UM!SCHAU April 2021

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April 2021

KÖNIG LEAR

Kein Paradies ohne Höllenritt Eine gewaltige Veränderung ist im Gange – jedenfalls im Hause Lear. Der König gibt die Macht an seine Töchter ab. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille: Seinen Töchtern Regan und Goneril nämlich geht es ums grosse Ganze, um die vollständige Überwindung patriarchaler Strukturen. Dafür nutzen sie alle Möglichkeiten und gehen auch seltsame Bündnisse ein.

König Lear nach Shakespeare mit Christian Hettkamp als Lear und dessen Töchtern Regan (Pascale Pfeuti) und Goneril (Tabea Buser).

König Lear ist des Regierens müde und läutet, mit seinem Alter kokettierend, die grosse Veränderung ein, um fortan nur noch sein Leben zu geniessen. «Die Zeit ist reif, und ich will loslassen können», sagt er. Lear hat beschlossen, sein Reich unter seinen drei Töchtern Goneril, Cordelia und Regan aufzuteilen. Doch ausgerechnet seine Lieblingstochter Cordelia, die ihren Vater aufrichtig liebt, verweigert den von ihm erzwungenen, öffentlichen Liebesbeweis. Prompt wird sie enterbt und verbannt. Lears getreuen Strippen­ zieher Kent ereilt das gleiche Schicksal, weil er sich gegen seinen impulsiven und narzisstischen König auflehnt. Ein Pau­ kenschlag, mit dem niemand gerechnet hätte – der aber Goneril und Regan in die Karten spielt. Denn die beiden

Schwestern planen schon lange, die Verhältnisse umzustürzen … Köpfe können rollen Die Welt ist auch in diesem Königs­ drama von Shakespeare «aus den Fugen», die Beziehungen sind extrem labil, das Vertrauen selbst innerhalb einer Fami­ lie fragil. Lears treuer Berater Kent dient sich ihm als Narr an und begleitet seinen König durch alle Wirren. Die Königstöchter Regan und Goneril läuten den Aufbruch in eine geschlechter­ gerechte Welt ein, wenden dabei und da­ für allerdings brutale Gewalt an: «Kein Paradies ohne Höllenritt.» Shakespeares düstere Tragödie um Macht und Wandel, Herrschaft und Intrige hat Thomas Melle, Autor des in St.Gallen

zur Schweizer Erstaufführung gebrach­ ten Dramas Versetzung, für die Münch­ ner Kammerspiele neu übersetzt und bearbeitet. Sein Lear ist nicht der greise Herrscher, den Shakespeare einer Sage aus dem 12. Jahrhundert entlehnt hatte, sein Lear ist ganz heutig dann verwund­ bar, wenn man ihm die Bestätigung verweigert und die Follower nimmt. Er lebt in seiner eigenen Realität, die vor allem von der virtuellen Welt geprägt ist und ihn den Kontakt zur Wirklich­ keit zunehmend verlieren lässt. In den Augen seiner Töchter ist er ein Vertreter des Patriarchats, selbst wenn ihm das gar nicht bewusst ist. An seiner Seite ist im Original der aus dem Nichts aufgetauchte Narr, der bei Melle der verkleidete Kent ist. Gloucester ist in dieser Bearbeitung im Unterschied zum Original eine Frau, und auch auf der Handlungsebene hat Melle einige über­ raschende Veränderungen vorgenom­ men, die Shakespeares Klassiker nicht nur sprachlich ins Heute holen. Die Inszenierung liegt in den Händen von Christina Rast, die in der Spielzeit 2017/2018 Friedrich Glausers Roman Matto regiert bildgewaltig und atmosphä­ risch dicht auf die Bühne des Grossen Hauses gebracht hat und in dieser Spiel­ zeit die Uraufführung von Ivna Žics Die Gastfremden inszenierte. Gemein­ sam mit ihrer Schwester Franziska Rast zeichnet sie eine groteske Welt, in der Shakespeares Figuren fast schon paranoid miteinander ringen um die richtigen Mittel des Machtwechsels. Für die Musik ist Gina Été verantwortlich, die zugleich Cordelia, Lears älteste (im Original jüngste) Tochter verkörpert. (ab)

König Lear Schauspiel nach William Shakespeare in einer Fassung von Thomas Melle Premiere Dienstag, 20. April 2021 19.30 Uhr, UM!BAU Leitung Inszenierung: Christina Rast Ausstattung: Franziska Rast Licht: Andreas Enzler Musik: Gina Été Video: Julia Laggner Dramaturgie: Armin Breidenbach Besetzung Lear: Christian Hettkamp Gloucester: Birgit Bücker Cordelia: Gina Été Regan: Pascale Pfeuti Goneril: Tabea Buser Edmund: Tobias Graupner Edgar: Frederik Rauscher Kent/Narr: Martina Momo Kunz Oswald: Anja Tobler Weitere Vorstellungen So 2. Mai 2021, 17 Uhr So 9. Mai 2021, 19 Uhr Mo 17. Mai 2021, 19.30 Uhr Di, 18. Mai 2021, 19.30 Uhr Mi 19. Mai 2021, 19.30 Uhr Do 20. Mai 2021, 19.30 Uhr


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TANZ

Tanzklassiker im Twist

CINDERELLA

Mit Cinderella von Sergei Prokofjew in einer neuen Interpretation von Kinsun Chan ist ein amüsanter, farbenfroher und märchenhafter Abend entstanden: Diese Version des beliebten Aschenputtel-Märchens kreist um das Thema Sehnsucht und Hoffnung und lässt die altbe­ kannten Charaktere in den 1950er-Jahren zum Leben erwachen. Zum ersten Mal ist die Tanz­ kompanie des Theaters St.Gallen auf der Bühne des UM!BAU zu erleben.

Naiara Silva de Matos, Swane Küpper

Cinderella Bérénice Durozey, Emily Pak, Lorian Mader und Ensemble

Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan Premiere Freitag, 23. April 2021 19.30 Uhr, UM!BAU Leitung Musikalische Leitung: Modestas Pitrenas Choreografie: Kinsun Chan Bühne: Anja Jungheinrich, Kinsun Chan Kostüm: Maor Zabar Licht: Christian Kass Dramaturgie: Caroline Damaschke Tanz Pamela Campos, Guang-Xuan Chen, Bérénice Durozey, Dustin Eliot, Charlott Fischer-Wachsmann, Steven Forster, Swane Küpper, Mei-Yun Lu, Lorian Mader, Naiara Silva de Matos, Lena Obluska, Florent Operto, Emily Pak, Alessio Russo, Piran Scott, Minghao Zhao Sinfonieorchester St.Gallen

Piran Scott, Emily Pak, Swane Küpper, Lena Obluska, Florent Operto, Minghao Zhao

Weitere Vorstellungen Sa 24. April 2021, 19 Uhr So 25. April 2021, 17 Uhr Sa 1. Mai 2021, 19 Uhr Mo 10. Mai 2021, 19.30 Uhr Di 11. Mai 2021, 19.30 Uh Do 13. Mai 2021, 19.30 Uhr Fr 14. Mai 2021, 19.30 Uhr Sa 15. Mai 2021, 19 Uhr Sa 22. Mai 2021, 19 Uhr


S C HAU S P I E L   /   KO N Z ER T

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Musik nicht nur für, sondern endlich auch wieder mit Publikum Augenzwinkernder Blick auf Die Orestie (revisited): Schauspielensemble in der LOK.

DIE Die etwas andere Antike ORESTIE in der LOK (REVI SITED) Mit den Lockerungen kommt auch end­ lich eine Inszenierung auf die Bühne der Lokremise, die vor dem ersten Lockdown im März 2020 gerade einmal zwei Wochen geprobt werden konnte: Die Orestie (revisited) nach der Tragödien-Tri­ logie des Aischylos. Regisseur Martin Pfaff erzählt mit seinem Ensemble die älteste Tragödien-Trilogie der Welt aus­ gehend von einer zentralen Frage: «Wie wollen wir leben?» – und was hat uns ein Klassiker der griechischen Antike zu sagen, wenn wir uns heute diese Frage ernsthaft stellen? War Die Orestie (revisited) ursprüng­ lich für die grosse Bühne des Theaters geplant, als eine der letzten Inszenie­ rungen vor der Sanierung, zeigen wir sie nun in der Lokremise, in einem ver­ gleichsweise intimen Rahmen. Für Pfaff hat sich seine Herangehensweise sogar noch verstärkt: «Der feierliche EchoRaum des Grossen Hauses wird jetzt eingetauscht gegen die Intimität der LOK. Die Vorteile des Raumwechsels be­ stehen darin, dass ich einen oft auch au­ genzwinkernden, selbstironischen Blick auf Die Orestie habe. Das ist natürlich im LOK-Kontext der modernen Dramatik gut aufgehoben.»

Auf theatersg.ch finden Sie einen klei­ nen Videoblog zur Inszenierung, der noch um einige Interviews mit Regis­ seur Martin Pfaff ergänzt wird. (ab)

Die Orestie (revisited) Tragödie frei nach Aischylos Premiere Dienstag, 27. April 2021 20 Uhr, Lokremise Leitung Inszenierung: Martin Pfaff Ausstattung: Mathias Rümmler Musik: Stefan Pinkernell Dramaturgie: Armin Breidenbach Licht: Rolf Irmer Spiel Matthias Albold, Diana Dengler, Catriona Guggenbühl, Anja Tobler, Oliver Losehand, Bruno Riedl, Marcus Schäfer Weitere Vorstellungen Mi 28. April 2021, 20 Uhr Fr 30. April 2021, 20 Uhr Sa 1. Mai 2021, 20 Uhr Do 6. Mai 2021, 20 Uhr Fr 7. Mai 2021, 20 Uhr Mi 12. Mai 2021, 20 Uhr Do 13. Mai 2021, 20 Uhr

MAI KLÄNGE

Die erste Mai-Hälfte hält für das Konzertpublikum Musik für junge Ohren sowie Kammermusik in der Interpretation eines Streichquartetts aus den eigenen Reihen bereit. In der zweiten Hälfte folgt ein dichtes Programm mit Meister­ zyklus- und Tonhallekonzerten.

Die Freude über die langersehnte Öff­ nung von Theater und Tonhalle St. Gal­ len möchten wir nicht zuletzt auch spe­ ziell mit unserem jüngeren Publikum teilen. Den Auftakt zum Mai-Programm macht das Familienkonzert Peter und der Wolf sowie zwei Schulkonzerte mit demselben Programm. Denn Sergei Prokofjews Klassiker ist eines der besten musikalischen Märchen für Kinder, das je geschrieben wurde. Mit ihm haben bereits Generationen von Kindern (und mindestens ebenso viele Erwachsene!) eine lust- und klangvolle Lektion in Instrumentenkunde erlebt und dabei, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, die vereinnahmende Kraft von (Orchester-)Musik gespürt. Von der Genialität der Mischung aus pädagogi­ schem Einfühlungsvermögen und ex­ zellentem Kompositionshandwerk hat das Stück bis heute nichts eingebüsst. Im Mittelpunkt des Märchens steht der kleine Peter, der eines schönen Tages das Gartentor öffnet und hinaustritt auf die grosse Wiese. Dort passiert aller­ hand: Die Katze schleicht sich an, der Vogel kann sich gerade noch retten! Als der Grossvater auftaucht, schimpft er

fürchterlich und nimmt Peter wieder mit in den Garten. Und dann kommt der Wolf … Wie die Geschichte ausgeht, ob der Wolf am Ende besiegt wird und wo die Ente nach all dem Trubel eigentlich steckt, das erzählt Pamela Dürr in einer packenden Mundartversion. Schuberts Gänsehaut-Quartett In der Kammermusikreihe «Sonntags um 5» mit Mitgliedern unseres Sinfo­ nieorchesters kommt man am 9. Mai in den Genuss eines ergreifenden Streich­ quartettes aus der frühen deutschen Romantik. «Vorüber! Ach Vorüber! Geh, wilder Knochenmann!», heisst es im Ge­ dicht von Matthias Claudius, das Franz Schubert 1817 als Lied vertonte. Der schauerliche Schrecken, den Schubert darin in Töne zu fassen wusste, ergreift die Zuhörenden auch ohne Worte im langsamen Satz des Streichquartetts d-Moll 810 Der Tod und das Mädchen, in den Schubert sein Lied eingehen liess. In der ersten Hälfte des Programms präsentieren die vier Musiker mit Béla Bartóks 2. Streichquartett ein weiteres Werk von grosser Intensität. (ff)

Peter und der Wolf

Der Tod und das Mädchen

Familienkonzert [6+]

Sonntags um 5

Sonntag, 2. Mai 2021, 10.30 Uhr, Tonhalle

Sonntag, 9. Mai 2021, 17 Uhr, Tonhalle

Schulkonzert Freitag, 30. April 2021, 10.30 Uhr, Tonhalle Donnerstag, 6. Mai 2021, 10.30 Uhr, Tonhalle

Piotr Baik, Violine Christian Müller, Violine Ricardo Gaspar, Viola Anna Tyka Nyffenegger, Violoncello

Michael Balke, Leitung Pamela Dürr, Moderation Sergei Prokofjew, Peter und der Wolf

Béla Bartók, Streichquartett Nr. 2 Sz 67 Franz Schubert, Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810 Der Tod und das Mädchen


VE RA N S TA LTU N G S K A L E N D E R   /   DA N K

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SPIELPLAN April

Mai

Di 20 PREMIERE König Lear Schauspiel nach William Shakespeare in einer Fassung von Thomas Melle 19.30 – 22 Uhr, UM!BAU

Sa 01 Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19 – 21 Uhr, UM!BAU

So 09 KONZERT Der Tod und das Mädchen Sonntags um 5 17 Uhr, Tonhalle

Fr 23 PREMIERE Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19.30 – 21.30 Uhr, UM!BAU Sa 24 Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19 – 21 Uhr, UM!BAU So 25 Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 17 - 19 Uhr, UM!BAU

Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

So 02 KONZERT Peter und der Wolf Familienkonzert 10.30 Uhr, Tonhalle

TraumAlpTraum Zwei Tanzstücke von Dimo Kirilov und Ihsan Rustem 20 Uhr, LOK

Mo 10 Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19.30 – 21.30 Uhr, UM!BAU

König Lear Schauspiel nach William Shakespeare in einer Fassung von Thomas Melle 17 – 19.30 Uhr, UM!BAU

Mi 05 PREMIERE TraumAlpTraum Zwei Tanzstücke von Dimo Kirilov und Ihsan Rustem 20 Uhr, LOK

Di 27 PREMIERE Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Do 06 Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Mi 28 Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Fr 07 Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Fr 30 Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

König Lear Schauspiel nach William Shakespeare in einer Fassung von Thomas Melle 19 – 21.30 Uhr, UM!BAU

Sa 08 PREMIERE Florencia en el Amazonas Oper von Daniel Catán 19 Uhr, UM!BAU

Di 11

Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19.30 – 21.30 Uhr, UM!BAU

Mi 12 Florencia en el Amazonas Oper von Daniel Catán 19.30 Uhr, UM!BAU

Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Do 13 Cinderella Tanzstück von Sergei Prokofjew und Kinsun Chan 19.30 – 21.30 Uhr, UM!BAU

Die Orestie (revisited) Tragödie von Aischylos in einer Fassung von Martin Pfaff 20 – 21.30 Uhr, LOK

Produktionsunterstützungen

DANKE König Lear

Cinderella

Müller-LehmannFonds

Peter und der Wolf

I MP R E S S U M Herausgeber Theater St. Gallen  Sinfonie­orchester St.  Gallen Produktion Ostschweiz Druck AG, 9300 Wittenbach Auflage 3500 Stück / 28. Jahrgang ISSN 2673-5989 (Print) ISSN 2673-5997 (online) Bitte richten Sie Ihre Adress­ änderungen an info@theatersg.ch oder 071 242 05 05


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