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OnlinePressespiegel 2014 Rechtsextremismus in Baden-Württemberg

herausgegeben vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg – Landeskoordinierungsstelle Jugendstiftung Baden-Württemberg


Erläuterung Der hier vorgelegte Pressespiegel stellt eine Auswahl an Artikeln (tlw. gekürzt) dar, die im letzten Jahr in OnlineZeitungs-Medien, teilweise auch in Printmedien zum Thema Rechtsextremismus erschienen sind bzw. im weiteren Sinne zum Thema Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Verbindung stehen. Die Aufmerksamkeit gilt in erster Linie denjenigen in den Medien gespiegelten Vorkommnissen, die in Baden-Württemberg auftraten oder einen direkten Bezug ins Bundesland haben. Die Berichterstattung zum NSU-Prozess wurde weitgehend ausgeklammet. Für eine bessere Lesbarkeit wurde eine einheitliche Schrift gewählt. Den gewählten Farben kommt folgende Bedeutung zu:

schwarz = Artikelbezug Baden-Württemberg blau = Bundesgebiet, allgemeine Bedeutung

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Auswahl, Redaktion, Layout: Angelika Vogt

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Herausgeber: Demokratiezentrum – Landeskoordinierungsstelle Jugendstiftung Baden-Württemberg Postfach 1162 74370 Sersheim Tel.: (0 70 42) 83 17-0 Fax: (0 70 42) 83 17-40 beratungsnetzwerk@jugendstiftung.de www.jugendstiftung.de www.kompetentvorort.de

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in Kooperation mit

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Januar Langenauer Aktionstage: NSU-Prozess im Fokus Seit Jahren engagiert sich die Stadt Langenau gegen Rechtsextremismus und für Toleranz. Am Montag beginnen wieder Aktionstage mit hochkarätigen Veranstaltungen. Im Fokus: der NSU-Prozess in München. „Ich finde es gut, dass die Aktionstage diesmal einen aktuellen Bezug haben. Das spricht die Schüler an, weil sie den NSU selbst aus den Medien kennen.“ Lorenz Mäck ist Schülersprecher des Robert-Bosch-Gymnasiums und hat die Aktionstage „Farbe bekennen für Toleranz und Menschlichkeit - gegen Rassismus und Gewalt“ mitorganisiert, die am Montag in Langenau beginnen. Gemeinsam mit den Schülervertretungen der drei anderen weiterführenden Schulen in Langenau. Ebenfalls beteiligt sind der Initiativkreis 8. Mai und dessen umtriebiger Vorsitzender Wilmar Jakober, die evangelische Kirchengemeinde, die vh Ulm-Langenau und die Initiative Körperbehinderte „Auf Augenhöhe“. Dieses Jahr steht der NSU-Prozess im Fokus, der seit Mai 2013 in München läuft: Ein aktueller Bezug, der nicht nur die Langenauer Schüler interessieren dürfte, sondern auch viele Bürger (siehe Info-Kasten). Denn mit den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) von 2002 bis 2007 hat sich gezeigt, dass auch in der Gegenwart Verbrechen im Namen einer menschenverachtenden rechten Ideologie geschehen. In der Wanderausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ werden unter anderem die Biografien der Opfer vorgestellt, auch wird die Neonazi-Szene der 1990er Jahre erläutert. (...)“

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Quelle: https://www.swp.de/ulm/lokales/alb_donau/Langenauer-Aktionstage-NSU-Prozess-imFokus;art4299,2411691 / Helga Mäckle, Südwest Presse online: Langenau, 22.01.2014

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Hakenkreuze in den Müll

Auftakt zum Projekt gegen Hass und Gewalt an der Kaufmännischen Schule

Ein ernstes – und am Schlossberg aktuelles – Thema hat das Projekt „Schule gegen Hass und Gewalt“ der Kaufmännischen Schule Hechingen. Bei der Auftaktveranstaltung durfte aber auch gelacht werden. Das Datum der Auftaktveranstaltung zum Projekt „Schule gegen Hass und Gewalt“ an der Kaufmännischen Schule Hechingen war nicht zufällig gewählt: Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Der konkrete Anlass des Projekts, das nun für drei Wochen in der Kaufmännischen Schule läuft, waren rechtsextremistische Schmierereien im Schulhof im April des vergangenen Jahres. Zum Auftakt waren neben Vertretern der Polizei, des Regierungspräsidiums, des Landkreises und der Stadt Hechingen auch Ministerialdirektor Professor Dr. Wolf-Dietrich Hammann aus dem Integrationsministerium in Stuttgart und Kreisjugendpfleger Alexander Schülzle gekommen. Sie hielten Vorträge zu den Themen „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Zivilcourage“ (Schülzle) und „Zuwanderung und Integration statt Ausgrenzung“ (Hammann). (...).

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Quelle: http://www.zollernalbkurier.de/artikel/details/196742/Hechingen-Hakenkreuze-in-den-Muell. / Zollernalbkurier, 29.01.2014

„Ein Hetzblog gegen den interkulturellen Frieden“ BZ-INTERVIEW mit Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler über den Webblog „PINews“, der die Petition unterstützt.

FREIBURG. Die Online-Petition Petition gegen den Entwurf des neuen Bildungsplans wurde von dem Webblog „PI-News“ unterstützt. Über die Macher des Blogs und ihre Ziele sprach Franz Schmider mit Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler. BZ: Was verbirgt sich hinter dem „politically incorrect“-Blog, also den PI-News? Häusler: Gegründet wurde der PI-Blog 2004 zu dem Zweck, die Politik der Bush-Administration in den USA positiv zu begleiten. Der Blog bekam im Laufe der Zeit eine zunehmend rassistische und muslimfeindliche Stoßrichtung. Inzwischen kann man sagen, dass der PI-Blog eine digitale Informationszentrale für die rechten Seite 3


Muslimfeinde in Deutschland geworden ist. Dieser rassistische Webblog wird täglich von zigtausend Usern aufgerufen. BZ: Es wird auch von einer großen Nähe rechtsextremen Parteien gesprochen. Häusler: Deutliche Berührungspunkte gibt zwischen PI-News und der extrem rechten Pro-Bewegung, also den Wahlvereinigungen Pro Köln, Pro NRW und Pro Deutschland. So trat etwa der PI-Gründer Stefan Herre bei etlichen Aufmärschen der Pro-Bewegung in Erscheinung. Auch die ebenfalls lange Zeit im PI-Netzwerk aktive Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich trat in Köln bei einem sogenannten Anti-Islamisierungs-Kongress von Pro Köln als Rednerin auf. PI-News hat zudem die rechtspopulistische Kleinstpartei „Die Freiheit“ unterstützt. Teile dieser Partei sind jetzt übergetreten zur Alternative für Deutschland (AfD). Der Landesverband der AfD in Baden-Württemberg wiederum unterstützt die Petition des Realschullehrers gegen die Bildungsinitiative 2015. Man kann sagen: Es gibt ein Netzwerk aus evangelikalen Fundamentalisten, Rassisten und Mitgliedern rechter Splitterparteien, von muslimfeindlichen Gruppierungen wie der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), die sich alle in dem PI-Blog tummeln. BZ: Was eint diese Gruppen? Häusler: Das gemeinsame Feindbild: eine multikulturelle, pluralistische Gesellschaft, die die Rechte von Minderheiten achtet, zum Beispiel von Homosexuellen. BZ: PI forderte vor Jahren ja auch, den Islam in Deutschland zu verbieten. Gibt es seither eine Art Wandel, zuerst die Anlehnung der Muslime, die sich jetzt ausgeweitet hat? Häusler: Nein. Das Wüten gegen Homosexuelle ist nicht neu, das hat den Blog von Anfang an begleitet. Die Muslime dienen dort als Projektionsfläche für alles, was deren Meinung nach verwerflich ist. Auf einer Veranstaltung der BPE hat der PI-Gründer erklärt, das Abkämpfen am Islam sei für ihn nur eine Art Symptom. Was dahinterstehe, sei etwas Größeres, nämlich der Kampf gegen eine um sich greifende Dekadenz in Deutschland und der westlichen Welt. Die werde durch eine von links gesteuerte Macht in Politik und Medien betrieben, die einem vorschreiben wolle, wie man zu leben habe und welcher sexuellen Orientierung man folgen solle. Das hinter PI stehende Denksystem wendet sich gegen Pluralismus und Toleranz, es ist zutiefst antidemokratisch, minderheitenfeindlich und bedient rechtsradikales Gedankengut. BZ: PI ist auch aufgefallen durch mehr oder weniger deutliche Gewaltaufrufe, zum Beispiel gegen Personen, die sich gegen rechte Gewalt engagieren. Häusler: Richtig, in diesem Blog werden in den Berichten, aber erst recht in den Kommentaren Andersdenkende in ganz persönlicher Weise massiv diffamiert, rassistisch diskriminiert, und dort finden sich auch mehr oder weniger verhohlen persönliche Drohungen. Politisch suchen die Leute noch nach einer Partei, die ihre Homophobie und ihre Dekadenzkritik bündelt wie die Pro-Bewegungen oder die Partei „Die Freiheit“. Angesichts der bevorstehenden Europawahl wird aktuell geworben für rechtspopulistische Parteien in Europa und Leute wie Geert Wilders oder Marine Le Pen. BZ: Wie gewaltbereit sind die PI-Macher? Häusler: Dieser Hetzblog stört massiv den interkulturellen Frieden. Dort wird eine Drohkulisse aufgebaut, die gefährliche Ausmaße annimmt. Es eint diese Gruppe ja, dass sie das Abendland kurz vor dem Untergang sehen, sei es durch eine Invasion der Muslime oder durch bestimmte Lebensweisen. Die Vorstellung lautet, man müsse sich jetzt wehren. Das führt in der Tat dazu, dass bei PI inhaltliche Übereinstimmungen mit Rechtfertigungen des rechtsextremen Massenmörders Breivik zum Ausdruck kamen. Bei PI finden sich auch Verweise auf die German Defence League, einem Ableger der rechtsradikalen Hooligan-Gruppe English Defence League. Ebenso zur „Identitären Bewegung“, die eine „Kriegserklärung“ gegen den Multikulturalismus veröffentlicht hat. Aufgrund solcher Entwicklungen steht PI unter Beobachtung des Verfassungsschutzes in Bayern. BZ: Gehört der Lehrer, der den Aufruf gestartet hat, ins Umfeld von PI oder ist PI auf den Zug aufgesprungen? Häusler: Das ist mir nicht bekannt. Fakt ist aber, dass der Blog massiv für die Unterstützung des Aufrufes geworben hat. Alexander Häusler, 50, ist Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Neonazismus der FH Düsseldorf.

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Quelle: https://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/ein-hetzblog-gegen-den-interkulturellen-frieden--80249261.html./ Badische Zeitung, 31.01.2014

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Neonazis scheitern in Kurstadt an eigener Dummheit Pforzheim/Baden-Baden. Das rechtsradikale „Karlsruher Netzwerk“, das in Baden-Baden eine Kundgebung vor dem Theater angemeldet hatte, hat auch im letzten Augenblick nicht versucht, gegen ein Verbot der Demo Widerspruch beim Verwaltungsgericht einzulegen. Warum, fragen Leser in E-Mails an die Redaktion und die Verwaltung, sei in Pforzheim am 23. Februar nicht möglich, was in Baden-Baden – anlässlich des 81. Jahrestags der Machtübernahme der Nazis – erreicht wurde: dass kein Neonazi sich in die Stadt traute, dafür rund 1000 Menschen unterschiedlichster Gruppierungen gegen Rechtsextremismus demonstrierten und ein Widerspruch gegen das von der Stadt verhängte Verbot ausblieb? Nach PZ-Informationen liegt dies in der kriminellen Biografie mancher „Karlsruher Netzwerker“ begründet. Die Verbots-Argumentation steht so auf viel festeren Füßen. Die Neonazis wollten die Teilnehmerzahl auch auf 88 begrenzt haben. Das steht im Code der braunen Szene für den achten Buchstaben im Alphabet, also für HH – wie „Heil Hitler“.

Quelle: http://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Neonazis-scheitern-in-Kurstadt-an-eigenerDummheit-_arid,467273.html. Pz-news: Olaf Lorch-Gerstenmaier, Pforzheimer Zeitung, 31.01.2014

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Politically Incorrect Internetplattform gilt nicht als extremistisch

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Vom Polizisten über Lehrer bis zum Neonazi: Politikverdrossene posten ihre auch extremen Meinungen auf der Diskussionsplattform Politically Incorrect. Eine Momentaufnahme.

Stuttgart - Karl-Heinz, Susann und Wolfgang verbindet ein Geheimnis. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine sorgt sich als Hauptkommissar um die Sicherheit der Baden-Württemberger und wählt die SPD. Die andere ist junge Lehrerin an einem Gymnasium und hat im vergangenen September für die Grünen gestimmt. Und der Letzte träumt als Neonazi von einer anderen Welt. Gemeinsam ist allen: Nahezu täglich klicken sie sich anonym auf die Internetplattform Politically Incorrect (PI). Im Netz wie in der Zeitung wollen sie nicht erkannt werden: „Ich bekäme arge Probleme“, sagt Susann – und die beiden Männer pflichten ihr bei.

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Seit November 2004 soll auf PI die politisch inkorrekte Meinung zu Hause sein. Täglich werden hier zahlreiche Informationen zum Thema Islamismus, der angeblichen Islamisierung Europas, zum baden-württembergischen Bildungsplan oder zur Euro-Rettung bereitgestellt. Kritisiert werde, schreiben sich die Betreiber auf die Fahnen, die „politisch korrekte Tabuisierung beziehungsweise Zensierung des Problems durch Politik und Medien“. Seine Genossen, ist Karl-Heinz überzeugt, „sind nicht mehr das, was sie waren“. Früher, da hätten Kerle wie Helmut Schmidt und Herbert Wehner noch Rückgrat gezeigt. Die Augen vor den Problemen nicht verschlossen, sondern offen angesprochen, was die Gesellschaft bewegt. „Heute sägen wir unseren Kanzlerkandidaten ab und steigen mit der CDU ins Koalitionsbett, weil es gerade in den Machterhalt passt“, sagt der Schutzmann. Er ist Vater von zwei Töchtern, seit 20 Jahren als Polizist auf der Straße. „Da weißt du, wo der Hase läuft: auf dem Schulhof, hinter den Haustüren. Meine Erfahrung ist: Wir haben ein Problem mit Straftätern, die einen Migrationshintergrund haben. Nur will das keiner hören.“ Doch, schon. Auf PI finden Karl-Heinz, Susann und Wolfgang Tausende, die sich für ihre Meinung interessieren. Vor allem dann, wenn es um den Islam, Schwule und Lesben, den Euro oder den Umgang mit Neonazis geht. Als am vergangenen Donnerstag in Mühlacker ein Vermieter bei einem Streit einer im achten Monat schwangeren Mieterin in den Bauch trat, kochte die Wut im Internet über. Die Täter waren – wider besseres Wissen – schnell ausgemacht: Türken sollen es für einige PI-Kommentatoren gewesen sein. Die in diesem Zusammenhang auch von „Südländern“ sprechen. „Ich glaube, es müssen mal wieder ein paar Molis geschmissen werden, und zwar auf alles, was dergleichen ist“, fordert einer anonym auf.

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Nach zwei Stunden erst ergänzt ein User die Diskussion um einen Artikel aus einer Pforzheimer Lokalzeitung. Dort hatte es geheißen, bei dem Täter habe es sich um „Deutsche mit Migrationshintergrund“ gehandelt. Für etliche PI-Leser identisch mit Moslems: „Wir werden uns auf allen Ebenen wehren müssen“, empfiehlt einer als

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Konzept für den „verheimlichten Krieg“. Sollte jemand die Adresse „der Tiere kennen“, solle er sie einfach auf der Internetplattform veröffentlichen.

Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.politically-incorrect-internetplattform-gilt-nicht-als-extremistisch.a77e50a5-1f50-43b9-8aab-bd19971d54de.html / Stuttgarter Nachrichten, Franz Feyder, 03.02.2014

Was ist die Zukunft der Erinnerung? Eine Tagung an der Evangelischen Hochschule sieht den Kampf gegen Stigmatisierung als zentrale Lehre der Geschichte. Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald Volkhard Knigge warnt jedoch vor der moralischen Aufladung der Erinnerung.

Ludwigsburg - Die Mitglieder des Nationalsozialisten Untergrunds (NSU) haben die Gedenkstätte Buchenwald 1996 besucht und sich sogar im Gästebuch verewigt. Ihr Eintrag lautet „Wie schade, dass hier nur der Juden gedacht wird.“ Erinnerung ist offenbar nicht per se ein Gut, mit dem man den Zivilisationsbruch verhindern kann. Das Trio ermordete danach zehn Menschen. „Erinnerung ist erstmal neutral“, sagt Volkhard Knigge. Der Historiker und Leiter der Gedenkstätte Buchenwald beschreibt sehr nüchtern, was er und seine Zunft leisten können und was nicht. Gedenkstätten seien keine Durchlauferhitzer, die automatisch den wehrhaften Demokraten liefern. Aber sie können, so Knigge, Orte sein, an denen das Sprechen über Ausgrenzung legitim sei. Das sei der Kern des Lernens. Und das ist für Knigge auch die Ableitung aus der Geschichte: die Zerschlagung der Grundsolidarität mit den Menschen, die es zu verhindern gilt. Genau darum ging es am Freitag an der Evangelischen Hochschule.

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Knigge: „Menschen sind formbar“

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Knigge war Gast bei einer Anhörung des Instituts für Antidiskriminierungs- und Diversityfragen der Evangelischen Hochschule. Die Tagung ging unter dem Titel „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von Buchenwald bis zu den NSU-Morden“ der Frage nach, „Wie gehen wir mit Diskriminierung, Hass und Mord um?“ Denn trotz der geschichtlichen Erfahrung sagen über 50 Prozent der Deutschen, dass zu viele Ausländer im Land seien. 17 Prozent finden Homosexualität unmoralisch. „Es geht immer darum, wie Menschen mit ihren unterschiedlichen kulturell, religiös oder ethnisch geprägten Lebensstilen Anerkennung finden“, formulierte die Institutsleiterin Beate Aschenbrenner-Wellmann ihren Anspruch an die Gesellschaft. Knigge hält es für eine der zu klärenden Fragen, wie eine Gesellschaft menschenfeindlich gemacht werde. „Menschen sind formbar“, konstatiert Knigge. An anderer Stelle sagte er „niemand kommt als Menschenfeind auf die Welt“. Der Gedenkstättenleiter vermeidet in seiner Arbeit klugerweise moralische Kategorien. Vielmehr ist er der Überzeugung, dass etwa ein Polizist mit rassistischer Grundeinstellung unprofessionell arbeite. Sprich: er untersuche nicht ergebnisoffen, wie die Protokolle der NSU-Ermittlungen mittlerweile belegen.

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ludwigsburg-was-ist-die-zukunft-der-erinnerung. eb50f1e4-e36a-4ec3-bbb6-17e10bb99429.html / Hilke Lorenz, Stuttgarter Zeitung, 07.02.2014

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209 Taten aus Baden-Württemberg werden auf rechten Hintergrund überprüft Nachkontrolle – Das Bundeskriminalamt überprüft derzeit 628 versuchte und vollendete Tötungsdelikte aus den Jahren 1990 bis 2011 auf ein mögliches rechtsextremistisches Motiv, das ursprünglich von den Ermittlungsbehörden nicht erkannt worden war. Ein Ergebnis soll laut „Welt am Sonntag“ erst im Sommer vorliegen. Sicherheit Nach der gestern veröffentlichten BKA-Liste hat das baden-württembergische Innenministerium 209 Fälle zur Überprüfung nachgemeldet. Es sei absichtlich ein grobes Raster gewählt worden. „Wir wollten sichergehen, dass alles auf den Tisch kommt und auf gar keinen Fall etwas durchrutscht“, wird ein Sprecher von Minister Reinhold Gall (SPD) zitiert. Über die Zahl der nachgemeldeten Fälle aus dem Land hatte die SÜDWEST PRESSE bereits im Dezember 2013 berichtet. Zu den neu bewerteten Fällen gehört auch der Tod dreier Spätaussiedler in Heidenheim, die 2003 von einem Skinhead erstochen wurden. Die Polizei ordnete die Tat als Seite 6


„Kneipenstreit“ ohne rechtsextremen Hintergrund ein. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Alexander Salomon, sagte der“Welt am Sonntag“, der Rechtsextremismus sei im Land zu lange heruntergespielt worden. „Wir stellen eine ausgesprochen gute Vernetzung der rechten Szene fest, die auch sehr aktiv ist.“ eb Quelle: http://www.gmuender-tagespost.de/10391852/ Gmünder Tagespost, 10.02.2014

Südwest-Grüne erwägen Sonderausschuss Die Grünen wollen zur Aufarbeitung der NSU-Morde im Land eigentlich einen Untersuchungsausschuss. Doch die SPD ist zurückhaltend. Ist ein Sonderausschuss die Lösung?

Stuttgart - Grüne und SPD denken über eine Aufarbeitung des Themas Rechtsextremismus und NSU-Morde im Landtag nach. Während die SPD eine Enquete-Kommission favorisiert, denken die Grünen über einen Sonderausschuss nach. „Ein Sonderausschuss kann sich mit allen Aspekten des Rechtsradikalismus und -extremismus beschäftigen und am Ende Handlungsempfehlungen verabschieden“, sagte Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Die Grünen schließen aber nach ihren Worten auch einen Untersuchungsausschuss im Landtag nach wie vor nicht aus. Damit stoßen sie aber in der SPD-Fraktion auf wenig Gegenliebe. Den NSU-Mitgliedern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Sitzmann verwies darauf, dass vor dem Oberlandesgericht in München noch der Prozess gegen Zschäpe läuft und der Generalbundesanwalt noch Ermittlungen führt. Bis zu deren Abschluss stünden die Ergebnisse der baden-württembergischen Ermittlungsgruppe Umfeld unter Vorbehalt. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand hatte angeregt, noch einmal über einen Untersuchungsausschuss nachzudenken. Die SPD mit Innenminister Reinhold Gall zeigt allerdings wenig Interesse an so einem Gremium.

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SPD will Enquete-Kommission

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SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte, seine Fraktion befürworte eine Enquete-Kommission und wolle diese möglichst im Einvernehmen mit allen Landtagsfraktionen einrichten. „Wir wollen uns weniger mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigen, sondern mit der Suche nach Antworten für die Zukunft.“ Hingegen wolle die SPD nicht nacharbeiten, was ohnehin schon in dem kürzlich von Minister Gall vorgestellten Bericht zu den NSUBezügen zum Südwesten stehe. Eine Enquete-Kommission könne man offener gestalten - es gebe auch die Möglichkeit, externe Experten einzubeziehen, erklärte Schmiedel. Ein Sonderausschuss bietet sich hingegen seiner Auffassung nach eher zur Aufarbeitung von singulären Ereignissen an. Bereits nach dem Amoklauf von Winnenden mit 16 Toten hatte der Landtag einen Sonderausschuss eingesetzt, um über politische Konsequenzen aus dem Vorfall zu beraten. Ein Sonderausschuss ist nach Paragraf 18 der Geschäftsordnung des Landtags möglich. Er kann mit einer einfachen Landtagsmehrheit eingesetzt werden. „Während ein Untersuchungsausschuss vor allem die Vergangenheit aufarbeitet, kann ein Sonderausschuss den Blick stärker in die Zukunft richten, damit sich so etwas nicht wiederholt“, meinte Sitzmann mit Blick auf das NSUThema. Auch die Frage, ob der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden müsse, könne man in einem solchen Ausschuss erörtern. Grüne und SPD sind sich einig darin, dass die parlamentarische Kontrolle über den Verfassungsschutz verbessert werden soll. Über den künftigen Zuschnitt des Amtes dürfte es allerdings noch heftige Diskussionen geben. „Wir können uns eine Veränderung der Aufgaben vorstellen - etwa eine Konzentration auf den gewaltbereiten Extremismus“, bekräftigte Sitzmann. „Im Zuge dieser Neustrukturierung gibt es sicherlich auch Einsparmöglichkeiten.“ Im Sommer hatte Sitzmann erklärt, aus ihrer Sicht seien bei dem Amt 30 bis 50 Prozent Stelleneinsparungen drin. Das Landesamt hat rund 340 Mitarbeiter. Derzeit warten die Fraktionen darauf, dass Innenminister Gall Vorschläge zur Verfassungsschutzreform auf den Tisch legt.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.nsu-morde-in-baden-wuerttemberg-suedwestgruene-erwaegen-sonderausschuss.c703d117-9884-4cfe-b8ca-6a7c010013ef.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 18.02.2014

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Demo gegen Neonazi-Aufmarsch Schwieriger Jahrestag für die Stadt an der Enz: Die Erinnerung an die Opfer des Luftangriffs 1945 verbindet sich mit dem Protest gegen Neonazis, die den Tag immer wieder zu einem Fackelaufmarsch missbrauchen.

Pforzheim – Mehrere hundert Menschen haben sich am Sonntag in Pforzheim zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus versammelt. Anlass ist eine angekündigte Versammlung von Rechtsextremisten, die am 69. Jahrestag des alliierten Luftangriffs auf Pforzheim zu einer „Fackel-Mahnwache“ zusammenkommen wollen. „Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen“, sagte der stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Wolf-Dietrich Glaser bei einer Auftaktkundgebung auf dem Marktplatz. Er rief zu friedlichem Protest gegen die Versammlung der Rechtsextremisten auf. Deren Kundgebungsort wurde von starken Polizeikräften abgeriegelt. An einer zentralen Gedenkfeier in Erinnerung an die 17.600 Toten bei der Bombardierung der Stadt nahmen am Vormittag rund 400 Menschen teil, darunter auch Zeitzeugen des britischen Luftangriffs. Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) schloss in das Gedenken den „millionenfachen Tod“ von Menschen in vielen Ländern ein, der 1939 „seinen Ausgang in Deutschland genommen“ habe. Zu der Versammlung der Rechtsextremisten sagte OB Hager, die Stadt verbitte sich einen solchen Missbrauch. Der evangelische Landesbischof Ulrich Fischer sagte bei der Gedenkfeier: „Diese Menschen haben nichts aus der Geschichte gelernt.“ Bündnis aus 19 Parteien und Organisationen ruft zu Gegendemo auf

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Zu der Demonstration gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten hatte ein Bündnis von 19 Parteien und Organisationen aufgerufen. Mehrere Gruppen wollten sich den Rechtsextremisten in den Weg stellen. Für die Zeit der „Fackel-Mahnwache“ hat die Stadt die Bürger zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz eingeladen. Um ein Aufeinandertreffen von linken Demonstranten und Rechtsextremen schon im Vorfeld zu verhindern, hatte die Polizei starke Kräfte zusammengezogen. Mit Hamburg und Dresden gehört Pforzheim zu den im Bombenkrieg am schwersten zerstörten Städten. Bei dem Angriff am 23. Februar 1945 - kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs - warfen die Besatzungen von 379 Flugzeugen der britischen Luftwaffe innerhalb von 22 Minuten Spreng- und Brandbomben mit einem Gewicht von insgesamt 1575 Tonnen ab. Die historische Innenstadt wurde dabei nahezu vollständig zerstört. Warum gerade Pforzheim? Einige Historiker sehen den Hauptgrund in der feinmechanischen Industrie mit der Produktion von Zündern für Flakgranaten. Andere betrachten den Angriff vor allem als Teil der Strategie, die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.gedenkfeier-in-pforzheim-demo-gegen-neonaziaufmarsch.cca9503e-c541-42ba-947a-4bcdf7b428a4.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 23.02.2014 Mehr zum Thema: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.pforzheim-dekanin-hofft-auf-deutliches-signal. ce4a932c-8950-4750-ac7e-c24e4858d554.html / Schwarzwälder-Bote, 06.02.2014 https://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Protest-gegen-Rechtsextreme-inPforzheim;art4319,2463565 / Südwest Presse online, 21.02.2014 http://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Fackeln-aus-Traum-von-einem-neonazi-freien-Gedenktag-_ arid,472101.html / pz-news, 24.02.2014

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Wir haben ein Naziproblem Heute jährt sich zum 69. Mal die Bombardierung Göppingens im Zweiten Weltkrieg, mehrere Wochen lang stand die Stadt vom 1. März 1945 an immer wieder unter Beschuss. Am Ende waren 334 Opfer zu beklagen. An sie erinnert heute die Stadtverwaltung auf dem Hauptfriedhof, der Verein „Kreis Göppingen nazifrei“ lässt auf dem Marktplatz Bürger aus Büchern vorlesen, die sich mit Rechtsextremismus beschäftigen. Die Rädelsführer der Seite 8


„Autonomen Nationalisten Göppingen“ werden dieses Jahr keine Gedenkveranstaltung abhalten. Denn diese vier Neonazis sitzen seit Mittwoch hinter Schloss und Riegel. Immer wieder hatten die Rechtsextremisten den Gedenktag missbraucht und umgedeutet. Der Schlag des Landeskriminalamts traf die Göppinger Szene offenbar völlig unvorbereitet. Allein im Landkreis durchsuchten Beamte 16 Wohnungen, drei weitere in benachbarten Kreisen. Gegen vier Männer erließ ein Richter Haftbefehl. Ein Beschuldigter, der 22-jährige Göppinger Daniel Reusch, ist Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“. Der große Polizeieinsatz zeigt zwei Dinge: Zum einen, dass die Neonazis eben keine harmlosen Spinner sind, die immer nur friedlich demonstrieren. Nach Ansicht der Staatsanwälte sind sie Mitglieder einer kriminellen Vereinigung. Gerade auch vor dem Hintergrund der NSU-Mordserie ist allergrößte Wachsamkeit angesagt und das Durchgreifen der Exekutive ein erfreuliches Signal. Zu viele Pannen bei Ermittlungen gegen rechts hatten das Vertrauen in die Arbeit der Ermittler teilweise stark erschüttert. Die Aktion zeigt aber auch, dass das ständige Schönreden der Nazi-Situation im Landkreis nicht hilfreich ist. Natürlich ist es nicht im Sinne eines Oberbürgermeisters, wenn seine Stadt im Nazi-Kontext immer wieder in den überregionalen Schlagzeilen auftaucht. Aber einfach zu behaupten, hier gebe es nur einen Nazi, der Rest seien Zugereiste, ist die falsche Taktik, eine gefährliche Fehleinschätzung. Dafür sind 16 Hausdurchsuchungen ein deutliches Indiz. Vielleicht wären die Polizeiaktion und die anstehenden Prozesse eine gute Gelegenheit auch für die Stadtverwaltung - aber auch das Landratsamt - hinzustehen und zuzugeben: Ja, wir haben ein Naziproblem. Und ja, wir müssen etwas dagegen unternehmen. Der heutige 1. März sollte Anlass genug sein, darüber nachzudenken. Schließlich sind 334 Göppinger letztendlich deshalb gestorben, weil nationalsozialistisches Gedankengut mit all seinen furchtbaren Folgen in Deutschland auf fruchtbaren Boden gefallen war und einen Weltkrieg auslöste. Das darf sich niemals wiederholen.

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Quelle: http://www.swp.de/goeppingen/lokales/goeppingen/LEITARTIKEL-RECHTSEXTREMISMUSWir-haben-ein-Naziproblem;art5583,2477599 – Göppinger Kreiszeitung, NWZ Neue Württembergische Zeitung, Dirk Hülser, 01.03.2014

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Die Sticker gegen Nazis sind bereits vergriffen

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Werbeagentur entwirft Aufkleber gegen Rechtsextremismus und spendet den Erlös für einen guten Zweck. Die Sticker gegen Nazis sind bereits vergriffen.

Leonberg – Mit einem frechen Aufkleber setzt die in Warmbronn ansässige Werbeagentur „361° Kommunikation“ ein Zeichen gegen Rechtsextremismus. „Du kannst schon Nazi sein, aber dann biste halt kacke“ lautet die Botschaft in weißen Lettern auf braunem Hintergrund. Der humorvolle Sticker mit Seitenhieb, der nun Straßenlaternen, Hausfassaden oder die eigenen vier Wände schmückt, soll die Menschen für den Kampf gegen Rassenfeindlichkeit mobilisieren.

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Sticker soll für sich sprechen

„Es war uns wichtig, dass der Sticker deutlich für sich spricht und dabei auch ansprechend aussieht“, erklärt Tea Imamovic. Die Praktikantin hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Christian Besserer den Aufkleber konzipiert. Angelehnt ist der Sticker im DIN-A7-Format an die Aufkleber-Serie „Kannste machen“ von Kay Spiegel. „Wir haben ihn kontaktiert, um sicher zu gehen, ob er nichts dagegen hat“, erklärt die 23-Jährige, „schließlich war unser Sticker eine Hommage an seine Arbeit.“ Die Idee kam gut an, der Künstler gab grünes Licht. Die farbliche Ausgestaltung des Protest-Stickers habe gewissermaßen auf der Hand gelegen. „Es hat ganz gut zusammengespielt, dass Kacke und die Kennfarbe des Nationalsozialismus farblich relativ nah beieinander liegen“, erklärt Thea Imamovic mit einem Augenzwinkern. (...) (gekürzt)

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.leonberg-die-sticker-gegen-nazis-sind-bereitsvergriffen.1a7a82d3-dcec-4063-bcac-e2a9bfc6d8e0.html / Bartek Langer, Stuttgarter Nachrichten, 04.03.2014

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Nazis geben noch nicht auf Auch nach der Festnahme des führenden Göppinger Rechtsextremisten wird im Rathaus damit gerechnet, dass im Oktober wieder Nazis durch die Stadt marschieren.

Göppingen – Vier führende Neonazis aus dem Kreis Göppingen sitzen seit der großen Razzia vor zwei Wochen weiterhin in Untersuchungshaft. Doch im Göppinger Rathaus ist die Hoffnung bisher gering, dass der Stadt ein für den 11. Oktober angekündigter Aufmarsch von Rechtsextremisten erspart bleibt. Bisher sei die Veranstaltung nicht abgemeldet worden, sagte der Sprecher der Stadt, Olaf Hinrichsen. Das gelte auch für alle weiteren Demonstrationen, die von den Rechtsextremisten bereits für die kommenden Jahre bis zum Jahr 2020 angemeldet worden sind. Ermittler finden belastendes Material

Wie berichtet, hatte das Landeskriminalamt bei seinem Schlag gegen die so genannten Autonomen Nationalisten Göppingen am 28. Februar 19 Wohnungen, drei davon in Nachbarlandkreisen, durchsucht. Dabei sollen Sprühschablonen, NS-Devotionalien, Schriftstücke, elektronische Speichermedien, Computer, Mobiltelefone, Schreckschusspistolen, Schlagstöcke, Schlagringe, Wurfsterne und Quarzsandhandschuhe sichergestellt worden sein. Letztere werden zur Schlagverstärkung genutzt. Sie sind bei Demonstrationen verboten. Vier Männer – darunter Daniel Reusch, der Landesvorsitzender der Kleinstpartei „Die Rechte“ ist – wurden festgenommen. Die Untersuchungshaft dauere an, bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Daraus lässt sich schließen, dass die Ermittler bei den Hausdurchsuchungen aus Sicht der Anklagebehörde ausreichend belastendes Material gefunden haben. Als Reaktion auf die Ermittlungen gegen die Autonomen Nationalisten wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung sei es jetzt an der Zeit, alle geplanten Naziaufmärsche der nächsten Jahre zu verbieten, fordert unterdessen das Bündnis „Nazis stoppen“, in dem vor allem die linksautonome Szene organisiert ist. Schließlich säße in der Person von Daniel Reusch der Anmelder der Demonstrationen hinter Gittern.

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Ein Verbot ist möglich, aber nicht sicher

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Die Stadtverwaltung reagierte darauf zurückhaltend. Hinrichsen schloss zwar nicht aus, dass die Stadt es erneut mit einem Verbot versuchen werde. Erst müsse man jedoch abwarten, wie sich das Verfahren weiter entwickle. Zudem sei für ein Verbot einer Demonstration die Person des Anmelders nicht so wichtig. „Entscheidend ist der Versammlungsleiter“, sagte Hinrichsen. „Und den kann man schnell austauschen.“ Das erfuhr die Stadt im Jahr 2012, als ein städtische Verbot eines Naziaufmarschs nach einem Wechsel des Versammlungsleiters vom Mannheimer Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde. Auch beim parteiübergreifenden Bündnis Kreis Göppingen nazifrei laufen die Planungen für die Gegenaktionen zum Naziaufmarsch weiter. Im Juni soll es im Rathaus einen Runden Tisch zur Vorbereitung des 11. Oktober geben. Wie nachhaltig die rechtsextremistische Szene im Kreis getroffen sei, lasse sich momentan noch nicht bewerten, sagte der Bündnisvorsitzende Alex Maier (Grüne). „Es tauchen immer noch viele Aufkleber und Graffiti auf.“

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-der-razzia-nazis-geben-noch-nicht-auf. ba1626a0-7235-423b-baea-8da0834eb482.html / Eberhard Wein, Stuttgarter Zeitung, 12. März 2014

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Gericht verhandelt über Bärthels Klage Rickenbach – Anfechtung der Rickenbacher Bürgermeisterwahl durch Rechtsextremisten wird am 27. Mai vor dem Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt.

Das Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt am Dienstag, 27. Mai, 14 Uhr, die Anfechtung der Rickenbacher Bürgermeisterwahl durch den Thüringer Rechtsextremisten Christian Bärthel. Dieser will erreichen, dass die Wahl, aus der 2013 Dietmar Zäpernick als Sieger hervorging, für ungültig erklärt wird, weil der Wahlausschluss Bärthel wegen Zweifeln an dessen Loyalität zum Grundgesetz als Kandidaten nicht zugelassen hatte. Der gerichtsbekannte Rechtsextremist Bärthel sieht sich als „Staatsbürger und Sachwalter des Deutschen Reiches“ und hält die Bundesrepublik für ein illegales Staatswesen. Wegen Bärthels anhängiger Klage ist Zäpernick bisher nicht als Bürgermeister eingeführt worden. Das Freiburger Gericht entscheidet nun, ob der Ausschluss Bärthels rechtens war oder ob die Bürgermeisterwahl wiederholt werden muss. Seite 10


Quelle: http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/rickenbach/Gericht-verhandelt-ueber-BaerthelsKlage;art372616,6771132 / Südkurier, 13.03.2014

Was Hass und Gewalt anrichten können Nach den Schmierereien im Pausenhof durch Neo-Nazis organisierte die Kaufmännische Schule das Projekt „Schule gegen Hass und Gewalt“, um deutlich Position gegen Rechtsextremismus zu beziehen.

Im Frühjahr des vergangenen Jahres wurde der Pausenhof der Kaufmännischen Schule Hechingen mit Nazisymbolen beschmiert. Da die Lehrer und der Schulleiter Norbert Speidel dies nicht kommentarlos stehen lassen wollten, organisierten sie ein Projekt, um weiteren Feindlichkeiten der Rechtsextremen vorzubeugen und mit den Schülern zusammen dieses komplexe Thema zu bearbeiten. Eine viel beachtete Auftaktveranstaltung, Vorträge durch die Polizei, den Landesverfassungsschutz sowie Besuche im KZ Bisingen sowie in der Hechinger Synagoge und ein Projekttag in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung ergaben insgesamt ein anspruchsvolles und interessantes Programm. Im Kontext der Projektwochen hielten auch zwei Schülerinnen des Wirtschaftsgymnasiums eine so genannte GFS (Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen) zur Geschichte der Hechinger Juden in der Synagoge. „Wir wollten raus aus dem Klassenzimmer, da es vor Ort für die Schüler viel eindrucksvoller und besser vorstellbar ist, wozu Hass und Gewalt letztlich führen können“, sagten Elena Brückmann und Julia Enns. Die Schülerinnen hatten nicht nur die inhaltliche Ausarbeitung zu bewältigen, auch die Organisation gehörte zu ihren Aufgaben. Die zwei Vertreter Vees und Walter vom Verein Alte Synagoge Hechingen freuten sich über das Engagement der Schülerinnen und gewährten ihnen gerne Zugang zur Synagoge. Sie berichteten über die Geschichte der jüdischen Gemeinde und über die Hechinger Synagoge. Seit Ende des 15. Jahrhunderts bis 1941 bestand in der Zollernstadt eine jüdische Gemeinde. Meist nur geduldet, oft aber auch integriert, lebten jüdische Familien in der Goldschmiedstraße und ab 1752 gezwungenermaßen in der Friedrichstraße. Die Judenverfolgung begann auch in Hechingen mit dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933. Mit den Nürnberger Gesetzen 1935 kam es zur Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte. Vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge in Hechingen zerstört. 1941 begann die Deportation der Juden in die Konzentrationslager, wo sie, wie die meisten Juden Europas, der Shoa zum Opfer fielen. Nur wenigen gelang die Auswanderung. Die Hechinger jüdische Gemeinde existierte nicht mehr. Auch auf die Geschichte der Synagoge, speziell auf den problematischen Umgang mit dem geschichtsträchtigen Bau in der Nachkriegszeit, gingen die Schülerinnen ein. Es dauerte lange, bis sich Bürger und Stadt gemeinsam der Geschichte stellten und die Synagoge vor dem Verfall und Abriss retteten. Erst 1986 hatte die Hechinger Synagoge wieder ihr altes Gesicht. Zum Erfolg des Referats trug nicht zuletzt die Synagoge selbst bei: „Wir sind sehr dankbar, dass wir unsere GFS an diesem geschichtsträchtigen Ort halten durften“, zeigten sich Elena Brückmann und Julia Enns beeindruckt.

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Quelle: http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/Was-Hass-und-Gewalt-anrichtenkoennen;art5612,2502198 / Marcus Paula, Hohenzollerische Zeitung - Südwest Presse online, 15.03.2014

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Aufarbeitung der NSU-Morde Ist ein U-Ausschuss vom Tisch? Auch im baden-württembergischen Landtag haben die jahrelang unentdeckt gebliebenen NSUMorde ein parlamentarisches Nachspiel. Grüne und SPD wollen eine Enquete-Kommission einsetzen. Ist damit ein Untersuchungsausschuss vom Tisch?

Stuttgart - Grüne und SPD wollen im Landtag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung des Themas Rechtsextremismus und der NSU-Mordserie einsetzen. Eine entsprechende Empfehlung soll den Regierungsfraktionen zur Abstimmung am Dienstag vorgelegt werden, hieß es am Freitag in Stuttgart. Die Grünen hatten bislang einen Sonderausschuss befürwortet. Sie kamen nun der SPD entgegen mit der Begründung, dass der Arbeitsauftrag stimme. Die Enquete im Landtag soll zwei Themenkomplexe aufarbeiten: Zum einen geht es um die Verbindungen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) nach Baden-Württemberg, zum anderen darum, rechtsextremen Entwicklungen vorzubeugen. Seite 11


Den NSU-Terroristen werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Die NSU-Mitglieder hatten vielfältige Kontakte nach Baden-Württemberg, die zum Teil noch Gegenstand von Untersuchungen des Generalbundesanwaltes sind. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl, sagte, die Enquete solle die Entwicklungen seit 1991 politisch aufarbeiten. Dabei solle es zum Beispiel um die Frage gehen, welche Auswirkungen der NSU auf die rechtsextreme Szene im Südwesten hatte und wie der entstandene Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden überwunden werden könne. Auch die Behörden im Südwesten hatten von den jahrelangen NSU-Umtrieben nichts mitbekommen. In einem zweiten Teil soll die Enquete-Kommission Strategien gegen Rechtsextremismus erarbeiten. Möglichst zum Jahresende soll das Gremium dem Landtag Empfehlungen vorlegen. Die Frage, wie der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden kann, soll hingegen laut Sckerl in dem Gremium nicht im Vordergrund stehen. „Das ist originäre Regierungsaufgabe.“ Die Grünen halten sich auch weiter einen Untersuchungsausschuss offen, wenn im Münchner Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe neue Erkenntnisse ans Licht kommen. „Es kann sein, dass ein Untersuchungsausschuss unabhängig von der Enquete-Kommission noch Thema wird“, sagte Sckerl. Gemäß seiner Geschäftsordnung kann der Landtag zur Vorbereitung von Entscheidungen „über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte“ eine Enquete-Kommission einrichten. Ein entsprechender Antrag muss von einem Viertel der Parlamentarier oder von zwei Fraktionen unterstützt werden. Der Vorsitz der Enquete-Kommission läge nun bei den Grünen. Erst am Donnerstag hatte der Landtag eine solche Kommission zum Thema Pflege eingesetzt.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.aufarbeitung-der-nsu-morde-ist-ein-u-ausschussvom-tisch.0939b615-3d8b-4777-941a-64212e750dda.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 28.03.2014 Mehr zum Thema NSU: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.100-nsu-prozesstag-loecher-im-hirn. e706e31d-1656-4094-9474-78ac4dae1ede.html / Franz Feyder, Stuttgarter Nachrichten, 31.03.2014

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Mehr Prävention und Aufklärung gegen Rechtsextreme – keine Verfassungsschützer mehr in der Bildungsarbeit

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Wiesloch. Schon in der Begrüßungsrede stimmte der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende Lars Castellucci am Samstag die rund 300 Delegierten auf den zweiten Schwerpunkt des Parteitags: den Kampf gegen den Rechtsextremismus.

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Er erwähnte eine beispielhafte Aktion in Wiesloch, dem Ort des Parteitags, dessen Kreisvorsitzender er früher war. Dort sei eine geplante Kundgebung der NPD am gemeinsamen Widerstand der Zivilgesellschaft gescheitert. Immer wenn ein Redner mit Megaphon zu sprechen begann, wurden damals die Kirchenglocken geläutet. Castellucci erinnerte auch die Ermordung des badischen SPD-Parteichefs vor exakt 80 Jahren, schlug den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart und forderte alle zu einer Schweigeminute für Opfer rechtsextremer Gewalt auf.

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In Karlsruhe engagiert sich der Oberbürgermeister gegen rechts und handelt sich damit eine Strafanzeige ein

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In der nachmittäglichen Diskussionsrunde zur „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ berichtete unter anderem Frank Mentrup von seinen Erfahrungen als Oberbürgermeister in Karlsruhe. Dort sei er selbst vor einem Jahr als Veranstalter einer Kundgebung gegen rechts aufgetreten. Das habe den Vorteil, viele Vertreter gesellschaftlicher Gruppen mit ins Boot holen zu können, die sich sonst vermutlich nicht daran beteiligt hätten – weswegen er dieses Vorgehen auch anderen Rathauschefs empfehlen können. Allerdings habe ihm dieses Engagement auch großen juristischen Ärger eingebracht. So sei deswegen noch immer noch eine Strafanzeige gegen ihn anhängig. Auch deshalb plädierte Mentrup für eine landesweite Koordinierungsstelle im Kampf gegen Rechtsextremismus. Denn gerade Bürgermeister kleiner Kommunen könne diese helfen zu klären, was ihnen rechtlich möglich sei und was nicht, um sich auf ähnliche Weise wie er gegen Demonstrationen und Aufmärsche Rechter in ihren Städten zu wehren. Innenminister Reinhold Gall zählte in seiner Rede alles auf, was er im Kampf gegen den Rechtsextremismus bereits getan oder auf den Weg gebracht hat: So seien etwa die Vorgaben für die Führung von V-Leuten verschärft worden; ein neu eingerichtetes anonymes Hinweistelefon Rechtsextremismus in Baden-Württemberg, zugleich Anlaufstelle für Ausstiegswillige aus der Szene, sei bereits 200 Mal kontaktiert worden; Präventionsprogramme würden stärker gefördert. Seite 12


Innenminister Gall zufolge ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Polizisten mit Migrationshintergrundk stark gestiegen

Auch eine Antwort auf Macit Karaahmetoglu, Rechtsanwalt und Sprecher von SPD ve biz, der Projektgruppe türkischstämmiger Migranten in der Partei blieb Gall nicht schuldig. Karaahmetoglu hatte zuvor kritisiert, die Pannen bei den Ermittlungen zu den sogenannten NSU-Morden wären nicht passiert, „hätte sich die Vielheit in unserer Gesellschaft auch in den Behörden niedergeschlagen.“ Dies ändere sich bereits, so Gall: Rund ein Viertel der 1200 Polizeianwärter in den vergangenen Jahren hätten einen Migrationshintergrund. Menschen seien inzwischen deutlich mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund tätig. Außerdem sei nichts unversucht geblieben, das Umfeld der NSU im Südwesten aufzuklären, hunderten von Spuren sei nochmals nachgegangen worden. Noch jetzt würden zur Aufklärung der NSU-Morde in Baden-Württemberg Akten aufbewahrt worden, die eigentlich aus Datenschutzgründen hätten inzwischen gelöscht werden müssen. Dafür habe er eigens die Zustimmung des Datenschutzbeauftragten der Landesregierung eingeholt. Gall warb aber um Verständnis, dass nicht alles möglich sei, was sich engagierte Parteimitglieder wünschten. So lägen vor allem, aufgrund der Prozess gegen Beate Zschäpe in München, inzwischen die Ermittlungshoheit über den Fall der ermordeten Polizistin Michele Kieswetter und alles, was damit zusammenhängt bei der Bundesanwaltschaft. Ihm seien somit die Hände gebunden. Ausdrücklich begrüßte Gall die Einrichtung einer Enquete-Kommission des Landtags zum Rechtsextremismus. Gegenüber einem Untersuchungsausschuss, wie ihn lange Zeit die Jusos gegen seinen Willen gefordert hatten, habe dieser den Vorteil, dass auch der Sachverstand Externer eingebracht werden könne. Einstimmig verabschiedeten die Delegierten den von den Jusos eingebrachten Leitantrag „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“. Angenommen wurde zudem ein Antrag, demzufolge Forenbetreiber – konkret der Interneteinzelhändler Amazon - dazu verpflichtet werden sollen, Diskussionsbeiträge mit rechter Propaganda von ihren Seiten zu löschen. Ferner beschloss der Parteitag, das Landesamt für Verfassungsschutz solle künftig keine Bildungsarbeit mehr machen; das sei Sache der Landeszentrale für politische Bildung und von Einrichtungen der Zivilgesellschaft.

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Quelle: http://www.staatsanzeiger.de/de/politik-und-verwaltung/nachricht/artikel/mehr-praevention-und-aufklaerung-gegen-rechtsextreme-keine-verfassungsschuetzer-mehr-in-der-bild/ / Staatsanzeiger, 31.03.2014

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Die Angst vor dem Rechtsruck in Europa

Angesichts der Krise in Europa machen die rechten und linken Populisten Boden gut. Nun hoffen sie, bei der Europawahl im Mai möglichst viele Abgeordnete ins neue Parlament zu bringen. Das könnte die Stimmung in ganz Europa beeinflussen.

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Stuttgart - Die radikalen EU-Kritiker wittern ihre große Chance. Bei der Wahl zum nächsten Europaparlament hoffen sie so viele Sitze zu erringen, dass sie die Entscheidungen in der Union endlich nach ihrem Willen beeinflussen können. Manche wollen die EU sogar ganz abschaffen. Besonders hohe Umfragewerte verzeichnen die Rechten in Frankreich, wo sie bei den Kommunalwahlen jetzt stark abgeschnitten haben, und in Italien. Auch in den Niederlanden können sie auf viele Stimmen hoffen. Schon heute sitzen rund 55 EU-skeptische Rechtspopulisten im Straßburger Parlament. Zählt man die 35 Abgeordneten der EU-kritischen Linken dazu, ergibt dies etwa 12 Prozent der 766 Parlamentarier. Eine Studie der Deutschen Bank geht davon aus, dass sich diese Zahl nach der Wahl auf bis zu 27 Prozent erhöhen könnte.

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Die Rechten gewinnen an Macht Mit großer Sorge beobachten Experten vor allem das Erstarken der Rechtspopulisten. Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise punkten sie mit harter Kritik an der EU, Schmähungen des Euro und Hetze gegen Einwanderer. Befürchtet wird, dass diese Parteien die Grundstimmung in der ganzen Gesellschaft negativ verändern könnte. Die Parteienforscherin Sarah de Lange von der Uni Amsterdam erklärte auf einer Extremismus-Tagung: So wie die Partei für die Freiheit von Islamgegner Geert Wilders den niederländischen Mainstream-Parteien indirekt eine verschärfte Migrations- und Integrationspolitik aufgezwungen habe, könnte eine erstarkte Rechte auch in Straßburg Themen und Debatten beeinflussen. In Deutschland sind die rechten Parteien von solchen Stimmengewinnen noch weit entfernt. Aber das Abschneiden der NPD wird genau beobachtet. Ihre Chancen seien enorm gewachsen, seitdem das Bundesverfassungsgericht die Dreiprozenthürde in Deutschland gekippt habe, meint der Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit. Schon rund ein Prozent der Stimmen würde für einen Sitz im Europaparlament reichen.

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Radikale gibt es auch bei den Linken Zwar stehen die rechten Parteien in Europa besonders im Fokus, doch auch im linken Spektrum tummeln sich radikale Kräfte. Viele von ihnen sammeln sich in der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken, die aus 35 Abgeordneten besteht. Dazu zählen etwa die kommunistische Partei in Tschechien oder die griechische Syriza – und auch die deutsche Linkspartei. Diese Parteien kritisieren die Austeritätspolitik und sehen die „militaristische und undemokratische“ EU als neoliberales Vehikel zum Abbau von Sozialstandards. Trotz Globalisierungskritik bleiben aber viele Linke ihrer internationalistischen Tradition treu und fordern nicht zwingend die Auflösung der EU. Experten sehen auch in Zukunft keinen allzu starken Einfluss des Linkspopulismus auf das europäische Parteiensystem. So haben sich viele linke Parteien ihres Populismus entledigt, um koalitionsfähig zu werden. Das gilt etwa für Die Linke in Deutschland, aber auch für die niederländische Sozialistische Partei. Während die linken Parteien im Europaparlament erfolgreich versuchen, ihre politischen Kräfte zu bündeln, gelingt das den rechtspopulistischen Parteien nur schwer. Zwar sind viele von ihnen in der Fraktion der EFD (Europa der Freiheit und Demokratie) zusammengeschlossen, doch dieses Bündnis ist wohl eher eine Zweckgemeinschaft. Es seien sehr nationalistische Parteien, schreiben die Extremismus-Experten Martin Langebach und Andreas Speit in ihrem Buch „Europas radikale Rechte“. Ihre Interessen gingen zu weit auseinander. Deutsche, Österreicher und Italiener beispielsweise seien sich noch nicht einmal über das Territorium Österreichs einig. Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.europawahl-die-angst-vor-dem-rechtsruck-ineuropa.02012b9e-fe2f-4b01-84bc-7ed619699845.html / Knut Krohn, Stuttgarter Zeitung, 31. 03. 2014

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Rock gegen Rechts

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Die antifaschistische Kampagne „Alboffensive, kein brauner Alb(t)raum“ veranstaltete im Hechinger Jugendzentrum ein Konzert gegen Rassismus und Intoleranz. Die Musik besorgten Künstler aus der Region.

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Laut und ziemlich fröhlich war der Abend. Aber trotzdem kein beliebiger Anlass zum Feiern. Im Gegenteil, dieses Konzert sollte in den Augen der Organisatoren auf ein wichtiges und weiterhin aktuelles Thema und seine Gefahren hinweisen: Rechtsradikalismus! Im Treppenhaus stimmte ein Plakat mit der Aufschrift „Kein Bock auf Nazis“ die Gäste bereits auf das Thema ein. Für drei Euro Eintritt bekam man dann einiges geboten. Das Motto des Abends „Hechingen ist bunt“ wurde in jeder Hinsicht erfüllt. Es wurde ausgelassen getanzt, gefeiert und gelacht. Aussehen und Herkunft? Völlig egal. Für jeden Musikgeschmack war etwas dabei. Ob Techno von DJ Thommy Turbine, Hardcore-Punk von „Vengeance Today“ (aus Chemnitz) oder Countrytrash von „The Lost Colericos“ (aus Tübingen), die mit ihrer Musik das Juz zum Tanzen animierten - der Mix brachte Stimmung. Für alkoholfreie Getränke, Bier und einen leckeren vegetarischen „Chili sin Carne“ sorgte das Jugendzentrum. Alexander Brotz, Mitarbeiter im Juz, erhoffte sich von dem Konzert auch wieder „etwas mehr Trubel im Haus“. Brotz: „Wir haben ein großes und tolles Jugendzentrum, es wär klasse, wenn das von noch mehr Leuten genutzt würde.“ Tatsächlich gibt es im Juz vier große Räume mit Sofas, Billard, Tischkicker und Bar. Es lohnt sich also, nicht nur bei Konzerten einen Blick hineinzuwerfen. Der Veranstalter des Konzertes, die antifaschistische Kampagne „Alboffensive, kein brauner Alb(t)raum“ wurde 2008 im Zollernalbkreis gegründet. Sie setzt sich aktiv gegen Rechtsextremismus ein. Die Mitglieder, die aus dem ganzen Zollernalbkreis kommen, treffen sich oft zu ihren Sitzungen im Juz. Es ist für Tagungen ebenso geeignet wie für Feste. Ein Info-Tisch, den die Alboffensive vorbereitet hatte, bot zahlreiche Informationen zum Thema Neonazis und Rassismus. Flyer und Bücher erlaubten weitere Einblicke in das Thema, Buttons und T-Shirts bezogen Stellung. „Wir wollen die Leute für das Thema sensibilisieren“, betonte Aktivist Moritz Müller. Mit dem Geld, das sie unter anderem durch ihre T-Shirts und die Konzerte verdient, unterstützt die Gruppe Menschen, die Probleme mit der rechten Szene haben. Oder man investiert es in neues Info-Material. Ungefährlich oder problemlos ist das nicht.

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Rechtsradikale versuchen, die Mitglieder der Alboffensive mit Gewalt einzuschüchtern. Neben Konzerten, die eine musikalische Alternative zur sogenannten rechten „Hass-Musik“ bieten, veranstaltet die Offensive unter anderem auch Vorträge über Symbolen und Kleidung der rechten Gruppen. Regelmäßig ist sie zudem beim „Use your summer“ in Hechingen dabei.

Quelle: http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/Rock-gegen-Rechts;art5612,2530799 / Franziska Dietz, Hohenzollernsche Zeitung - Südwest Presse online, 01.04.2014

U-Ausschuss zum Thema Rechts

CDU und FDP gegen Enquete-Kommission Landtagsfraktionschef Peter Hauk hat bekanntgegeben, dass die CDU zunächst keinen Landtags-Untersuchungsausschuss zum Thema Extremismus beantragen will. Auch die FDP ist gegen die geplante Enquete-Kommission.

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Stuttgart - Wenn Grüne und SPD an diesem Mittwoch im Landtag eine Enquete-Kommission zum Thema Rechtsextremismus beschließen, passiert dies voraussichtlich ohne Zustimmung von CDU und FDP. Beide Oppositionsfraktionen kritisierten am Dienstag den geplanten Arbeitsauftrag des Gremiums. CDU-Fraktionschef Peter Hauk und FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke pochen darauf, dass die Kommission sich mit Extremismus generell auseinandersetzt. Grüne und SPD wollen die Enquete hingegen auf das Thema Rechtsextremismus, die rechtsterroristischen NSU-Morde und die Lehren daraus fokussieren. CDU und FDP planen, jeweils eigene Änderungsanträge zu stellen. Finden diese bei den Regierungsfraktionen keine Zustimmung, will sich die FDP bei der Abstimmung enthalten - die CDU will dann gegen die Enquete stimmen. Wie Hauk sagte, wird sich seine Fraktion dann aber dennoch konstruktiv an der Arbeit beteiligen. Rülke erklärte die geplante Enthaltung seiner Fraktion mit den Worten: „Wir sind nicht generell gegen die Aufarbeitung des Themas Rechtsextremismus.“ Teile der CDU-Fraktion hatten auch einen Untersuchungsausschuss für sinnvoll gehalten. Der soll jetzt aber erst einmal nicht beantragt werden, obwohl die CDU so ein Gremium alleine beschließen könnte. „Wir behalten uns einen Untersuchungsausschuss vor“, sagte Hauk. Er verwies auf den laufenden Prozess in München gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe. Es könne sein, dass sich im Prozess noch Fragen ergäben, denen man im Land nachgehen müsse. Der Vorsitz der Enquete-Kommission steht turnusgemäß einem Grünen-Politiker zu. Wer das Amt übernehmen wird, war zunächst noch nicht öffentlich bekannt. Eine Enquete-Kommission dient laut Geschäftsordnung des Landtags dazu, umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte aufzuarbeiten. Der Enquetekommission können auch Experten angehören, die nicht Mitglieder des Landtags sind. Den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Das NSU-Trio hatte auch Kontakte nach Baden-Württemberg und war dort häufiger zu Besuch.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.u-ausschuss-zum-thema-rechts-cdu-und-fdpgegen-enquete-kommission.a2401792-dc1c-4d3b-8838-ee4aea069c38.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 29.04.2014

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Landtag beschließt Enquete-Kommission Mit den Stimmen der Grünen und der SPD hat der baden-württembergische Landtag den Einsatz einer Enquete-Kommission zum Thema Rechtsextremismus beschlossen. Die CDU stimmte gegen den Ausschuss, die FDP enthielt sich.

Stuttgart - Zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen NSU-Morde arbeitet nun auch der Stuttgarter Landtag das Thema auf. Mit den Stimmen von Grünen und SPD setzte er am Mittwoch eine EnqueteKommission ein, die die Verbindungen der Terroristen nach Baden-Württemberg sowie die Entwicklung der rechten Szene beleuchten und daraus Lehren für die Zukunft ziehen soll. CDU und FDP beantragten, den Arbeitsauftrag der Enquete weiter zu fassen und auch andere Formen des Extremismus einzuschließen. Grüne und SPD lehnten dies aber ab. Darauf votierte die CDU gegen die Enquete Seite 15


die FDP enthielt sich. Die CDU behält sich weiterhin vor, selber einen Untersuchungsausschuss zum NSU-Thema zu beantragen. Den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Das NSU-Trio, das im Herbst 2011 aufflog, hatte auch Kontakte in die gewaltbereite, rechte Szene Baden-Württembergs und hielt sich häufiger im Südwesten auf. Thema auch wissenschaftlich aufarbeiten

Eine Enquete-Kommission dient prinzipiell dazu, umfangreiche Themen vor allem wissenschaftliche aufzuarbeiten. Ein Untersuchungsausschuss hat hingegen weitergehende Beweiserhebungsrechte. In einem Untersuchungsausschuss, zu dessen Befürwortern dem Vernehmen nach auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk gehört, hätte die CDU als Parlamentsminderheit mehr Rechte als in eine Enquete-Kommission. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte, eine Enquete sei kein geeignetes Instrument zur Aufarbeitung der NSU-Morde. „Die Kommission hat keine rechtlichen und faktischen Möglichkeiten zu den notwendigen Beweiserhebungen“, sagte ihr Vorsitzender Romani Rose. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages habe aber festgestellt, dass gerade der Polizistenmord von Heilbronn und dessen Hintergründe nicht ausreichend aufgeklärt seien. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Schebesta, appellierte noch einmal an Grüne und SPD, den Arbeitsauftrag des Gremiums auf Linksextremismus und religiös motivierten Extremismus auszudehnen. In der Enquete werde es erklärtermaßen nicht darum gehen, Ermittlungen neu aufzurollen, sondern Strukturen zu erfassen und daraus Konsequenzen zu ziehen - das betreffe den Extremismus generell. FDP-Justizexperte Ulrich Goll argumentierte, wenn man bei dem Thema NSU wirklich weiterkommen wolle, gehe das nur in einem U-Ausschuss mit seinen umfangreichen Beweiserhebungsrechten. Grünen-Politiker Daniel Lede Abal entgegnete, kein anderes Bundesland habe die Aufarbeitung des NSUThemas mit anderen Fragen verknüpft. Auch Innenexperte Uli Sckerl warnte davor, die NSU-Morde dadurch herunterzuspielen, indem man den Arbeitsauftrag der Enquete verwässert. SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou sieht die Hauptaufgabe nun vor allem darin, Lehren für die Zukunft zu ziehen und Vertrauen in Politik und Sicherheitsbehörden wieder aufzubauen. Bei der Frage, ob eine Enquete-Kommission oder ein Untersuchungsausschuss dem Thema besser gerecht werden könnten, argumentierten Innenminister Reinhold Gall (SPD) und auch einige CDU-Abgeordnete, dass ein Untersuchungsausschuss wohl derzeit inhaltlich nicht viel brächte. Sie verweisen auf die noch laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts und den Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe in München. Für den Fall, dass sich dort neue Ansatzpunkte ergeben, halten sich auch die Grünen offen, doch noch einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

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Quelle: www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.rechtsextremismus-landtag-beschliesst-enquete-kommission.f9736613-2352-48dd-a5d6-041939126c85.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 30.04.2014 Mehr zum Thema: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Rechtsextremismus-im-VisierGruen-Rot-setzt-Enquete-ein;art1158742,2579728 / Südwest Presse online, 30.04.2014

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Unter den Neonazis gibt es immer mehr Frauen Die rechtsextreme Szene gilt als männerdominiert und gewalttätig. Doch Experten warnen: Weibliche Neonazis werden aktiver – und radikaler.

Sie inszenieren sich als Heimchen am Herd und unwissende Mitläuferin - eben nur die „Freundin von“. Es gibt noch nicht einmal ein griffiges Wort für weibliche Neonazis. Doch nach Experteneinschätzung nehmen sie in der Szene eine immer aktivere und radikalere Rolle ein. Vorbei sind die Zeiten, als Rechts-Sein Glatze und Springerstiefel bedeutete. Je attraktiver und ungefährlicher rechtsextreme Frauen aussehen, desto besser. Dahinter stecke Kalkül, Seite 16


sagen Experten - eine Strategie, die auch beim Prozess um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) und die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe deutlich wird. Längst spielen Frauen nach einer Analyse der Amadeu Antonio Stiftung eine Schlüsselrolle in der rechtsextremen Szene. Sie agieren verdeckt in der Nachbarschaft, in Kitas und Schulen, tragen ihre Ideologie in die Mitte der Gesellschaft. Nach Einschätzung der Genderwissenschaftlerin Renate Bitzan stammt bei Wahlen mittlerweile jede dritte Stimme für die Rechten von einer Frau. Jedes fünfte Mitglied rechtsextremer Parteien ist weiblich - und mindestens zehn Prozent der rechten Gewalttaten werden von Frauen verübt. Trotzdem, sagt Michaela Köttig, Gründerin des Forschungsnetzwerks „Frauen und Rechtsextremismus“, würden Neonazi-Frauen noch immer nicht als Aktivistinnen wahrgenommen. „Man kann sich einen solchen politischen Hintergrund einfach nicht vorstellen.“ Selbst nach einem Jahr vor Gericht erwarteten viele von der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe noch immer, dass sie Reue zeige. „Aber wieso sollte sie das, wenn sie überzeugt von ihrer Ideologie ist?“, fragt Köttig. Zschäpe propagiert das Klischee eines netten Mädchens, das nur als Geliebte eines Neonazis in die Szene gerutscht ist. „Doch wer 13 Jahre im Untergrund lebt, tut das nicht, weil er mit zwei Jungs ins Bett gehen will. Das macht man aus politischer Überzeugung“, sagt Sozialwissenschaftlerin Köttig. Ihr Image als „Freundin von“ nutzten Frauen aus der rechten Szene im NSU-Prozess bewusst aus, behauptet auch Nebenklage-Anwältin Antonia von der Behrens. Im Zeugenstand sagten sie durchweg, nicht gewusst zu haben, was ihr Freund tue. „Und dann noch ein Tränchen abdrücken“ - so einer Frau traue doch niemand zu, eine radikalisierte Rechte zu sein. Gleichzeitig zeigten die Frauen eine „Pampigkeit, die nicht mit ihrer naiven Haltung zusammenpasst“ - und Zschäpe habe sogar Kosenamen für eine Waffe gehabt. Von der Behrens ist überzeugt: Hätten die Ermittler Neonazi-Frauen nicht unterschätzt, wären die NSU-Morde früher aufgedeckt worden. „Zschäpe waren Straftaten möglich, weil man sie ihr als Frau nicht zutraute“, sagt auch Ulrich Overdieck, der den NSU-Prozess als Rechtsextremismus-Experte beobachtet. Dabei nehmen Frauen in der rechten Szene längst alle möglichen Rollen ein. Es gebe Vordenkerinnen wie Mitläuferinnen, Gewalttätige wie sozial Engagierte, Fanatikerinnen, siebenfache Mütter oder promovierte Karrierefrauen, erläutert Esther Lehnert von der Amadeu Antonio Stiftung. Der Feminismus sei selbst in der konservativ geprägten rechten Szene angekommen - in Ansätzen. „Das Geschlechterbild ist nicht so traditionell, wie es wahrgenommen wird“, sagt Lehnert. „Aber es ist trotzdem da.“ In einem bestimmten Alter gestatte man Frauen, sich auszutoben. „Aber die Erwartung bleibt, dass sie sich später um den völkischen Nachwuchs kümmern.“ Längst haben die rechten Kameraden aber erkannt, dass mit Frauen im Wahlkampf Stimmen zu holen sind. Sie ließen die Szene weniger gewalttätig erscheinen, sagt Köttig. Frauen machen das Image der Rechten sanft, spülen es weich, lassen sie - gefährlicherweise - besser wählbar erscheinen.

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Quelle: http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/mehr-frauen-unter-neonazis--84321668.html, Badische Zeitung, 06.05.2014

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Rechtsextreme Straftaten Zahl rückläufig, aber weniger Fälle aufgeklärt

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Laut Innenminister Reinhold Gall ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten in BadenWürttemberg gesunken. Doch gleichzeitig wurden weniger Fälle aufgeklärt.

Stuttgart – Die Fälle von politisch motivierter Kriminalität in Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr auf einen neuen Tiefstand gesunken. Die Zahl der erfassten Straftaten verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr um etwa zwei Prozent auf 2061 Fälle, wie das Innenministerium am Sonntag mitteilte. Innenminister Reinhold Gall (SPD) bezeichnete insbesondere den Rückgang rechtsmotivierter Kriminalität als erfreulich. Sie war um 16,8 Prozent auf 925 Fälle zurückgegangen. Die im Koalitionsvertrag festgelegte Intensivierung der Rechtsextremismusbekämpfung sei richtig und wichtig gewesen, sagte er. Die rechte Szene sei vor allem durch Durchsuchungen und Festnahmen nachhaltig verunsichert worden. Die Zahl linksextremer Delikte sei jedoch gestiegen. Die Zunahme von 100 auf 138 Fälle sei vor allem auf Ausschreitungen einer Demonstration gegen die Piusbruderschaft in Freiburg im April 2013 zurückzuführen. Allein 55 Gewalttaten hätten in Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung gestanden. Von einer anhaltenden negativen Entwicklung könne deshalb nicht ausgegangen werden. Trotzdem betonte Gall: „Wir dürfen bei der präventiven wie repressiven Bekämpfung der politisch motivierten Seite 17


Kriminalität nicht nachlassen.“ Die Aufklärungsquote lag mit 38,4 Prozent zwar über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, war im Vergleich zum Vorjahr aber um 3,2 Prozentpunkte gesunken. Gall warb deshalb für das anonyme Aufnahmesystem im Internet. Es erweise sich als wertvolles Instrument, welches Bürger nutzen können, um auf potenzielle rechtsmotivierte Gewalttaten aufmerksam zu machen. Erst am Samstag kam es bei Demonstrationen der linken Szene im Landkreis Esslingen zu Ausschreitungen zwischen Linken und Rechten. Einsatzkräfte nahmen elf Personen der rechten Szene in Gewahrsam genommen, da sie den Anweisungen der Polizei nicht nachkamen.

Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.rechtsextreme-straftaten-zahl-ruecklaeufig-aber-wenigerfaelle-aufgeklaert.81b36656-f77d-4cd2-aa26-53a8d2f7086d.html / SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 11.05.2014

Bad-Dürrheim SPD: Anschlag auf Wahlplakate Bad Dürrheim - Einen Anschlag auf Wahlplakate mit ausländerfeindlichem Hintergrund hat der SPDOrtsverein zu beklagen, betroffen ist besonders die 41-jährige Derya Türk-Nachbaur. Ihr Porträt war Ziel einer Überklebungsaktion auf insgesamt drei Plakaten der Sozialdemokraten mit Parolen von NPD und DLVH.

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„Das ist mir sehr, sehr nah gegangen“, sagt die in Deutschland groß gewordene Derya Türk-Nachbaur. Ihre Eltern wanderten 1970 aus der Türkei aus und leben noch heute in Paderborn.

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Die 41-Jährige sieht sich als Beispiel für eine gelungene Integration. Sie hat in Marburg neue deutsche Literatur, Medienwissenschaften und Amerikanistik studiert und im Medienbereich gearbeitet. Die drei Wahlplakate seien vermutlich in der Nacht auf Sonntag überklebt worden. Nachdem der Vorfall am Sonntag bemerkt wurde, hatten Derya Türk-Nachbaur und ihr Mann am Montag Anzeige erstattet, unter anderem wegen Volksverhetzung und Beleidigung, aber auch wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch, schließlich befand sich eines der betroffenen Plakate auf dem Grundstück der Nachbaurs. Der SPD-Ortsverein hat laut Vorsitzendem Walter Polaczek Anzeige wegen Sachbeschädigung gestellt. „Das können wir so nicht stehen lassen“, wehrt sich Polaczek im Sinne der Sozialdemokraten gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Seit eineinhalb Jahren wohnen die Nachbaurs in Bad Dürrheim. Mit Ausländerfeindlichkeit ist Derya Türk-Nachbaur kürzlich im Rahmen des SPD-Wahlkampfs konfrontiert worden. Da sei jemand auf sie am Stand zugekommen und habe gemeint, als Moslem habe sie hier nichts zu suchen. Sie solle in der Türkei Politik machen.

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Aber es gab auch andere Reaktionen, vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund, die die 41-Jährige in ihrem politischen Engagement bestärkten. Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.bad-duerrheim-spd-anschlag-aufwahlplakate.79dac1b4-66c4-4c67-8be8-db08e2d5effb.html / Markus Reutter, Schwarzwälder Bote, 21.05.2014

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Bangen um den Rickenbacher Bürgermeister Rickenbach - Ob die Bürgermeisterwahl in Rickenbach wiederholt werden muss, entscheidet sich in zwei Wochen. Zur Wahlanfechtung des rechtsextremen Bewerbers Christian Bärthel gab nun es eine Anhörung. Das Wahlanfechtungsverfahren gegen die Rickenbacher Bürgermeisterwahl ist noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht Freiburg verhandelte die Klage des abgewiesenen rechtsextremen Bewerbers Christian Bärthel gegen das Land Baden-Württemberg. „Die Urteilsverkündung erfolgt schriftlich“, schloss Richterin Michaela Ecker nach einer Stunde die Anhörung. Auf „etwa zwei Wochen“ schätzte Ecker die Wartezeit auf Anfrage unserer Zeitung. So viel ließ die Richterbank nach einer Stunde Anhörung durchblicken. Sie neige zur Auffassung der Angeklagten, also des Landes. Der Dezernent des Landratsamts Waldshut, Walter Scheifele, hatte zuvor angeführt, dass die Rechtsprechung die Gesamtschau aller verfahrensrelevanten Aktivitäten des Klägers in Betracht ziehen müsse, nicht die Verfassungsrechtlichkeit von Einzelaktivitäten. Dem stimmte Richterin Ecker zu. In der Gesamtschau ergäben sich seitens des Gerichts „erhebliche Bedenken“ gegen die Erfüllung der Verfassungstreue durch den Kläger Christian Bärthel aus dem thüringischen Ronneburg, fügte sie an. Erhält der Kläger Recht, muss die Gemeinde Rickenbach die Wahl wiederholen. Andernfalls kann er in Berufung gehen, oder den Verwaltungsgerichtshof anrufen. Die Vorgeschichte: Der Gemeindewahlausschuss hatte am 31. Januar 2013 einstimmig den Kandidaten Christian Bärthel von der Bürgermeisterwahl in Rickenbach ausgeschlossen. Laut Ausschuss bot der Kandidat nicht

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Gewähr, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzustehen. Es folgten mehrere Einsprüche Bärthels, der zwischenzeitlich auch eine Bewerbung um das Papstamt abgab, und letztlich die Wahlanfechtung. Die von Scheifele aufgeführten Hinweise zu möglichen rechtsextremen Aktivitäten Bärthels stammten aus der Zeit von 2003 bis 2008. Entsprechend versuchte Bärthel, seine Vergangenheit in der DVU, der Deutschen Partei und der NDP zu trennen von seiner jüngeren freien Beschäftigung im christlichen „missionarischen Gedanken zur Umkehr“. Scheifele führte dagegen eine von Bärthel begleitete Veranstaltung zum Thema „Der Holocaust aus Bibelsicht“ von 2012 und einen Brief Bärthels an 158 Länderbotschaften in Berlin von 2010 ins Feld. In letzterer habe Bärthel dazu aufgefordert, die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik aufzugeben, solange diese die Menschenrechte und ihn politisch verfolge. Scheifele sagte, „auch verkleidet mit Christus und biblischer Sicht“ sei der Kandidat zurückzuweisen. „Nicht aus Demokratieverachtung, sondern aus Demokratierespekt“ klage er gegen die Rechtssprechung, so Bärthel. Der gewählte Bürgermeister Dietmar Zäpernick zog sein Fazit: „Es geht nicht um Zäpernick, sondern um Rickenbach. Es muss endlich Ruhe einkehren.“

Quelle: http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/rickenbach/Bangen-um-den-Rickenbacher-Buerg ermeister;art372616,6974137, Südkurier, 28.05.2014

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Rassismus im Sundgau

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Deutsche Rechtsextreme nutzen Südelsass als Rückzugsort

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Antisemitische Impulse im Südelsass nehmen sichtbar zu. So versammelten sich am 20. April mehr als 200 Neonazis in Oltingue, um den 125. Geburtstag Hitlers zu feiern.

Was ist los im Südelsass? Im April versammelten sich 200 Neonazis in Oltingue, einem kleinen Ort im Sundgau zwischen Ferrette und Leymen; Anfang Mai wurden antisemitische Schmierereien in Huningue und SaintLouis entdeckt; in den Garten der 1907 in St. Louis gebauten Synagoge werden regelmäßig Steine geworfen: Antijüdische und antisemitische Impulse im Südelsass nehmen sichtbar zu. „In Krisenzeiten wird immer ein Schuldiger gesucht und Minderheiten sind ein ideales Ziel“, erklärt Jean-Alain Kiefe die Entwicklung. Der Vizepräsident der historischen Gesellschaft von Saint-Louis und Mitglied der jüdischen Gemeinschaft hat in den letzten Jahren eine spürbare Zunahme antisemitischer Affekte bemerkt: „Steine werden in die Synagoge geworfen und Personen, die den traditionellen Anzug tragen, verbal attackiert“, schildert er. Kiefe ist zudem verantwortlich für die jüdischen Friedhöfe im Südelsass und auch dort stellt fest er, dass manche Leute mitunter wenig Respekt zeigen: In Hegenheim etwa habe er eine Dame gesehen, die ihren Hund frei im Friedhof laufen ließ. Eine solche Entwürdigung gebe es, da ist er sicher, auf einem christlichen Friedhof nicht.

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Unauffällig auf fremdem Terrain

„Es ist ein Rassismus, der hauptsächlich auf alten Ideen basiert ist“, analysiert Kiefe weiter. Gerade die vergangenen zwei Monate seien leider dicht besetzt gewesen mit solchen an der Vergangenheit orientierten Ereignissen. So versammelten sich am 20. April mehr als 200 Neonazis in Oltingue, um den 125. Geburtstag Adolf Hitlers zu feiern, darunter der Sänger von Blue Eyed Devils, einer amerikanischen Neonaziband, einige Schweizer, aber vor allem deutsche Rechtsextreme; gerade diese weichen zunehmend ins Elsass aus, da es dort (noch) einfacher ist ein Lokal zu mieten als hierzulande, und sie bewegen sich auf dem fremden Terrain dann eher unauffällig. In Oltingue jedenfalls wurden keine Störungen gemeldet, geschweige denn jemand verhaftet. Was allerdings auch mit der Präsenz der Gendarmerie zusammenhängen kann, die vor Ort war, um Probleme zu verhindern. Rund drei Wochen später, am 8. Mai, also just dem Tag, an dem die Welt des teuer bezahlten Sieges über das deutsche Nazi-Regime gedenkt, wurden antisemitische Schmierereien in Huningue und Saint-Louis entdeckt. Da wurden in Huningue Sprüche wie „Anti Antifa“ (Gegen die Antifaschischten) und „Juden raus“ auf den Boden des Skaterplatzes gesprüht; zudem wurden in der Weiler Partnerstadt, aber auch im benachbarten St. Louis an sechs Seite 19


verschiedenen Orten Davidsterne und Symbole der Waffen SS als Tags und Graffiti aufgesprüht. Das alles deutet auf rechtsextreme Hintergründe hin. Mit Neonazi-Ausrüstung

Anfang des Monats, exakt am 1. Juni, wurden in Mulhouse denn auch zwei Jugendliche, ein 16- und ein 18-Jähriger verhaftet. Sie hatten Exemplare von Hitlers „Mein Kampf“ dabei, Fahnen mit Hakenkreuzen und keltischen Runen sowie T-Shirts mit Nazi-Slogans. „Eine perfekte Neonazi-Ausrüstung“, beschreibt Bertrand Muesser, Kommandant der Polizei von Saint-Louis. Inzwischen haben die beiden auch zugegeben, verantwortlich für die Schmierereien zu sein. Doch die rassistischen und fremdenfeindlichen Affekte beschränken sich nicht auf die jüdische Gemeinde. Imam Abou Ammar aus Mulhouse beobachtet ähnliche Aggressionen gegenüber Muslimen. „Moscheen werden beschmiert und der Rassismus wird immer mehr spürbar“. Gerade der Islam werde immer wieder mit Terrorismus in Verbindung gebracht, dabei sei die islamische Religion genau das Gegenteil, meint er. „Front national“ gesellschaftsfähig

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Auch die Bewegung gegen Rassismus und für den Frieden zwischen den Völkern (MRAP) beobachtet seit 2010 eine Zunahme antisemitischer und rassistischen Handlungen. Inzwischen gebe es im Elsass mehrere rechtsextremistischen Bewegungen. Das korrespondiert einerseits mit der seit 2010 in Frankreich immer spürbareren Krise. Andererseits existieren im Südelsass neben der nach der Europawahl fast schon gesellschaftsfähigen „Front national“ von Marine Le Pen seit rund 20 Jahren regionale Formen des Rechtsextremismus wie Alsace d’abord (Elsass zuerst) und später mit dem Mouvement régionaliste alsacien (Elsäsische Regionalbewegung). Inzwischen haben sich Anhänger dieser Bewegungen dem „Bloc identitaire“ angenährt. Dieser destilliert seine Ideologie nach Erkenntnissen der MARP teilweise direkt aus Wurzeln des deutschen Nationalsozialismus der 30er Jahre, wie etwa das 2005 verbotene Elsass Korps.

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Unkenntnis und Intoleranz als Nährboden

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Eine Lösung aber ist, wie immer in diesen Fällen, leicht beschrieben, aber schwer umzusetzen, vor allem wenn sich Vorurteile und – angesichts der wirtschaftlichen Lage – Perspektivlosigkeit und reale Ängste vor sozialem Abstieg verbinden. „Die Unkenntnis der Religionen und Intoleranz sind der ideale Nährboden für diese Gewalttätigkeiten“, weiß Jean-Alain Kiefe. Dagegen helfen Aufklärung und Erziehung. „Das ist der beste Weg gegen den Fremdenhass“, sagt er. Aber in der Regel ist das eben auch ein Weg, der Zeit und Geduld braucht.

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Quelle: http://www.badische-zeitung.de/st-louis/deutsche-rechtsextreme-nutzen-suedelsass-alsrueckzugsort--85949495.html, Badische Zeitung, 06.06.2014

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Gemeinde ein sicheres Pflaster

Baiersbronn – „Wir leben in einer sicheren Gemeinde, und das spricht für die Polizei“, lobte Gerhard Gaiser (SPD), nachdem Polizeioberrat Gerold Schumacher, Leiter des Polizeireviers in Freudenstadt, dem Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einen Lagebericht präsentiert hatte.Insbesondere die Neustrukturierung im Zuge der Polizeireform und die Kriminalitätsstatistik für die Gemeinde standen in dem Bericht Gerold Schumachers im Fokus. Der Polizeiposten in Baiersbronn, zu dem vier Beamte gehören, sei weiterhin besetzt, stundenweise könne er jedoch auch mal unbesetzt sein, teilte Schumacher mit. Durch die neuen Strukturen werde voraussichtlich noch in diesem Jahr der Notruf nach Tuttlingen umgeleitet und vom dortigen neuen Führungs- und Lagezentrum koordiniert. Weitere größere Veränderungen gebe es nicht im Bereich Baiersbronn. Insgesamt sprach der Polizeioberrat von einem leichten Anstieg der Kriminalität. Diese bewege sich aber im Rahmen, und man könne nicht von einer dauerhaften Entwicklung sprechen. Mit einer hohen Aufklärungsrate liege man auch im Landkreis in einem guten Bereich. Alle Einsätze im Zusammenhang mit dem Nationalpark seien aus polizeilicher Sicht friedlich verlaufen. Auf Nachfrage von Thomas Gaiser (FDP) teilte Schumacher mit, dass eine Häufung von Einbruchsdelikten zwar im Land ein Thema sei, im Bereich Freudenstadt gebe es jedoch keine Veränderungen. Zwei Fälle habe es konkret in Baiersbronn gegeben. Fritz Kalmbach (CDU) fragte nach der Gleichbehandlung aller Straftaten. „Wir haben eine Aufklärungspflicht auch bei kleineren Vergehen. Haben wir allerdings keine Aufklärungsansätze, wird es schwer. Maßgeblich ist sicher auch die Bedeutung einer Straftat“, so Schumacher. Seite 20

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Gleich eine ganze Reihe an Fragen hatte Gerhard Gaiser (SPD), der sowohl nach der Jugendkriminalität als auch nach Drogenproblemen in der Gemeinde fragte. „Gibt es neuralgische Punkte in Baiersbronn, die Ausgangspunkt für Straftaten sind?“, wollte Gaiser wissen. „In Baiersbronn ist es nicht anders als in den umliegenden Gemeinden“, betonte Schumacher. Es sei zwar ein Rückgang der Jugendkriminalität zu verzeichnen, dies jedoch auch aufgrund des demografischen Wandels. Bei Drogendelikten und Rechtsextremismus gebe es ein Dunkelfeld. Man sei im Landkreis jedoch nicht stärker belastet als anderswo. Bürgermeister Michael Ruf fragte, warum kürzlich ein Polizeihubschraubers in der Nacht eingesetzt worden sei. „In der Regel wird er eingesetzt bei der Suche nach vermissten Personen, da müssen wir Lebensgefahr annehmen, und daher ist der Hubschrauber ein effektives und notwendiges Mittel“, teilte Schumacher mit. Christof Wanke, Leiter des Polizeipostens Baiersbronn, bestätigte eine relative Sicherheit Baiersbronns, auch gebe es aktuell keine besonderen Brennpunkte. „Insgesamt haben wir es eigentlich im Griff“, so Wanke. Er sprach jedoch auch von einer Vielzahl von Aufgaben, insbesondere bei den Ersuchen anderer Dienststellen. Zu den üblichen Bürozeiten sei der Polizeiposten meist erreichbar, gebe es akute Probleme, sei er auch privat zu erreichen. Michael Wagner, der Gemeindevollzugsbedienstete, gab einen Überblick über seine Aufgaben. Die Überwachung des ruhenden und fließenden Verkehrs nehme den Großteil seiner Arbeitszeit ein. An 16 Stunden im Monat werde die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeiten im Gemeindegebiet kontrolliert. Die Beanstandungsquote liege bei 15,8 Prozent. Gemessen wurden 8368 Fahrzeuge. Rund 25 900 Euro wurden durch die Bußgeldstelle Baiersbronn eingezogen. „Wir arbeiten insgesamt kostenneutral, so Wagner. Die Kosten für seine Stelle würden sich mit den Einnahmen aus den Verwarnungsgeldern decken. Es gebe kein Plus. Die verstärkten Kontrollen hätten dazu geführt, dass die Bürger vermehrt auf Parkscheiben und Parkscheine achten. Bürgermeister Ruf dankte Wagner für seine Arbeit, die sicher nicht immer angenehm sei, und zollte ihm seinen Respekt dafür.

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http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.baiersbronn-gemeinde-ein-sicheres-pflaster.713eade4fd00-4f01-8926-695a690acaa5.html / Monika Braun, Schwarzwälder-Bote, 06.06.2014

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Albbündnis nimmt Menschenfeindlichkeit im Sport ins Visier

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Wie kann es dazu kommen, dass ein eben noch sportlicher Amateurkick plötzlich in eine Gewaltorgie ausartet? Unter anderem damit befasst sich am Mittwoch, 9. Juli, eine Tagung im Burladinger Schulzentrum.

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Prügeleien zwischen Deutschen und Türken auf dem Dorfsportplatz, Schmährufe gegen Schwule von der Tribüne, Bananenwürfe gegen Schwarze im Stadion - vielfältig und oftmals noch viel subtiler sind die Erscheinungsformen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Sexismus im Sport. Wie man ihnen wirksam begegnet darum geht es am Mittwoch, 9. Juli, im Burladinger Schulzentrum. Veranstalter des Forums, das passend zur laufenden Fußball-WM den Sport in den Fokus nimmt, ist das „Albbündnis für Menschenrechte, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Das Albbündnis hat sich im vergangenen Jahr formiert und ist in vier Landkreisen tätig. Erklärtes Ziel des Präventionsbündnisses ist es, Rassismus, Sexismus, Homophobie, Abwertung von Behinderten und Obdachlosen und anderen Formen der Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken. Mit einer großen Auftaktveranstaltung in Mariaberg trat das Bündnis im vergangenen September erstmals an die Öffentlichkeit. Jetzt folgt der zweite Streich. Am Mittwoch, 9. Juli, findet ab 13 Uhr in der Grund- und Werkrealschule Burladingen das zweite Forum des „Albbündnisses“ statt. Titel: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erkennen und handeln - Sport im Fokus“. Das Burladinger Forum beginnt um 13 Uhr mit der Möglichkeit, erste Informationen bei einem Infomarkt zu erhalten. Nach einer kurzen Begrüßung um 13.30 Uhr durch Kreisjugendpfleger Alexander Schülzle aus Burladingen folgt ein Fachvortrag der Soziologin Thaya Vester vom Institut für Kriminologie der Universität Tübingen. Ihr Thema: „Die haben uns provoziert - gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Auslöser von Eskalationen auf dem Fußballplatz“. Thaya Vester forscht insbesondere im Bereich der Jugendkriminalität. Derzeit schreibt sie an ihrer Doktorarbeit im Fach Sportwissenschaft zum Thema „Gewaltphänomene im Amateurfußball“. Im Anschluss an den Fachvortrag stehen ab 15 Uhr fünf Workshops für die Besucher mit folgenden Themen zur Auswahl: „Die Fairplayliga und ihre Synergien“, „Coolnesstraining im Teamsport“, „Change City - das Onlinespiel gegen Menschenfeindlichkeit“, „Sprache und Gewalt - Bestimmt unsere Sprache unser Verhalten?“ sowie „Was sagt Musik? Textarbeit mit Liedtexten von FreiWild, Kategorie C und andere. Seite 21

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Beim Infomarkt präsentieren sich folgende Organisationen, Programme und Projekte: • Abseitz Stuttgart e.V. - Der Sportverein für Schwule, Lesben & Freunde • Albbündnis und „kompetent vor Ort. Für Demokratie - gegen Rechtsextremismus“ • Friedrich-Ebert-Stiftung • Gedenkstättenverband Gäu-Neckar-Alb • Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage; Kolpingbildungswerk Stuttgart • TSG Reutlingen inklusiv • Zweikampfverhalten e.V. - Fair im Sport. Cool im Alltag • Jugendnetz international: Austausch- und Kennenlernprogramme; Jugendstiftung Baden-Württemberg • Landeskriminalamt: Extremismusprävention. Das Forum, so heißt es in der Ankündigung, richtet sich an Verantwortliche in der Kommunalpolitik (Landräte, Bürgermeister, Kreisräte, Stadt- und Gemeinderäte), an Fachleute aus den Bereichen der Jugendhilfe, Ehrenamtliche und vor allem Verantwortliche aus der Vereinsarbeit, aber auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Info Anmeldungen sind bis zum 30. Juni per E-Mail an albbuendnis@kompetentvorort.de möglich.

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Quelle: www.swp.de/hechingen/lokales/burladingen/Albbuendnis-nimmt-Menschenfeindlichkeit-imSport-ins-Visier;art5604,2668563, Hardy Kromer, Südwest Presse online, 25.06.2014

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Verfassungsschutz nach NSU-Affäre Südwest-Opposition kritisiert Grün-Rot

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Was wird nach der NSU-Affäre aus dem Verfassungsschutz? Die Opposition befürchtet das Schlimmste. Grüne und SPD beschwichtigen – trotz Differenzen innerhalb der Regierung.

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Stuttgart - Die Opposition hat der grün-roten Regierung Machtspiele auf dem Rücken des Verfassungsschutzes vorgeworfen. Grüne und SPD seien sich uneins über die Zukunft des Amtes, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Volker Schebesta, am Donnerstag im Landtag. „Es geht ein Riss durch die Regierung.“ Damit fehle dem Landesamt die Rückendeckung, die es für seine schwierige Aufgabe brauche. Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke meinte: „Sie lavieren hin und her.“ Während die Grünen das Amt personell ausdünnen wollten, sehe Innenminister Reinhold Gall (SPD) kaum Raum für Einsparungen. Gall hatte kürzlich erklärt, das Landesamt sei gut aufgestellt. Hingegen pochten die Grünen auf eine Strukturreform. Bei der Landtagsdebatte waren Grüne und SPD aber darauf bedacht, die Differenzen nicht deutlich zu zeigen. Politiker beider Fraktionen erklärten, sie stünden zum Verfassungsschutz. „Aber wir wollen ihn natürlich auch noch besser machen“, sagte Grünen-Innenexperte Uli Sckerl. Die Frage sei, ob das Landesamt nach den Erfahrungen mit dem rechtsterroristischen NSU gut aufgestellt sei. Diskutiert werden müsse, ob Aufgaben anders zu bündeln seien, welche Quellen das Amt auswerten und wie mit sogenannten V-Leuten umgegangen werden solle. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann hatte im vergangenen Sommer erklärt, aus ihrer Sicht seien bei dem Amt 30 bis 50 Prozent Stelleneinsparungen drin. Das Amt hat rund 340 Mitarbeiter. Unklar ist, ob Sitzmann weiter zu ihrer Aussage steht. Sckerl relativierte nun, es gehe nicht darum, möglichst viele Stellen einzusparen, sondern den Verfassungsschutz effektiv aufzustellen. Gall räumte ein: „Der Verfassungsschutz wird seinen Beitrag zur Konsolidierung leisten müssen.“ Aber bereits vor zwei Jahren seien Konsequenzen aus den Erfahrungen mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) gezogen worden. So sei der Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz, Polizei und Justiz verbessert und das Personal für die Bekämpfung von Rechtsextremismus im Amt aufgestockt worden. „Dann räumen Sie das Thema doch einfach ab“, entgegneten Schebesta und Rülke. Nach Angaben des SPD-Politikers Florian Wahl wird sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe mit dem Thema Verfassungsschutz beschäftigen - neben der kürzlich eingesetzten Enquete-Kommission im Landtag, die Konsequenzen aus der NSUAffäre formulieren soll.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.verfassungsschutz-nach-nsu-affaere-suedwestopposition-kritisiert-gruen-rot.a3bd3c67-7ad2-439d-9da4-5519f304a267.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 26.06.2014

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NSU-Verbindungen zum Südwesten Enquete-Kommission nimmt Arbeit auf Zweieinhalb Jahren nach Bekanntwerden der NSU-Morde beschäftigt sich auch der Stuttgarter Landtag mit den Rechtsterroristen. Eingesetzt wurde nun eine Enquete-Kommission - obwohl es auch Forderungen nach einem Untersuchungsausschuss gibt.

Stuttgart - Der baden-württembergische Landtag hat damit begonnen, die Verbindungen des rechtsterroristischen NSU zum Südwesten aufzuarbeiten. Eine Enquete-Kommission, die sich mit den Konsequenzen aus der NSUMordserie, der Entwicklung des Rechtsextremismus im Südwesten und dessen verstärkten Bekämpfung befassen soll, kam am Dienstag in Stuttgart erstmals zusammen. Nach Angaben des Landtags wurde der Grünen-Politiker Willi Halder zum Vorsitzenden gewählt. Zu einem Untersuchungsausschuss mit weitergehenden Beweiserhebungsrechten hatte sich die Politik nicht durchringen können. Den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn. Nach den Erkenntnissen der Ermittler hatten die Rechtsterroristen umfangreiche Verbindungen nach Baden-Württemberg und waren auch mehrmals im Südwesten zu Besuch. Die Untersuchungen der Bundesanwaltschaft dazu dauern an. Die Linke forderte ebenfalls einen U-Ausschuss

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Halder sagte, Staat, Politik und Gesellschaft müssten alles dafür tun, dass sich Verbrechen wie die des NSU nicht wiederholen könnten. Die Kommission, der Abgeordnete und Experten angehören, solle Handlungsstrategien und Empfehlungen dazu erarbeiten, wie das Entstehen rechtsextremer Strukturen früh verhindert werden könnten. Auch solle eine gesellschaftliche Debatte angestoßen werden, um die Öffentlichkeit über Rechtsextremismus aufzuklären und zu sensibilisieren. Kritiker der Enquete-Kommission wie der Berliner Extremismusexperte Hajo Funke hatten einen Untersuchungsausschuss gefordert, da es noch viele offene Fragen gebe und nur so ein Gremium Zeugenaussagen und Aktenherausgaben erzwingen könne. Die Linke forderte ebenfalls einen U-Ausschuss. Die Enquete sei eine Farce, sagte Landessprecherin Heidi Scharf. „Gerade in unserem Bundesland, wo sich die rassistische Mörderbande jahrelang unbehelligt bewegen konnte, wäre eine parlamentarische Aufklärung bitter nötig.“ Der Linken-Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht meinte: „In anderen Bundesländern und im Bundestag wurde unglaubliches Versagen der Behörden ans Tageslicht gefördert. Das muss auch bei uns möglich sein.“

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Nächste Sitzungen sind für den 14. Juli, den 22. September, den 13. Oktober, den 10. November und den 8. Dezember geplant. Das Gremium soll bis zum 30. Juni 2015 einen abschließenden Bericht vorlegen. Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.nsu-verbindungen-zum-suedwesten-enquetekommission-nimmt-arbeit-auf.82fc6a5d-2fb3-4088-a725-3366f912bc6c.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 24.06.2014

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Der Runde Tisch macht weiter Auch wenn der erneut angekündigte Neonazi-Aufmarsch in Göppingen wieder abgesagt worden ist, gönnt sich der Runde Tisch gegen Rechts keine Pause. In Aufklärung und Prävention will das Gremium Schwerpunkte setzen.

Göppingen - Der Druck ist ein wenig raus – und das empfinden alle Beteiligten als Vorteil. Eine Verschnaufpause einzulegen oder gar ganz aufzuhören kommt für die Mitglieder des Runden Tischs, der im vergangenen Jahr wegen der rechtsextremen Umtriebe in Göppingen ins Leben gerufen wurde, aber dennoch nicht infrage. Und Seite 23


das, obwohl das Forum zunächst nicht unbedingt als Wunschkind der Verwaltung galt. Zumindest hatte sich der Prozess, bis die Runde eingerichtet war, aufgrund unterschiedlicher politischer Grundhaltungen der Akteure als schwierig gestaltet. Ebenso einig waren sich die Beteiligten bei ihrem jüngsten Treffen allerdings, dass die Abmeldung des für Oktober erneut angekündigten Neonazi-Aufmarsches eine gute Gelegenheit ist, den Fokus der Arbeit neu auszurichten. So erklärte Oberbürgermeister Guido Till, „dass wir darüber sprechen sollten, wie extremistische Tendenzen ganz allgemein in unserer Stadt abgebaut werden können“. Polizei will sich in die Projekte einbringen

Hubertus Högerle, der Leiter des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Ulm, sagte zu, dass sich die Polizei in  Präventionsprojekte einbringen werde. „Es ist wichtig, dass sich die bürgerliche Gesellschaft entsprechend aufstellt, um das Ziel zu erreichen, Naziaufmärsche zu verhindern“, sagte er. Ulrike Haas, die Leiterin des städtischen Referats Kinder und Jugend, betonte, „dass es weiterhin wichtig ist, miteinander vernetzt zu sein und Informationen auszutauschen“. Das auslaufende Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ wolle die Stadt deshalb auch fortsetzen. „Wir tun schon viel, wollen aber in der offenen Jugendarbeit weitere Qualifizierungen anbieten und noch mehr Schulen gewinnen, die sich an der Kampagne ,Schule ohne Rassismus‘ beteiligen“, ergänzte Haas. Bereits fest geplant ist darüber hinaus ein Vortrag mit Professor Kurt Möller, dem Experten für Rechtsextremismus der Hochschule Esslingen, sowie die Ausstellung „Braune Falle“ vom 9. bis zum 24. Oktober im Göppinger Rathaus. Alex Maier: Zusammenarbeit intensivieren

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Alex Maier vom Bündnis Kreis Göppingen nazifrei bekundete zunächst einmal seinen Respekt „für das, was alles geplant ist“. Er hält es für wichtig, „dass sich der Runde Tisch, gerade jetzt, wo wir etwas Luft haben, weiterhin regelmäßig trifft, um die Zusammenarbeit zu intensivieren, zu besprechen, was man machen könnte, und ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen“. Göppingens Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull pflichtet ihm bei: „Es ging und geht uns immer auch um die Prävention, deshalb müssen wir uns weiter mit dem Thema beschäftigen.“ Die städtische Integrationsbeauftragte Dagica Horvat kündigte gleich noch eine weitere Veranstaltung an: Am 7. und 8. Oktober werde in Göppingen der Film „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ gezeigt, für den ein Journalist unter dem Pseudonym Thomas Kuban recherchiert hat. Der evangelische Dekan Rolf Ulmer regte an, das ökumenische Friedensgebet im Rahmen der Interkulturellen Wochen „auf den Marktplatz und damit in die Öffentlichkeit zu holen“. Guido Till bekräftigte, dass er an Aktionen gegen poltischen Extremismus auch weiterhin teilnehmen möchte – „und zwar gegen rechten wie linken Extremismus“. Aus seiner Sicht schade es deshalb nicht, „den Runden Tisch gegen Rechtsextremismus zum Runden Tisch gegen poltischen Extremismus aufzuwerten“. Einen Konsens zu diesem Vorschlag gab es nicht. Neben den inhaltlichen Aspekten werden die Mitglieder des Runden Tisches also auch über die Struktur ihre Arbeit noch einmal reden müssen.

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.runder-tisch-gegen-rechts-in-goeppingen-der-runde-tischmacht-weiter.dfea2eb5-25a5-4879-bad3-0baf49919048.html, Andreas Pflüger, Stuttgarter Zeitung, 07.07.2014

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Extrem rechts: Über den braunen Rand der Region Der Mannheimer NPD-Erfolg hat für Wirbel gesorgt – dabei gibt es im gesamten Rhein-NeckarRaum eine gut vernetzte Neonazi-Szene

Heidelberg/Mannheim/Sinsheim. Die Warnungen kommen ganz plötzlich. Auf einmal kleben Eier am Auto. Anrufer schweigen bedrohlich in den Hörer. Da sind Beschimpfungen im Internet, massive Gewaltandrohungen Nadelstiche, die zeigen sollen: Wir beobachten dich! Doch Stefan Seitz sagt: „Ich habe keine Angst.“ Seit Jahren kämpft der 41-Jährige in Sinsheim gegen Rechtsextreme. Der Grünen-Stadtrat hat ein „Bündnis für Toleranz“ mitgegründet. Für die Nazis ist er ein Feindbild - das zeigen sie. Zum Gespräch kommt Seitz in ein Sinsheimer Café. Durch seinen Kinnbart ist er leicht zu erkennen. Für jeden. Aber Seitz setzt ein sicheres Lächeln auf. „Wir können uns nicht einfach verstecken.“ Verstecken oder nicht verstecken - das ist ein großes Thema in Sinsheim, nachdem die Stadt im April eine Demonstration der rechtsextremen NPD einfach ignoriert hatte. Oberbürgermeister Jörg Albrecht forderte die Seite 24


Bürger auf, die Rollläden herunterzulassen. Dafür gab es Kritik - auch von Seitz. Der wiederum steht unter Beschuss, weil er Interna zu den Plänen weiter gegeben haben soll. Hinter dem kommunalen Hin und Her steckt ein grundlegendes Problem: Im Rhein-Neckar-Raum gibt es seit Jahren eine der aktivsten Rechtsextremen-Szenen im Südwesten. Das ist nicht erst seit der Aufregung um den NPD-Mann Christian Hehl bekannt, der morgen erstmals im Mannheimer Gemeinderat Platz nimmt. 2013 zog zum Beispiel der NPD-Bundesparteitag in Weinheim ein bundesweites Echo nach sich. Doch während es in diesen Städten - wie in Heidelberg - zuletzt ruhig blieb, deutet vieles darauf hin, dass sich Sinsheim zu einer weiteren Hochburg der Rechtsextremen entwickelt. Immer wieder gab es hier in den vergangenen Jahren Demos, die so viele Teilnehmer anzogen und so ungestört abliefen, wie kaum eine Neonazi-Kundgebung in der Umgebung. Die NPD Rhein-Neckar wird von der hier ansässigen Kameradschaft Freie Nationalisten Kraichgau unterstützt. Der Chef der Partei in der Region kürte Sinsheim zur „Hauptstadt des Kreisverbandes“. Bei der Bundestagswahl holte die NPD 2,5 Prozent der Stimmen - so viel wie in keiner der größeren Städte im Kreis. Regionale Verschiebungen gehören zur Umbruchphase der rechten Szene. Eine Szene, deren Ruf weit über die Grenzen der Metropolregion hinaus geht. „Hier gibt es Leute, die Kontakte bis nach Ungarn oder Schweden haben“, sagt ein gut informierter Beobachter. Lange liefen die Fäden in Ludwigshafen zusammen. Hier arbeitet der einflussreiche Europachef der Hammerá †skins, einer als brutal geltenden Nazi-Bruderschaft. Daneben ist ein Netz aus Parteikadern, Kameradschaften und Skinheads entstanden. Zentral war das Aktionsbüro Rhein-Neckar (ABRN), ein Forum, über das Aktionen rechtsextremer Gruppen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen koordiniert wurden - Demos, Konzerte, Treffen. Auch wurden wohl Gewalttaten vom Drei-Länder-Eck aus gesteuert. Von Schießtrainings in der Schweiz ist die Rede; 2009 verwüsteten Neonazis den US-Shop in Mannheim. Medienberichtete über Verbindungen zum Ludwigshafener Wohnhausbrand von 2008 bleiben unbestätigt. Doch zumindest das ABRN hat an Einfluss verloren. „Es war einmal in der Lage, Großveranstaltungen mit 700 Menschen auf die Beine zu stellen, heute hat die Bedeutung abgenommen“, heißt es beim Verfassungsschutz in Stuttgart. Der Grund: Die Szene spaltet sich auf. Das Spektrum ist ohnehin groß. Es reicht von Anzugträgern zu Schlägern. Von Hitler-Verehrern zu Freizeit-Nazis. Von straffen Strukturen zu losen Freundeskreisen. Es zeigt sich, dass die Unterschiede, Streit und die NSU-Ermittlungen zu weiteren Spannungen führen. Zuletzt krachte es in der NPD Rheinland-Pfalz. Dort spaltete sich im Herbst eine Gruppe ab, die darauf in Heidelberg den III. Weg. gründete - eine Partei, die sich laut Verfassungsschutz an der rassistischen Weltanschauung der Nationalsozialisten orientiert. Offensichtlich haben sich auch führende Köpfe des ABRN, die Kontakte zur NPD hielten, dem III. Weg zugewandt. Noch ist schwer abzusehen, ob all das die Szene schwächt. Der NPD Kreisverband Rhein-Neckar hat die Querelen unbeschadet überstanden. Bei der Kommunalwahl in Mannheim landete man mit dem vorbestraften Neonazi Hehl einen Coup. Dennoch: viele Radikale sehen Parteien skeptisch - besonders die Militanten. Und gerade die machen den Behörden Sorgen. Zwar ist in Baden-Württemberg die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremen Hintergrund 2013 zurückgegangen. Beim Verfassungsschutz warnt man trotzdem: „Die Bereitschaft in der Szene aktiv Gewalt anzuwenden, ist nach wie vor groß.“ Ob das auch zum Terrorismus reicht, darüber schweigen die Behörden. Im Land soll eine Enquete-Kommission Verbindungen zum NSU-Trio untersuchen. Der Rhein-Neckar-Raum spielte in der Debatte kaum eine große Rolle. Ein Fehler? Mannheim, Innenstadt. Zwei Frauen mit Kopftuch schlendern eine Straße entlang, etwas weiter spielen Kinder. Hier soll es Anfang der 2000er eine WG gegeben haben. Bekannte Rechtsextreme lebten dort, schreibt der Stern unter Berufung auf Verfassungsschutz-Akten - mit einer Frau, die damals noch Nicole Schäfer hieß. Mittlerweile trägt sie den Namen Schneiders und verteidigt Ralf Wohlleben im NSU-Prozess - den Mann, der dem Mord-Trio um Beate Zschäpe die Tatwaffe beschafft haben soll. Schneiders kam 2002 zum Jura-Studium nach Mannheim - und fand wohl schnell Anschluss. Im ABRN-Forum gab eine Nicole juristische Tipps gab. Die Webseite soll von Ralf Wohlleben selbst gestaltet worden sein. Hinweise auf eine Beteiligung von Rechtsextremen aus der Region an der Mord-Serie gibt es jedoch nicht. Unterdessen geht in Sinsheim die Debatte weiter, was man gegen den braunen Mob tun könnte. Oberbürgermeister Albrecht ist etwas ratlos am Telefon. „Ich kann mir nicht erklären, warum es so schwer ist, gegen die zu mobilisieren“, sagt er. Deshalb könne er sich die Ignoranz-Strategie auch künftig vorstellen. „Wir nehmen das Thema sehr ernst.“ Darin immerhin sind sich alle einig.

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Quelle: http://www.rnz.de/hintergrund/00_20140721060000_110720162-Extrem-rechts-Aeber-denbraunen-Rand-der-Regio.html / Kevin Hagen, Rhein-Neckar-Zeitung, 21.07.2014

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August Gedenken an Völkermord Rassistische Parolen gegen Sinti und Roma weit verbreitet Es ist höchste Zeit, die Vorurteile gegen Sinti und Roma abzubauen, sagt Innenminister Reinhold Gall (SPD). Am 2. August 1944 wurden fast 3000 in Auschwitz ermordet.

Stuttgart - An seine Schulzeit denkt Aaron Weiß ungern zurück. „Scheißzigeuner, Wohnwagenschieber“ und andere Schimpfwörter bekamen er und sein Zwillingsbruder regelmäßig zu hören, Spielgefährten fanden sie selten. Heute träumt der 27-jährige Musiker von einer eigenen Musikschule. Mit Musik lässt sich oft mehr ausdrücken als mit vielen Worten. Für die Gedenkfeier für die in Auschwitz ermordeten Sinti und Roma am Samstag in Stuttgart hat er ein Stück komponiert. Auch in Auschwitz erinnern an diesem Tag Politiker, Überlebende und Angehörige an den Völkermord. Vor 70 Jahren, in der Nacht vom 2. auf den 3. August, wurden in dem sogenannten Zigeunerblock in AuschwitzBirkenau die letzten dort gefangenen Sinti und Roma getötet. 2897 Personen, vor allem Frauen, Alte und Kinder. Zeitweise waren dort mehr als 23 000 Menschen eingepfercht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis 1945 bis zu 90 Prozent der deutschen Sinti und Roma in Gaskammern, durch Erschießungen, Zwangsarbeit oder medizinische Experimente ums Leben kamen. Aus dem Südwesten überlebten etwa 400 Personen, unter ihnen auch ein Großvater von Aaron Weiß. Sein anderer Großvater war in Wuppertal dem Abtransport in ein Vernichtungslager entgangen, weil ihn ein Polizist von der Deportationsliste gestrichen hatte. Die Rolle der Polizei beleuchtete denn auch Innenminister Reinhold Gall in seiner Rede. „Mich beschämt und entsetzt das Leid der Menschen, aber auch die Akribie, mit der Behörden die Verbrechen vorantrieben, und die Tatsache, dass sich so viele, zu viele , hinter Befehlen versteckten“, sagte der SPD-Politiker. 1938 hatte der damalige Innenminister in Stuttgart verfügt, dass Kinder als „zigeunerisch oder zigeunerähnlich“ eingestuft und zur Unterbringung in Heimen verurteilt wurden. Im Mai 1944 wurden 37 von ihnen aus einem katholischen Kinderheim in Mulfingen abgeholt und mit anderen nach Auschwitz gebracht. Abgeschlossen ist für Gall das Thema noch lange nicht. Viel zu lange sei der Völkermord an den Sinti und Roma weder als solcher benannt noch anerkannt worden. „Die Zeit des Nationalsozialismus war gewiss der dunkelste Punkt der Verfolgung und Ermordung von Menschen, doch es wäre fahrlässig, Antiziganismus, Antisemitismus oder andere Formen von Menschenfeindlichkeit als ein in sich geschlossenes Kapitel dieser Zeit sehen“, mahnte Gall. Die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds zeige, dass Menschenverachtung bis in die Gegenwart reichen. Auch Polizeischüler aus der Polizeischule Biberach sind unter den rund 200 Gästen. Sie haben sich in den vergangenen Wochen freiwillig mit dem Thema beschäftigt und versucht, mehr über die jungen Menschen zu erfahren, an denen in Mulfingen Rasseforschung betrieben wurde. Er wolle genauer wissen, was damals passiert sei, meint einer der Teilnehmer. Eine Kollegin sagt: „Ich habe selbst Migrationshintergrund, deshalb fand ich es sehr interessant, mich mit einer Minderheit zu befassen.“ Mit dem Ende des Nationalsozialismus war die Ausgrenzung der Sinti und Roma keineswegs beendet, sagt Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte. Während die Täter teilweise ihre Karrieren fortsetzen konnten, wurde den Opfern jahrzehntelang eine Wiedergutmachung verweigert. In Kommentaren brandmarkten Juristen sie weiter als asozial, kriminell und fremdartig. Von der Polizei wurden sie als Landfahrer, später als mobile ethnische Minderheit gekennzeichnet. „Rassistische Parolen gegenüber Sinti und Roma sind weit verbreitet“, sagt Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg. Kaum einer wisse, dass es unter ihnen Anwälte, Sportler, Wissenschaftler gebe. Aus Furcht vor Diskriminierung verschwiegen viele ihre Identität. Nach einer neuen Studie der Universität Leipzig zum Rechtsextremismus stößt keine andere Minderheit auf so große Ablehnung. Strauß hofft, dass sich das durch den Staatsvertrag ändert, den das Land mit den Sinti und Roma 2013 abgeschlossen hat. Darin wird anerkannt, dass diese seit mehr als 600 Jahren zur Kultur des Landes gehören und als Minderheit ein Recht auf ihre Kultur und ihre Sprache haben – wie Friesen, Dänen und Sorben in anderen Regionen. Ziel ist auch, Vorurteile und Klischees zu überwinden. Schüler in Baden-Württemberg sollen die Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma kennenlernen, auch eine Forschungsstelle ist geplant. Der

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Landesverband Deutscher Sinti und Roma hat sich in dem Staatsvertrag verpflichtet, nichtdeutsche Sinti und Roma bei der Integration zu unterstützen. So hat in Mannheim eine Beratungsstelle ihre Arbeit aufgenommen.

Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.gedenken-an-voelkermord-rassistische-parolengegen-sinti-und-roma-weit-verbreitet.6bead718-9fdf-4778-b20d-498a70db85e6.html Maria Wetzel, Stuttgarter Nachrichten, 04.08.2014

Nazi trifft Hipster: Der «Nipster» als Phänomen der rechten Szene Berlin. (dpa) Vollbart, Jutebeutel - und rechtsextrem. Vegan, umweltbewusst - und rechtsextrem. Wer sich zurzeit mit der politisch rechten Szene beschäftigt, stößt auf scheinbare Widersprüche. Und einen neuen Typen: Den «Nipster». Das Kunstwort setzt sich aus Nazi und Hipster, dem manchmal etwas abfällig genutzten Begriff für szenebewusste Großstadtbewohner, zusammen. Gemeint sind junge Rechtsradikale, die so ganz anders auftreten, als die kahlrasierten und Springerstiefel tragenden Neonazis früherer Jahre. Prominenz verschaffte den Nipstern jüngst das US-Magazin «Rolling Stone» mit einer langen Reportage aus Deutschland («Heil Hipster»). Auch andere Medien griffen das Phänomen auf. Die grobe Charakterisierung: Nipster bedienen sich angesagter Modestile, wirken wie ein Teil der urbanen Subkultur und bewegen sich selbstverständlich in den sozialen Netzwerken. Die Frage dahinter: Wie gefährlich ist rechte Ideologie, wenn sie trendy verpackt wird? Zumindest lässt sie sich von außen schwerer erkennen. Eine gefährliche Gesinnung drückt sich nicht mehr in kahlen Schädeln und Springerstiefeln aus. Neonazis könnte es damit auch deutlich leichter fallen, Zugang zu Jugendlichen zu finden, warnen Experten - weil sie zunächst gar nicht als so radikal wahrgenommen werden. «Man schafft auf der einen Seite breitere Anschlussflächen», sagt Nils Schuhmacher von der Hochschule Esslingen. Die Möglichkeiten hätten sich erweitert. Ob sich das für die Rechten tatsächlich auszahlt, ist für den Kriminologen allerdings noch offen. Gleichzeitig verliere die Szene nämlich für ihre Anhänger an Kontur. Veganismus hätte man früher zumindest nicht per se zur Kultur der rechten Szene gezählt. Dass es den Verzicht auf tierische Produkte mittlerweile auch dort gibt, beweisen zwei junge Männer mit Sturmhauben, die als Beispiele für die neuen Nazis angesehen werden. In ihren Youtube-Videos kredenzen sie Gerichte wie «Gebräunte Auberginen» und «Neuschwabenland Käsekuchen». «Balaclava Küche» nennen sie das - Balaclava ist ein anderer Name für Sturmhaube. Was in der Kochschule in den Topf kommt, könnte auch im Berliner Prenzlauer Berg oder im Hamburger Schanzenviertel Zuspruch finden. Ob die beiden das ernst meinen oder vielleicht als Satire sehen, wird nicht ganz klar. Eine politische Botschaft haben die Fleisch-Verächter jedenfalls: «Achtet auf die Herkunft der Sachen!». Genauer: «Israel-Wixxe» gehöre nicht in den Einkaufswagen. Hintergrund der Nipster-Bewegung bildet eine Entwicklung, die Experten sei Jahren beobachten. «Erscheinungsbilder des Rechtsextremismus haben sich dramatisch verändert - bis hin zu dem, was dann unter dem Etikett «Nipster» firmiert», sagt Thomas Pfeiffer, Lehrbeauftragter an der Uni Bochum zum Thema Rechtsextremismus und Referent im Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen. Klar: Es gebe immer noch jene, die den alten Germanen mimen - aber auch jeden zeitgenössischen Look. «Wenn sich Teile der Szene beim Hip-Hop bedienen, interessiert es sie offenbar nicht, ob das widerspruchsfrei mit Rassismus und Neonazismus in Einklang zu bringen ist.» Früher war das anders. Lange prägten Skinheads das Gesicht der Szene und wurden zum Symbol für den hässlichen Deutschen. «Der Inhalt hat sich in vielen Teilen fast nicht verändert. Aber die Verpackung hat sich gewaltig gewandelt», stellt Pfeiffer fest. «In den letzten fünf bis zehn Jahren ist in der rechtsextremen Szene eine Zuwendung zur Popkultur deutlich geworden», meint auch Karsten Wilke von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus NRW, der oft an Schulen gerufen wird, wenn Jugendliche Kleidung rechter Szene-Marken tragen. Kriminologe Schuhmacher von der Hochschule Esslingen formuliert es so: «Der Skinhead als hegemoniale jugendkulturelle Figur des Rechtsextremismus hat abgedankt.»

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Quelle: http://www.rnz.de/rnzzeitjung/LINKSEC00_20140808085000_110729815-Nazi-trifft-HipsterDer-Nipster-als-Phaenomen-.html / Jonas-Erik Schmidt, Rhein-Neckar-Zeitung, 08.08.2014

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Neun „Bands gegen rechts“ im Liederkranz Neun „Bands gegen rechts“ - mit diesem Benefiz-Konzertprogramm lockte der Biergarten Liederkranz am Samstag zahlreiche Gäste an.

Insgesamt, das konnten die Organisatoren noch am Abend der Veranstaltung sagen, kamen rund 1000 Euro Spendengelder zusammen. Diese gehen gemäß dem Motto „Bands gegen rechts“ an die Berliner Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland ausspricht. Der Konzertabend am Samstag war bereits der zwölfte der „Bands gegen rechts“-Reihe. Der Biergarten als Location war ein guter Einfall - die meisten Gäste kamen zufällig und machten nach dem Essen jeweils Platz für neue Zuhörer. Das Spendenkonto wuchs mit jedem Gast, denn der Eintritt betrug 5 Euro. Nicht einmal eine Stunde nach Beginn des Konzerts kam es allerdings zu einer Meinungsverschiedenheit: Während jede der neun Bands eine Spielzeit von etwa 30 Minuten hatte, teilten sich die Rapper Big Daddy X, die Rapcrew EQT und die Songwriterin Kaiserkind diese Auftrittszeit. Als die Bühne danach geräumt werden sollte, wurde Rapper EQT sehr ärgerlich, vor allem auf einen der Veranstalter. Dass eben jener, nachdem er die Band von der Bühne geschickt hatte, selbst als Sänger des nächsten Gigs dort oben stand, machte die Sache nicht einfacher. Dennoch überwog die positive Stimmung. Mit neun Bands bot der Abend fünf Stunden lang eine große musikalische Bandbreite. Neben dem Dreier-Hip-Hop-Gig zu Anfang waren die Bands „Smokie Blues“, „Cheerful to Cloudy“, „Frau Öl“ und „Bene Büchler“ zu hören. Ersetzt wurden die Musiker von „Kare“, die kurzfristig abgesagt hatten, von der Coverband „Tuesdabeat“. Doch wer auch immer gerade auf der Bühne stand - dank der Nummernausrufe für die Essensbestellung, wie sie im Liederkranz üblich ist, klang sowieso jeder Song irgendwie originell. „Die 99, die 45 und die 10 bitte“ schallte es beispielsweise wischendurch aus den Lautsprechern. Gegen Ende des Musikprogramms war der Biergarten sehr voll und die Schlange für Essen und Getränke beachtlich. Zwischen Zuhörern und Mitwippern bauten am Ende noch „Banana Republic“ ihr Set auf, um den musikalisch bunten Abend als Abschlussgig zu beenden.

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Quelle: http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Neun-Bands-gegen-rechts-imLiederkranz;art4329,2743703, Sophia Kümmerle, Südwest Presse online, 11.08.2014

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Wie Neonazis Nachwuchs im Netz ködern

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Sie überkleben QR-Codes, kapern Hashtags und verbreiten viral rassistische Witze: Rechtsextreme sind kreativ geworden, wenn es darum geht, Nachwuchs anzulocken. Einige tragen sogar Vollbart und Jutebeutel

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Witze, Wortspiele oder Fotomontagen sind wichtiger Bestandteil jugendlicher Netzkultur. Sie werden geliked und geteilt, getwittert oder gebloggt und damit an den gesamten digitalen Freundeskreis weitergegeben. Auch Rechtsextreme setzen mehr und mehr gezielt auf diese virale Verbreitung. Ihre Bilder folgen dem Muster vieler Netz-Witze: Ein Foto, dazu ein Kommentar in weißen Großbuchstaben. In diesem Fall ist es ein rassistischer Spruch, den Rechtsextreme verbreiten. In einem anderen Fall zeigt eine Facebook-Seite als Profilbild das Gesicht Adolf Hitlers, wie er ein Selfie von sich schießt. Die Internet-Kultur wird dabei als Katalysator benutzt, um auch außerhalb der rechten Szene Gehör und Zuspruch zu finden. Viele junge Menschen erkennen die auf witzig getrimmten Sprüche häufig nicht sofort als extremistisch. Das liegt auch daran, dass die Rechten-Propaganda dem Humor im Netz in Form und Art der Gestaltung sehr ähnlich ist. „Das ist mittlerweile Teil des Szenereportoires“, erklärt Stefan Glaser von der Organisation Jugendschutz.net, die die Entwickung in ihrem Jahresbericht „Rechtsextremismus Online“ beschreibt. Nicht nur online wandelt sich das Bild der Rechten, das immer weniger vom Klischee glatzköpfiger Springerstiefelträger geprägt wird. Junge Rechtsradikale haben sich vielerorts in Deutschland sogar dem großstädtischen Stil angenähert: In Anlehnung an die Hipster-Mode werden sie „Nipster“ - Nazi-Hipster - genannt und tragen Vollbart sowie Jutebeutel. Auch hier lautet die Strategie: Die rechte Ideologie trendy verpacken und damit verharmlosen. Die Schlussfolgerung des Berichts gilt eigentlich nur für das Netz, passt aber genauso für das Vorgehen der Neonazis offline: „Anleihen aus jugendkulturellen Phänomenen, Themen aus der Lebenswelt und aktuelle Netztrends fungieren als Türöffner.“ Im Netz nehmen Facebook, YouTube, Twitter und Tumblr eine immer größere Bedeutung für die Propaganda ein. Die Rechten versuchen sich häufig als Trittbrettfahrer. Twitter-

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Hashtags gegen Rassismus werden mit rassistischen Tweets umgedeutet, vermeintliche Trailer zu HollywoodFilmen auf YouTube enthalten Propaganda-Videos. Auch kursierte der Aufruf, Plakate mit QR-Codes, die von Handys gelesen werden können und auf die Internetseite des beworbenen Produkts führen, mit eigenen Codes von Neonazi-Seiten zu überkleben. Aber was tun gegen den so verpackten Rassismus im Netz? Löschen? Die Zusammenarbeit mit den Betreibern der Online-Netzwerke funktioniere in den meisten Fällen gut, berichten die Jugendschützer. Aber das< allein reicht nach Meinung von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nicht. „Im Grunde hat Jeder und Jede die Möglichkeit, im Netz Zivilcourage zu zeigen“, erklärt sie. Es reiche nicht, Hassbotschaften wegzuklicken wie unerwünschte Werbung. Nutzer sollten die Botschaften melden oder im Internet selbst ihre Stimme dagegen erheben. Auf der Straße sei die Gegendemonstration bei Nazi-Aufmärschen „geradezu ein Kulturgut“, sagt auch Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Er plädiert für mehr Widerstand auch im Netz: „Es fehlt uns an OnlineGegendemonstrationen.“ Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/vermischtes/Wie-Neonazis-Nachwuchs-im-Netzkoedern;art4304,2746137 Benno …, Südwest Presse online, 12.08.2014

Projekt im Kindergarten gegen Schubladendenken und Fremdenfeindlichkeit

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Vorurteilen kann man gar nicht früh genug begegnen. Im Hochschwarzwald läuft ein Projekt, das schon im Kindergarten mit Schubladendenken aufräumen soll.

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HOCHSCHWARZWALD. 180 Institutionen hatten sich beworben, sieben konnten gewinnen – das Diakonische Werk Hochschwarzwald hat überzeugt mit ihrem Vorschlag: Bereits Kindergartenkinder lernen ein Miteinander ohne Schubladendenken oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, und gleichzeitig werden Eltern und Erzieherinnen mit eingebunden. „Alle anderen Bewerbungen um Fördergelder wollten mit Menschen bereits im Jugendalter arbeiten. Das machte wohl den entscheidenden Unterschied“, meint Diplompädagogin Inga Ravenstein, die Projektleiterin vor Ort. Denn sie denkt, dass ein frühzeitiger Einsatz Fremdenfeindlichkeit erst gar nicht aufkommen lässt, zumal es in der Pubertät viel schwieriger ist gegenzusteuern. Wer schon als kleines Kind unterschiedliche Freunde hat, schätzt und pflegt vielfältige Freundschaften auch später. Sie hat ihr Projekt bereits in drei Gruppen verwirklicht, in der Bären- und Tigergruppe in der Arche Noah in Neustadt und in der Weißgruppe im Kindergarten Maximus in Löffingen. Von September bis November geht es in der Orangegruppe in Löffingen weiter. Die Nachfrage ist größer. „Man will mich in den Kindergärten gar nicht ziehen lassen“, hat Ravenstein immer wieder erfahren. Auch die anderen Kindergruppen in Neustadt und Löffingen sowie St. Michael und St. Elisabeth wären gerne dabei. Ob alle Kindergartenleitungen davon überhaupt erfahren haben? Doch insgesamt reicht das Fördergeld nur für rund 100 Kinder in vier Gruppen. Das Projekt „Miteinander“ wird von der Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung Baden-Württemberg (LAGO) ein Jahr lang gefördert. Ravenstein richtet sich bei ihrer Arbeit stets nach den Bedürfnissen der Kinder und nimmt deren Erfahrungswelt auf. Ausgehend von den Gefühlen der Kinder im Augenblick und beim Start in den Tag folgt beispielsweise die Möglichkeit eines körperlichen Ausdrucks durch Verkleidung oder Nachspielen einer Geschichte. Bilderbücher wie „Einer für alle, alle für einen“ oder aus Mandelas „Meine afrikanischen Lieblingsmärchen“ die Geschichte „Worte, süß wie Honig“ dienen Ravenstein dabei als Anregung. Sie regen zu Gesprächen an wie: „Wie wohnen Kindergartenkinder in anderen Ländern? Gibt es dort Kindergärten?“ Ausgehend von der Entdeckung von anderen Kontinenten auf dem Globus und mit Bildtafeln werden andere Lebenswelten ins Spiel gebracht und vorgestellt: Süd- und Nordamerika, wobei das Thema Indianer sehr gerne thematisiert wird; Asien mit dem Knüpfen eines Friedensnetzes, typischem Murmelspiel und Handabdrücken in Lehm; Russland mit Volkstänzen, traditioneller Kleidung. Es wird gemalt und gebastelt – und manchmal hat die Gruppe großes Glück: Zur eigenen Gruppe gehört ein Kind, das von seinem Land erzählen kann, seinen Festen, seinen Gebräuchen und Essensvorlieben, dass auch einfache Worte wie „Ja, nein, bitte, Danke, Guten Tag“ übersetzen kann und so ein neues Klangbild einbringt, das dann auch in kleinen Liedchen aufgenommen wird. So wird eingeübt, neugierig und wertschätzend mit dem Neuen, Unbekannten umzugehen. Den fremden Kulturen wird dann die eigene Kultur hinzugefügt: Was ist typisch für mich, meine Familie; was kann ich gut, was können andere gut. Daraus wächst die Erkenntnis wie selbstverständlich, dass zusammen fast alles

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gelingen kann. Immer mit dem Hintergrund, das Selbstbewusstsein jedes Kindes zu stärken und somit Toleranz zu wecken und Vertrauen, dass jedes seinen eigenen Weg machen wird. Als Trainer arbeitet Pfarrer Stefan Brückner, Fachreferent für LAGO, in einer Fortbildung mit den Teams der Erziehenden. Er hilft, Signale und erste Anzeichen von Fremdenfeindlichkeit und verdecktem Rechtsextremismus zu erkennen sowie sich diesen bewusst entgegenzusetzen, tolerantes Verhalten und einen würdevollen Umgang miteinander zu stärken. Großes Interesse der Eltern Der dritte Baustein im Kurs „Miteinander“ gilt der Elternarbeit. Dafür ist ein zweistündiges offenes Elterngespräch vorgesehen, das sich bisher immer um eine gute Stunde verlängert hat – das Interesse ist groß. Eingeladen wurden sie über Flyer der Kinder. Im Bistrobereich der Kindergärten bot ein Elterncafé den richtigen geschützten Rahmen, um sich den Unsicherheiten und Fragen stellen zu können. „Ich spreche mit den Eltern über Gott und die Welt“, blickt Ravenstein zurück, „und baue dabei Vertrauen auf“. Das Überraschende dabei: „Die intensivsten Begegnungen schlossen sich ganz ungeplant an. Oft und immer wieder werde ich von den Eltern auf der Straße und beim Einkaufen angesprochen“, freut sich Ravenstein. Es ist viel Vertrauen und noch viel Arbeit nötig. Aber ein Anfang ist gemacht. Quelle: http://www.badische-zeitung.de/titisee-neustadt/projekt-im-kindergarten-gegen-schubladendenken-und-fremdenfeindlichkeit--89027905.html, Badische Zeitung, 22.08.2014

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Rechtsextremismus Autonomen Nationalisten droht Verbot

Auch wenn der Verhandlungstermin gegen vier Neonazis vor dem Stuttgarter Landgericht noch auf sich warten lässt, scheint es bereits weitergehende Bestrebungen zu geben, die rechtsextreme Gruppe als verfassungsfeindlich einstufen zu lassen.

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Göppingen - Trotz einer ganzen Reihe von Straftatvorwürfen, die von Sachbeschädigung bis zur gefährlichen Körperverletzung reichen, gestaltet sich das juristische Vorgehen gegen die rechtsextremen Autonomen Nationalisten schwierig. Obwohl das Ermittlungsverfahren gegen vier beschuldigte Neonazis vonseiten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg seit einiger Zeit abgeschlossen ist und die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage erhoben hat, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis vor dem zuständigen Landgericht verhandelt werden kann. Noch komplizierter, als das Verfahren gegen die vier Männer im Alter zwischen 22 und 33 Jahren vollends auf den Weg zu bringen, ist es allerdings, die Gruppe insgesamt wegen möglicherweise verfassungsfeindlicher Umtriebe zu verbieten. Entsprechende Bestrebungen soll es, nach Informationen unserer Zeitung, jedoch bereits geben, auch wenn es vonseiten des baden-württembergischen Innenministeriums (IM) dafür keine direkte Bestätigung gab. Der IM-Pressesprecher Andreas Schanz betonte gegenüber unserer Zeitung lediglich, dass man zu laufenden Verbotsverfahren generell keine Auskünfte gebe. Sein Kollege Günter Loos ergänzte, „dass Vereinsverbote generell an enge rechtliche Voraussetzungen gebunden sind“. So müsse der Zweck oder die Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwiderlaufen, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. „Zudem müssen die Straftaten direkt dem Verein und nicht nur einzelnen Mitgliedern zugerechnet werden können“, fügte Loos hinzu. Seien diese Voraussetzungen nachzuweisen oder lasse sich eine aggressiv-kämpferische Haltung gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung belegen, könne ein Verbot ausgesprochen werden. Konkret zu den Autonomen Nationalisten wollte sich Loos ebenfalls nicht äußern, sagte aber, dass die Behörden in dieser Sache sicher nicht untätig seien. „Da muss aber aus vielen Mosaiksteinen ein Bild zusammengesetzt werden, das nach der Verbotsverfügung und einem zu erwartenden Widerspruch gerichtsfest ist“, sagte er. Schließlich habe ein derartiges Verbot, das im Polizeirecht verankert sei, weitreichende Konsequenzen. „Diese reichen von der Beschlagnahme des Vereinsvermögens bis zu dem Punkt, dass Symbole oder Publikationen der Gruppierung nicht mehr verwendet werden dürfen“, ergänzte er. Abgewartet wird dabei wohl zunächst einmal, wie der Prozess gegen die vier Angeklagten, zu denen auch der Göppinger Daniel Reusch, bis vor einiger Zeit Landesvorsitzender der Partei Die Rechte, gehört, verläuft. Da zwei der mutmaßlichen Rädelsführer aktuell noch in Untersuchungshaft sitzen, liegen die Akten momentan beim Oberlandesgericht Stuttgart (OLG), weil dort über die Fortdauer der Haft entschieden werden muss. Das kann, nach den Worten von OLG-Sprecher Thilo Rebmann, durchaus „noch etwas dauern“, da sich der zuständige 4. Strafsenat erst einmal durch „einen Berg aus insgesamt 69 Aktenordnern kämpfen muss“. Parallel dazu wurden vom Landgericht Stuttgart, wie dessen Sprecher Reiner Skujat erklärte, die Anklagen den

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Beschuldigten schon zugestellt. Diese hätten nun innerhalb einer sogenannten Einlassungsfrist die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. „Zu einem möglichen Verhandlungsbeginn vor unserer 18. Kammer kann ich deshalb noch nichts sagen“, fuhr er fort. Derweil schießen auf den einschlägigen Internetseiten sowohl in der rechtsextremen wie auch in der linksautonomen Szene die Spekulationen ins Kraut. So heißt es in einigen Blogs, dass Daniel Reusch der Neonaziszene den Rücken gekehrt habe und sich bereits in einem staatlichen Aussteigerprogramm befinde. Auch sollen seine jetzt anscheinend nur noch ehemaligen Kameraden bereits wüste Drohungen gegen den 22-Jährigen, der sie nach ihrem Kenntnisstand in der Untersuchungshaft verraten hat, ausgestoßen haben. Eine behördliche Bestätigung, weder für die eine noch für die andere Behauptung, ist allerdings nicht zu bekommen. Bejaht wurde indes von verschiedenen Seiten, dass sich zwei der vier Beschuldigten inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden.

Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.rechtsextremismus-autonomen-nationalisten-drohtverbot.73705ae1-657d-46e6-91c8-128170e3cee9.html Andreas Pflüger, Stuttgarter Nachrichten, 27.08.2014

September Verfassungsschutz Özdemir will Neubeginn

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Als Konsequenz aus der NSU-Mordserie hat Grünen-Chef Cem Özdemir Konsequenzen gefordert und für einen Umbau des Bundesamtes für Verfassungschutz plädiert. Özdemir hatte am Mittwoch dem NSU-Prozess als Zuschauer beigewohnt.

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München - Grünen-Chef Cem Özdemir fordert als Konsequenz aus der NSU-Mordserie einen umfassenden Umbau des Bundesamtes für Verfassungsschutz. „Die Abteilung Rechtsextremismus muss aufgelöst und völlig neu aufgebaut werden“, sagte Özdemir der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in München. „Der Verfassungsschutz muss den Rechtsextremismus bekämpfen, nicht bestenfalls begleiten.“ Özdemir erneuerte seine Forderung, die Mordserie mit weiteren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu untersuchen. Scharf kritisierte er die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg und Innenminister Reinhold Gall (SPD). Dieser sieht den Verfassungsschutz in seinem Bundesland ungeachtet des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn gut aufgestellt. „Es kann nicht sein, dass sich ein sozialdemokratischer Innenminister dagegen wehrt, dass ein Untersuchungsausschuss einen faschistischen Mord an einer Polizistin aufklärt“, kritisierte Özdemir. Der Grünen-Chef forderte die Landtagsfraktionen in Stuttgart auf, notfalls auch gegen den Willen der Landesregierung einen Untersuchungsausschuss zu beschließen. Den Mord an Kiesewetter bezeichnete er als „mitnichten aufgeklärt“.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.verfassungsschutz-oezdemir-will-neubeginn.7134c7d632a2-44e9-b4b2-881315fcdd49.html, Stuttgarter Nachrichten, SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 04.09.2014

Bericht: 32 rechtsextreme Vorfälle in der Südwest-Polizei seit 2002 Mit 32 rechtsextremen Vorfällen innerhalb der baden-württembergischen Polizei haben sich die Staatsanwaltschaften seit 2002 befasst. Die Behörden hätten die Ermittlungsverfahren aber überwiegend eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen, heißt es

in einem noch unveröffentlichten Bericht der Landesregierung an die NSU-Enquetekommission des Landtags. Es handele sich um «bedauerliche und nicht zu tolerierende Einzelfälle», heißt es in dem Bericht, der der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart und der «Südwest Presse» vorliegt. Hintergrund der Abfrage war, dass zwei Polizisten vor mehr als zwölf Jahren Mitglieder des rassistischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall waren. Die Enquete-Kommission soll aufarbeiten, welche Konsequenzen aus der Mordserie des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) zu ziehen sind. Seite 31


http://www.suedkurier.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/news/Bericht-32-rechtsextreme-Vorfaelle-in-der-Suedwest-Polizei-seit-2002;art330342,7237850; Südkurier, 10.09.2014

Einsatz für die Demokratie Schüler führen im Bad Säckinger Jugendhaus durch die Ausstellung gegen den Rechtsextremismus / Referent ist beeindruckt.

BAD SÄCKINGEN (milo). „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen. Baden-Württemberg für Toleranz und Menschlichkeit.“ Die seit mehreren Jahren in Baden-Württemberg und bundesweit gezeigte Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung wird ab Montag, 22. September, im Kinder- und Jugendhaus Bad Säckingen zu sehen sein. Eine der Besonderheiten ist, dass Jugendliche aus Bad Säckinger Schulen die Besucher durch die Ausstellung führen werden. Diese Woche erhielt das Alte Gefängnis an der Gießenstraße Besuch von Tim Armbruster. In einer vierstündigen Sitzung vermittelte der für die Friedrich-Stiftung tätige Referent den elf Ausstellungs-Guides nicht nur rhetorische und technische Grundlagen für ihre kommende Tätigkeit: „Im Mittelpunkt steht natürlich auch die zu schützende Demokratie“, so Armbruster bei der Erläuterung der Kernmotivation der Ausstellung. Ausgehend von der Frage, wie sich Demokratie im Alltag zeige und wie Jugendliche diese Demokratie erlebten, gelte es für rechtsextreme demokratiefeindliche Erscheinungsformen etwa von Neonazis zu sensibilisieren, erläutert Armbruster. Nach der rund vierstündigen Sitzung zeigte sich der Referent sehr zufrieden: „Sehr engagierte Leute“, lautete Armbrusters Lob an die zehn Scheffelgymnasiasten und den Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhauses vom Bundesfreiwilligendienst.

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Quelle: http://www.badische-zeitung.de/bad-saeckingen/einsatz-fuer-die-demokratie--91059628.html Badische Zeitung, 20.09.2014

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NSU-Morde und Baden-Württemberg

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Grüne wollen doch einen Untersuchungsausschuss Der Landtag will die Kontakte des NSU-Mördertrios in den Südwesten erhellen. Doch die Enquetekommission kommt nicht wirklich voran, und mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss stehen die Grünen allein. Dabei habe sie gute Gründe.

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Stuttgart – Der Streit um die Aufarbeitung der NSU-Umtriebe in Baden-Württemberg lodert erneut auf. Obwohl die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission am Montag erst zum zweiten Mal öffentlich tagte, sprach sich der Grünen-Obmann in dem Gremium, der Tübinger Abgeordnete Daniel Lede Abal, erneut für einen Untersuchungsausschuss an. „Daran kommen wir auf Dauer nicht vorbei“, sagte Lede Abal. Die Enquetekommission könne den Untersuchungsausschuss mit seinen stärkeren Durchgriffsrechten vorbereiten, aber nicht ersetzen. „Wir haben immer gesagt, dass es Fragen gibt, die nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden können.“ Ein Untersuchungsausschuss kann die Herausgabe von Akten verlangen und Zeugenaussage erzwingen. Dagegen hält der SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou eine Enquetekommission für ausreichend. Das Begehren des Grünen-Politikers Lede Abal kann als Reaktion auf die hinhaltende bis abwehrende Haltung des SPD-geführten Innenministeriums auf die parlamentarische Beschäftigung mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und dessen zu Bezügen zu Baden-Württemberg interpretiert werden. Dabei geht es nicht nur um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und den Mordanschlag auf deren Kollegen Martin Arnold vor sieben Jahren in Heilbronn. Im Zuge der diversen Ermittlungen war auch offenbar geworden, dass mehrere badenwürttembergische Polizisten einige Zeit bei einem Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klans mitgemacht hatten und mit Verweisen davonkamen. Einer dieser Beamten gehörte später der gleichen Einheit der Bereitschaftspolizei an wie Kiesewetter. Übrigens ebenso ein Beamter, der quasi nebenberuflich in Libyen vorübergehend als Ausbilder der Sicherheitskräfte des damaligen Diktators Gadaffi tätig gewesen war. Was den Ku-Klux-Klan-Ableger angeht: Dieser wurde im Jahr 2002 von einem Mitarbeiter des Landesverfassungsschutz informiert, dass er abgehört werde. Auch dieser Fall von Geheimnisverrat endete nicht etwa mit einer Entfernung aus dem Dienst, sondern mit einer Versetzung zum Regierungspräsidium. Die Beweislage sei zu dünn gewesen, hieß es später.

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Das Innenministerium mauert

Das Innenministerium sowie das dort angesiedelte Landespolizeipräsidium, so vermutet man bei den Grünen, hätten schon deshalb kein Interesse an der erneuten Aufarbeitung dieser Vorgänge im Land, weil der eigene Apparat und dessen leitenden Kräfte nicht in Verlegenheit gebracht werden sollen. Dazu komme, dass Innenminister Reinhold Gall (SPD) den durch die Polizeireform aufgewühlten Sicherheitsapparat nicht weiter beunruhigen wolle. Das Ministerium wiederum verweist auf die NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestags sowie mehrerer Bundesländer, deren Ergebnisse vorlägen. Neue Erkenntnisse seien nicht zu erwarten. Zudem habe die von Gall eingesetzte Ermittlungsgruppe „Umfeld“ die Kontakte des NSU-Mördertrios in Baden-Württemberg bereits so umfassend wie nur möglich untersucht. Ursprünglich hatte die Enquetekommission am Montag mehrere Zeugen zum Mord in Heilbronn vernehmen wollen, unter anderem die damaligen Ermittlungsleiter sowie den seinerzeit zuständigen Staatsanwalt. Doch soweit kam es nicht. Die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts sowie der Münchner NSU-Prozess, so hieß es, machen eine konkrete Beschäftigung mit den damaligen Geschehnissen wenn nicht unmöglich, so doch absprachebedürftig. Dies gestaltet sich womöglich nicht so einfach. Bereits seit längerem ist zu hören, die Veröffentlichung des des Abschlussberichts der Ermittlungsgruppe Umfeld habe die Generalbundesanwaltschaft erbost; seither sei sie gegenüber dem Ministerium in Stuttgart verschlossen wie eine Auster. Allerdings zeigten sich Abgeordnete im Ausschuss irritiert, dass das Innenministerium verlangt hatte, die ausgewählten Zeugen sollten ausdrücklich auf die Freiwilligkeit ihres Kommens aufmerksam gemacht werden. Der Abgeordnete Lede Abal sagte, von Landesbeamten erwarte er, dass sie erscheinen, wenn sie vom Parlament gerufen werden. Nun soll ein Gutachten des Landtags die Rechtsfragen klären.

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Der harte Kern blieb

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In der Enquetekommission äußerten sich mehrere Beamte des Innenministeriums, des Landespolizeipräsidium sowie des Landesverfassungsschutzes zur allgemeinen Entwicklung des Rechtsextremismus in BadenWürttemberg seit der Wiedervereinigung – allerdings mit Erkenntnissen, die im Wesentlichen auch den jeweiligen Jahresberichten der Behörden entnommen werden können. Die wichtigste These lautete: Zwar gibt es inzwischen weniger organisierte Rechtsextremisten als zu Beginn der 1990er Jahre, doch der harte Kern ist eher eher gefährlicher und auch jünger geworden. Derzeit sind es in Baden-Württemberg etwa 1800.

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Quelle : http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nsu-morde-und-baden-wuerttemberg-gruene-wollendoch-einen-untersuchungsausschuss.529f9245-c55b-4b47-8044-5e8196fba9a5.html Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 22. 09.2014

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Bodenseeraum Polizei „besucht“ Rechtsextreme

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Die Polizei hat in den vergangenen Tagen im Bodenseeraum insgesamt elf Rechtsextremen einen Hausbesuch abgestattet. Dabei ging es vor allem um die Aufklärung rechtsextremer Gefahren.

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Konstanz – Hausbesuche gegen Rechtsextremismus: Die Polizei hat in den vergangenen Tagen elf Männer mit rechtsextremen Bezügen im Bodenseeraum aufgesucht. Diese seien Sympathisanten der rechten Szene oder wegen entsprechender Straftaten in Erscheinung getreten, teilten das Landeskriminalamt (LKA) und die Polizei am Freitag mit. Die Beamten hätten die überwiegend jungen Menschen über die Hintergründe und Gefahren des Rechtsextremismus aufgeklärt, hieß es in der Mitteilung. „Primäres Ziel dieser Gespräche war es, den oft orientierungslosen jungen Menschen Alternativen und Möglichkeiten eines Ausstiegs aufzuzeigen.“ Fast alle Männer hätten sich gesprächsbereit gezeigt, einige Personen hätten sich bereits selbstständig von der rechten Szene distanziert. Die Hausbesuche sind Teil des Programms Ausstiegshilfen Rechtsextremismus (BIG Rex), das beim LKA angesiedelt ist. Seit Beginn des Programms wurden demnach mehr als 2000 Personen aus der rechten Szene angesprochen. Knapp 500 Personen seien bislang ausgestiegen, etwa 200 davon mit Unterstützung der BIG Rex. Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bodenseeraum-polizei-besucht-rechtsextreme. ed2238b3-ce9a-4347-8529-718b78319602.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 26.09.2014

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Rechtsextremismus in Baden-Württemberg

Wie viele Rechtsextremisten gibt es? Für das Jahr 1991 ermittelten die Verfassungsschützer im Land 4875 Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen. Im gesamten Bundesgebiet waren es 39 800. Wenig später, 1993, wurde der bisherige Höchststand erreicht 7040 aktive Rechtsextremisten im Südwesten, 65 490 bundesweit. Im vergangenen Jahr waren es in Baden-Württemberg noch etwa 1800 und in der gesamten Republik 21 700. Der Rückgang hängt mit dem Zerfall zweier zeitweise sehr erfolgreicher Parteien zusammen: der „Republikaner“ sowie der DVU. Die Verfassungsschützer rechneten sie aber eher dem „weichen Rand“ der rechtsextremistischen Szene zu. Wieviel Rechtsextremisten gibt es? Welche Unterschiede sind erkennbar? Seite 1: Der harte Kern bleibt Seite 2: Wie viele Rechtsextremisten gibt es? Seite 3: Welche Untergruppen gibt es? Seite 4: Welche Rolle spielt die Musik? Seite 5: Wie entwickelten sich die Gewalttaten?

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechtsextremismus-in-baden-wuerttemberg-derharte-kern-bleibt-page1.0ff9c095-cc37-49d2-b27b-070d123c3c75.html Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 26.09.2014 Rechtsextremismus in Baden-Württemberg

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Der harte Kern bleibt

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Die rechte Szene hat über die Jahre an Zulauf verloren. Doch geschwunden sind nur die weichen Ränder, sagen die Verfassungsschützer. Der harte Kern aber bleibt. Und die NPD erhält wieder starken Zulauf – aber nicht überall.

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Stuttgart - Der Rechtsextremismus in Baden-Württemberg ist in dem Vierteljahrhundert seit der Wiedervereinigung zahlenmäßig geschrumpft, dabei jedoch keineswegs ungefährlicher geworden. Im Gegenteil. „Die Szene wurde zwar personell kleiner, aber im Durchschnitt jünger, aktiver und extremismusintensiver“, heißt es in dem Bericht, den das Innenministerium der NSU-Enquetekommission des Landtags vorlegte. Die „weichen Ränder“ seien geschmolzen, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube dieser Tage vor den Parlamentariern. „Doch der harte Kern ist geblieben.“

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Quelle : http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechtsextremismus-in-baden-wuerttemberg-der-hartekern-bleibt.0ff9c095-cc37-49d2-b27b-070d123c3c75.html. Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 26. 09.2014

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Welche Untergruppen gibt es?

Die Extremismusexperten teilen ihre Klientel in drei Kategorien ein, die allerdings als idealtypisch zu verstehen sind. Tatsächlich verlaufen die Grenzen zwischen den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus fließend. Es gibt zahlreiche Kontakte, aber auch zahllose Streitereien.

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Jedenfalls erkennen die Experten zum einen einen „subkulturell geprägten Rechtsextremismus“, zu dem vor allem die rechtsextremistische Skinheadszene zählt (es gibt auch linke Skinheads). Diese Gruppe boomte bis zum Jahr 2005. Damals gab es 1040 rechte Skins im Land. Seither jedoch geht es bergab. Derzeit wird ihre Zahl mit 400 angegeben. Dieser Erosionsprozess wecke Zweifel, schreiben die Verfassungsschützer, ob der rechtsextremistischen Skinheadszene „eine langfristige Zukunft beschieden sein wird“. Anders verhält es sich mit den Neonazis, der zweiten Kategorie. Neonazis beziehen sich direkt auf den historischen Nationalsozialismus und bilden „den harten Kern des harten Kerns“. Es handelt sich um regionale, zumeist informelle Kleingruppen (Kameradschaften) und Teilszenen wie die so genannten Autonomen Nationalisten, die sich in ihrem Auftreten an den Linksautonomen orientieren. Das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe war der Kameradschaft Jena des Thüringer Heimatschutzes zuzurechnen. Während die Skinheads schrumpfen, geht es bei den Neonazis aufwärts. Ihre Zahl liegt im Land bei derzeit 410, bundesweit sind es 5800. Innerhalb der dritten Kategorie, des parteiförmigen Rechtsextremismus, erlebt die NPD nach Beobachtung der Seite 34


Verfassungsschützer einen „zweiten Frühling“ – allerdings nicht in Baden-Württemberg, wo die Partei nur über 410 Mitglieder verfügt. Der NPD sagen die Verfassungsschützer eine „hohe Extremismusintensität“ nach. Ihre vergleichsweise häufig jungen Mitglieder weisen einen „hohen Fanatisierungsgrad“ auf.

Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechtsextremismus-in-baden-wuerttemberg-der-hartekern-bleibt-page2.0ff9c095-cc37-49d2-b27b-070d123c3c75.html Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 26.09.2014

Welche Rolle spielt die Musik? Berichte über rechtsextremistische Aktivitäten haben häufig Musikkonzerte zum Gegenstand. Meist handelt es sich um Skinheadmusik. Die Konzerte erfüllen zwei Funktionen: zum einen schaffen sie, so die Verfassungsschützer, eine „Erlebniswelt Rechtsextremismus“. Szeneeinsteiger bekommen den Eindruck, lediglich einem Event beizuwohnen, werden aber zugleich mit ideologisch eindeutigen Inhalten zugedröhnt. Dazu kommt der Alkohol. Außerdem dienen die Konzerte dem Kennenlernen, dem Kontakte knüpfen und der, wenn auch losen, organisatorischen Vernetzung. Das Bekennervideo des NSU war mit zwei Liedern der Band „Noie Werte“ unterlegt, die sich 1987 in Esslingen gegründet hatte und 2011 auflöste. Die Verfassungsschützer weisen den Musiktexten eine langfristig indoktrinierende und moralisch verrohende, enthemmende Wirkung zu, die Gewalttätigkeit hervorrufen könne

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechtsextremismus-in-baden-wuerttemberg-der-harte-kernbleibt-page3.0ff9c095-cc37-49d2-b27b-070d123c3c75.html, Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 26.09.2014

Wie entwickelten sich die Gewalttaten?

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Ehe der NSU-Rechtsterror bekannt wurde, verbanden sich mit rechtsextremistischer Gewalt vor allem die fremdenfeindlichen Umtriebe und Anschläge von Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln oder Solingen zu Beginn der 1990er Jahre. Auch in Mannheim tobte 1992 vor einem Asylbewerberheim der Mob. In Ostfildern erschlugen im selben Jahr vier mit Baseballschlägern bewaffnete Männer einen Kosovo-Albaner. Insgesamt entwickelte sich die rechte Gewalt in den vergangenen 25 Jahren wellenförmig. Mitte der 90er Jahre beruhigte sich die Lage. Das führten die Behörden auf eine verstärkte Strafverfolgung, den Rückgang der Flüchtlingszahlen sowie eine breite gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Ausländer zurück. Um die Jahrtausendwende stiegen die Zahlen allerdings. Sie gingen wieder runter, anschließend erneut nach oben. Seit 2007 ist die rechte Gewalt im Land nahezu stetig rückläufig. 2013 wurden 35 Fälle gezählt – der niedrigste Wert seit 1995.

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Quelle : http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rechtsextremismus-in-baden-wuerttemberg-der-hartekern-bleibt-page4.0ff9c095-cc37-49d2-b27b-070d123c3c75.html Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 26.09.2014

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Feldforschung am Cliquentreffpunkt Wie muss Jugendsozialarbeit heutzutage gestaltet werden, damit sie den Jugendlichen tatsächlich hilft? Eine Studie von Professor Kurt Möller von der Hochschule Esslingen im auftrag der Stadt Schorndorf versucht darauf Antworten zu finden. Das Besondere: Die Jugendlichen sind eingeladen, sich daran zu beteiligen.

Viele Jugendliche halten sich heutzutage im virtuellen Raum häufiger auf als an ihren Treffpunkten in der Öffentlichkeit.Foto: Stoppel Schorndorf - Wie können Jugendliche künftig von Sozialarbeitern besser unterstützt werden? Mithilfe von Jugendlichen will Professor Kurt Möller von der Hochschule Esslingen in Schorndorf erforschen, wie die Jugendarbeit dort zukünftig aussehen könnte. Im Interview erklärt Möller seine Methoden. Seite 35


Herr Professor Möller, Sie werden die Jugendarbeit in Schorndorf unter die Lupe nehmen. Dabei möchten Sie die Jugendlichen beteiligen. Wie soll das von statten gehen? Die Beteiligung ist für dieses Projekt ganz wichtig. Wir möchten einerseits Selbstorganisationen von Jugendlichen, wie Jugendverbände und informelle Gruppen, dadurch beteiligen, dass wir sie zu einem Runden Tisch einladen. Dort, wo normalerweise nur Fachkräfte und Verwaltungsmenschen beraten und entscheiden, sitzen dann Jugendliche mit am Tisch. Zudem möchten wir Forschung nicht nur über, sondern auch mit Jugendlichen machen. Damit wollen wir uns ihre spezifische Expertise zu nutze machen und differenziert herausfinden, welche Bedarfe und Probleme Jugendliche in Schorndorf haben. Wer weiß besser, was Jugendliche in Schorndorf umtreibt, als die Jugendlichen selbst? Wieso ist die Beteiligung der Jugendlichen so zentral? Wir reden heutzutage viel vom Nachlassen von Partizipationsinteressen auf Seiten von Jugendlichen. Nur: wenn Jugendliche spüren, dass ernst genommen wird, was sie bewegt, dann schaffen wir auch Vertrauen in das demokratische System. Wenn die Jugendlichen merken, dass es funktioniert, dann ist die Bereitschaft, sich innerhalb demokratischer Formen von Politik zu beteiligen, auch entsprechend groß. Damit wird auch die Gefahr geringer, dass sie sich auch Beteiligungschancen zuwenden, die sie außerhalb des demokratischen Systems zu erkennen glauben, etwa Rechtsextremismus, Islamismus oder Gewalt. Dann sind diese Phänomene auch Rufe nach Beteiligung? Der Grund, warum Jugendliche in diese Dinge abdriften, ist häufig, dass sie das Gefühl haben, sich im Bereich sozial akzeptierter Möglichkeiten nicht beteiligen zu können. Einige haben auch schon die Erfahrung gemacht, dass dies für sie nicht funktioniert. Ich möchte nicht pathetisch werden, aber das Weiterbestehen unserer Demokratie hängt davon ab, dass auch die nächsten Generationen sich daran beteiligen. (...) (von der Red. gekürzt)

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Quelle: www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.jugendarbeit-feldforschung-am-cliquentreffpunkt.88a1e0294f79-437f-8c32-17a5666cfd14.html. Oliver Hillinger, Stuttgarter Zeitung, 06.10.2014

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Gaiser: „Wehret den Anfängen“

Vielfalt und demokratische Geschlossenheit sind die Ziele des „Bündnisses gegen Rechtsextremismus für Toleranz und Vielfalt“.

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Freudenstadt. Aus dem Freudenstädter „Bürgerbündnis gegen rechts“ ist das „Bündnis gegen Rechtsextremismus für Toleranz und Vielfalt“ geworden. An der Sache hat sich nichts geändert, außer dass man sich für mehr Themen öffnen will. Birgit Michalek begrüßte als Bündnisvorsitzende interessierte und engagierte Unterstützer der Aktion, aber auch Vertreter aus überregionalen Vereinigungen, Timm Kern als Landtagsabgeordneten (FDP) sowie Bürgermeister und Kreistagsmitglieder zum Treffen des Bündnisses gegen Rechtsextremismus für Toleranz und Vielfalt. Der neue Name wurde von der Versammlung gewünscht, weil man außer Rechtsextremismus auch Themen wie Asylproblematik und Fremdenhass in die Arbeit mit aufnehmen will. Ziel der Zusammenkunft war es, neben einem Meinungsaustausch einen Überblick über die rechte Szene im Kreisgebiet zu erhalten und diesbezüglich auch konkrete Projekte in Angriff zu nehmen. Wünschenswert sei ein funktionierendes Netzwerk im Kreis Freudenstadt als Anlaufstelle für alle bei Problemen mit Rechtsextremismus und Neonazis und allen dazugehörigen Fragen, betonte Birgit Michalek. Zu diesem Thema hatte sie die beiden Referentinnen Angelika Vogt und Friederike Hartl eingeladen. Sie stellten das „Beratungsnetzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in Baden- Württemberg“ vor. Man müsse mit der Prävention bei den Kindern und Jugendlichen anfangen, sagte Angelika Vogt. Ansätze sollten so früh wie möglich erfolgen. In Baden- Württemberg gebe es derzeit 20 Beratungsstellen, die Prävention und Hilfe anbieten, um gemeinsam gegen rechtsextreme Tendenzen vorzugehen und Menschen diesbezüglich unterstützen. Jeder, der von rechten Übergriffen betroffen sei, egal ob Lehrer, Schüler oder Schulsozialarbeiter, könne sich bei den Beratungsstellen melden und gezielte Hilfe anfordern. Angelika Vogt berichtete von Fällen, bei denen in Schulen Beschimpfungen wie „Du Jude“ wieder aufgekommen seien, ohne dass die Lehrer reagiert hätten. Erstklässler hätten sogar Hakenkreuze gemalt. Solche Vorfälle seien nicht hinnehmbar, sagte sie weiter. Eine große Gefahr für Jugendliche lauere zudem im Internet und in den sozialen Netzwerken. (...) (von der Red. gek.)

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Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.freudenstadt-gaiser-wehret-den-anfaengen.9d7f72568446-4d6e-99b6-f7bfaf0984c8.html / Ursula Blaich, Schwarzwälder-Bote, 09.10.2014

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Göppingen gegen rechts „Ihr seid hier nicht willkommen“ Erfolg gegen rechts: Göppingen setzt ein Zeichen gegen Rechtsextremismus – mit Unimogs und Baumaschinen.

Göppingen - „Wir wollen euch nicht haben, ihr seid hier absolut nicht willkommen!“ Mit diesem Satz scheint Guido Till (CDU), Bürgermeister von Göppingen, Bürgern aus dem Herzen zu sprechen. Die Aufforderung ist an Neonazis gerichtet, die dem Landkreis in den vergangenen Jahren immer wieder Sorgen bereitet haben. Die Hohenstaufenstadt setzte sich mit einem ungewöhnlichen Mittel zur Wehr: Sie stellte den Aufmärschen der Rechtsradikalen tonnenschwere Fahrzeuge des Bauhofs in den Weg. Die Aktion hatte im vergangenen Jahr eine Neonazi-Demo gestoppt, einer Kundgebung am Samstag bleibt die rechte Szene fern. Gegendemonstranten sucht man vergeblich. „Ein Erfolg für die ganze Stadt“, freut sich Alex Maier vom Verein „Kreis Göppingen nazifrei“. Es sei die dritte Veranstaltung dieser Art seit Gründung der Vereins und die einzige, die ohne gewaltsame Zwischenfälle abgelaufen ist. Auch den Stadtangestellten des Bauhofs und der Polizei sei diese Entwicklung zu verdanken. Anfang des Jahres verhafteten Beamte bei Durchsuchungen in den Kreisen Göppingen, Esslingen und Rems-Murr vier mutmaßliche Anführer der rechtsextremen Gruppierung „Autonomen Nationalisten Göppingen“. Letztes Jahr hatte die Stadtverwaltung vergeblich versucht, eine Demonstration der Autonomen Nationalisten zu verbieten. Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Stuttgart als nicht rechtmäßig erklärt. Bei einem Aufmarsch von Neonazis im Dezember waren Demonstranten dann mit Flaschen und Steinen auf Polizisten losgegangen. „Kein Ort für Neonazis“

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Rund 140 Menschen lauschen am Samstagnachmittag bei Nieselregen den Vorträgen von Kommunalpolitikern und Kirchenvertretern - alles bleibt friedlich. Es wird gemeinsam mit christlichen, orthodoxen und muslimischen Geistlichen gebetet und mit farbiger Kreide auf den Marktplatz gemalt. Auf Transparenten sind Sprüche wie „Kein Ort für Nazis“ und „Für Toleranz im Land“ zu lesen. Auf dem Rathausplatz haben Mitarbeiter der Stadt Fahrzeuge und Geräte des städtischen Betriebshofs abgestellt. Einige der Baumaschinen dienen als Attraktion für Kinder: Im Korb eines Hubfahrzeugs schauen sie begeistert aus 15 Metern Höhe auf den Platz - unter ihnen viele Migranten. In Göppingen würden 85 Sprachen gesprochen, rund ein Drittel der Bürger im Kreis seien Migranten aus mehr als 120 Ländern, erklärt Bürgermeister Till. Diesen „kulturellen Schatz“ wolle man bewahren. Einschüchtern, da ist sich der Schultes sicher, ließen sich die Göppinger nicht.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.goeppingen-gegen-rechts-ihr-seid-hier-nicht-willkommen.09048fad-6d45-478a-af6f-7885818a87a2.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 11.10.2014 Ebenso: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Friedlicher-Protest-gegenNeonazis;art4319,2842564 Südwest Presse online, LSW | 13.10.2014

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Landtag und Rechtsextremismus

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Abgeordnete ohne Biss

Planlos und ratlos: Die Aufarbeitung der Umtriebe des NSU-Trios im Südwesten droht zu scheitern. Die Enquetekommission findet keinen Zugang zu dem Thema – sofern sie ihn überhaupt sucht.

Stuttgart - Wenn TV-Journalisten nicht mehr weiter wissen, weil nichts passiert, aber Sendezeit zu befüllen ist, dann beginnen sie, sich gegenseitig zu interviewen. So hat es sich am am Montag auch im Landtag zugetragen. Nur dass an die Stelle der Journalisten die Abgeordneten traten. Wieder einmal tagte die Enquetekommission zu den NSU-Morden im Besonderen und zur Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg im Allgemeinen. Noch immer fehlt den Parlamentariern eine zündende Idee und vor allem eine einende Idee, was sie denn mit sich und dem Gremium, das sie bilden, anfangen könnten. Und so saß der frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff vor der Enquete und erzählte, was er in der vergangenen Legislatur im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags über die „Strukturen des Rechtsextremismus und die Vernetzung der rechtsextremen Szene“ in Erfahrung zu bringen vermocht hatte. Zweifel an der Theorie von den Einzeltätern Seite 37


Was Wolff berichtete, hätten die Abgeordneten im Wesentlichen auch im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses nachlesen können. Da und dort legte der Rechtsanwalt, der mitsamt seiner FDP vor einem Jahr aus dem Bundestag gekippt wurde, noch eine persönliche Wertung drauf. Das Gesamtbild aber ist bekannt: Es gibt eine, so Wolff, „weitreichende Vernetzung“ und „tiefe Verankerung“ des Rechtsextremismus. Der Kristallisationspunkt des Rechtsextremismus ist die Musikszene. Auf Konzerten trifft man sich, lernt sich kennen – und berauscht sich am Alkohol, an den metallenen Geräuschen elektrischer Gitarren, an den rassistischen, gewaltverherrlichenden Liedtexten. Am Beispiel des im Jahr 2000 verbotenen neonazistischen Netzwerks Blood & Honour, zu dessen Umfeld auch die NSU-Täter gehörten, machte Wolff deutlich, dass er nicht an die Theorie der Bundesanwaltschaft glaubt, bei Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt sowie Beate Zschäpe habe es sich um eine kleine Gruppe von Einzeltätern gehandelt. Fazit: Ohne Unterstützer hätte sich das NSU-Trio nicht halten können. „Es sind einfach noch viel zu viele von denen, die wir als Netzwerk des NSU identifiziert haben, weder angeklagt noch beschuldigt“, sagte Wolff mit Blick auf die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Auch Wolffs Kritik an der föderalen Sicherheitsarchitektur ist keinesfalls neu. Dass die Zusammenarbeit besser sein könnte: ein Gemeinplatz. Dass die Verfassungsschutzämter die Geheimhaltung ihrer jeweiligen V-Leute über alles stellen, selbst über die Auskunftsbegehren der Polizei: hat man auch schon gehört. Und dass die Geheimdienste besser kontrolliert werden müssen: sieht außerhalb der Geheimdienste niemand anders. Jeder will was anderes

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Nur zu der Frage, was das alles für Baden-Württemberg bedeute – und ob der Landtag nicht besser einen Untersuchungsausschuss mit besseren Durchgriffsrechten einsetzen sollte: da hielt sich Wolff bedeckt. Das müsse jedes Land für sich entscheiden, sagte er. Die Abgeordneten der Enquetekommission nahmen Wolffs Vortrag dankbar auf. „Wir kommen langsam in Tritt“, sagte der SPD-Mann Nikolaos Sakellariou. Aber wo er hin will, das sagte er nicht. Einen U-Ausschuss hatte die SPD auf Geheiß von Innenminister Reinhold Gall, ebenfalls SPD, verhindert. Besser sei es, im Rahmen einer Enquete nach vorne zu schauen, um Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzugeben. FDP und CDU wollen gleich noch das gesamte Spektrum des Extremismus in den Blick nehmen. Weshalb also nicht auch die Linken, fragt die CDU. Weshalb nicht die Salafisten? Das will die FDP wissen. Nur die Grünen reden noch immer von einem U-Ausschuss. Aber sie haben keinen Plan, was sie wissen wollten. Der erste Vorschlag des Kommissionsvorsitzenden Willi Halder von den Grünen hatte gelautet, die Heilbronner Theresienwiese zu besuchen. Dort war vor sieben Jahren die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet worden. Aber was hätten die Abgeordneten dort tun sollen? Dann wollten die Grünen die Buchautoren Stefan Aust und Dirk Laabs – die beiden haben sich in ihrem Buch „Heimatschutz“ akribisch mit der Geschichte des NSU beschäftigt – einladen. Zu einer Lesung? Die Gegner eines U-Ausschusses sagen, so lange der Münchner NSU-Prozess andauere, sei ohnehin nicht viel zu holen. Immerhin aber hat der Generalbundesanwalt dem früheren NSU-Chefermittler, Bundesanwalt Rainer Griesbaum, eine Aussagegenehmigung für die Enquetekommission zum Tatkomplex Heilbronn erteilt. Angaben, die „konkrete Einzelheiten des Ermittlungs- und Strafverfahrens offenbaren würden“, darf Griesbaum nicht nennen, schon gar nicht die Namen von Zeugen. Dass auch bei den baden-württembergischen Behörden einiges schief lief, steht außer Frage. Merkwürdig nur, dass die Abgeordneten so wenig Interesse an den Tag legen, die Landesbeamten einmal persönlich zu fragen, wie es dazu kommen konnte.

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.landtag-und-rechtsextremismus-abgeordnete-ohnebiss.60f2c1fe-0346-440e-81f3-d5ea600cb692.html Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 13.10.2014

Wie Neonazis Jugendliche ködern Wie Neonazis mit Rockmusik Jugendliche ködern zeigt der Film „Blut muss fließen undercover unter Nazis“. Er wird am Samstag in Hechingen gezeigt. „Blut muss fließen“ wird an diesem Samstag, 18. Oktober, um 17 Uhr im Kino Burgtheater gezeigt (Eintritt fünf Euro, Azubis, Schüler und Studenten zwei Euro). Regisseur Peter Ohlendorf ist bei der Filmvorführung zugegen. Mit Rechtsrock junge Menschen zu ködern und zu radikalisieren - diese Masche zieht offenbar: Laut einer Studie ist der Rechtsextremismus in Deutschland zur größten Jugendbewegung geworden. Um die

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Musikveranstaltungen hat sich ein blühender Markt entwickelt: CDs der Bands werden in Szeneläden oder über das Internet verkauft. Mit rechtsextremen Werbe-Artikeln wird zugleich Geld für die Expansion der „Bewegung“ generiert. Der Journalist Thomas Kuban hat all das mit versteckter Kamera dokumentiert - und ist dabei ein hohes Risiko eingegangen. Kuban versuchte Antworten zu finden auf die Fragen: Warum kann auf der rechtsextremen Partymeile über alle Grenzen hinweg gefeiert werden, und wie lässt sich das verhindern? Der Regisseur Peter Ohlendorf hat Thomas Kuban auf seiner Reise mit der Kamera begleitet und aus dem Material Kubans den Film „Blut muss fließen - undercover unter Nazis“ produziert. Er wird am kommenden Samstag in Hechingen anwesend sein und im Gespräch mit den Besuchern über seine Erfahrungen bei Filmvorführungen in ganz Deutschland berichten. Die Veranstalter, der Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb und das Albbündnis für Menschenrechte, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit weisen darauf hin, dass sie sich vorbehalten, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die neonazistischen Organisationen angehören oder bereits durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zugang zur Veranstaltung zu verwehren oder sie von dieser auszuschließen. Quelle: www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/Wie-Neonazis-Jugendliche-koedern;art5612, 2846854. Südwest Presse online, 15.10.2014

Der Richter und die Blinden

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Ein Rechtsextremist stand seit acht Monaten unter Beobachtung der Behörden. Dass er Richter

in Bayern war, fiel nicht auf

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Es erinnert stark an das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall der Terrororganisation NSU: Seit Februar dieses Jahres stand der nach Bayern umgezogene Brandenburger Rechtsextremist Maik B. unter Beobachtung von Verfassungsschutz und Polizei. Doch dass er längst Amtsrichter in Lichtenfels war, fiel niemandem auf. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Ulrike Gote übermittelte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) jetzt eine ausführliche Darstellung des Umgangs bayerischer Sicherheitsbehörden mit Maik B. Der ehemalige Sänger der NeonaziBand „Hassgesang“ hatte nach einem Einserabitur Jura in Berlin studiert, ein hervorragendes zweites juristisches Staatsexamen abgelegt und sich erfolgreich für das Richteramt in Oberfranken beworben. Bereits zum November 2013 war Maik B. zum Richter zur Probe am Amtsgericht Lichtenfels ernannt worden. Knapp vier Monate danach ging eine „Erkenntnismitteilung“ des Verfassungsschutzes Brandenburg beim bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ein, dass Maik B. nach Bayern umgezogen sei. Die Brandenburger Verfassungshüter beschrieben die Aktivitäten B.‘s als Neonazi-Sänger und als Sympathisant der 2012 verbotenen „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ genau, gaben aber – so sagt Herrmann – keinen Hinweis auf das Jurastudium oder eine angestrebte Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Während Maik B. am Amtsgericht Lichtenfels fleißig und – so ist aus Juristenkreisen zu hören – kompetent richtete, tauchte sein neonazistisches Alter Ego immer wieder in Akten und Besprechungen der bayerischen Verfassungsschützer und der Polizei auf: Am 27. Februar 2014 wurde er in die Staatsschutzdatei des Freistaats aufgenommen, am 11. März wurde in einer Besprechung am Polizeipräsidium Oberfranken auch über Maik B. gesprochen und am 23. Juni 2014 wurde der 28-Jährige in das „Lagebild Rechtsextremismus 2013“ der oberfränkischen Polizei aufgenommen. Doch auf die Idee, nachzuforschen, womit Maik B. in seiner neuen Heimat die Brötchen verdient, kam niemand. Auch nicht, als er im Juni 2014 als Zeuge bei einem Diebstahl aktenkundig wurde. Hier gab Maik B. sogar an, Richter zu sein. „Systemseitig“, formulierte Minister Herrmann, „wäre zu diesem Zeitpunkt eine Zusammenführung der Informationen ‚Rechtsextremismus‘-‘Richter‘ möglich gewesen“. Quelle: http://www.suedkurier.de/nachrichten/politik/themensk/Der-Richter-und-dieBlinden;art1015367,7332034. Ralf Müller, Südkurier, 17.10.2014

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NSU-Ausschuss

Drexler soll Vorsitz übernehmen Turbulenzen in der NSU-Enquetekommission haben dazu geführt, dass es nun doch einen U-Ausschuss geben wird. Die SPD hat vor, Wolfgang Drexler den Vorsitz zu übertragen.

Stuttgart - Der SPD-Politiker Wolfgang Drexler soll den Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag zu den NSU-Morden leiten. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte am Montag, er werde seiner Fraktion bei der Sitzung an diesem Dienstag einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Drexler habe sich als Vize-Parlamentspräsident bei allen Fraktionen hohen Respekt erarbeitet. Drexler habe eine lange Parlamentserfahrung, kenne die Strafprozessordnung und besitze auch Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen. „Er hat bewiesen, dass er parlamentarische Gremien führen kann“, sagte Schmiedel. Er erwarte, dass der Personalvorschlag auch von den anderen Fraktionen gutgeheißen werde, sagte Schmiedel. Zudem rechnet der SPD-Fraktionschef damit, dass neben Grünen und FDP auch die CDU den Arbeitsauftrag des Untersuchungsausschusses mittragen wird. CDU-Fraktionschef Peter Hauk hatte als Bedingung formuliert, dass der Ausschuss auch die Zeit nach 2011 betrachten müsse. Im Herbst 2011 war bekanntgeworden, dass Rechtsterroristen hinter zahlreichen Morden in der ganzen Bundesrepublik stecken. Schmiedel sicherte zu, der U-Ausschuss werde die Zeit bis in die Gegenwart betrachten. Strobl für U-Ausschuss

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CDU-Landeschef Thomas Strobl befürwortet einen solchen Ausschuss. „Das finde ich in der Sache sehr angebracht und richtig“, sagte er am Montag in Stuttgart. So sei etwa der Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter 2007 in Heilbronn noch nicht ausreichend aufgeklärt. „Da gibt es mehr Fragen als Antworten.“ Der Kiesewetter-Mord gilt als rätselhafteste Tat, die dem Trio um Beate Zschäpe zugeschrieben wird. Bei den Ermittlungen hatte es mehrere Pannen gegeben: So jagte die Südwest-Polizei über Jahre einem Phantom hinterher - bis sich herausstellte, dass die zur Spurensicherung verwendeten Wattestäbchen verunreinigt waren. Die DNA stammte von der Mitarbeiterin eines Verpackungsunternehmens.

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Welche Kontakte hatte der NSU nach Baden-Württemberg?

Der Ausschuss soll auch untersuchen, welche persönlichen Verbindungen der Rechtsterroristen des NSU nach Baden-Württemberg existierten und ob es hier Unterstützerstrukturen gab.

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Der U-Ausschuss tritt an die Stelle einer Enquete-Kommission, die sich zuletzt heillos zerstritten und an Formalien aufgerieben hatte. Eine solche Kommission hat nicht so weitreichende Rechte wie ein U-Ausschuss. Ein Gutachten sollte klären, wer vor dem Gremium aussagen darf. Zuletzt trat der von den Grünen gestellte Vorsitzende Willi Halder entnervt zurück, die CDU verlies das Gremium. Liegen die Ergebnisse des U-Ausschusses vor, soll die Enquete zum Thema Rechtsextremismus ihre Arbeit wieder aufnehmen und ihren Blick in die Zukunft richten beispielsweise, was Präventionsfragen anbelangt. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte im August 2013 seinen Abschlussbericht vorgelegt. Auch mehrere Bundesländer haben wie Thüringen oder wollen noch wie Nordrhein-Westfalen die Taten des rechtsextremen Terrortrios und mögliche Fehler bei der Fahndung parlamentarisch aufklären. Überall geht es um die Frage, warum das Wirken des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ nicht rechtzeitig erkannt wurde und die Verbrechen damals nicht verhindert wurden. Der Fall Kiesewetter ist an diesem Dienstag auch Thema im Münchner NSU-Prozess. Nebenkläger haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Kiesewetter wie das NSU-Trio aus Thüringen stammte und mehrere ihrer Familienangehörigen und Freunde enge Verbindungen in die rechtsextreme Szene hatten. Außerdem waren zwei ihrer Kollegen Mitglieder des rechtsextremen Ku Klux Klan im Südwesten.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.nsu-ausschuss-drexler-soll-vorsitzuebernehmen.2c50f7c3-205d-4005-ace9-87d8a55a6f48.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 20.10.2014

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Hooligan-Krawalle in Köln Polizei warnt vor gefährlicher Entwicklung Nach den gewalttätigen Krawallen vom Sonntag in Köln warnt die Gewerkschaft der Polizei vor einer neuen Qualität der Gewalt. Bei den Krawallen hatten sich Hooligans und Rechtsextreme zusammengeschlossen. Köln - Nach den Krawallen von Hooligans und Rechtsextremisten in Köln ermittelt die Justiz gegen Dutzende mutmaßliche Gewalttäter. 57 Verdächtigen wird unter anderem Körperverletzung und Landfriedensbruch vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft am Montag berichtete. Bei den Straßenschlachten waren nach Polizeiangaben 44 Beamte verletzt und mehrere Polizeiautos demoliert worden. 17 Verdächtige kamen in Gewahrsam. Treibende Kraft bei der Demonstration gegen Salafisten am Sonntag waren laut Polizei und Verfassungsschutz die Hooliganszene. Viele Rechtsextremisten hätten sich ihnen angeschlossen. Die Gewerkschaft der Polizei sprach von einer neuen Qualität der Gewalt. Besonders der große Zulauf sei erschreckend. Rund 4500 gewaltbereite Hooligans teils verfeindeter Fußballclubs hatten sich in der Kölner Innenstadt mit Rechtsextremen versammelt. Aus der Menge wurde die Polizei mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Flaschen beworfen. Die Beamten gingen mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas gegen Krawallmacher vor. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte, der Staat dürfe nicht zulassen, dass sich gewalttätige Salafisten und Rechtsextreme gegenseitig hochschaukeln. „Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, der muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden.“ Die Kundgebung in Köln war von einem Funktionär der Anti-Islam-Partei Pro NRW angemeldet worden, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die „Hooligans gegen Salafisten“ sind eine Bewegung, die sich im Internet gebildet hat und sich über soziale Netzwerke organisiert. Der Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, sagte im WDR, die Behörden seien von dem Zusammengehen der Hooligans mit Neonazis nicht überrascht worden. Gemeinsam sei allen Teilnehmern ihre Gewaltbereitschaft und eine „aggressive Grundhaltung“ gegen die radikal-islamischen Salafisten. Rechte seien aus dem ganzen Bundesgebiet angereist - darunter Vertreter der NPD, der Partei Die Rechte, aber auch Skinheads. Aus der Hooliganszene seien Gruppen zusammengekommen, die sich sonst bekämpften, sagte Freier. Sie glaubten nun aber ein Ziel gefunden zu haben, mit dem sie eigene Stärke nach außen zeigen und Gewalt ausüben könnten. (...) (Von der Red. gekürzt) Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.hooligan-krawalle-in-koeln-polizei-warnt-vor-gefaehrlicher-entwicklung.5f254d83-e9da-4ecb-a348-767c51e6d110.html SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 27.10.2014

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Ausschreitungen in Köln Land will rechte Szene stärker überwachen

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Stuttgart/Köln - Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall will die rechte Szene noch genauer beobachten, um Ausschreitungen wie am Sonntag in Köln zu verhindern. „Wenn wir wissen, wer sich mit wem trifft und mit welcher Absicht, dann können wir besser planen“, sagte der SPD-Politiker unserer Zeitung. In dieser Woche soll eine Expertenrunde prüfen, wie gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert werden können. Bei einer Hooligan-Kundgebung gegen gewaltbereite Salafisten am Sonntag in Köln waren 44 Polizisten verletzt worden. 17 mutmaßliche Gewalttäter kamen in Gewahrsam. Auch in Baden-Württemberg ließen sich solche Ereignisse nicht „grundsätzlich ausschließen“, sagte Gall. Im vergangenen halben Jahr war es in Mannheim mehrfach zu Zusammenstößen zwischen Hooligans und Salafisten gekommen. „Wir müssen davon ausgehen, dass jedenfalls am Sonntag der Kampf gegen gewaltbereiten Salafismus ein Vorwand war und dass es im Kern darum ging, Gewalt auszuleben“, sagte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach unserer Zeitung. „Dabei soll der Eindruck erweckt werden, als sei der Staat gegen religiösen Fanatismus und gegen religiös motivierte Gewalt macht- und hilflos. Und deswegen brauche es den starken Arm der Rechtsradikalen, um Ordnung zu schaffen.“ Genau das dürfe ein demokratischer Rechtsstaat nicht dulden, erklärte Bosbach. Nach Informationen unserer Zeitung sollen sich fünf bis zehn gewaltbereite Hooligans aus Stuttgart an den Ausschreitungen in Köln beteiligt haben. Schätzungen des Innenministeriums zufolge gibt es im Südwesten 1800 Problemfans. Der Verfassungsschutz hält die Schnittmenge von Rechtsextremisten und gewaltbereiten Fußballfans aber für gering.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ausschreitungen-in-koeln-land-will-rechteszene-staerker-ueberwachen.a9fb9607-de6b-4f7b-899b-cdfc42683e1b.html Maria Wetzel, Stuttgarter Nachrichten, 28.10.2014

Dschihadisten in Stuttgart

Extremismus: Präventionsprogramm endet Das Präventionsprogramm Team-Mex, das junge Menschen vor Radikalisierung jeglicher Art schützen möchte, wird eingestellt. Im Landeshaushalt ist dafür kein Geld mehr vorgesehen. Dabei ziehen auch junge Menschen aus Stuttgart in den Dschihad.

Stuttgart - Junge Menschen aus Deutschland ziehen in den Dschihad und setzen ihr Leben in Syrien aufs Spiel: Nahezu täglich werden neue Berichte dieser Art bekannt. Auch aus Stuttgart sind schon junge Männer in den Tod gegangen, in der festen Überzeugung, in einem „Heiligen Krieg“ zu kämpfen, wenn sie für die Sache des Islamischen Staats (IS) in den Kampf ziehen. Angesichts dieser Nachrichten hat der Inte-grationsbeauftragte Gari Pavkovic in der jüngsten Sitzung des Internationalen Ausschusses darauf aufmerksam gemacht, dass es dringend notwendig ist, junge Menschen vor diesem Schritt in die kriegerische Zukunft zu bewahren. Pavkovic beklagte auch, dass das Präventionsprogramm Team-Mex der Landeszentrale für politische Bildung, das die Hinwendung junger Menschen zu verschiedenen Arten des Extremismus durch Aufklärungsarbeit abwenden soll, zum Jahresende eingestellt wird – aus Sicht des Integrationsbeauftragten war es geeignet, Menschen im Umfeld gefährdeter Jugendlicher zu sensibilisieren. „Es stimmt, dass dieses Programm zu Ende geht“, bestätigt der Projektbetreuer Felix Steinbrenner von der Landeszentrale für politische Bildung. Team-Mex läuft seit dem Jahr 2008 mit Mitteln der Baden-WürttembergStiftung. Urspünglich war eine Projektförderung durch die Landesstiftung für das Modellprojekt Team-Mex nur für drei Jahre vorgesehen. Dann wurde eine Verlängerung der Finanzierung mit Stiftungsmitteln um weitere drei Jahre genehmigt. „Man hat vor dem Hintergrund des NSU-Skandals festgestellt, dass es weiterhin Bedarf gibt, und die Projektzeit verlängert“, so Steinbrenner.

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Die Nachfrage nach Veranstaltungen zu Islamismus steigt

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„Die verschiedenen Themen haben immer ihre Konjunkturzeiten“, fügt der Projektbetreuer hinzu. Seit der IS in Syrien seinen Kampf verstärkt hat und Krieger aus Deutschland angeworben werden, steige auch die Nachfrage nach Veranstaltungen zu islamistischem Extremismus. Was die Veranstaltungen konkret bewirken, sei nicht messbar. „So ist das nun mal bei Prävention, man weiß ja nie, was man verhindert hat“, sagt Steinbrenner. Die Nachfrage sei aber ein eindeutiges Indiz dafür, dass es bei den Bürgern einen großen Bedarf gebe. (...) (Von der Red. gekürzt)

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.dschihadisten-in-stuttgart-extremismus-praeventionsprogramm-endet.ff0ac3e8-ac6d-4a2d-8b7b-b0b432c28799.html. Christine Bilger, STZ, 28.10.2014

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Lohn für Engagement gegen Rechts Bad Säckingen - Jugendliche fahren als Dankeschön für Mitarbeit bei Bad Säckinger ToleranzAusstellung nach München. Besuch des KZ Dachau

425 junge Menschen besuchten die Bad Säckinger Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen. Baden-Württemberg für Toleranz und Menschlichkeit“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, sowie das ergänzende Theaterstück „Hin- und Wegsehen“ zum Thema Zivilcourage. 25 Schulklassen und weitere Gruppen wurden von elf eigens hierfür geschulten jugendlichen Ausstellungsguides Seite 42


durch 16 Schautafeln geführt, die im Kinder- und Jugendhaus Altes Gefängnis für drei Wochen zu sehen waren. Dieses Konzept war ein Gewinn für Guides und Besucher gleichermaßen: „Jugendliche für Jugendliche, so wie wir es hören wollen.“ Als Dankeschön für die jugendlichen Guides fand zum Abschluss des Projekts eine DreiTagesfahrt nach München statt, mit Besuchen der KZ-Gedenkstätte Dachau und des Deutschen Museums. Theaterstück und Münchenfahrt wurden ermöglicht durch eine Spende der Firma Umicore in Höhe von 2000 Euro. Quelle: http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/bad-saeckingen/Lohn-fuer-Engagement-gegenRechts;art372588,7375848; Südkurier, 04.11.2014

Rechtsextremismus im Fußball

Hooligans in der Cannstatter Kurve Eine gefährliche Entwicklung, die auch vor dem VfB-Umfeld nicht haltmacht: Im Hass auf radikale Islamisten spielen Rechtsradikale mit Hooligans den Doppelpass und missbrauchen damit den Fußball für ihre Zwecke. Könnten die Ultras helfen?

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Stuttgart - Die Stimmung in der Cannstatter Bahnhofskneipe bewegt sich zwischen gereizt und aggressiv. Es ist kurz nach der 0:4-Heimpleite des VfB gegen den VfL  Wolfsburg. Den Männern am Tresen steht der Frust ins Gesicht geschrieben. Sie tragen Pullover der Marke Fred Perry oder T-Shirts mit Aufdrucken wie „Bare Knuckle“ oder „Blood Sport Generation“. Einige haben ihre Schädel kahl geschoren, teilweise sind die Arme dick wie Baumstämme. Hooligans wie diese beobachtet der Verfassungsschutz seit den Krawallen in Köln verstärkt. Auch in Stuttgart.

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Tattoo „Neckar Fils 1979“ in altdeutscher Schrift

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Einer von ihnen trägt eine Halskette, die man auch hinter ein Motorradgetriebe spannen könnte. Ein anderer hat sich auf den Hinterkopf ein Tattoo stechen lassen: „Neckar Fils 1979“ – in altdeutscher Schrift, mit zwei Totenköpfen darunter. Diese Vereinigung wurde schon häufiger in einem Atemzug mit rechten Kameradschaften genannt. Dann fängt einer aus der Gruppe das Pöbeln an. Warum er sich so großkotzig aufführe, mault er einen unbeteiligten Kneipenbesucher im VfB-Trikot an. Der schüttelt fassungslos den Kopf. „In einer Viertelstunde bist du hier weg“, ätzt der Pöbler. Will der VfB-Fan kein blaues Auge riskieren, sollte er sehen, dass er Land gewinnt.

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50 bis 60 Hooligans in der Benz-Arena

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Fühlen sich Hooligans von „normalen“ Fußballfans nicht respektiert, kann es sein, dass sie zuschlagen. Und Hooligans gibt es nach wie vor in der Cannstatter Kurve der Mercedes-Benz-Arena. 50 bis 60 sind es, sagt ein Kenner der Szene, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Fünf bis zehn der Fußballrowdys aus Stuttgart seien auch an den Krawallen in Köln am 26. Oktober beteiligt gewesen. Dort haben sich rund 4500 Hooligans mit Rechtsextremen unter der Flagge der Bewegung Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) zusammengerottet und sich Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Wie eng die Kontakte in die rechte Szene sind und wie groß damit der Einfluss der Rechten auf Hooligans und den Rest der Fußballfans ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Klar ist: Nur wenige Fans sind Hooligans, und nur wenige Hooligans sind rechtsextrem. Aber: „Hooligans bewegen sich ständig im rechtsoffenen Milieu“, sagt der Politologe Richard Gebhardt. Vorsicht ist also geboten.

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Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.rechtsextremismus-im-fussball-hooligans-inder-cannstatter-kurve.8d07f3a3-cb43-4ac8-8169-4797d2c7675e.html. Jan-Philipp Schlecht, Stuttgarter Nachrichten, 12.11.2014

Angst vor Anti-Islam-Aufmarsch In Hannover wächst die Anspannung vor dem Aufmarsch von Tausenden Islamgegnern und Hooligans. Auch Polizisten aus Baden-Württemberg sollen Krawall am Samstag verhindern. Hannover - Vor der an diesem Samstag geplanten Hooligan-Kundgebung herrscht in Hannover große Anspannung. Die Bilder vom 26. Oktober, als sich 4800 Rechte unter dem Motto „HoGeSa“ (Hooligans gegen Salafisten) am Kölner Dom mit

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1300 überraschten Polizisten eine Schlacht lieferten, sind noch in frischer Erinnerung. Nun werden in Hannover rund um den Kundgebungsort, den alten Omnibusbahnhof, Fensterscheiben von Geschäften und Hotels mit Holzplatten verrammelt. Als Zeichen gegen Rassismus hat der Oberbürgermeister 60 Fahnen mit der Aufschrift „Hannover steht auf gegen rechts“ im Zentrum aufhängen lassen. Zudem sind 18 Gegendemonstrationen angekündigt. Die Hoffnung der Stadt, das Verwaltungsgericht Hannover würde die Hooligans nach dem Aufzugsverbot durch die Polizei endgültig stoppen, ist am Donnerstag enttäuscht worden. Denn das Gericht sah in der Versammlung unter dem Motto „Europa gegen den Terror des Islamismus“ keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Diese wäre nur gegeben, wenn ein Demonstrationszug durch die Stadt geführt würde, der untersagt wurde. Ein vollständiges Verbot wurde als unverhältnismäßig angesehen – zumal höchstens 800 der 5000 erwarteten Demoteilnehmer dem Kreis der Hooligans zuzurechnen seien. Erlaubt wurde daher eine stationäre Versammlung. Zu den 16 teils strengen Auflagen gehört etwa das Verbot, Embleme oder Tätowierungen mit Totenköpfen sichtbar zu tragen, wie das Gericht am Freitag nach einer weiteren Klage bekräftigte.

Baden-Württembergs Polizei liefert Schützenhilfe In großen Zelten will die Polizei die Teilnehmer zuvor durchsuchen. Auch hat sie schon einige der vom Veranstalter benannten Ordner abgelehnt. Wie viele Sicherheitskräfte sie aufbietet, lässt die Polizei noch offen. Klar ist, dass der Südwesten beteiligt wird: „Selbstverständlich sind wir der Bitte Niedersachsens um Unterstützung nachgekommen“, sagte Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) der StZ. „Die baden-württembergische Polizei wird mit mehreren szenekundigen Beamten und Beamten des ,Polizeipräsidiums Einsatz’ in Hannover sein.“ Erfahrene Kräfte waren in Köln noch vermisst worden. Die Hooligan-Szene hat man nicht erst seither im Visier: „Das Landespolizeipräsidium hat schon vor den Ausschreitungen in Köln auf die HoGeSa-Gruppierung reagiert“, so Gall. Jüngst hatte der Minister 18 Verantwortliche aus dem Bereich Staatsschutz und Kenner der Szene zusammen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz zu sich gebeten. „Natürlich muss auch in Baden-Württemberg mit solchen Anmeldungen von Demonstrationen gerechnet werden“, erklärte Gall. „Allerdings liegen derzeit keine Erkenntnisse über konkrete Planungen vor.“ Die Sicherheitsbehörden seien sensibilisiert und würden, falls erforderlich, „zielgerichtete Maßnahmen“ einleiten. „Sie nutzen ihre Möglichkeiten im präventiven Bereich und schreiten bei Straftaten konsequent ein.“

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Hooligan-Szene schwer in den Griff zu bekommen

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Wie viele sogenannte „Hools“ aus dem Südwesten nach Hannover fahren, lässt sich nicht vorhersagen – auch weil die Bezeichnung Hooligan nicht klar definiert und die Szene schwer zu quantifizieren ist. Grob geschätzt geht die Polizei von 500 Hooligans im Land aus. Als Schwerpunkte gelten Mannheim, wo ein NPD-Stadtrat und Waldhof-Fan schon Aktionen gegen Salafisten mitorganisiert hat, zudem Pforzheim, Karlsruhe, Stuttgart, Reutlingen und Ulm. Der klassische Hooligan ist weder an Fußball noch an Politik besonders interessiert – ihn locken Möglichkeiten zur Randale an. Doch gibt es Überschneidungen mit der rechtsextremistischen Szene. Reisen nach Hannover zu unterbinden, wäre lediglich in einem eng begrenzten rechtlichen Rahmen möglich. Es ginge nur mit Beweisen, dass die Hooligans in jedem Fall auf Krawall aus sind – diese Belege gibt es nicht. Der Innenminister hält die Polizei aber nicht für machtlos: „Bevor über ein strengeres Demonstrationsrecht diskutiert wird, sollten die gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden“, sagte Gall. Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hooligan-demo-in-hannover-angst-vor-anti-islam-aufmarsch.37642d1d-572a-4c33-9f4b-eaeba2394e28.html. Matthias Schiermeyer, Stuttgarter Zeitung, 15.11.2014

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NSU-Untersuchungsausschuss Gall:

Unterlagen bleiben vorerst erhalten Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat den Aktenvernichtungsstopp zum Rechtextremismus im Land verlängert. Das Moratorium gilt seit Mitte 2012 für Polizei und Verfassungsschutz.

Stuttgart - In Baden-Württemberg werden keine Akten zur rechtsextremistischen Kriminalität und insbesondere zum Komplex des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vernichtet. Das hat Innenminister Reinhold Gall (SPD) in einem Schreiben an den CDU-Abgeordneten Matthias Pröfrock zugesichert. „Mit der Einrichtung des Untersuchungsausschusses NSU durch den Landtag von Baden-Württemberg am 5. November 2014 wird das Seite 44


derzeit bestehende Löschmoratorium im Zusammenhang mit der Enquetekommission für den Zeitraum der Arbeit des Untersuchungsausschusses verlängert werden“, schreibt Gall an den Abgeordneten. Dies gelte für die Akten der Polizei sowie für die des Verfassungsschutzes. Pröfrock sagte, er erwarte, dass die Akten von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses vollumfänglich genutzt werden könnten. Im Juli 2012 war die Vernichtung von Akten zum politischen Rechtsextremismus auf Bitten des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestags ausgesetzt worden. Nachdem das Gremium seinen Abschlussbericht erstellt hatte, endete der Aktenvernichtungsstopp. Gall weist in seinem Schreiben aber darauf hin, dass zu jenem Zeitpunkt bereits über eine Neuauflage des Untersuchungsausschusses nach der Bundestagswahl spekuliert worden sei – wozu es bisher nicht nicht gekommen ist. Moratorium seit Mitte 2012

Auch habe es in Baden-Württemberg Diskussionen über eine Enquetekommission beziehungsweise einen Untersuchungsausschuss gegeben. „Vor diesem Hintergrund wurde das Aktenvernichtungsmoratorium nicht aufgehoben.“ Gall schreibt: „Im Ergebnis besteht das Aktenvernichtungsmoratorium in Baden-Württemberg für das Landesamt für Verfassungsschutz und die Polizei daher ununterbrochen fort.“ Hingegen sei bei Polizei und Verfassungsschutz des Bundes und der anderen Bundesländer keine einheitliche Verfahrensweise festzustellen. Teilweise werde am Aktenvernichtungsstopp festgehalten, teilweise seien bestehende Moratorien aufgehalten worden. Unterdessen forderten CDU und FDP am Dienstag die Grünen-Fraktion erneut auf, die Abgeordneten Hans-Ulrich Sckerl und Daniel Lede Abal aus dem neu eingesetzten NSU-Untersuchungsausschuss zurückzuziehen. Elektronische Mails belegten, dass Sckerl stärkeren Einfluss auf die Veröffentlichung eines Gutachtens der Landesverwaltung genommen hätte als bisher angenommen. Sckerl wie auch Lede Abal hätten das Parlament belogen, dies stehe jetzt definitiv fest.

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nsu-untersuchungsausschuss-gall-unterlagenbleiben-vorerst-erhalten.523b8755-be43-430a-889c-345887db4b6d.html. Rer, Stuttgarter Zeitung, 18.11.2014

Wie die NPD grüne Themen instrumentalisiert

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„Brauner“ Umweltschutz auf dem Vormarsch

In den Programmen rechtsextremer Parteien findet sich ein Aspekt immer häufiger: der „Umweltschutz“. Doch hinter diesem Begriff verbirgt sich eine ganz eigene Auffassung von „Arterhaltung“.

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Ökothema oder rechte Parole? Ihre Auftritte sind meist martialisch und ihre politischen Forderungen immer schon extrem - doch nun versuchen rechtsextremistische Parteien verstärkt auch mit Ökothemen zu punkten. Ein Blick in das Parteiprogramm der NPD zeigt: Sie geben sich umweltbewusst, wollen „die Heimat schützen“ und „regionale Produkte stärken“. Darin zu finden ist auch der Hinweis, dass der Mensch ja Teil der Natur sei. Es scheint, als sei innerhalb der rechten Parteien ein neues Umweltbewusstsein entstanden. Doch was steckt dahinter?

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Umweltschutz à la NPD

Rüdiger Stein ist Rechtsextremismus-Experte beim DGB und kennt die Hintergründe: „Die NPD begreift den Umweltschutz so, dass sie bestimmte Menschen, beispielsweise Flüchtlinge, hier nicht haben, ihre Umwelt also vor diesen schützen will“, erklärt er. Gegen Asylbewerber und Flüchtlinge demonstrieren - Umweltschutz à la NPD. Die rechte Umweltzeitschrift „Umwelt und Aktiv“ macht das deutlich - obwohl sie zunächst ganz harmlos scheint. Aus dem Nationalismus wird aber kein Hehl gemacht: So wird zum Beispiel zum Boykott israelischer Lebensmittel aufgerufen. Aussteiger berichten von getarnter Rassenideologie

Bernd Wagner erlebt solche Argumentationen täglich. Der ehemalige Kripobeamte engagiert sich bei „Exit“, einem Verein, der Menschen hilft, die aus der rechten Szene auszusteigen. Von Aussteigern hört er immer wieder, dass Ausländerfeindlichkeit in der Szene mit Umweltschutz begründet wird. Seite 45


„Der Kern der Problematik ist, dass in deren Weltbild die Rasse und die Art eine große Rolle spielen“, sagt er. „Das heißt, vor allem die Vorstellung, dass man einer Rassegemeinschaft zugehörig ist, die höherwertig ist, und die daher bewahrt werden muss.“ Eindeutige Positionierung der NPD

Sogar in Landtagen hat die NPD diese Haltung schon plakativ demonstriert. Und in einem parlamentarischen Antrag wurde gefordert, „den biologischen Fortbestand des deutschen Volkes zu bewahren“. Einer der direktesten Sprecher innerhalb der rechten Szene ist Safet Babic. Der Publizist und Sprecher der NPD Rheinland-Pfalz hält den Umweltansatz für konsequent und verteidigt diesen: „Wir sagen, Nationalismus bedeutet Arterhaltung und wir wollen daher eine Politik, die die Naturgesetze umsetzt und beachtet. Die Massen an Asylbewerbern sind wesens- und kulturfremd. Arterhaltung betrifft alle Völker der weißen Rasse.“ Damit bestätigt Babic es: Der Begriff „Umweltschutz“ in Parteiprogrammen, Broschüren oder auch auf Webseiten hat rein gar nichts mit dem Thema Ökologie zu tun. Er dient lediglich der Verbreitung rechter Ideologien auf ganz neuen Wegen.

Quelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/wie-die-npd-gruene-themen-instrumentalisiertbrauner-umweltschutz-auf-dem-vormarsch/-/id=396/nid=396/did=14325260/zay24l/index.html. Edgar Verheyen / Webfassung: Manuela Hübner, swr, 18.11.2014

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Von Ultras und Hooligans: Podiumsdiskussion mit Christian Streich

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Eine Podiumsdiskussion in Lörrach beschäftigte sich mit dem Thema Fanatismus und Rechtsextremismus im Fußball.

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LÖRRACH. Die Podiumsdiskussion im Rahmen der Aktionswochen gegen Rechtsextremismus war erwartungsgemäß nicht wirklich kontrovers. Denn zum Thema Fanatismus und Rechtsradikalismus im Fußball waren sich alle Gesprächsteilnehmer in der Lörracher Mathilde-Planck-Schule einig: Diese Themen haben auf dem Sportplatz nichts verloren. Prominentester Diskussionsteilnehmer war dabei der Trainier des SC Freiburg, Christian Streich. Albert Scherr, Soziologie-Professor an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, und selber Fußballfan, stellte in seinem einleitenden Vortrag klar, dass das Gewaltpotenzial eines Fußballspiels grundsätzlich geringer sei, als das eines normalen Dorffestes. Dennoch unterschied er zwischen einem Freund-/Gegnerbild und einem Freund-/ Feindbild, wie es beispielsweise zwischen dem SC Freiburg und dem VfB Stuttgart existiere. Zudem verwies er darauf, dass heutzutage ein Trainer in der Öffentlichkeit mindestens genauso wahrgenommen werde, wie beispielsweise ein SPD-Funktionär. Der Trainer des SC Freiburg, Christian Streich, hob hervor, dass der SC das große Glück habe, dass „wir Gegner sind und keine Feinde“. Er kenne viele Spieler, die in der Fremde gespielt hätten und deswegen auch andere nicht ausgrenzen würden. Fußball bewege Menschen aus allen sozialen Schichten, „und das gefällt mir sehr gut“, betonte er. Streich sprach in diesem Zusammenhang vom „großen Faszinosum Fußball“. Albert Scherr wies daraufhin, dass heutzutage zwar keine farbigen Spieler mehr mit Bananen beworfen würden und es kaum noch Nazi-Symbole in den Stadien gebe, aber beispielsweise auch im Dreisamstadion Schimpfwörter wie „Zigeuner“ an der Tagesordnung seien – ein klarer Fall von Rassismus. Von der Fanseite war Cedric Lauber, SC-Anhänger und selber Amateurfußballer, in die Diskussion eingebunden. Er forderte, Ultras und Hooligans nicht gleichzusetzen, denn zweitere gebe es nur vereinzelt. Deren Ausrichtung sei die Gewalt, während Ultras beispielsweise auch für Choreographien in den Fußballstadien sorgen würden. Schwierig gestaltete sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie der Umgang mit bengalischen Feuern in den Stadien gehandhabt werden soll. Sowohl Lauber als auch Trainer Streich waren der Ansicht, dass diese durchaus eine optische Attraktivität hätten, jedoch aus Sicherheitsgründen nur im organisierten Rahmen abgebrannt werden dürften. Hier sei der Deutsche Fußballverband gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen. Robin Karle ist Schiedsrichter im Jugendfußball. Er berichtetet davon, dass es bestimmte Vereine gebe, bei denen es konkret Ausschreitungen gegen Schiedsrichter gebe. Grundsätzlich habe seiner Erfahrung nach das Gewaltpotenzial bei Fußballspielen zugenommen, bis hin zur Bereitschaft, zuzuschlagen. „Es ist eine Tendenz zu mehr Gewalt da“, urteilte er. Christian Streich plädierte dafür, Jugendlichen Freiräume zu geben, die sie selber ausfüllen könnten. Albert Scherr

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verglich Fußball mit Fasnacht, wo man öffentlich Gefühle zeigen könne. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer „öffentlichen kollektiven Erregungssituation“. Abschließend waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, dass Rassismus und Intolleranz nur der Dialog entgegengesetzt werden könne. Quelle: http://www.badische-zeitung.de/kreis-loerrach/von-ultras-und-hooligans-podiumsdiskussion-mit-christian-streich--94934291.html. Badische Zeitung, 19.11.2014.

Vorbehalte gegen Asylbewerber und Arbeitslose sind verbreitet Berlin (dpa) Trotz eines allgemeinen Rückgangs rechtsextremer Einstellungen in der Bevölkerung sind Ressentiments gegen bestimmte Gruppen wie Asylbewerber oder Langzeitarbeitslose weit verbreitet. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hervor. Die Autoren mahnten, rechte Haltungen machten sich zunehmend in subtileren Formen bemerkbar. Die Stiftung gibt die Studie alle zwei Jahre heraus und untersucht damit, in welchem Ausmaß rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet sind. In diesem Jahr wurden dazu zwischen Juni und August rund 2000 Bürger befragt. Explizit rechtsextreme Einstellungen sind in den vergangenen Jahren demnach deutlich weniger geworden und auf einem neuen Tiefstand. Einer der Studienautoren, der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick, sagte, der Rückgang sei erfreulich und gehe wohl zurück auf politische Bildungsarbeit und die gesellschaftliche Aufarbeitung der Verbrechen der rechten Terrorzelle NSU. Allerdings meinen noch immer gut zehn Prozent der Bevölkerung, der Nationalsozialismus habe auch seine guten Seiten gehabt - und Deutschland bräuchte einen «Führer», der das Land «zum Wohle aller mit starker Hand regiert». Die Studienautoren mahnten, es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Möglicherweise scheuten sich manche Bürger nach dem NSU-Schock auch schlicht, rechte Haltungen offen zu äußern. Zu beobachten sei insgesamt eine Verlagerung weg von offensiven rechten Positionen hin zu «softeren» Ausdrucksformen - wie dem Pochen auf Vorrechte etablierter Gruppen und der Abwertung bestimmter anderer Gruppen. So stimmen rund 60 Prozent der Bürger der Aussage zu: «Wer irgendwo neu ist, sollte sich erst mal mit weniger zufriedengeben.» Mehr als 60 Prozent meinen nicht, dass der Staat großzügig bei der Prüfung von Asylanträgen sein sollte. Mehr als 40 Prozent sind der Ansicht, die meisten Asylbewerber würden in ihrer Heimat gar nicht verfolgt. Langzeitarbeitslosen schlagen ebenfalls starke Ressentiments entgegen. Fast die Hälfte der Bürger unterstellt ihnen, sie seien nicht wirklich interessiert daran, einen Job zu finden. Mehr als 60 Prozent finden es «empörend, wenn sich die Langzeitarbeitslosen auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen». Zick sagte, es gebe einen rabiaten «marktförmigen Extremismus» in Deutschland, der ausgeprägtem Effizienzdenken folge. Menschen, die nicht so viel für die Gesellschaft leisteten, sondern eher Kosten verursachten, stießen in dieser Denkweise auf Ablehnung. Besonders verbreitet sei ein solcher Fokus auf Wettbewerb und die Vormacht des Stärkeren unter Anhängern der eurokritischen Partei AfD. Auch anderen Gruppen gegenüber - wie Muslimen oder Sinti und Roma - gibt es laut Studie verbreitete Vorbehalte in Deutschland. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung meinen, Sinti und Roma neigten zu Kriminalität. Fast 20 Prozent finden, Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden. Was den Machern der Studie ebenfalls Sorgen bereitet: Etwa die Hälfte der Befragten meinen, Rechtsextremismus werde in den Medien «hochgekocht» und es wäre am besten, die Rechten gar nicht zu beachten. Die Autoren mahnten jedoch, den Rechtsextremismus zu ignorieren, sei keineswegs eine Lösung. Quelle: http://www.stimme.de/deutschland-welt/nachrichten/dw/Extremismus-RechtsextremismusVorbehalte-gegen-Asylbewerber-und-Arbeitslose-sind-verbreitet;art295,3241218 / Heilbronner Stimme, 20.11.2014

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Lieder gespickt mit Hasstiraden Um die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts ging es in einem Vortrag an der EbertSchule.

SCHOPFHEIM (edi). Es waren schockierende Erkenntnisse über die musikalische Transformation rechtsextremen Gedankenguts, die man beim Vortrag „Musik und Rechtsextremismus“ am Donnerstagabend in der FriedrichEbert-Schule gewinnen konnte. Referent Dietmar Winter, Jugendschutzbeauftragter des Landkreises SchwäbischSeite 47


Hall, appellierte denn auch an Lehrkräfte und Sozialarbeiter, unbedingt Prävention durch Aufklärung zu betreiben. In Baden-Württembergs Musikszene gäbe es derzeit immer noch neun rechtsextremistische Skinheadbands, die mit ihren musikalisch unterlegten Hetztiraden vor allem Jugendliche als Zielgruppe anzusprechen versuchen, so Dietmar Winter. Die meisten jungen Leute würde vorrangig die Musik dieser Bands ansprechen, während die Texte erst einmal undifferenziert wahr genommen würden. Erst bei mehrmaligem Hören werde auch das Interesse an den Texten geweckt. Und in diesen seien ganz geschickt Parolen verpackt, die nicht gleich als rechtsextremistisch einzuordnen sind. Als Beispiel nannte Dietmar Winter den Songtext der Band „Faktor Widerstand“, den er als Fotokopien an die Zuhörer verteilen ließ. Da ist vom Widerstand gegen Eurowahn, Schutzgelderpressung, Kampfeinsätzen der Bundeswehr und leeren Kassen die Rede. Argumente, die in ihrer einfachen Konstruktion auf Anhieb einleuchten und auch aus der politisch links gerichteten Ecke stammen könnten. Die eindeutig rechtsextremistische Strophe wird erst am Schluss des Songtextes preisgegeben, wo es heißt: «Doch immer mehr Deutsche sagen Nein zu diesem Lügen- und Heuchlerverein. Trotz Medienmafia und Kapital, unser Kampf ist national.» Der Referent berichtete auch von der eklatanten Entgleisung von Oberstufenschülern einer rheinland-pfälzischen Schule während ihrer Abschlussfeier. So hätten diese den Song «Verlorene Träume» von der Neonaziband Sleipnir, wohlwissend um dessen rechtsextreme Brisanz, vor allen Festgästen angestimmt. Die Musik gelte den Rechtsextremisten als ideales Mittel zur Verbreitung des Nationalsozialismus, so der Referent. Als Klientel hätten sie jetzt auch die gewaltbereiten Fußballfans ins Visier genommen. Bei der Kölner Hogesa-Demo (Hooligans gegen Salafisten) sei dies besonders deutlich geworden. Dort sei auch die rechtsextreme Hooliganband «Kategorie C», die sich aus gewaltbereiten Bremer Fußballfans rekrutiert hat, aufgetreten. Dietmar Winter definierte in seinen Ausführungen den Rechtsextremismus nach den Kriterien Ablehnung der Demokratie, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und NS-Glorifizierung. Das rechtsextremistische Liedgut beinhalte Hass- und Vernichtungstexte sowie nationalistische Definitionen von Ehre, Treue, Tapferkeit, Heldentod und Widerstandskampf. Verbreitet werde es bei getarnten Veranstaltungen, über das Internet oder den Verkauf von CD´s. Der Vortrag von Dietmar Winter im Rahmen der Aktionswochen gegen Rechtsextremismus machte deutlich, dass die Musik mit aufhetzenden, gewaltverherrlichenden und rassistischen Texten gerade für Jugendliche den Einstieg in die rechte Szene ermöglichen könnte. Und Kreisjugendreferentin Gisela Schleidt, die zusammen mit dem Sozialarbeiter Thomas Haug die Veranstaltung initiiert hatte, appellierte an die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden, der Jugendarbeit einen hohen Stellenwert einzuräumen. Erfahrungsgemäß könnten die Rechtsextremen in Orten ohne Jugendzentren oder ähnliche Einrichtungen ihr Gedankengut erfolgreicher verbreiten, meinte sie.

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Quelle: http://www.badische-zeitung.de/schopfheim/lieder-gespickt-mit-hasstiraden--95117670.html. Badische Zeitung, 22.11.2014

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Robert Andreasch über Rechtsextremismus: Die Angst vor dem Fremden Flüchtlinge, Salafisten, Homophobie: Rechtsextremen ist der Schulterschluss zur Bevölkerung gelungen, sagte Experte Robert Andreasch jetzt in Ulm.

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Mitgefühl ja, aber eine Herberge sollten sie nicht bekommen. Vielerorts formierten sich Bürgerbegehren gegen die ungebetenen Flüchtlinge. Das sei eine Entwicklung, die der fehlenden Planung und Vorbereitung der Behörden geschuldet ist; aber auch eine Entwicklung, die Nährboden für rechtsextreme Gedanken bereite, sagte Robert Andreasch, Journalist und Kenner der bayerischen Neonazi-Szene, jetzt bei einer Veranstaltung im Ulmer Haus der Gewerkschaften. „In den Medien wird fast nur unter dem Aspekt der Belastung über Asyl-Suchende diskutiert, dabei ist hier von Menschen die Rede, die vor dem Bürgerkrieg und dem Terror fliehen, vor Folter und auch vor einem perspektivlosen Leben in Armut“, sagte Andreasch bei seinem Vortrag über rechtsextreme Gewalt in Süddeutschland. Der DGB-Kreis Neu-Ulm hatte den Fachjournalisten, der über die extreme Rechte für Magazine und bekannte Medien wie das ARD-Radiofeature und die Sendung „Quer“ des Bayerischen Fernsehens recherchiert, zum Vortrag eingeladen. Anhand aktueller politischer Entwicklungen zeigte Andreasch, der auch für die antifaschistische Informations-, Dokumentations-, und Archivstelle in München über die Verhandlungstage im NSU-Prozess berichtet, verschiedene Entwicklungsstränge auf, die einen Schulterschluss der Rechten zur Bevölkerung begünstigen. Seite 48


Neben der Flüchtlingsproblematik hätten die Neonazis auch versucht, Stimmen abzufangen, als es um die Ideen der grün-roten Landesregierung zur Reform des Sexualkundeunterrichts an Schulen ging. Über 140.000 Unterschriften seien in einer Petition gegen die Vielfalt von Familienbildern im Lehrplan zusammengekommen, einer Initiative, der sich auch homophobe Rechte anschlossen. Und auch durch die Angst vor der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hervorgerufene Islamfeindlichkeit gelinge nicht nur ein Schulterschluss zur Hooligan-Szene, sondern auch zu weiten Teilen der Bevölkerung. „Was ich hier heute präsentieren wollte, ist schon am vergangenen Montag eingetroffen“, stellte Andreasch besorgt fest. Nämlich, dass der Protest gegen Flüchtlinge, Homosexuelle und eine angebliche Islamisierung in der bürgerlichen Mitte angekommen ist: Am Montag dieser Woche versammelten sich in Dresden 5500 Menschen unter dem Slogan „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“. Auf ihren Bannern standen keine platten Parolen; auf ihnen formulierte sich die Angst vor dem Fremden, die die rechten Forderungen erst salonfähig machen würden.

Quelle: http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Robert-Andreasch-ueber-RechtsextremismusDie-Angst-vor-dem-Fremden;art4329,2924780. Lisa Maria Sporrer, Südwest Presse online, 29.11.2014

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Landkreis Rastatt startet Beratung

Rechte sollen draußen bleiben

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Rechtsextreme in Rastatt? - Nein Danke! Der Landkreis Rastatt öffnet zum 1.Dezember eine „Ansprechstelle gegen Rechtsextremismus“. Damit will man gegen rechte Einstellungen vorgehen.

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Die Ansprechstelle möchte in erster Linie allen zur Seite stehen, die von rechtsextremen, rassistischen oder antisemitischen Vorkommnissen betroffen sind. Daneben will sie aber auch mit Lehrern, Erziehern, Sozialarbeitern, Eltern, Jugendlichen und kommunalen Politikern zusammen arbeiten. Im Idealfall sollen je nach Vorkommnis ganz individuelle Lösungsvorschläge entwickelt werden. Jugendamt zuständig

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Ansprechpartner sind zwei Jugendreferenten aus dem Jugendamt des Landkreises, die eine spezielle Ausbildung für diese Aufgabe absolviert haben. Die Referenten übernehmen diese Arbeit zusätzlich, ohne dass dem Landkreis dafür Kosten entstehen. Nach Mitteilung der Behörde, gebe es von Bund und Land lediglich Fördermittel für entsprechende Veranstaltungen. Hintergrund für die Einrichtung der Ansprechstelle ist das bundesweite Programm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, das vom Bundesfamilienministerium initiiert wurde. In Kürze soll es auch einen eigenen Internet-Auftritt der Ansprechstelle geben.

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Quelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/karlsruhe/landkreis-rastatt-startet-beratung-rechte-sollen-draussen-bleiben/-/id=1572/nid=1572/did=14616138/1ibmi39/index.html. swr.de, 28.11.2014. ebenso: http://www.badisches-tagblatt.de/topthema_alles/00_20141201131500_110162907-Neue-Ansprechstelle-gegen-Rechtsextremismus.html / Badisches Tablatt, 01.12.2014

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Bfv gegen rechts

Der Badische Fußballverband (bfv) setzt sein gesellschaftliches Engagement fort. Alle bfv-Vereine erhalten in den kommenden Tagen Informationsmaterialien „Verein(t) gegen Rechtsextremismus“ per Post zugestellt.

Nach der erfolgreichen Aktion „4 Schrauben für Zivilcourage“ von der Initiative „Fußballvereine gegen Rechts“, bei der schon 100 bfv-Vereine ein Zeichen gegen Rassismus und Gewalt setzen, geht der bfv noch einen Schritt weiter: Mit der Versandaktion 2Vereint(t) gegen Rechtsextremismus“ ruft der bfv seine Vereine dazu auf, die versendeten Materialien aktiv zu verbreiten und in der Vorstandschaft öffentlichkeitswirksam zu leben. „Rechtsradikale Strömungen in Deutschland missbrauchen unseren Fußballsport, deshalb ist es an der Zeit und dringend notwendig, dass die Fußballfamilie diesen Extremen Grenzen setzt und solchen Exzessen die Rote Karte zeigt“, sagt bfv-Präsident Ronny Zimmermann. Die Informationssendung besteht aus einem Anschreiben, der Broschüre „Wir wollen eigentlich nur Fußball Seite 49


spielen. - Was Sportvereine gegen Rechtsextremismus tun können, ohne mit dem Sport aufzuhören“, sowie einem Poster und Flyer „Das sieht verboten aus. Rechtsextreme Symbole und ihre Bedeutung.“ Die Materialien sind Teil der bundesweiten Kampagne „Sport und Politik verein(t) gegen Rechtsextremismus“. Träger der Kampagne sind unter anderem der Deutsche Olympische Sportbund, die Deutsche Sportjugend, der Deutsche FußballBund, die Bundesministerien des Innern und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bundeszentrale für politischen Bildung, das Bündnis für Demokratie und Toleranz, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), die Sportministerkonferenz und der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Quelle: http://www.swp.de/bad_mergentheim/sport/fussball/regional/Fussballverband-Informationsmaterial-Rechtsextremismus-Verein;art5801,2924716. BFV, Tauber-Zeitung - Südwest Presse online, 29.11.2014

Dezember „Aufruf zum Mord erkennbar“

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Der Bundestagsabgeordnete Stefan Rebmann (SPD) hat Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen die rechtsextreme NPD erstattet. Die Anzeige bezieht sich auf einen Text, den die NPD Rhein-Neckar am 25. November im Internet veröffentlicht hat. Gestern am späten Nachmittag war der mit einem Porträtbild des NPDKreisvorsitzenden Jan Jaeschke versehene Text den Angaben auf der Homepage zufolge bislang rund 550 Mal aufgerufen worden. In dem kruden Pamphlet werden Muslime, Frauen und Mitglieder von SPD, Grünen und Linken aufs Übelste beleidigt. Wörtlich heißt es: „Es ist zu hoffen, dass die ersten Opfer der Islamisten in Mannheim keine Bürger sind, sondern Politiker der Multikulti-Parteien wie SPD, Grüne und Linke. Sie können ruhig in ihrem Blut ersaufen.“

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„Grenze überschritten“

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Der Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion, Ralf Eisenhauer, sowie seine Stadtratskollegen Gerhard Fontagnier (Grüne) und Thomas Trüper (Linke) halten in den NPD-Äußerungen ein „Aufruf zum Mord“ für erkennbar. Damit habe die rechtsextreme Partei mit ihrem Stadtrat Christian Hehl „eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden darf. Solche menschenrechtsverletzenden Aussagen dulden wir nicht“ (Eisenhauer). „Wer anderen unverblümt den Tod wünscht, kann keine Toleranz erwarten und sich schon gar nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen“, fügte Fontagnier an. Trüper kritisierte die „giftige Hetze dieser Partei gegen Teile der deutschen Gesellschaft“. In Mannheim hatte die NPD aufgrund einer Änderung des Auszählverfahrens bei den Kommunalwahlen im Mai einen Sitz im Gemeinderat erhalten.

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Quelle: http://www.morgenweb.de/mannheim/mannheim-stadt/aufruf-zum-mord-erkennbar-1.2006654 / lang © Mannheimer Morgen, Freitag, 05.12.2014

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Innenministerkonferenz „Pegida“ sind „Neonazis in Nadelstreifen“ Der Salafismus bereitet den deutschen Innenministern Sorgen - aber genauso die Anti-IslamBewegung „Pegida“. Einfache Antworten gibt es darauf nicht bei der Herbsttagung in Köln. Köln - Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht „Neonazis in Nadelstreifen“ hinter der Anti-IslamBewegung „Pegida“. Zu Beginn der Innenministerkonferenz am Donnerstag in Köln sagte der IMK-Vorsitzende, es sei besorgniserregend, dass es „dem organisierten Rechtsextremismus gelingt, Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft, die Angst vor einer Islamisierung haben, dort abzuholen und an den Rand unserer Gesellschaft zu ziehen“. Von der Herbsttagung der Innenminister müsse auch die Botschaft ausgehen: „Niemand wird in diesem Land wegen seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert.“ Auf die Frage, ob „Pegida“ („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte, sagte er: „Wenn sich Pegida verfestigt, (...), dann kann es

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ein Beobachtungsobjekt werden.“ Der Mitbegründer der Dresdner „Pegida“-Bewegung, Lutz Bachmann, bestritt, Ängste vor Ausländern zu schüren und Rechtsextremisten um sich zu scharen. Bei der Demonstration in der vergangenen Woche habe die Polizei unter den 7500 Teilnehmern 25 Rechtsextremisten und 120 Personen aus der Hooligan-Szene identifiziert, sagte er der rechtsgerichteten Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“. „Natürlich haben wir uns von diesen Leuten distanziert.“ Mehr könne man nicht tun.

„Diskussion gehört nicht auf die Straße“ Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach warnte dagegen auf phoenix, „Pegida“-Demonstrationen würden von Rechtsextremisten und Neonazis bewusst als Plattform missbraucht. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der „Passauer Neuen Presse“, man müsse alles tun, um extremistische, ausländerfeindliche Tendenzen zu bekämpfen. „Wir sollten die Debatte sachlich und nicht populistisch führen. Die Diskussion gehört nicht auf die Straße.“ Die IMK befasst sich zudem mit der radikal-islamischen Salafisten-Szene. Die „am dynamischsten wachsende extremistische Bewegung in Deutschland“ müsse man mit einer Doppelstrategie bekämpfen, sagte Jäger. Einerseits mit Repression. „Auf der anderen Seite brauchen wir die Prävention.“ Der SPD-Politiker will bei der zweitägigen Runde dafür werben, das NRW-Konzept „Wegweiser“ auch auf andere Bundesländer zu übertragen. In dem Modell arbeiten Moscheevereine, mehrsprachige Sozialarbeiter oder auch Psychologen vor Ort zusammen, um junge Leute vor einem Abgleiten in die gewaltbereite Szene zu schützen. Es gehe darum, sich in der Prävention, aber auch bei der Arbeit der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes enger untereinander abzustimmen, sagte Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD). Um Dschihadisten aus Deutschland an der Ausreise in Kriegsgebiete zu hindern, wollten die Ressortchefs auch Möglichkeiten ausloten, das Fahndungsnetz engmaschiger zu machen. Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.innenministerkonferenz-pegida-sind-neonazis-innadelstreifen.74f503e8-2943-4809-8989-c79850957adb.html. SIR/dpa, Stuttgarter Nachrichten, 11.12.2014

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Demonstration gegen Rechtsextremismus in Pforzheim

Etwa 180 Menschen haben am Samstag in Pforzheim gegen Rechtsextremismus demonstriert. Die Teilnehmer seien aus ganz Baden-Württemberg angereist, sagte ein Polizeisprecher. Im Anschluss an eine Auftaktkundgebung am Bahnhof habe der Marsch auf einer mit der Stadt abgestimmten Strecke ruhig und friedlich begonnen.

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Die Veranstalter der Initiative „Nicht lange fackeln“ wollten mit der Demonstration laut Aufruf „ein kraftvolles Zeichen gegen Faschismus und rechte Umtriebe in Pforzheim“ setzen. Die Stadt und ihre Umgebung seien „seit Jahren ein Sammelbecken für Nazis“. Anlass für Kontroversen ist in Pforzheim jedes Jahr der 23. Februar als Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Auf dem Wartberg über der Stadt versammelten sich in diesem Jahr etwa 100 Rechtsextremisten zu einer „Fackel-Mahnwache“, dagegen protestierten 900 Gegendemonstranten.

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Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Demonstration-gegen-Rechtsextremismus-in-Pforzheim;art1157835,2950809. dpa, Südwest Presse online, 13.12.2014

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Fatale Angst vor dem Abstieg Was treibt Menschen in die Radikalisierung? Dieser Frage geht das Landesamt für Verfassungsschutz nach. Extremistische Gruppen, so eine Antwort, ziehen vor allem Modernisierungsverlierer an.

Stuttgart - So schnell kann es gehen. Eben noch schien es so, als sei jetzt alles ganz anders als noch Anfang der 1990er Jahr. Auch damals waren viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Sie stießen auf Ablehnung. Vor Asylbewerberheimen sammelte sich der Mob, nicht nur im fernen Rostock-Lichtenhagen, auch in Mannheim. In Ostfildern erschlugen vier Männer mit Baseballschlägern einen Kosovo-Albaner. 1992 gelangten erstmals die rechtsradikalen Republikaner in den Landtag. Und nun schnellt die Zahl der Flüchtlinge wieder in die Höhe. Diesmal soll es aber ganz anders sein. Allseits wird eine veränderte Stimmungslage konstatiert. Er sei „sehr dankbar“, dass es in großen Teilen der Bevölkerung Empathie für die Flüchtlinge gebe, sagte etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch vor wenigen Wochen. Er sprach für viele. Das Leid der Menschen, die vor den Schlächtern des „Islamischen Staats“ flüchten, berührt. Und verhält es sich nicht so, dass Deutschland Seite 51


dringend auf Zuzug angewiesen ist, will es seine wirtschaftliche Stärke bewahren? Sehnsucht nach dem goldenen Zeitalter

Doch inzwischen trübt sich das Bild der liberalen, toleranten und weltoffenen Gesellschaft schon wieder ein. Beate Bube, die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, verwies am Montag auf einer Tagung ihrer Behörde zum Thema „Wege in den gewalttätigen Extremismus“ auf eine zum Beispiel bei den Kölner Krawallen sichtbar gewordene Allianz von Rechtsextremisten und Hooligans. Der Berliner Extremismusforscher Hans-Gerd Jaschke, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, erkannte in der Anti-Islam-Bewegung „Pegida“ eine neue Variante des Ende der 1950-Jahre von dem amerikanischen Soziologen Seymour Martin Lipset entwickelten Konzepts eines „Extremismus der Mitte“. Das Zuwanderungsthema werde in kulturkämpferischer Absicht aufgenommen und in die vermeintliche Verfallsgeschichte des Abendlandes eingereiht. Ähnliche Tendenzen nimmt Jaschke auch bei der Alternative für Deutschland (AfD) wahr, einer Partei, der er zwar nicht vorschnell Rechtsextremismus nachsagen wollte, die aber einem solchen Denken den Weg ebnen könne. Jaschke nannte in diesem Zusammenhang die Vordenker der „Konservativen Revolution“, namentlich Oswald Spengler mit seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“, dessen erster Band 1918 erschien.

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Die Macht der Bilder

Die Angst vor dem Niedergang verbindet die „Pegida“-Bewegten interessanterweise mit dem Objekt ihrer Wut, den Islamisten. Beide Bewegungen gründen, sagte Jaschke, in einer fundamentalistischen Tradition. Was bedeutet: Sie sind im Kern nicht daran interessiert, für Werte einzutreten, vielmehr gilt ihr Streben, den Verfall eines in die Vergangenheit imaginierten goldenen Zeitalters aufzuhalten – hier das christliche Abendland, dort die Blütezeit des Islam. Die Gegenwart bedeute in ihren Augen Dekadenz, die Vergangenheit berge das verlorene Glück. Was aber treibt Menschen in die Radikalisierung?. Jaschke wählt als Erklärung den klassischen Ansatz: „Das Kernelement der sozialen Basis extremistischer Gruppen sind die Modernisierungsverlierer.“ Individualisierung ist das Signum der Zeit. Alte Bindungen lösen sich: Familie, Herkunft, kulturelle Einheit, Religion. Die Menschen müssen ihr Leben selbst konstruieren. Dem Einzelnen ist vieles erreichbar. Das ist schön, hat aber auch eine Kehrseite: Nichts ist mehr sicher. Extremistische Gruppen aber versprechen Halt, Orientierung und Anerkennung. Dazu kommt eine Disposition zur Gewalt. „Es gibt viele Menschen, die sind fasziniert von Gewalt“, sagte Jaschke. Das „Faszinosum der Gewalt“ beginnt demnach bereits bei den Computerspielen – „und endet bei der ausgeübten Gewalt“. Computerspiele sowie ästhetisch wie technisch aufwendig produzierte Spielfilme machten Gewalt zur alltäglichen Erfahrung. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der diese Art Gewalt nicht nur geduldet ist, sondern kommerzialisiert wird“, sagte Jaschke. Bilder aber seien stärker als Worte, Bilder überwältigten: „Auch die NSPropaganda war geprägt von Bildern.“

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.extremismus-tagung-des-verfassungsschutzes-fatale-angstvor-dem-abstieg.015f83bb-5b73-4f0e-87a5-ccdf77dbb4d9.html. Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 15.12.2014

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Putin und die Rechten – ein zynisches Spiel

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Russland unterhält zu rechten Parteien in der EU gute Beziehungen. Präsident Wladimir Putin spiele ein zynisches Spiel, glaubt der niederländische Rechtsextremismus-Forscher Cas Mudde. BZ: Herr Mudde, eine Bank mit engen Verbindungen zum Moskauer Kreml hat dem französischen Front National einen Millionenkredit gegeben. Warum macht Putin das? Mudde: Der Kreml macht das hauptsächlich, um größeren Einfluss in der EU zu erhalten und um die EU zu spalten, die von Russland als Feind betrachtet wird. Das geht weiter zurück als die Ukraine-Krise. Russland hat große wirtschaftliche Interessen in Europa und ein Interesse daran, prorussische Partner zu haben. BZ: Traditionell hatte eher die europäische Linke Sympathien für Russland. Warum unterstützt Putin rechte Kräfte? Mudde: Er setzt auf viele unterschiedliche Kräfte, wie das jeder gute Politiker machen würde. Im Moment richtet sich die Aufmerksamkeit auf Russlands Beziehungen zur extremen Rechten, aber Putin arbeitet mit jedem zusammen, der prorussisch ist oder zumindest nicht anti-russisch. Die Hürde ist sehr niedrig: Im Moment ist für Putin jeder ein Alliierter, der gegen die westlichen Sanktionen ist. BZ: Putin umwirbt alle, die gegen die USA und die EU sind?

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Mudde: Genau. Es wird oft angenommen, Russland kaufe sich prorussische Positionen der extremen Rechten. Das ist aber nicht so. Die meisten extremen rechten Parteien, die sich jetzt für Putin äußern, sind schon lange gegen die USA und gegen die EU – das führt logisch dazu, dass sie eine größere Rolle Russlands befürworten. BZ: Was finden Europas Rechte an Putin? Mudde: Was die meisten bewundern, ist, dass er so ziemlich macht, was er will. Dass er gegen die EU und die USA aufsteht. Aber sie sehen Russland nicht unbedingt als Modell für ihr eigenes Land. BZ: Die Grüne Marieluise Beck erzählt gern die Geschichte eines ungarischen Jobbik-Politikers, der ein Shirt mit der Aufschrift „Die Annexion der Krim war legal“ trug. Hinten habe gestanden: „Und die Karpaten gehören Ungarn“. Spornt Putins Landraub bei Nationalisten in Europa eigene Gebietsansprüche an? Mudde: Das betrifft vor allem die ungarische Jobbik. Die sind wie die meisten ungarischen Nationalisten besessen von der Idee, frühere ungarische Gebiete zurückzuholen. Die Geschichte zeigt sehr schön: Jobbik unterstützt die Annexion der Krim nicht, weil sie so gute Beziehungen zu Russland haben, sondern weil dadurch die territoriale Integrität der Ukraine untergraben wird – und sie wollen eben selbst verlorene Gebiete in der Ukraine zurückholen. BZ: Was haben rechte Parteien in der EU von dem Flirt mit Putin? Mudde: Viele rechtsextreme Parteien werden in ihren Heimatländern komplett isoliert von der Mainstream-Politik. Marine Le Pen etwa mag zwar Frankreichs populärste Politikerin sein, aber sie wird ausgegrenzt. Selbst für sie ist es ein großer Sieg, vom Sprecher des russischen Parlaments empfangen zu werden. In keinem anderen Land wäre das der Fall. Von einem großen Führer wie Putin unterstützt zu werden unterstreicht ihre Bedeutung. BZ: Es ist für beide eine taktische Allianz? Mudde: Es ist eine sehr opportunistische Allianz von beiden Seiten. Der Kreml kann den eigenen Leuten in Russland zeigen: Europa ist gespalten. Sie können sagen, die populärsten Parteien in Frankreich und Österreich und Dänemark sind gegen die Sanktionen. Das gibt Putin das Argument zu sagen, es sind nur die bösen Eliten, die gegen Russland sind, die Leute in Europa sind es nicht. Putin spielt aber ein doppeltes Spiel mit der europäischen Rechten: Russlands Regierung verfasst auch Berichte, in denen das Erstarken der Rechten in der EU als alarmierend beklagt wird. BZ: Die ukrainische Regierung gilt in der russischen Propaganda als „faschistisch“ – zugleich tragen ungarische JobbikFreunde des Kreml selbst gern Naziuniformen. Wie passt das zusammen? Mudde: Es ist komplett zynisch. Ich glaube aber nicht, dass Putin die extreme Rechte als ideologischen Bruder im Geiste betrachtet. Auch in Russland flirtet er mal mit den Nationalisten, dann macht er ein hartes Anti-Extremismus-Gesetz. Für Putin ist das ein zynisches Machtspiel. Und er spielt es nicht nur mit der Rechten. Er macht das auch mit der Linken. Im übrigen sind die wirklich einflussreichen Putin-Unterstützer in Europa weder ganz links noch ganz rechts zu finden. Das sind Gerhard Schröder, Silvio Berlusconi, Tony Blair, Victor Orban. Das sind Leute, die wirtschaftlich und politisch einflussreich sind. Diese Leute feiern Partys mit Putin – ich habe Putin nie mit einem Führer der extremen Rechten gesehen. Cas Mudde, 47, gilt als einer der besten Kenner der rechtsextremen Szene in Europa. Der niederländische Politikwissenschaftler lehrt an der University of Georgia in den USA. Quelle: http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/putin-und-die-rechten-ein-zynischesspiel--97230610.html / Badische Zeitung, 17.12.2014

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Innenminister Gall verbietet rechtsextreme Gruppierung

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Die rechtsextreme Gruppierung „Autonome Nationalisten Göppingen“ ist vom SüdwestInnenminister Reinhold Gall verboten worden. Die Gruppe gilt als gewaltbereit und hatte immer wieder für Unruhe gesorgt.

Göppingen - In der Neonazi-Szene gelten sie als besonders militant und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück: Das baden-württembergische Innenministerium hat die rechtsextreme Gruppierung „Autonome Nationalisten Göppingen“ am Donnerstag verboten. Innenminister Reinhold Gall (SPD) wertete die Aktion als „klares Signal“ gegen Rechtsextremismus. Am Donnerstagmorgen durchsuchten Polizisten vier Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe. „Wir dulden in Baden-Württemberg keine rechtsextremistischen Vereinigungen, die in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweisen“, sagte Innenminister Gall. Die Neonazi-Gruppe kämpfte laut Sicherheitsbehörden gegen das politische System und beging Straftaten. Zuletzt hatte Baden-Württemberg vor rund zwanzig Jahren eine rechte Gruppierung verboten. Mit Straftaten und Demonstrationen hatte die Göppinger Vereinigung, zu der zeitweilig rund 20 Mitglieder gehörten, Seite 53


Unruhe in der Region östlich von Stuttgart ausgelöst. Erst im Oktober gingen Bürger in der Stadt gegen Rechts auf die Straße. Mit dem Verbot ist der 2009 gegründete Verein aufgelöst, jede Tätigkeit ist untersagt. Ob die Gruppierung gegen ihr Verbot vorgeht, ist noch offen - ebenso, ob sie ihre Aktivitäten möglicherweise im Geheimen fortsetzt: „Das warten wir ab“, hieß es aus dem Innenministerium. Sollten die Gruppe aktiv bleiben, drohe ihr eine Strafverfolgung. Die „offene Zurschaustellung rechten Gedankenguts“ sowie die Gewaltbereitschaft der Gruppe habe die Bevölkerung in Göppingen erheblich verunsichert, so Innenminister Gall. Ziel des Vereins sei der „Kampf gegen das derzeitige politische System durch einen revolutionären radikalen und konsequenten Wandel der Politikform“ gewesen. Auf Veranstaltungen und im Internet hatten sie zum „freien, nationalen Widerstand“ aufgerufen. Von anderen Neonazi-Gruppierungen wie den Kameradschaften unterscheiden sich die auch in anderen Bundesländern vertretenen „Autonomen Nationalisten“ durch eine lockere Organisation in Netzwerken. Vereinsvermögen beschlagnahmt

Das Vereinsvermögen ist laut Ministerium mit dem Verbot beschlagnahmt und eingezogen. Über die Höhe wurde noch nichts bekannt. Auch zu sichergestellten Gegenständen gab es keine Auskünfte: Hier laufe die Auswertung, sagte ein Sprecher. Zuletzt soll die Gruppe um die fünf Mitglieder gehabt haben. „So schnell können sich die Mitglieder nicht neu zu einer anderen Vereinigung formieren. Zudem hat so ein Vorgehen auch abschreckenden Charakter“, meinte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. In der Geschichte Baden-Württembergs wurden nach Angaben des Innenministeriums bisher sechs NeonaziGruppierungen verboten - zuletzt 1993 die „Heimattreue Vereinigung Deutschlands“. Im Jahresbericht 2013 zählte das Landesamt für Verfassungsschutz rund zehn Gruppen „Autonomer Nationalisten“ im Südwesten. Diese treten auch unter den Bezeichnungen „Freie Kräfte“ oder „Aktionsgruppen“ auf. Das Innenministerium äußerte sich nicht auf die Frage, ob auch bei diesen Gruppen Verbote geprüft werden. Dem Verein in Göppingen werden laut Ministerium 67 Straftaten zur Last gelegt - von nächtlichen Aktionen über Sachbeschädigungen bis hin zu Gewalttaten. Gegen die Mitglieder des Vereins läuft derzeit auch ein Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zwei Führungsmitglieder sind schon länger in Haft. In Göppingen sorgte die Nachricht vom Verbot für positive Reaktionen: Alex Maier, der Vorsitzende des Vereins „Kreis Göppingen nazifrei“, sagte, damit werde ein Signal durch das Innenministerium gesetzt. „Neonazis können nicht unbehelligt national befreite Zonen in Baden-Württemberg errichten und politische Gegner bedrohen und körperlich attackieren.“ Sein Anti-Rechts-Bündnis engagiert sich seit März 2012 im Landkreis Göppingen. Bürgermeister Guido Till (CDU) und viele Göppinger hatten in der Vergangenheit mit fantasiereichen Aktionen gegen Rechtsextremismus mobil gemacht. So hatte die Hohenstaufenstadt den Aufmärschen der Rechtsradikalen tonnenschwere Fahrzeuge des Bauhofs in den Weg gestellt - so wurde im vergangenen Jahr eine Neonazi-Demo gestoppt.

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Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.autonome-nationalisten-goeppingen-innenminister-gall-verbietet-rechtsextreme-gruppierung.2a9bce07-ff0c-4858-8a69-5d54c9e948fb.html. SIR/dpa, Stuttgarter Zeitung, 18.12.2014

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Extremismus:

Jugendliche sind besonders gefährdet Experten sehen ähnliche Gründe für den Zulauf zu Salafismus oder Rechtsextremismus. Besonders Jugendliche in einer Sinnkrise liefen Gefahr, sich dem Extremismus zuzuwenden.

STUTTGART. Rechtsradikalismus und Islamismus: Auf der Straße sind Anhänger beider Bewegungen aufeinander losgegangen, die einen stellen den Islam, die anderen die eigene Nation über alles. Doch es gibt Gemeinsamkeiten, wie eine Tagung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg jetzt deutlich machte. Wenn sich auch die ideologischen Inhalte unterscheiden, so ähneln sich doch die Beweggründe, die in diese beiden Formen des zum Teil gewaltbereiten Extremismus führen. Weitgehend einig sind sich Sozialarbeiter, Lehrer, Polizisten, Verfassungsschützer oder auch Justizbeamte, dass vor allem Jugendliche gefährdet sind, die sich in einer Lebens- und Sinnkrise befinden. Das gilt sowohl für Sympathisanten der Islamisten wie der Rechtsradikalen. „Die große Freiheit in unserer Gesellschaft ist für viele Jugendliche auch eine große Herausforderung“, sagt Götz Nordbruch vom Berliner Verein Ufuq. Dieser beschäftigt Seite 54


sich mit dem Thema Islamismus, von dem der Salafismus eine Spielart ist. Am Beispiel junger Frauen, die in den Salafismus abgleiten, erklärt er das: „Manche fühlen sich überfordert, entscheiden zu müssen, welche Art Leben sie führen wollen. Heute können sie ja Karriere machen, Hausfrau werden. So viele Wege stehen ihnen offen“ sagt er. Der Salafismus sei für solche verunsicherten jungen Frauen attraktiv, weil er ihnen diese Entscheidung abnimmt und ihnen ganz klare Aufgaben zuschreibt: Hausfrau und Mutter zu sein. Ähnliche Erklärungen geben Rechtsextremismus-Experten. Viele Jugendliche suchen nach einfachen Antworten auf unsere vielschichtige Zeit, so lassen sich ihre Analysen, warum sich junge Menschen sich zur rechten Szene hingezogen fühlen, zusammenfassen. Dort wird ihnen klar gesagt, wer gut und wer böse ist, wer Freund und wer Feind. Rechtsextremisten benennen auch klar, wer aus ihrer Sicht Schuld hat an Missständen, etwa an der Arbeitslosigkeit: die Zuwanderer. Viele Jugendliche, die in islamistischen oder rechtsradikalen Extremismus abgleiten, leiden auch unter einem mangelnden Selbstwertgefühl. «Die Jugendlichen erfahren in rechtsextremen oder salafistischen Gruppen Anerkennung und Nähe. Sie haben das Gefühl, angekommen zu sein», sagt Monika Krenz vom Landesamt für Verfassungsschutz. Bei Rechtsextremen spielt auch die Identifikation über Musik eine große Rolle. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es auch deutliche Unterschiede zwischen Jugendlichen, die ins rechtsextremistische oder ins islamistische Milieu abdriften. Bei Salafisten fällt auf, dass sie oft aus einem wenig religiösen Umfeld kommen. «Sie werden kaum Jugendliche finden, die aus einer streng konservativen Familie stammen, etwa von Milli Görus», sagt Nordbruch. Er erklärt sich das so, dass religiös erzogenen Jugendliche erlebt hätten, wie verschieden selbst streng Gläubige den Islam auslegen und leben. Deshalb seien sie weniger anfällig für Prediger wie Pierre Vogel, die nur eine, ihre eigene strenge Interpretation der Schriften zulassen. Viele Jugendliche, die sich dem Salafismus zuwenden, wollen nach Ansicht von Experten mit ihrer neuen Orientierung ihre Eltern provozieren – ähnlich wie Rocker oder Punker früher. Manche von ihnen gehen dann auch den Weg der Gewalt und ziehen nach Syrien.

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Pegida bestärkt junge Rechtsradikale

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Bei Rechtsradikalen lässt sich eine solche Abgrenzung vom Elternhaus nicht so klar feststellen. «Die Forschung geht davon aus, dass viele von ihnen aus einem Milieu entstammen, in dem der Bildungsgrad und der soziale Status niedrig sind», sagt Lars Legath vom Team Mex, einem Präventionsprogramm gegen Extremismus, das die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg entwickelt hat. In vielen der Elternhäuser, aus denen diese Jugendliche stammen, würden schon Ressentiments etwa gegenüber Zuwanderern gepflegt. «Das trifft aber natürlich nicht auf alle zu, es gibt sicherlich auch Jugendliche, die aus einem anderen Umfeld kommen», meint Legath. Friederike Hartl von «Kompetent vor Ort», einem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Baden-Württemberg, hält eine Bewegung wie das Anti-Islam-Bündnis Pegida für sehr gefährlich, da es zum rechten Extremismus neigende Jugendliche in ihren Ansichten bestärke. «Es heißt dann oft: Endlich darf man das auch mal sagen», meint sie. «Der Kampf gegen die Radikalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe», sagt Ahmad Mansour, der in Berlin für das Projekt Hayat arbeitet. «Schule, Eltern, Lehrer, Sozialarbeiter, Moscheen, alle müssen zusammenarbeiten. Nur so können wir etwas bewirken.» Genau diesen Weg will das Landesamt für Verfassungsschutz gehen. «Uns ging es darum, verschiedene Partner zusammenzubringen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln, wie Jugendliche vor dem Abrutschen in den Extremismus bewahrt werden können», so Benno Köpfer vom Landesamt für Verfassungsschutz. «Wir hatten erst Magenschmerzen, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Das läuft aber sehr gut», erzählt Jan Buschbom vom ViolencePrevention-Network, das eine Salafismus-Beratungsstelle in Hessen betreibt.

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Viele Lehrer wissen nichts über Salafismus

Der Verfassungsschutz informiert auch Schulen über Radikalisierung. «Gerade beim Thema Salafismus gibt es auf Seiten der Lehrer oft eine große Unkenntnis», legt Beate Bube dar, die Präsidentin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes. Bei den Jugendlichen setzen Organisationen wie Ufuq an: «Wir machen Diskussionsrunden über den Islam. Das gibt den Jugendlichen das Gefühl, dass wir ihre Interessen an der Religion ernst nehmen. Wir können auch Alternativen zum radikalen Islam sichtbar machen», sagt Nordbruch. Das Team Mex bietet zum Beispiel Workshops an, in denen Jugendliche sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen können. Der Landtag stimmt demnächst darüber ab, ob das Team Mex um zwei weitere Stellen verstärkt wird. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Vorhaben durchgewunken wird. Quelle: http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/extremismus-jugendliche-sind-besondersgefaehrdet--97356110.html. Badische Zeitung, 19.12.2014

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Neue Zweifel am Verfassungsschutz Dem Untersuchungsausschuss zu der NSU-Terrorgruppe sind Akten nicht vorgelegt worden. Angeblich galten die Unterlagen im Bundesamt für Verfassungsschutz als verschwunden. Berlin - Der Verfassungsschutz hat dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages wichtige Unterlagen eines V-Manns vorenthalten. Das bestätigte jüngst der Parlamentarische Innenstaatssekretär Günter Krings in der Fragestunde des Bundestages. Warum diese Akten dem Ausschuss nicht vorgelegt wurden, konnte Krings freilich nicht beantworten. „Das wird noch zu prüfen sein“, sagte er. Im Bundestag hatte die Linke-Abgeordnete Martina Renner den Staatssekretär gefragt, wie viel Quellenberichte des V-Manns „Tarif“ noch im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vorhanden seien. Quellenberichte sind Zusammenfassungen von Informationen, die ein V-Mann dem Verfassungsschutz übermittelt. Krings gab diese Zahl mit „derzeit 157“ an. Nach seinen Worten seien „nicht alle“ dieser Quellenberichte dem Ausschuss vorgelegt worden.

Im Glauben gelassen, die Berichte exisitierten nicht mehr

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Das ist allerdings eine erhebliche Untertreibung. „Ich habe, als ich mir zusammen mit den anderen Obleuten des Untersuchungsausschusses im Bundesamt die Akte von ‚Tarif’ ansehen durfte, nicht einen Quellenbericht darin gesehen“, sagt Petra Pau (Linke). Pau und die anderen Ausschuss-Obleute waren im Sommer 2012 in das Bundesamt geladen worden, nachdem die Vernichtung von mehreren V-Mann-Akten im BfV bekannt geworden war. Betroffen von der in aller Eile und Heimlichkeit durchgeführten Schredderaktion, die nur eine Woche nach der Selbstenttarnung des NSU am 4. November 2011 stattgefunden hatte, war auch die Akte des V-Mannes „Tarif“. Unter den im BfV später rekonstruierten und den Obleuten vorgelegten Ordnern befand sich dann zwar auch einer mit Unterlagen zu „Tarif“. Allerdings enthielt dieser keine Quellenberichte. Der Ausschuss wurde bis zum Ende seiner Beweisaufnahme im Sommer 2013 zudem im Glauben gelassen, diese Berichte würden nicht mehr existieren. Dass aber tatsächlich noch 157 Quellenberichte vorhanden sind, erklärte Staatssekretär Krings nun damit, dass diese Unterlagen erst jetzt „im Hause“ gefunden worden seien. Warum dies nicht bereits 2012 gelungen sei, obwohl seinerzeit eine rund einhundert Beamte starke „Lageorientierte Sonderorganisation“ (LoS) im BfV gezielt nach Unterlagen zum NSUKomplex gesucht hat, konnte Krings jedoch nicht erklären. In der LoS arbeitete übrigens jener für Rechtsextremismus zuständige Referatsleiter mit, der die Vernichtung der „Tarif“-Akte im November 2011 ausdrücklich angewiesen hatte.

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Der ehemalige V-Mann erhebt schwere Anschuldigungen

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Hinter dem Decknamen „Tarif“ verbirgt sich der heute in Schweden lebende Michael von Dolsperg, der von 1994 bis mindestens 2001 als V-Mann für das BfV arbeitete. Dolsperg, der in den 1990er Jahren Michael See hieß und damals ein führender Neonazi in Nordthüringen war, kannte den mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Außerdem publizierte er jahrelang unter den Augen des Verfassungsschutzes die rassistische Nazi-Postille „Sonnenbanner“. In „Sonnenbanner“Artikeln wurde das – vom NSU umgesetzte – Konzept autonomer Kämpferzellen propagiert, die im Untergrund das demokratische System bekämpfen. An dem für dieses Jahr letzten Verhandlungstag des Münchner NSU-Prozesses wurde einer dieser Artikel im Gericht verlesen. Dolsperg sagte im vergangenen Februar dem „Spiegel“, dass die „Sonnenbanner“-Artikel vorab von seinem Verbindungsführer beim Verfassungsschutz redigiert worden seien. Außerdem behauptete er in seiner Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft am 10. März 2014, dem Verfassungsschutz 1998 einen Hinweis auf das untergetauchte Trio gegeben zu haben. Demnach sei er, „Tarif“, damals von einem Thüringer Neonazi angesprochen worden, ob er den Dreien eine Zuflucht besorgen könne. Das BfV aber habe seinerzeit die Möglichkeit ausgeschlagen, mit seiner Hilfe das Trio bereits 1998 zu schnappen, behauptet Dolsperg. Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nsu-terror-neue-zweifel-amverfassungsschutz.4205068a-b85b-4d28-9017-6b6e7ed60a97.html. Andreas Förster, Stuttgarter Zeitung, 27.12.2014

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Von rechten Hooligans, Israelhassern und christlichen Fundamentalisten:

Der Jahresrückblick 2014 aus Baden-Württemberg Alle Jahre wieder blickt netz-gegen-nazis.de im Dezember auf die rechtsextremen Aktivitäten in den einzelnen Bundesländern zurück. Wir starten heute mit Baden-Württemberg. Neben den Europa- und Kommunalwahlen waren es bisher kaum wahrgenommene rechte und reaktionäre Akteur/innen, die im Jahr 2014 in Baden-Württemberg die Szenerie am rechten Rand betraten. Antisemitismus zeigte sich bei der von der NPD veranstalteten Anti-IsraelDemonstration „Freiheit für Palästina“. Besonders alarmierend ist, dass dieses Jahr fünf homophobe Demonstrationen in Stuttgart stattfanden, auf der man haupsächlich christliche Fundamentalist_innen sah. Außerdem fand in Baden-Würtemberg der NPD-Parteitag 2014 in Weinheim statt, auf dem Frank Franz zum neuen Parteivorsitzenden gewählt wurde.

Am 25. Mai 2014 wurden in Baden-Württemberg die Kommunalvertretungen gewählt. Die nationalkonservative „Alternative für Deutschland“ (AfD) erhielt bei diesen Wahlen insgesamt 52 Mandate, davon 29 in Kreistagen und Vertretungen der kreisfreien Städte und 23 Mandate in Gemeindevertretungen. Bei den zeitgleich stattfindenden Wahlen zum Europa-Parlament schafften es ebenfalls zwei Kandidaten aus Baden-Württemberg einen Sitz zu erringen. Die extrem rechte Republikaner-Partei und die von ihr abgespaltene Partei „Pro Heilbronn“ erhielten bei rückläufiger Tendenz ein gutes Dutzend Mandate. Die NPD steigerte sich von einem auf drei Sitze in Baden-Württemberg. Neben Janus Nowak in Böblingen und Andreas Boltze in Weil am Rhein, erhielt auch Christian Hehl mit lediglich 1,1% einen Sitz im Stadtrat von Mannheim. Der Nazi-Skinhead Hehl war zeitweise der Bodyguard von Holger Apfel, dem ehemaligen NPDVorsitzenden, und ist bei einer Hooligan-Vereinigung des SV Waldhof Mannheim aktiv. Als am 23. März 2014 in Mannheim der salafistische Prediger Pierre Vogel vor 300 bis 500 Anhänger/innen auftrat mobilisierten auch rechte Hooligans dagegen. 200 antimuslimische Rassist/innen, darunter 100 bis 150 rechte Hooligans von Waldhof Mannheim, aber auch aus Stuttgart, Karlsruhe, Frankfurt und Kaiserslautern versuchten zu der Kundgebung der IslamistInnen vorzudringen. Die Hooligans hatten die Aktion zuvor über ein Online-Forum mit dem Titel „Weil Deutsche sich’s noch trauen“ koordiniert, aus diesem entstand später der Zusammenschluss „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Mit dabei war am 23. März auch der NPD-Stadtrat Hehl. Es kam stundenlang zu rassistischen Pöbeleien und Angriffen auf Migrant/innen oder Linke. Am 27. September 2014 kam es zu einem ähnlichen Auftritt, als sich in Mannheim rund 100 Mitglieder und Anhänger/innen der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ versammelten. Neben solchen Auftritten trafen sich rechte bis extrem rechte Hooligans auch abseits der Öffentlichkeit. So fand am 19. Juli 2014 auf dem Sportplatz des TSV Untertürkheim bei Stuttgart ein von „Neckar Fils Stuttgart“ (NFS) veranstaltetes Fußballturnier nur für geladene Gäste statt. NFS ist eine Truppe von rechten Althools aus dem Stuttgarter Umland, die sich stark an überregionalen Zusammenhängen rechter Fußballfans (z.B. den „GnuHonnters“) beteiligt. Bei dem Fußballturnier in Untertürkheim waren mindestens 100 Personen anwesend. Neben den Gastgebern von NFS waren die Gruppen „Bo-City“ (Bochum), „Crew 36 Stuttgart“, „Rotfront Kaiserslautern“, „Adler-Front Frankfurt“ und Gruppen aus Karlsruhe, Kassel, Bergheim und Sulzbach vertreten. Obwohl Hehl Stadionverbot erhielt, gibt es im Fan-Publikum weiter Sympathien für ihn. So zeigten am 13. September 2014 Unbekannte für 45 Minuten im Stadion von Mannheim beim Spiel des SV Waldhof gegen Saarbrücken zwei Transparente mit den Aufschriften „Hausverbot für Stadtrat” und “Gerechtigkeit für Hehl. Judenfeindliche Parolen waren auch bei den Anti-Israel-Demonstrationen immer wieder zu vernehmen, die es im Juli und August auch in Baden-Württemberg gab. Am 25. Juli 2014 fand in Stuttgart beispielsweise eine solche Anti-Israel-Demonstration unter dem wenig differenzierten Motto „Stoppt die Aggression Israels und den Völkermord in Gaza“ mit 2.000 Teilnehmer/innen statt. Als Parolen wurden u.a. „Allahu Akbar“ und „Kindermörder Israel“ gerufen. Auf Plakaten und Transparenten stand z.B. „Stoppt die Zionisten“, „Hey Isreal, how many Kids did you kill today?“, „Israel mordet und die Welt schaut zu“, „Israel bringt Kinder um“, „Israel ist ein Terror-Staat“, „Israel an deinen Händen klebt Blut“, „Holocaust in Gaza! Schaut nicht weg“, „Don‘t do what Hitler did to you“ und „Wo ist CNN, BBC, ZDF, Bild, Der Spiegel, & Co.? Ach ja sie werden mit jüdischen Kapital finanziert, deshalb dürfen nichts über den Terror des Judenstaates berichten ISRAHELL“. Dazu gab es noch Plakate mit blutigen Davidsternen, Hamas-Stirnbänder und T-Shirts mit der Aufschrift „Stop Apartheid made in Israel“. Kurzzeitig war auch eine Fahne der türkisch-faschistischen „Grauen Wölfe“ zu sehen. Bei ähnlichen Demonstrationen, u.a. in Mannheim, mischten sich auch Neonazis unter die sonstigen Israel-Hasser/innen. Neonazis versuchten auch selber Demonstrationen zu diesem Thema so

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organisieren. So probierten sie am 20. Juli 2014 in Heilbronn, Neckarsulm, Mühlacker und Kirchheim am Neckar eigene Anti-Israel-Demonstrationen anzumelden. Nach ihrer Angabe wurde die Veranstaltungen in Heilbronn und in Mühlacker verboten, während sie in Neckarsulm kurz liefen, in Bietigheim-Bissingen mit ihrem Transparent posierten und in Pforzheim an einer nicht von Rechten organisierten Anti-Israel-Demonstration teilnahmen. Am 29. Juli 2014 fand zudem in Eppingen (Landkreis Heilbronn) eine NPD-Demonstration unter dem Motto „Freiheit für Palästina“ mit etwa 30 Teilnehmer/innen statt. Diese trugen ein Transparent der Nazi-Kampagne „Israel mordet“ und riefen Parolen wie „Juden raus aus Palästina“. Doch war Israel nicht das einzige Thema, was Rechte und Reaktionäre auf die Straße brachte. In Stuttgart fanden 2014 fünf homophobe Demonstrationen statt, die sich gegen einen Bildungsplan-Entwurf richteten, der eine „Verankerung der Akzeptanz sexueller Vielfalt“ fordert. Die vor allem christlich-fundamentalistischen DemonstrantInnen gingen am 1. Februar, am 1. März, am 5. April, am 28. Juni und am 19. Oktober auf die Straße. Zuletzt waren es an die 2.000 Teilnehmenden. Die Redner/innen kamen aus einem rechtsklerikalen Milieu, aber auch von den Parteien CDU oder AfD. Für die vor allem religiös motivierten Homophoben gilt Nicht-Heterosexualität als „Sünde“ und „unnatürlich“. Die Antifeministin Christa Meves ließ in einem Grußwort am 1. März 2014 verkünden: „Lasst es nicht zu, dass Eure

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Kinder in der Schule mit Halbwahrheiten fächerübergreifend zu Unnatürlichem manipuliert werden!“

Vom 1. bis zum 2. November 2014 fand im baden-württembergischen Weinheim in der Stadthalle erneut der Bundesparteitag der NPD statt. Die Partei hatte sich in die Räumlichkeiten eingeklagt. Als neuer Parteichef wurde mit 86 von 139 Stimmen Frank Franz gewählt. Ansonsten entfaltete die NPD 2014 in Baden-Württemberg nur wenige Aktivitäten nach außen. Lokal wurde immer wieder versucht Hetze gegen die Unterbringung von Flüchtlingen zu betreiben. Mit Kundgebungen, Flyern und Facebook-Gruppen, deren Urheberschaft in NPD-nahen Kreisen meist nicht offengelegt wurde. Das Demonstrationsaufkommen von NPD und „Freien Kräften“ war 2014 in Baden-Württemberg eher gering. Da die geplante Demonstration in Göppingen am 11. November wegen des Ausstiegs des Anmelders ausfiel, fand die größte Neonazi-Demonstration am 23. Februar 2014 in Pforzheim mit 100-120 Teilnehmenden statt. Das Jahr 2015 bringt voraussichtlich endlich die Einrichtung eines NSU-Landesuntersuchungsausschuss auch für Baden-Württemberg und damit vielleicht auch Antworten auf die vielen offenen Fragen, u.a. in Bezug auf den Mord an Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn.

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Richtigstellung: In einer ursprünglichen Version des Artikels wurde von antisemitischen Rufen von SV Waldhof Mannheim- Fans während der Partie gegen Kickers Offenbach am 19. Oktober 2014 berichtet. Durch weiteres Videomaterial ist aber deutlich geworden, dass die Mannheimer Fans nicht „Judenschweine, Judenpack“ gerufen haben, sondern „Hurensöhne, Hurensöhne“. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Die Redaktion Quelle: http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/von-rechten-hooligans-israelhassern-und-christlichen-fundamentalistinnen-der-jahresr%C3%BCckblick-9890. Lucius Teidelbaum, netz-gegen-nazis, verfasst am 2.12.2014

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Quellen:

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Badische Zeitung

Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg)

Gmünder Tagespost

Schwarzwälder Bote

Göppinger Kreiszeitung – NWZ Neue Württembergische Zeitung (Südwest Presse online)

Staatsanzeiger : Wochenzeitung für Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg

Heilbronner Stimme

Stuttgarter Nachrichten

Hohenzollerische Zeitung (Südwest Presse online)

Stuttgarter Zeitung

Mannheimer Morgen

Südkurier, Tageszeitung für Bodensee, Schwarzwald und Hochrhein

netz-gegen-nazis.de

Südwest Presse online (Schwäbische Donau Zeitung,Ulm/ Neu-Ulm; Reutlinger Nachrichten; Alb Bote, Münsingen ...)

Pforzheimer Zeitung (pz-news)

www.swr.de

Rems-Zeitung

Zollern-Alb-Kurier

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