diesem Sinne zu einem Baustein bei der Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative werden. Denn die Kooperation von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen kann und muss gewiss noch ausgebaut werden. Dazu werden auch Vorschläge wie „LeibnizUniversitätsinstitute“ intensiv zu prüfen sein“, erklärt Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion. Auch Kai Gehring, Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung

von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, sagt: „Für die künftige Förderung muss Spitzenforschung entscheidend sein – durchaus auch in verschiedenen Leistungsdimensionen und vielfältigen Formen wie Clustern und Zentren. Dabei sollten – gemäß des GWK-Beschlusses – verschiedene Formen exzellenten Transfers, besonders herausragende Kooperationen – vor allem zwischen Hochschulen und außeruniversitärer Forschung – sowie Lehre berücksichtigt werden.“ Einig ist sich die Politik aber auch, über neue Kooperationsformate wird erst im Frühjahr 2016 entschieden. „Solche sehr konkreten Bausteine jetzt schon gut zu klopfen, ist noch zu früh. Erst einmal muss es um die Grundsätze gehen, nach denen wir die Exzellenzinitiative weiterführen und weiterentwickeln wollen. Dazu hat die SPD-Bundestagsfraktion einige Eckpunkte in die Debatte eingebracht. Dann geht es um die Expertise und die Empfehlungen der Imboden-Kommission, die wir im neuen Jahr erwarten. Auf dieser Basis werden sich der Bund und die Länder in der GWK im Detail zu einigen haben. Diese Zeit müssen wir uns jetzt lassen. Mit unnötigen Detail-Vorwegnahmen sollte niemand brüskiert werden. Deshalb: Grundsatzdebatte ja, Perspektiven aufzeigen erst recht. Und die Details folgen im neuen Jahr“, sagt Rossmann.

CHRISTINE BURTSCHEIDT

Fotos: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann; Matthias Heyde

Mit Blick auf die Fortentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems hat der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, jüngst den Vorschlag von Leibniz-Universitätsinstituten unterbreitet. Unterstützung erhält er dafür seitens der Politik: „Die Grundgesetzänderung von Art. 91b sowie die Fortsetzung der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern hat kluge Vorschläge zur Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems gebracht. Dazu gehört die Idee, Leibniz-Universitätsinstitute zu gründen“, sagt Michael Kretschmer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuständig für Bildung und Forschung.

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

entsprechend halbierte Lehrverpflichtung für die Professorinnen und Professoren des Instituts für sinnvoll erachten. Ein solches Experiment sollte eine Chance haben. Lassen Sie es uns doch mal versuchen – entgegen aller rein theoretischen Vorbehalte! Also wäre das aus Ihrer Sicht eine Chance zur weiteren Stär­ kung der Spitzenforschung an den Universitäten? Absolut! Durch thematische Fokussierung, neue Netzwerke und durch eine pointiertere Ausrichtung auf Spitzenforschung. Wenn wir immer von mehr Differenzierung im Hochschulsystem reden, dann müssen wir auch den Mut zu mehr Binnendifferenzierung innerhalb einer Hochschule haben.

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In welchen Bereichen lägen derlei Kooperationen nahe? Wir haben ja viele Kooperationen mit der Leibniz-Gemeinschaft hier in Berlin, angefangen mit der Mathematik bis hin zu den Sozialwissenschaften. Es wäre doch gut, die Abgrenzung von der Universität, die oft finanzpolitische Gründe hat, aufzuheben und wissenschaftsadäquatere Wege der institutionellen Zusammenarbeit zu wählen. Dabei geht es noch nicht um

ein Modell, das wir schon übermorgen umsetzen können, aber jetzt ist der Zeitpunkt, wo alle Universitäten und ihre Partnerinstitutionen Strategien für die nächste Exzellenzinitiative entwickeln. Der Leibniz-Vorschlag könnte also zum Beispiel als Verstetigungsoption nach Ablauf der neuen Förderperioden dienen, oder – noch optimistischer gedacht – sogar ein kreativer Vorstoß jenseits der Exzellenzinitiative sein. Welche Rolle sollte hier die Politik spielen? Bund und Länder als Hauptzuwendungsgeber müssten zu so einem Vorgehen ermutigen, vielleicht auch im Sinne einer Experimentierklausel, die es ermöglichen würde, das Modell „Leibniz in den Universitäten“ mit drei oder vier Prototypen zu erproben.

Sie kennen beide Seiten – die politische wie die wissen­ schaftliche Verantwortlich­ keit. Würden Sie auch als Poli­ tiker so handeln und verträgt sich eine solche politische Vorgabe mit der Freiheit der Wissenschaft? Also, wenn ich politische Verantwortung trüge, würde ich diesen Weg gehen. Wissenschaft ist eine öffentliche Angelegen-

heit, sie ist Gegenstand der Politik. Die Politik muss der Wissenschaft Freiheit gewähren, aber sie soll auch gestalten. Das freie Spiel der Kräfte im Wettbewerb allein ist noch keine wissenschaftspolitische Gestaltung. Ich würde mir wünschen, dass die Politik wieder stärker als Impulsgeber fungiert. Die Politik muss uns dazu herausfordern, unsere Freiheit verantwortungsvoll, aber auch effektiv zu nutzen, und dafür sind gewisse Strukturen unerlässlich. In der zweiten Runde der Exzellenzinitiative hat die HU den so genannten „EliteStatus“ erreicht. Was hat das gebracht und welche Folgen hätte es, wenn sie dieses Eti­ kett wieder verlieren sollte? „Elite-Universität“ ist ja zunächst ein von den Medien erfundener Titel, den es eigentlich gar nicht gibt. In der Praxis aber ist er für die Selbst- und Fremdwahrnehmung einer Universität durchaus förderlich. Wenn es eine entsprechende Förderlinie auch in Zukunft gäbe, wäre der Verlust dieses „Titels“ erheblich. Unser Zukunftskonzept ist wie bei allen anderen beteiligten Universitäten auf zehn Jahre angelegt. Ein Abbruch nach fünf Jahren würde für unsere Universität enormen Schaden

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LEIBNIZ | SPEKTRUM

anrichten, denn wir haben für die Umsetzung im großen Stil Ressourcen umdisponiert, was sich dann nicht mehr im erwarteten Umfang auszahlen würde. Unter diesem Aspekt denke ich, müsste man zumindest den fünf Universitäten, die erst 2012 mit ihren Zukunftskonzepten erfolgreich waren, eine zweite Runde ermöglichen, natürlich nach einer Evaluation. Gleichzeitig müsste es diesen Universitäten aber auch möglich sein, die neuen Ziele, Ansprüche und Kriterien der Exzellenzinitiative III in die Fortschreibung ihrer Zukunftskonzepte zu integrieren, denn sie können ja schlecht mit einem dann bereits veralteten Konzept starten. Ohne eine so verstandene Fortschreibungsoption wären die fünf „neuen“ Exzellenz-Universitäten gegenüber denjenigen benachteiligt, die eine zehn Jahre währende Förderung erhalten und die strukturbildenden Effekte in

diesem Zeitraum konsolidieren konnten. Die Anstrengungen des Exzellenzprozesses würden im Nachhinein delegitimiert.

Wäre die Konsequenz, dass die Exzellenzinitiative mit ihren drei Förderlinien wie bisher weitergeführt wird – ergänzt um neue Perspektiven der Bundesförderung? Ich bin kein Kritiker der Idee, ganze Universitäten auszuzeichnen und zu fördern. Das heißt nicht, dass wir zwingend genauso weitermachen müssten wie bisher. Man kann die Förderung der universitären Governance in vielfältiger Hinsicht modifizieren. Ich denke auch, dass die Nachwuchsformate der Graduiertenschulen auf den Prüfstand sollten, wohingegen sich die Cluster als Form der Organisation von Spitzenforschung in ihrem Kern bewährt haben. Gleichzeitig aber würde ich den Anreiz zur Organisationsreform

und zur Entwicklung neuer Steuerungsprozesse, den die Förderlinie „Zukunftskonzepte“ gebracht hat, aufrechterhalten. Denn die Universitäten haben es durchaus nötig, sich in diesem Bereich besser aufzustellen. Es sind doch bestimmte organisatorische Arrangements, die Spitzenforschung ermöglichen – und die müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Eine Alternative zur „dritten Förderlinie“ wäre, für die Cluster, die sich wissenschaftlich durchgesetzt haben – und nur für sie – einen Aufschlag auf den Overhead vorzusehen, also Mittel, die dann in die Ausstattung der Universität fließen zur Finanzierung des Personals oder der Räume. Der Overhead sollte dann zum Beispiel 40 Prozent statt 22 betragen. INTERVIEW: CHRISTINE BURTSCHEIDT UND CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Leibniz-Institute in den Universitäten?

Diese zunehmende „Entsäulung“ des deutschen Wissenschaftssystems ist vorbehaltlos zu begrüßen. Die mittlerweile gut etablierten Graduate Schools sind zu wirksamen Kooperationsplattformen auf der Ebene des wissenschaftlichen Nachwuchses geworden. Große, komplexe Forschungsprogramme lassen sich international wettbewerbsfähig nur im Miteinander schultern – an dieser Erkenntnis kommt niemand mehr vorbei. Folgerichtig sollten wir also auch im Hinblick auf den bestehenden in-

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stitutionellen Ordnungsrahmen den Mut haben, die „Gewohnheiten des Denkens“ zu überwinden. Verschiedene Themen bieten sich für die langfristige kooperative Forschung in der Universität geradezu an. So hat der Präsident der LeibnizGemeinschaft, Professor Matthias Kleiner, Leibniz-Institute unter dem Dach von Universitäten vorgeschlagen. Dieser Weg ist in gewisser Weise längst durch einige Kooperationsmodelle angelegt. Doch sollten auch andere, thematisch stärker fokussierte Modelle vorstellbar sein. Als „Integratives Leibniz-Forschungszentrum“ der betreffenden Universität könnte gerade eine interdisziplinäre Forschungsprogrammatik in einer Brückenstellung zu den Fakultäten wirksam werden. Der Vorschlag des Leibniz-Präsidenten dürfte daher in Universitäten ohne Berührungsängste eine neue Kreativität entfalten. Wichtig wäre, diesen Schritt zu wagen und so den Blick für verschiedene Modelle zu öffnen.

WOLFGANG A. HERRMANN, PRÄSIDENT DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Foto: Astrid Eckert & Andreas Heddergott/TU München

Die Zusammenarbeit der Universitäten mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat in der jüngeren Vergangenheit an Intensität erfreulich zugenommen; insbesondere durch die Exzellenzinitiative seit 2006. Je nach Forschungseinrichtung und Schwerpunktsetzung haben die Fraunhofer-, Helmholtz-, Leibnizund Max-Planck-Institute erhebliche Beiträge zum gemeinsamen Forschungserfolg und dessen internationaler Sichtbarkeit geleistet. Davon profitieren die Universitäten spürbar. Umgekehrt nützt den auf die Forschung konzentrierten Institutionen die Nähe zu den Nachwuchstalenten, die an den Universitäten ausgebildet werden.

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LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN

Einheit = Alltag?

Aktuelle Ausstellungen

der Leibniz-Gemeinschaft

Mit der Wiedervereinigung 1989/1990 von Ost- und Westdeutschland waren die Verständigungsprobleme vorprogrammiert. Während die Ostdeutschen ins Kaufhaus gingen, wurde in Westdeutschland im Supermarkt eingekauft. Im Westen kamen Hähnchen auf den Tisch, im Osten dagegen Broiler. In weniger als 50 Jahren hatte sich der Wortschatz in West- und Ostdeutschland unterschiedlich eingefärbt – auch wenn beide Länder noch Schwarz-Rot-Gold in ihren Fahnen trugen. Ein Begriff wurde in der DDR zum Synonym für den politischen Richtungswechsel: die „­Wende“. Im vereinigten Deutschland mussten sich die Ostdeutschen von der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR verabschieden und sahen sich plötzlich

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Bergauf Bergab ab 31.10.2015

Deutsches Bergbau-Museum, Bochum Schon vor mehr als 10.000 Jahren waren die Alpen ein beliebtes Reiseziel, trotz rauen Klimas, schwierigen Geländes und fehlenden Wegenetzes. Die Besucher suchten damals aber keine Erholung, sondern mineralische Rohstoffe, Metalle und Salz. Diese machten die Alpen zu einer wahren Schatzkammer für den Bergbau. Dessen Geschichte zeigt die Sonderausstellung des Deutschen BergbauMuseums. In multimedialen Präsentationen und anhand hunderter Originalexponate erhalten die Besucher einen Eindruck von der Schönheit der Alpenlandschaft, dem Leben der Bergleute und der Arbeit der Archäologen des Museums.

mit dem politischen System der Bundesrepublik konfrontiert. Auch die soziale Marktwirtschaft und eine bunte Medienlandschaft waren für die DDR-Bürger neu. In nahezu allen Lebensbereichen mussten sie sich umorientieren, damit die Vereinigung

von Ost und West nicht nur formal, sondern auch im Alltag der Menschen stattfinden konnte. Das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam beleuchten dieses Alltagsleben nach der Wiederver-

Erfolgsmodell Saurier. 300 Jahre Überleben bis Ende Mai 2016

Kaffee. Ein globaler Erfolg bis 03.01.2016

Japanisches Palais, Dresden

Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz

Mit Sauriern werden oftmals Dinosaurier assoziiert, wie der berühmte Tyrannosaurus Rex. Dinosaurier waren allerdings nur die Landwirbeltiere; an Land, in der Luft, in Süß- und Salzwasser lebten vor bis zu 300 Millionen Jahren noch weitere Saurierarten. Bei den Vögeln als unmittelbaren Nachfahren der Dinosaurier, aber auch bei Amphibien, Reptilien und Fischen lassen sich heute Parallelen zu den Sauriern finden. Diese zeigt die Ausstellung mit mehr als 100 Objekten aus der Senckenberg Naturhistorischen Sammlung in Dresden mit Modellen, Skeletten und Fossilplatten von Sauriern und heute lebenden Arten.

Ob Cappuccino, Milchkaffee, Latte Macciato oder einfach ein „Schwarzer“ – mit jährlich 165 Litern pro Person ist der Kaffee Deutschlands beliebtestes Getränk. Dennoch ist über seinen Ursprung und seine Herstellung oftmals nur wenig bekannt. Das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz bietet mit der Sonderausstellung aus dem Botanischen Garten/Botanischen Museum Berlin einen Einblick in die Geschichte der Kaffee-Kultur, ausgehend von ihren Ursprüngen in Äthiopien bis hin zum Coffee to go. Besucher können sich außerdem in die Geheimnisse von Kaffeezeremonien einweihen lassen oder Mitmach-Stationen nutzen. 3/2015


LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN

Köpcke & Weinhold, Berlin; Barbara Frommann/DFG

Fotos: Daniel Biskup, Berlin; Thomas Hoepker/DHM; DBM; ; SGN Dresden; Senckenberg; Stadtarchiv Bremerhaven;

einigung in einer gemeinsamen Sonderausstellung. Der Ausstellungsraum gliedert sich in acht Bereiche, die sich wichtigen Themen der Umbruchzeit widmen: Sprache, Medien, Geld – Konsum – Eigentum, Arbeitswelt, Politische Kultur, Nationalgefühl, Begegnung und Kulturelle Freiräume. In der Raummitte gibt eine Chronik außerdem einen Überblick über zentrale politische Ereignisse auf dem Weg zur deutschen Einheit. Die Besucher bewegen sich in der Ausstellung durch eine verwinkelte Anordnung von Mauern und Gegenständen, die den Eindruck von Orientierungslosigkeit erzeugen. Der Ausstellungsraum erinnert an eine Baustellensituation. Die Schau zeigt viele Exponate aus Privatbesitz, in denen sich Einzelschicksale von Menschen nach der Wende widerspiegeln: die vom Begrüßungsgeld gekaufte Barbie-Puppe genauso wie einst unerschwingliche West-Jeans. Damit macht

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die Ausstellung die Herausforderungen der Bürger erfahrbar, die sich im vereinten Deutschland zurechtfinden mussten. Die Umbruchsituation der Wende hatte für die Bevölkerung zwar Vor- aber auch Nachteile. Das spiegeln die in der Ausstellung vorgestellten Biographien wider, denen die Besucher an einer Hörstation lauschen können. Sie erzählen von finanziellen Sorgen sowie den Problemen bei der beruflichen Neuorientierung, aber auch von Gefühlen der Hoffnung und Begeisterung. Im Bereich der Kunst und Kulturszene eröffneten sich zum Beispiel viele neue Möglichkeiten: So ertönen im Ausstellungsraum die damals in Deutschland populär werdende Technomusik, die Stadionakustik zur erfolgreichen Fußballweltmeisterschaft 1990 oder der Talkshowapplaus der wachsenden Medienlandschaft und erinnern an das lebendige und euphoriegeladene Lebensgefühl dieser Zeit.

Für Projektleiter Jürgen Danyel vom ZZF zeigt die Ausstellung die erste Phase einer Entwicklung, die immer noch andauert: „Die Geschichte der deutschen Vereinigung hat mit dem 3. Oktober 1990 erst richtig begonnen. Sie wird in der Ausstellung „Alltag Einheit“ als ein nach vorne offener gesellschaftlicher Prozess gezeigt.“ Der Einheitsgedanke, mit dem sich Ost und West vor 25 Jahren konfrontiert sahen, ist auch heute noch aktuell und „Alltag Einheit“ eine Schau von Historikern über einen Prozess, in dem wir alle noch mittendrin stecken. LENA LEISTEN Alltag Einheit. Porträt einer Übergangsgesellschaft

bis 3. Januar 2016 Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2, 10117 Berlin Öffnungszeiten: täglich 10–18 Uhr www.dhm.de/de/ausstellungen/ alltag-einheit.html

1975/2015 — Schiffe erzählen Museumsgeschichte(n) seit 5.9. 2015 Deutsches Schiffahrts­ museum, Bremerhaven

Senckenbergs verborgene Schätze bis 10.1.2016

Vielfalt zählt bis 31.01.2016

Am Alten Hafen von Bremerhaven ging 1966 mit dem Frachtsegler „Seute Deern“ ein erstes historisches Schiff vor Anker und legte damit den Grundstein für das Deutsche Schiffahrtsmuseum. Das eröffnete am 5. September 1975 als Technikmuseum von nationalem Rang in einem Gebäude des Architekten Hans Scharoun. Zum 40-jährigen Jubiläum stellt das Museum und Leibniz-Institut für deutsche Schifffahrtsgeschichtenun ausgewählte Objekte ‑ vorwiegend Schiffe ‑ in ein neues Licht und lässt dadurch die eigene Geschichte Revue passieren.

Ein rund 350 Jahre alter Gänseschädel oder eine bis zu 13 Kilo schwere Tasmanische Riesenkrabbe – 30 Raritäten aus ihren mehr als 38 Millionen Objekte umfassenden Sammlungen zeigt die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nun zum ersten Mal in einer Wanderausstellung. Die außergewöhnlichen Geschichten der Exponate können die Besucher in historisch gestalteten Sammlungsbüchern nachlesen. Bilder der Fotografen Sebastian Köpke und Volker Weinhold ergänzen die Ausstellung.

Weshalb ist der Erhalt der Artenvielfalt für uns Menschen so wichtig? Diese Frage will die Wanderausstellung „Vielfalt zählt!“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft beantworten und erklären, welche Vielfalt der Begriff der Biodiversität umfasst. Nicht nur von Tier- und Pflanzenarten ist hier die Rede; auch die komplexen ökologischen Prozesse und Wechselwirkungen in verschiedenen Lebensräumen der Erde fallen unter den Begriff. Verständlich werden die Ausstellungsinhalte beispielsweise durch Duftstationen, die die Funktionen von Gerüchen in der Natur erlebbar machen.

Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main

Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn

Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online: www.leibnizgemeinschaft.de/ institute-museen/ forschungsmuseen/ leibniz-museenaktuell/

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LEIBNIZ | LIFE

Getrennt vereint? 25 Jahre Deutsche Einheit

Als vor 25 Jahren die DDR der Bundesrepublik Deutschland beitrat, überwog zunächst die Euphorie, dann trat ein Staunen ein über fortbestehende Unterschiede. Wie fremd waren sich West- und Ostdeutsche damals? Gab es trotz getrennter Systeme auch geteilte Erfahrungen? Und wo blieben bei aller Einheit bis heute Unterschiede bestehen? Darüber diskutierten der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, und Frank Bösch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam in einer Leibniz-Debatte, in der viele brisante Themen angesprochen wurden: neben Sozialstaat, Wirtschaft, Kultur und Bildung auch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Die Debatte ist im Zusammenschnitt und in voller Länge online zu sehen: www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/mediathek

Hanna Frings vom RWI Essen informiert bei „Leibniz im Landtag NRW“ über mögliche Auswirkungen des Mindestlohns.

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Bereits zum sechsten Mal haben sich am 3. September 2015 Wissenschaftler aus den in Nordrhein-Westfalen ansässigen Leibniz-Instituten unter dem Motto „Leibniz im Landtag“ mit Politikern in Düsseldorf zum Dialog getroffen. Landtagsabgeordnete aller Parteien waren eingeladen, zentrale Themen mit fachkundigen Gesprächspartnern zu erörtern. Gleichzeitig konnten sie sich ein Bild von der Vielfalt der wissenschaftlichen Expertise der LeibnizInstitute in NRW machen. In

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Frühe Bildung besser machen

Der Kita-Streik war just vorüber, aber damit nur eine von vielen Herausforderungen der frühen Bildung in Deutschland gelöst, als die Leibniz-­Gemeinschaft ihren diesjährigen Parla-mentarischen Abend diesem Thema widmete. Über die Rolle der politischen Akteure bei der Qualität der frühen Bildung und über die Beiträge, die die Wissenschaft zu dem Thema liefern kann, diskutierten drei renommierte Bildungsforscher aus Leibniz-Instituten mit zwei Bundestagsabgeordneten und einer Vertreterin des Bundesfamilienministeriums. Ein Video-Mitschnitt der Diskussion steht online zur Verfügung: www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/ mediathek/

Mehr Platz für Archäologie

In Mainz entsteht ein neues Archäologisches Zentrum am südlichen Ende der Altstadt. Im September haben die Arbeiten am ersten Bauabschnitt begonnen. Er sieht einen Neubau für das Römisch-Germanische Zentralmuseum – Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie vor. Mit einer Bruttogrundrissfläche von 14.500 Quadratmetern auf vier oberirdischen und einem unterirdischen Geschoss wird das Gebäude viel Platz für die archäologische Forschung und das neu gestaltete Museum bieten. In unmittelbarer Nähe des Neubaus befinden sich die Ruinen des römischen Theaters und des Drusussteins sowie das Museum für Antike Schiffahrt des RGZM, das nach Abschluss der Baumaßnahmen ebenfalls in das Archäologische Zentrum integriert sein wird. http://azm.rgzm.de

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Fotos: David Ausserhofer, Frank Wiedemeier, Peter Himsel, Bernhardt und Partner

Wissenstransfer leichtgemacht


LEIBNIZ | LIFE

Gut gewirtschaftet

Chef-Visite in Bremerhaven Bundespräsident Joachim Gauck hat an Bord der „Grönland“ (ww2.dsm.museum/groenland/) des Deutschen Schiffahrtsmuseums – Leibniz-Institut für deutsche Schiffahrtsgeschichte (DSM) das maritime Festival SAIL Bremerhaven 2015 eröffnet. Rechts neben dem Bundespräsidenten: DSMDirektorin Sunhild Kleingärtner, links Karin Lochte, Direktorin des benachbarten Alfred-WegenerInstituts für Polar- und Meeresforschung der Helmholtz-Gemeinschaft.

Fotos: Wolfhard Scheer/DSM; ifo; DIW/B.Dietl; ZEW; Daniel Morsey; RWI/Julica Bracht; Thomas Köhler/phototek.net; ifo; IfW; DIW/Stephan Röhl

Raumwissenschaftler unter neuem Namen

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Das Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner bekommt zum Jahresende 2015 einen neuen Namen. Die Mitgliederversammlung des IRS e.V. beschloss im September die Umbenennung in „Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung“. Den alten Namen hatte das Institut seit seiner Gründung 1992 geführt. „Den neuen Namen sehe ich als Meilenstein in der Entwicklung des Instituts an“, sagt die IRS-Direktorin Heiderose Kilper. „Er verweist auf die dynamische Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems, zu der wir durch die fortwährende Formulierung und Erschließung neuer Forschungsthemen und -gebiete beitragen.“ Aus einem praktisch ausgerichteten Institut, welches die räumliche Entwicklung und Planung der neuen Bundesländer in der Transformationszeit nach der Wiedervereinigung begleiten sollte, ist in den vergangenen 23 Jahren ein international ausgerichtetes Forschungsinstitut geworden, das die Raumkontexte und -bezüge sozialen Handelns erforscht. „Endlich steht auch drauf, was im IRS schon seit Jahren drin steckt“, so Kilper. Das Akronym IRS bleibt bestehen, der englische Name lautet zukünftig „Leibniz Institute for Research on Society and Space“. www.irs-net.de

Liste

In ihrem jährlichen Ökonomen­ ranking bewertet die Frankfurter Allgemeinen Zeitung die kombinierte Wirkung von Wirtschaftsforschern in Medien, Politik und Forschung. Wissenschaftler der Leibniz-­Gemeinschaft sind zahlreich und ganz vorne vertreten.

Hans-Werner Sinn: Wie im Vorjahr wieder ganz vorn: der Präsident des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München.

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Auf dem „Bronze-Rang“ landet Marcel Fratzscher, seit 2013 Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin.

Clemens Fuest leitet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und ist designierter Nachfolger von Hans-Werner Sinn am ifo Institut ab Frühjahr 2016.

4

Claudia Kemfert ist die einflussreichste Ökonomin Deutschlands und leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin.

10

Christoph Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“).

11

14

Ein Klimaforscher auf Rang 14: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Ludger Wößmann ist Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik am ifo-Institut in München.

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Ein Amerikaner blickt von der Kieler Förde auf die Weltwirtschaft: Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.

Gert Wagner ist Vorstandsmitglied am DIW Berlin und Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung und des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten.

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http://bit.ly/Oekonomen-Ranking_2015

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LEIBNIZ | LIFE Koordinierungsstelle für UNKonvention zur Biodiversität

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Die Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt eine unabhängige Koordinierungsstelle zur Einhaltung der Ziele des Nagoya-Protokolls, um die Umsetzung der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt sicherzustellen. Sie begrüßt das Bestreben nach international einheitlichen Regelungen zum Umgang mit genetischen Ressourcen ausdrücklich. Leibniz unterstützt, dass die jeweiligen Herkunftsländer an der Erforschung und Wertschöpfung aus den dort vorkommenden Organismen und genetischen Ressourcen beteiligt (Access and Benefit-Sharing, ABS) und damit die Ziele der Convention on Biological Diversity (CBD) und des Nagoya-Protokolls umgesetzt werden. Mit größter Sorge wird allerdings die Einbeziehung der gesamten öffentlich finanzierten, biologischen Grundlagenforschung in die Kategorie „Nutzer genetischer Ressourcen“ gesehen. Denn

es zeichnen sich erhebliche Mehrkosten für die Erfüllung der Verpflichtungen ab, die sich aus der Umsetzung der EU-Verordnung Nr. 511/2014 und aus der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls für die biowissenschaftliche Grundlagenerforschung ergeben. http://bit.ly/ Leibniz_Nagoya

87.000 Besucher auf dem Wissenschaftsschiff

Nach fünf Monaten, 40 Städten, 4.000 Kilometern und 87.000 Besuchern hat das Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“ Ende September seine diesjährige Tour durch Deutschland und Österreich beendet. Im Wissen­ schaftsjahr 2015 drehte sich an Bord alles um die Stadt von morgen mit aktueller Forschung zu Mobilität und Vernetzung, Energie und Klima, neuen Wohnformen oder soziale und wirtschaftliche Entwicklungen. Die von „Wissenschaft im Dialog“ konzipierte Ausstellung zeigte unter anderem Beiträge aus acht LeibnizInstituten.

Verlosung 3 Exemplare des Buches „Franz Josef Strauß: Herrscher und Rebell“ von Horst Möller (3 Buchvorstellung auf S. 55). Stichwort: „Strauß“

3 Exemplare des Buches „Die Herrscher der Welt: Wie Mikroben unser Leben bestimmen“ von Bernhard Kegel (3 Buchvorstellung auf S. 55). Stichwort: „Mikroben“

Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und Postanschrift per E-Mail an: verlosung@leibniz-gemeinschaft.de Einsendeschluss: 13. Dezember 2015 Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im nächsten Leibniz-Journal einverstanden.

Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 2/2015: Jeweils ein Exemplar des Buches „Ruder-,Sport‘ im ­Altertum. Facetten von Wettkampf, Spiel und Spektakel“ geht an: Willy Wuttke aus Esslingen, Dieter Reger aus Nürnberg, ­Nicolai Hauf aus Leipzig, Peter Meincke aus Hamburg sowie Ilona Fitzian-Wenzel aus Lage. Ein Exemplar des Begleitbandes zur Ausstellung im Deutschen Museum „Willkommen im Anthropozän. Unsere Verantwortung für die Zukunft der Erde“ erhalten: Adriana Marquardt aus Berlin, Uwe Bosselmann aus Eggenstein-Leopoldshafen sowie Stefanie Feuerstein aus ­Leipzig.

Arbeiten bei Leibniz Die 89 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beschäftigen 18.100 Mitarbeiter, darunter 3.000 Doktorandinnen und Doktoranden und zahlreiche Auszubildende.

Suchen Sie Ihre Zukunft unter

www.leibniz-gemeinschaft.de/stellenportal

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3/2015


LEIBNIZ | IMPRESSUM

Wissen direkt vom Erzeuger. 2/2015

Leibniz-Journal

Umwelt

Biophotonik

Byzanz

Forscherkarriere

Mut zur Dunkelheit

Mystisches Leuchten

Optische Bakterien-Killer Chance oder Ausbeutung?

Das l, Journa z i n b i Le l im vierma Jahr.

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Erhellend Licht strahlt überall in unserem Leben

4/2013

Leibniz-Journal

Feinstaub

Drohnen

Ägypten

Ausstellung

Wenn Luft krank macht

Recherchen bei den Muslimbrüdern

1/2014

„Saubere“ Kriege oder Kriegsverbrechen?

100 Jahre Jugendbewegung

Leibniz-Journal

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Big Data

Science 2.0

Goldrausch in Datenbergen?

Wissenschaft und Social Media

Kuba

Affengesellschaft

Bloggen für mehr Freiheit

Die Primatenforscherin Julia Fischer

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Luft anhalten. Wie kleinste Partikel größte Probleme bereiten

Der

vernetzte

Mensch G 49121

G 49121

G 49121

Wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert

Kostenloses Abo: abo@leibniz-gemeinschaft.de www.leibniz-gemeinschaft.de/journal

IMPRESSUM

Leibniz-Journal

Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft Matthias Kleiner Chausseestraße 111, 10115 Berlin Telefon: 030 / 20 60 49-0 Telefax: 030 / 20 60 49-55 www.leibniz-gemeinschaft.de

Redaktion: Christine Burtscheidt (Chefredakteurin), Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.), David Schelp, Lena Leisten, Nora Tyufekchieva (Grafik), Steffi Kopp (Assistenz). journal@leibniz-gemeinschaft.de Anzeigen: Axel Rückemann, anzeigen@leibniz-gemeinschaft.de Layout: Stephen Ruebsam, unicom-berlin.de

Druck: PRINTEC OFFSET – medienhaus, Kassel Nachdruck mit Quellenangabe gestattet, Beleg erbeten.

Auflage: 29.500 Ausgabe 3/2015: Oktober www.leibniz-gemeinschaft.de/journal Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich. Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos unter abo@leibniz-gemeinschaft.de abonniert werden. ISSN: 2192-7847 Leibniz twittert: twitter.com/#!/LeibnizWGL Leibniz ist auf Facebook: facebook.com/LeibnizGemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft — 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen: Die Leibniz-Gemeinschaft zählt 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirt3/2015

schaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Ihre Institute unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro. 53


NACHRICHTEN

hen c o W 0 1 e henend c o W taz.am uro E 0 1 r f端 bo testa

taz.de/

Mit ihren LeserInnen teilt die taz Informationen und Ideale. Die taz.am wochenende ist die taz f端r die freien Tage. Und f端r freie Gedanken.

taz.die solidarische Methode 54

3/2015


LEIBNIZ | LEKTÜRE

Bernhard Kegel: Die Herrscher der Welt: Wie Mikroben unser Leben bestimmen; 382 Seiten, DuMont Buchverlag, Köln 2015; 22,99 Euro ISBN: 978-3832197735

Horst Möller: Franz Josef Strauß: Herrscher und Rebell; 832 Seiten, PiperVerlag, München/Berlin 2015; 39,99 Euro

Abb: Dumont (2); Piper; Wallstein

ISBN: 978-3492056403

3/2015

Thomas Großmann: Fernsehen, Revolution und das Ende der DDR; 293 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2015; 34,90 Euro ISBN: 978-3-8353-1596-9 (2015)

Mikroben sind die eigentlichen „Herrscher der Welt“. Diese These formuliert Bernhard Kegel schon im Titel seines neuen Buchs. Dass Mikroorganismen mehr als Krankheitserreger sind und für unser Leben eine wichtige Rolle spielen, ist inzwischen allgemein bekannt, unterstützen sie doch unsere Verdauung, schulen unser Immunsystem und vieles mehr. Bernhard Kegel geht aber noch weiter: „Kein Lebewesen ist mit sich allein“, sagt er und konfrontiert uns damit, dass wir alle „Holobionten“ seien. Eine Art komplexer ­ Super-Organismus aus einem Wirt und allen mit ihm zusammenhängenden Mikroganismen, deren Interaktion viel

umfassender ist, als wir uns das vorstellen. Um das Prinzip des Holobionten zu erklären, widmet Kegel ein Kapitel den Steinkorallen, die ein Paradebeispiel für eine Symbiose mit Algen und Bakterien sind. Für seine Recherchen begleitete der promovierte Biologe Wissenschaftler des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie zur Meeresforschungsstation in Akaba (Jordanien). Dort nähert er sich nicht nur dem Prinzip Holobiont , sondern gewährt auch Einblicke in Herausforderungen und Alltag von Forschungsexpeditionen.

Franz Joseph Strauß – wem ist der Name dieses temperamentvollen, herausragenden wie skandalumwitterten Politikers kein Begriff? Als langjähriger Vorsitzender der CSU, als Atom-, Verteidigungs- und Finanzminister wie auch bayerischer Ministerpräsident prägte er mehr als 40 Jahre das politische Geschehen in Deutschland. Sein facetten­reiches Leben einzufangen, ist eine ­Herausforderung. Der Historiker Horst Möller, ehemaliger Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, hat sich ihr gestellt und zum 100. Geburtstag des Poli-

tikers eine umfassende Biographie verfasst. Im Gegensatz zu anderen Strauß-Biographien konnte er bei seinen Recherchen erstmals auf den schriftlichen Nachlass zurückgreifen, der 300 Regalmeter umfasst. So gelingt es dem Historiker, ein weitaus fundierteres Bild von Strauß zu vermitteln, als mit den Stereotypen konservativ, bayrisch und katholisch erfasst wäre. Neben Anschuldigungen und Klischees geht Möller auch auf den intellektuellen und vielschichtigen Charakter dieses Politikers ein, der aus der Geschichte der Bundesrepublik nicht wegzudenken ist. l en a l ei sten

Ist die „Revolution in der Glotze“ ein Mythos oder waren die Fernsehberichterstattungen Ende der 1980er Jahre tatsächlich Anstoß für den Fall der Mauer? Um diese Frage zu klären, erzählt Thomas Großmann in seiner Dissertation die Geschichte der friedlichen Revolution aus den Blickwinkeln der Tagesschau, der Aktuellen Kamera oder dem Heute Journal und analysiert die Reaktionen der DDR-Bürger auf Fernsehberichterstattungen aus Ost und West. Insbesondere stützt er seine Arbeit auf Ereignisse der Revolution, die ohne Medien gar nicht oder ganz anders stattgefunden hätten; darunter der symbolische Durchschnitt des Stacheldrahtzauns zwischen Ungarn und Österreich durch

die Außenminister der beiden Länder 1989. Um diese mediale Episode der Geschichte zu konstruieren, wurde der schon längst abge­ ­ baute Zaun wieder zusammengeflickt. In seiner Fernsehanalyse kann Großmann schließlich nachweisen, dass die Berichterstattungen im Fernsehen die Entwicklung und die Abläufe der Revolution nicht als stiller Zeuge begleitet, sondern immens beeinflusst haben. Als einzige Informationsquelle für viele DDR-Bürger schaffte das Fernsehen ein Krisenbewusstsein, verschärfte dies und dynamisierte so den Unmut mit und die Proteste gegen das SED-Regime, die schließlich die Mauer zum Einsturz brachten.

c h r i stoph h er bort - v on l oeper

Wir verlosen je­ weils drei Exemplare der Bücher „Die Herrscher der Welt“ und „Franz Josef Strauß – Herrscher und Rebell“ 3 S. 52

al ess a w en d l an d

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N L EA ICBHNRI Z I C |H TLEENU T E

Der Chemiker Dr. Florian Kloß vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung ­ und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut hat den diesjährigen Promotionspreis der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena für seine Arbeit am Wirkstoff Closthioamid erhalten. Dieser wird von dem Bakterium Clostridium cellulolyticum produziert, das im Erdboden heimisch ist. Damit ist

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Die Chemikerin Prof. Dr. Aránzazu del Campo Bécares ist seit September zweite wissenschaftliche Geschäftsführerin des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken. Gleichzeitig übernahm sie eine Professur für Materialsynthese an der Universität des Saarlandes. Am INM möchte sie Impulse für das Leitthema Medizinische Oberflächen setzen. Die gebürtige Spanierin interessiert sich für die Gewebestruktur, die Zellen miteinander verbindet. Dazu arbeitet sie an künstlichen, nachgebauten Modellsystemen, die nach dem Vorbild der Biologie funktionieren. Aránzazu del Campo studierte Chemie an der Universidad Complutense in Madrid

und promovierte hier 2000 am Instituto de CyT de Polímeros. Danach arbeitete sie als PostDoc am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und an der Universität Urbino (Italien). Zuletzt wirkte sie seit 2009 als Minerva-Forschungsgruppenleiterin am Max-PlanckInstitut für Polymer­ forschung und leitete dort die Forschungsgruppe Dynamic Bio­ interfaces. Del Campo wurde mehrfach für ihre wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet – unter anderem erhielt sie das Marie Curie Fellowship der Europäischen Kommission, das Minerva Fellowship der Max-Planck-Gesellschaft sowie den BMBF-Preis im Innovationswettbewerb Medizin-

Closthioamid der erste Naturstoff, der aus einem sauerstofffeindlichen Bakterium gewonnen wurde, und gehört zu einer völlig neuen Klasse. Der Wirkstoff weist einen ganz neuen Wirkmechanismus gegen andere Bakterien auf und wäre so beispielsweise in der Therapie gegen multiresistente Keime nutzbar. Florian Kloss gelang es unter anderem, den Naturstoff chemisch herzustellen und Teile seines Wirkmechanismus zu untersuchen. Prof. Dr. Sascha ­Steffen hat im September den Forschungsbereich „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und tritt ab Januar 2016 zusätzlich eine Professur an der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Universität Mannheim an.

Der Direktor der ZBWLeibniz-Informationszentrum Wirtschaft, Prof. Dr. Klaus Tochtermann, ist von der Europäischen Kommission als eins von zehn Mitgliedern der High Level Expert Group „European Open Science Cloud“

ernannt worden, die die Kommission hinsichtlich Forschungsdateninfrastrukturen strategisch beraten soll.

Prof. Dr. Susanne Renner, Direktorin der Botanischen Staatssammlung München, ist als neues Mitglied in den Senat der Leibniz-Gemeinschaft gewählt und gleichzeitig in den Senatsausschuss Evaluierung entsandt worden.

3/2015


Fotos: Anna Schroll/HKI; Uwe Bellhäuser/INM; Pepe Lange/ZBW; ZEW; Robert Haas/SZ Photo; FotoStube Hornig/DPZ; AIP; IfADo; privat

LEIBNIZ | LEUTE

3/2015

Die Veterinärmedizinerin und Physikerin Prof. Dr. Susann Boretius hat die Professur für Funktionelle Bildgebung an der Universität Göttingen angetreten, welche die Universität gemeinsam mit dem Deutschen Primatenzentrum – LeibnizInstitut für Primatenforschung (DPZ) neu eingerichtet hat. Boretius hat auch die Leitung der neuen Abteilung Funktionelle Bildgebung in der Sektion Neurowissenschaften des DPZ übernommen. In der Abteilung sollen die Strukturen und Funktionsweisen des Primatengehirns mit Hilfe magnetresonanztomografischer Bildgebung erforscht werden. Susann Boretius forschte am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und war seit 2011 Professorin für Biomedizinische Bildgebung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Matthias Winker ist neuer administrativer Vorstand des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam. Matthias Winker studierte Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Dresden und Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Donau-Universität Krems in Österreich. Nach diversen Leitungsfunktionen an der TU Dresden im wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich war er zuletzt im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im Büro des Staatssekretärs tätig. Hier übernahm er Verantwortung in den Bereichen Strategieentwicklung, Europäische- und Internationale Angelegenheiten.

Der Neurologe Prof. Dr. ­Michael Nitsche wird am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) den Forschungsbereich „Psychologie und Neurowissenschaften“ aufbauen. Mittels Hirnstimulation will er das Wissen über Aufbau, Funktion und Interaktion bestimmter Gehirnareale vertiefen; unter anderem forscht er an möglichen Therapien für Schlaganfallpatienten. Michael Nitsche studierte Psychologie und Me-

dizin in Göttingen und arbeitete anschließend als Arzt in der Klinik für Klinische Neurophysiologie in Göttingen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Epileptologie, Neuroplastizität, Neuropsychopharmakologie, kognitive Neurologie und nichtinvasive Hirnstimulation. 2006 erhielt Nitsche die Lehrberechtigung für das Fach Neurologie. Am IfADo tritt Nitsche die Nachfolge von Prof. Dr. Herbert Heuer an, der im Jahr 2014 emeritierte.

Prof. Dr. Ulrike Haug hat im September die Professur für Klinische Epidemiologie und Pharmakoepidemiologie an der Universität Bremen übernommen, die mit der Leitung der Abteilung „Klinische Epidemiologie“ am Leibniz-Institut für Präventionsforschung - BIPS verbunden ist. Nach ihrem Pharmazie-Studium in Würzburg promovierte Haug am Deutschen Zentrum für Alternsforschung an der Univer-

sität Heidelberg. Im Anschluss forschte sie am Deutschen Krebsforschungszentrum und habilitierte sich im Jahr 2013 im Fach Epidemiologie. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt von Ulrike Haug ist die Darmkrebsfrüherkennung. Zukünftig wird sie aber auch den Forschungsschwerpunkt der Abteilung, die Arzneimittelanwendung und –sicherheit (Pharmakoepidemiologie) in den Fokus nehmen.

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LEIBNIZ | LEUTE

Prof. Dr. Alexandra M. Freund, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Zürich, forscht seit September 2015 für ein Jahr am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen (DPZ). Ermöglicht wird der Aufenthalt durch den Forschungspreis der Alexander von HumboldtStiftung, der es ausländischen Wissenschaftlern ermöglicht,

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Prof. Dr. Harald Müller (Foto) hat zum 30. September 2015 nach fast 20 Jahren das Amt als geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedensund Konfliktforschung (HSFK) an Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf übergeben, der bisher stellvertretendes geschäftsführendes Vorstandsmitglied war. Harald Müller trat bereits nach seinem Studium an der Goethe-Universität Frankfurt im Jahr 1976 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die HSFK ein und übernahm deren Leitung im Januar 1996.

ein Forschungsvorhaben ihrer Wahl mit deutschen Fachkollegen durchzuführen. In der Abteilung Kognitive Ethologie des DPZ will Alexandra Freund nun gemeinsam mit der Verhaltensforscherin Julia Fischer die altersabhängige Ausprägung sozialer Beziehungen bei Affen untersuchen. Alexandra M. Freund ist seit 2005 als PsychologieProfessorin an der Universität Zürich tätig.

In seine Amtszeit fiel unter anderem die Aufnahme der HSFK in die Leibniz-Gemeinschaft. Für ein weiteres Jahr bleibt Harald Müller Leiter des Programmbereichs „Sicherheits- und Weltordnungspolitik von Staaten“ und Mitglied des Vorstands. Klaus Dieter Wolf ist seit 1992 Professor für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt und seit 2005 an der HSFK, wo er den Programmbereich „Private Akteure im transnationalen Raum“ leitet.

gangstheorie, das Konzept des friedlichen Machtübergangs und der weltpolitische Aufstieg Indiens“ einen der mit 4.000 Euro dotierten Preise der Stiftung Überlebensrecht erhalten.

Prof. Dr. Marcus Altfeld, Leiter der Abteilung Virusimmunologie am Heinrich­Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg, hat für seine Forschung zum angeborenen und adaptiven Immunsystem bei einer HIVInfektion den mit 15.000 Euro dotierten Heinz-Ansmann-Preis für AIDS-Forschung erhalten. Dieser gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen in der AIDS-Forschung im deutschsprachigen Raum.

Die Biologin Prof. Dr. Julia Fischer, Abteilungsleiterin am Deutschen

Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen, ist für das Fach Zoologie in den Senat der Deutschen Forschungs­ gemeinschaft gewählt worden. Der Senat berät und beschließt als zentrales wissenschaftliches Gremium über alle Angelegenheiten der DFG von wesentlicher Bedeutung. Dr. Maren Carstensen-Kirberg, Nachwuchswissenschaftlerin am Deutschen Diabetes-Zentrum ‑ Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung in Düsseldorf, ist mit dem MTZaward 2015 der Heinrich-HeineUniversität ausgezeichnet worden. Sie beschäftigt sich mit der Identifikation neuer Entzündungs-

proteine, die bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen und ein verändertes Diabetesrisiko anzeigen.

3/2015

Fotos: privat; HSFK (2); HPI; DPZ; DDZ

Dr. Carsten Rauch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, hat für seine Dissertation zum Thema ­„On Peaceful Power Transition – Die Machtüber-


Aus dem Hause

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