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LEBENSFÄDEN

Don Luis mit zum Trocknen ausgebreiteten Kaffeekirschen

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ANTHROPOSOPHIE IM DIALOG

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Ökologischer und sozialer Kaf feeanbau in Südamerika

Kaffee ohne Gift-Cocktails Bio-Kaffee liegt im Trend, hat es aber gegenüber den Dumpingpreisen des Weltmarktes schwer. Unser Autor besuchte im kolumbianischen Bergwald der Anden Kaffeebauern, die jetzt mit „Café de Finca“ einen besonders hochwertigen Öko-Kaffee etablieren wollen.

TEXT UND FOTOS: THOMAS WILDGRUBER

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uf gewundenen Wegen durch das fruchtbare Bergland Kolumbiens im Department Antioquia bin ich zusammen mit Johannes Wagenknecht auf dem Weg zur Finca Cocondo. In den kleinen Dörfern leben die Bauern von der Subsistenzwirtschaft und von der Arbeit in den Minen. Unser Ziel ist eine ganz besondere Kaffee-Finca – es ist die einzige nach EUVerordnung zertifi zierte unter den 93.000 Kaffeebauern in dieser Gegend. Kolumbien war einmal nach Brasilien der weltgrößte KaffeeProduzent. Doch vor allem der sinkende Weltmarktpreis hat weite Flächen dieses für die Kaffee-Pflanze idealen Berglands in ödes Weideland verwandelt. Fleisch und Milch versprachen schnellere Erträge; das Vieh weidet heute ganzjährig in den tropischen Höhenlagen und bedarf keiner Ställe und Winterfutter. Die Fincas der Großgrundbesitzer erkennt man schon an der Anlage: Dort, wo sie Kaffee anbauen, stehen die Pflanzen nach dem Kahlschlag in linearen Reihen in Monokultur. Das bringt massigen Ertrag und jede Menge Umweltschäden: Herbizide, Fungizide, Pestizide verhindern jedes unerwünschte Kräutlein und Krankheiten, denn die Pflanzen leiden unter der gnadenlosen tropischen Sonne und unter dem ausgelaugten Boden, der nach Kunstdünger hungert. Maschinen pflügen, schneiden und ernten, die Produktionskosten sinken und halten so dem Preisdruck des Weltmarktes stand. Jede Tasse Kaffee ein kleiner Gift-Cocktail. MEHRWERT DURCH ÖKO-ANBAU Kaffee-Pflanzen sind Schattenpflanzen und gedeihen am besten unter dem Blätterdach des lichten Waldes hier auf der zentralen Kordillere der kolumbianischen Anden in Höhen von 1000 bis 2000 Metern. Die Cocondo liegt an einem steil zum Rio Cauca abfallenden Höhenrücken. Wir kommen jetzt nur noch zu Fuß

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weiter und steigen ab durch den Bergwald mit seiner reichen Vielfalt von Pflanzen, Vögeln und Insekten. Kaum wahrnehmbar unter diesem Blätterdach wachsen die Kaffeebüsche mit ihren noch grünen Kirschen. Auf diesem Weg erzählt mir der aus Österreich stammende Ingenieur Johannes Wagenknecht, der vor drei Jahren nach Kolumbien zog, von seinem Anliegen. Er suchte Kontakt zu Kaffeebauern, die ökologisch produzieren: „Wir besuchten die Fincas und führten ausführliche Gespräche mit den Kaffeebauern und ihren Leuten. Ich wollte nur Kaffee fördern, bei dem neben der Qualitätsbeurteilung durch Kaffee-Experten auch die soziale Qualität stimmt, das heißt, wo der Kaffee con amor, also mit Liebe gepflegt, gepflückt und verarbeitet wird und wo der Kaffeebauer seine Pflücker gut bezahlt und anständig behandelt. So fand ich drei Fincas“, sagt Wagenknecht. Er erzählt von Don Luis, dem Besitzer der Cocondo, der zunächst meinte, wirtschaftlich zahle sich ökologischer Kaffee-Anbau nicht aus. In seinem Bekanntenkreis hätten mehrere Kaffeebauern versucht, auf Bio umzustellen, aber aufgegeben. Er, Don Luis, habe den Vorteil, dass er Arzt sei und sich seine Liebe zur Natur und zu gutem Kaffee auch leisten könne. Nun kommt Johannes Wagenknecht ins Schwärmen: „Don Luis stellt sich bewusst gegen den Weltmarkttrend des billigen Kaffees. Er scheut keinen Aufwand, vorzüglichen Kaffee zu produzieren und dabei die Natur zu schonen. Seine Finca-Mischung der Arabica-Sorten Castillo, Colombia, TABI und Bourbon überzeugt durch klaren, frischen Geschmack mit ausgeprägter Süße. Eine deutliche Honignote ergänzt das satte Kaffee-Aroma. Ein vorzüglicher Kaffee für Menschen, die Kaffee am liebsten ohne Zucker genießen. Als Markenname habe ich das Wort „kanwan“ gewählt. Das kommt aus der indigenen kichwa-Sprache und bedeutet: mit dir.“

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„Die Idee von ,Café de Finca‘: Kaffee, dessen so wie bei gutem Wein.“

QUALITÄT AUS FINCA-LAGEN

THOMAS WILDGRUBER ist Waldorfl ehrer und in Lateinamerika unterwegs mit Schulberatungen und Fortbildungen in Methodik und Kunstdidaktik.

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Das Besondere an Wagenknechts Anliegen, ökologisch angebauten Kaffee in Europa zugänglich zu machen, ist „Café de Finca“, dessen Ursprung und Lage genau bestimmt ist, so wie bei gutem Wein: „Café de Finca heißt in Kolumbien ein Kaffee, der von einem einzigen Bauernhof kommt und nicht mit Bohnen anderer Fincas vermischt wird. Das ist in Europa noch die Ausnahme. Hier bestimmen eine Handvoll Broker und Großhändler, was den Konsumenten geboten wird. Für die höhere Qualität würde der Bauer natürlich gern einen besseren Preis erzielen. Auf dem normalen Vertriebsweg gelingt das aber nicht, weil der internationale Kaffeehandel für Massenkaffee ausgelegt ist. Nun verkaufen wir den besonders guten Teil seiner Ernte zu einem Preis, der mindestens 0,7 US$ je Pound über dem Preis für Standardkaffee liegt. Zum Vergleich: die Fairtrade-Prämie beträgt 0,2 US$ je Pound (was 0,45 Kilo entspricht). So kann der Bauer einen Zusatzerlös erwirtschaften und zumindest einen Teil seines Einkommens selbst bestimmen – unabhängig vom Weltmarktpreis. Damit ist auch ein Anreiz zu ständiger Qualitätsverbesserung geschaffen, und das ist beabsichtigt.“ Die lagenreinen Cafés de Finca für KANWAN werden im nahe gelegenen Medellín bald nach der Ernte geschält und exakt nach den Vorgaben sorgsam in traditionellen Trommel-Verfahren geröstet und aromaversiegelt verpackt . Einerseits geschieht das, um möglichst viel Geschmack und Aroma des Terroirs einzufangen. „Ich will aber auch möglichst viel Wertschöpfung und fair bezahlte Arbeit im Anbauland schaffen“, erklärt Wagenknecht. „Normalerweise wird Kaffee im Erzeugerland geschält, als grüner Kaffee exportiert und im Verbraucherland gelagert. Auf dem Seetransport muss er in Containern und in den Lagerhallen durch Fungizide und Gas vor dem Schimmeln bewahrt werden.“ Auf dem Weg durch den Wald sehen wir immer wieder zwischen den Kaffeesträuchern rote, ineinander gestapelte Plastikbecher an Bäumen hängen. Auf meine Frage hin zeigt mir mein Begleiter eine von der Broca, dem Kaffeekirschenkäfer, angestochene Kirsche. Gegen diesen Schädling gehen die Cafeteros mit Alkoholfallen vor. Jorge, der Vorarbeiter der Finca, erklärt, dass sie regelmäßig kontrolliert und aufgezeichnet werden; er und seine Kollegen müssen noch viele davon basteln, damit am Ende

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FERIEN

Formen und Begreifen – Das plastische Porträt 07.10.16 – 09.10.16 Studienvorbereitung – Mappenkurs 24.10.16 – 24.03.17 Das Bild des Menschen – Aktzeichnung heute 28.10.16 – 30.10.16 Porträt total – Grundlagen des Porträtzeichnens 28.10.16 – 30.10.16

Ursprung und Lage genau bestimmt ist,

Das Spiel mit dem Zufall – Collage und Assemblage 04.11.16 – 06.11.16 Point Zero Painting – Intuitives Malen 04.11.16 – 06.11.16 Das Bild im Kopf – Der fotografische Essay 18.11.16 – 20.11.16 Experimentelle Bildhauerei – Intensivkurs 09.12.16 – 23.04.17 Stimme, Sprechen und Präsentation – Zertifikatskurs 13.01.17 – 24.06.17

im Kaffee-Areal von ca. 20 Hektar an die 1.000 Fallen hängen. Gifte werden nicht verwendet und gedüngt wird nur mit dem Kompost der Fruchtschalen. Die Würmer machen in der Feuchte und Wärme des Klimas schnelle Arbeit. In Säcken tragen dann die Arbeiter diesen Dünger zu den Pflanzen. Alles ist Handarbeit, bis die geschälten, getrockneten und von der Pergamenthaut befreiten Bohnen endlich verpackt und in Säcken mit dem Bio-Siegel ECOCERT zur Weiterverarbeitung transportiert werden können. Der weitere Weg bis zu den Kunden ist ein recht individueller. Johannes Wagenknecht schickt den Kaffee nach Österreich, wo die Tochter die Pakete lagert und weiterverschickt an Bioläden, Cafés und Privatkunden. Die Massenproduktion von Kaffee, zu drei Vierteln abgewickelt von nur neun global agierenden Handelshäusern, beschert weltweit den Konsumenten niedrige Preise, in Deutschland etwa für fünf Euro das Pfund. Eine andere Sache ist Spezialitätenkaffee, dessen Herkunft und Qualität bis auf die einzelne Lage zurückzuverfolgen ist. Don Luis hat es in knapp 20 Jahren geschafft. Er hat mehrere Kunden in Europa, die etwa doppelt so viel zahlen wie für einen Standardkaffee. Hätte ich nichts gewusst von den Kaffeepflanzen, wäre mir der Wald, durch den ich ging, wie unberührte Natur erschienen. Ist mir das den Preis für diesen Kaffee wert? Nun, ich könnte den bisher nur wenigen Öko-Kaffeebauern in diesem nicht nur ökologisch geschundenen Land Kolumbien ein wenig helfen, indem ich den Mut der wenigen Cafeteros unkonventionelle Wege zu gehen belohne. Sie tun es noch nicht des Profites wegen, sie tun es aus Sorge und Liebe für ihre Erde. /// Ein Pfund Café de Finca kostet zwischen zehn und 13 Euro und kann bestellt werden bei www.kanwan.at/shop Fundierte Einblicke in den industriellen Kaff ee-Anbau liefert auch die NDR-Dokumentation: Bittere Ernte – der Preis des billigen Kaff ees

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