Programm zum Workshop "Dekolonialität & Interkulturalität

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Dekolonialität / Interkulturalität Institut für Kultur- und Sozialanthropologie P ro g ra m m

Freitag, 16. Mai 2014 11.30 - 11.40

Begrüßung & Einleitung «Decolonial Turn» Jesus Nava Rivero

11.40 – 12.00 De(s)koloniale-feministische Perspektiven – Möglichkeiten zur Störung eines weißen politischen Felds Julia Stranner 12.10 – 12.30 Verdrängte Stadtgeschichte in Innsbruck - Case Study Alejandro Boucabeille 14.00 – 14.20 Transmoderne und Zapatismus Jonathan Scalet 14.30 – 14.50 Versuch einer Dekolonialisierung der Rezeption eines k.u.k. Anthropologen. Eine kritische Diskursanalyse von Texten über Dr. Rudolf Pöch Sophie Schasiepen 15.10 - 15.37 Film remapping latinoamerica Sprache: Español, Subtitel: Englisch / Deutsch Gestaltung: Jesus Nava Rivero

Universität Wien

ihren sozialen, politischen und kulturellen Praktiken unter Berücksichtigung des „dekolonialen Verhaltens“ des Individuums. Sehen wir daher Interkulturalität als soziale, politische, ethnische und kulturelle Alterität, die Dekolonialität als eine Strategie und Aktion gegen die gleichzeitig lokalen und globalen Probleme, verursacht durch die aktuelle multikulturelle Denkweise des transnationalen Kapitalismus, begreift. Ziel des Workshops ist ein Überdenken der Prozesse der kulturellen Einbeziehung und Ausschließung, die in den neuen kulturellen Geographien der Globalisierung entstanden sind. Wie wird der (neue) Internationalismus definiert? Wie In diesem Workshop wird von der kann Interkulturalität heutzutage Hypothese ausgegangen, dass der neu definiert werden? Hilft die Kolonialismus ein Grundstein der Globalisierung der Modernität ist. Das heißt also, dass Dekolonialisierung oder ist sie der Modernität im Zusammenhang mit den zweite Prozess der kolonialen Zentren und Peripherien nicht Modernität? Führt uns der aktuelle verstanden werden kann ohne Stand der Globalität zu einer Berücksichtigung ihrer neuen Phase der Zusammenhänge mit dem kolonialen Glo(bal)kolonialität? Erbe und den vielfältigen Unterschieden, welche die moderne/koloniale Macht in der geokulturellen Organisation der Welt hervorgebracht hat. Wenn wir von Dekolonialität sprechen, ist es angezeigt, dass wir uns die Kämpfe und den Widerstand gegen die Kolonialität vor Auge führen. Es geht dabei nicht nur darum, Dekolonialität von ihrem theoretischen Paradigma aus zu betrachten, sondern auch von

Dekolonialität / Interkulturalität


Decolonial Turn

In einem kurzen Vortrag wird in den Begriff „decolonial turn“ eingeführt: was sind die wichtigsten Punkte dieses Denkansatzes, wie versteht sich

der aktuelle Stand zwischen Peripherie und Zentrum und auf welche Weise werden Diversität und Interkulturalität einbezogen. „Decolonial turn“ versucht, die im

Kolonialismus und Neokolonialismus geprägten Begriffe „universal und international“ sowie „modern und global“ neu zu definieren.

De(s)koloniale-feministische Perspektiven Wie kann eine postkoloniale Gegenwart

Raum zu geben.

radikale, widerständige, dekoloniale,

herausgefordert werden? Wie können

theoretischen und methodischen

(wissenschaftliche) Praxis umzusetzen?

in feministisch-deskolonialer Absicht

moderne, koloniale Konzeptionen von Vernunft, Identität(en) und

Solidarität(en) dekolonial-feministisch nutzbar gemacht werden? Welche

Aufgaben ergeben sich dabei für ein

feministisch-dekoloniales Arbeiten in wissenschaftlichen Kontexten? Zum konstruktiven Weiterdenken dieser

Fragen wird in theoretischen Arbeiten dekolonial-feministischer

Wissensarbeiterinnen nach möglichen Perspektiven gesucht. Zentral sind

dabei ausgewählte Werke von Gayatri

Spivak, Linda Alcoff, Chandra Mohanty, María Lugones und Rita Segato. Der

Beitrag folgt dabei der Idee, Strategien zur Ermöglichung von feministischdeskolonialen Widerständigkeiten

Dabei wird für die Notwendigkeit von Ansätzen argumentiert,

welche die Interdependenz

gegenwärtiger Verhältnisse als ihren Ausgangspunkt

nehmen. Aus theoretischer

Perspektive wird hier für eine Verflechtung von historischmaterialistischen und diskursiven Ansätzen

gesprochen. Doch liegt der

Fokus des Beitrags weniger auf der Diskussion von

feministische Position in die eigene Was kann es für mich bedeuten, meinen (theoretischen)

politischen Anspruch

innerhalb meiner Praxis in die Tat zu setzen. (Als feministisch-

de(s)koloniale Praxis

verstehe ich hier sowohl theoretische und

praktische Interventionen im Bereich der

unterschiedlichen Theorie-Positionen

Wissenschaft sowie im nicht-

Aufforderung, welche mit einer

Vernetzungsarbeit, als auch

als vielmehr auf der Frage, wie die dekolonial, feministischen Kritik

einhergeht, in die Tat umgesetzt

werden kann. Was bedeutet es, eine

universitären Feld sozialer, lokaler Beziehungen und ihre Ausformungen auf individueller Ebene.)

Verdrängte Stadtgeschichte in Innsbruck - Case Study Die zentrale Frage dieses Papers ist, ob es in Innsbruck eine „verdrängte (Stadt-) Geschichte“ gibt und ob von einer solchen gesprochen werden kann. Die letzten 50 Jahre der Stadtgeschichte Innsbrucks sollen aus einer zeithistorischen Perspektive in Bezug auf die Migrationsgeschichten hin untersucht werden. Hierfür wurden Orte der migrantischen Selbstorganisation und der sozialen Kämpfe von MigrantInnen, sowie auch diverse Vereine und NGOs wie auch sonstige Begegnungsräume auf diese Page 2

Forschungsfrage hin untersucht. Das Paper versucht, eine Einschätzung der Situation in Innsbruck (als eine Art Case Study) zu liefern, durch die Ergebnisse der Stadtgeschichtsschreibung Impulse zu geben (auch österreichweit), ein wichtiges, bislang zumeist ausgeblendetes Kapitel beizufügen und dabei vor allem auf die Akteure aktiv zurückgreifen, die in diesem historischen Narrativ zumeist nicht vorkommen sowie ein Desiderat zu formulieren und zugleich einige damit verbundene theoretisch-methodische Herausforderungen zu diskutieren.

Grundsätzlich ist dabei an alle Formen transnationaler Migration gedacht, während zugleich aber ein Hauptaugenmerk auf die strukturierte Arbeitsmigration gelegt wird, deren Ingangsetzung sich in Österreich im Jahr 2012 zum 50. Male jährt. Das Ziel dieses Papers ist es, zu einem kritischen Überdenken unserer Prozesse von vor allem kultureller Einbeziehung und Ausschließung, die in den neuen kulturellen Geographien der Globalisierung entstanden sind, anzuregen.

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Transmoderne und Zapatismus Der vorliegende Beitrag setzt sich mit Enrique Dussels “pluriverseller Utopie” der Transmoderne auseinander und sucht diese zur zapatistischen Autonomiebewegung im südmexikanischen Chiapas in Bezug zu setzen. Dafür werden zunächst die zentralen Begründungslinien und Säulen von Dussels Konzeptionen herausgearbeitet und anschließend mit Ursprüngen, Entstehungsgeschichten und politischen Leitlinien der Autonomiegemeinden verglichen. Zu Beginn wird Dussels Demaskierung der eurozentristischen Erzählung des rein europäischen Ursprungs „der Moderne“ und der „europäischen“ Philosophiegeschichte skizziert. Diese mündet in eine radikale Kritik am ethnozentrischen Universalismus der europäischen Subjektphilosophie und deren Funktion zur Legitimation von Herrschaft, Ausbeutung und der

Subalternisierung „anderer“ Denktraditionen und Gesellschaftsformen. Mit einem kurzen Exkurs zu Dussels Konzepten von Totalität und Exteriorität soll die Notwendigkeit einer Transmoderne als pluriverselle Utopie begründet werden. Dabei wird das Konzept der Transmoderne als interkultureller Dialog aus dem „Außen“ und den „Rändern“ der modernen Denktradition, der die moderne Ego-Politik des Wissens überwinden soll, von der postmodernen Selbstkritik aus dem „Inneren“ dieser Tradition abgegrenzt. Schließlich sollen die Voraussetzungen, Schritte und Ansprüche eines solchen Dialoges geklärt werden. In einem weiteren Schritt werden

die historische Genese und Konstitution der zapatistischen Widerstandsbewegung vor dem Hintergrund von Dussels Konzeptionen von Exteriorität und interkulturellem Dialog diskutiert und zapatistische Politikverständnisse auf transmoderne Aspekte untersucht. Die Prinzipien des „preguntando caminamos“ und „mandar obedeciendo“ werden dabei als dialogische und antiavantgardistische Form der Politik, die sich an der Öffnung gegenüber „dem Anderen“ orientiert, betrachtet. Das Ziel einer „mundo donde quepan muchos mundos“ steht als pluriversale Utopie im Gegensatz zum eurozentristischen, totalisierenden Universalismus der Moderne.

Versuch einer Dekolonialisierung der Rezeption eines k.u.k. Anthropologen. Die Donaumonarchie hielt formal keine Kolonien besetzt; die wenigen Landbesetzungen in überseeischen Gebieten erstreckten sich bloß über wenige Quadratkilometer und wenige Jahre. Dennoch gebietet nicht nur das Diktum der postkolonialen Theoriebildung, demzufolge keine Region dieser Erde den Wirkungen kolonialer Herrschaft entkommen konnte, auch die Geschichte der k. u. k. Monarchie unter postkolonialer Perspektive zu betrachten. Es hat im letzten Jahrzehnt verschiedene elaborierte Versuche gegeben, der noch immer weit verbreiteten Gleichsetzung von der Habsburgermonarchie ohne Kolonien mit einer Habsburgermonarchie ohne koloniale Involvierung entgegenzuwirken. Besonders in Bezug auf Gebiete in Übersee nimmt hier die Untersuchung individueller Initiativen,

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Handelsbeziehungen, Missionierungen, Forschungen und der sie unterstützenden Institutionen eine wichtige Rolle ein. Ich möchte in meinem Input anhand der österreichischen Rezeption des Anthropologen und Ethnologen Rudolf Pöch (18701921) aufzeigen, inwiefern kolonialistische und rassistische Perspektiven bis heute die Darstellungen seiner Forschungen, besonders seiner Forschungsreisen nach Neu-Guinea, Australien (19041906) und ins südliche Afrika (1907-1909), prägen. Anhand einiger Beispiele werde ich auch erläutern, wie sich teils im Wortlaut gleichende Formulierungen über ein knappes Jahrhundert hinweg weitergetragen haben. Diskutieren möchte ich, ob eine kritische Diskursanalyse des aktuellen Diskurses um seine Forschungen und Sammlungen, in der eben diese

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Tendenzen herausgestellt und historisch und in der Gegenwart kontextualisiert werden, als dekolonialisierende Arbeit verstanden werden kann. Das Sprechen und Schreiben über Pöch informiert und zeigt nicht nur ein Bild von ihm, der Donaumonarchie, den Menschen, die er beforscht hat und den Ländern, in denen sie lebten. Wie sich anhand von Texten zu stattgefundenen und angedachten Restitutionen bzw. sogenannten

Rückführungen menschlicher Überreste ablesen lässt, bestimmen Jahrhunderte alte eurozentristische, kolonialistische, rassistische Diskurse noch immer österreichische Perspektiven auf aktuelle Verhandlungen und somit den (sammlungs)politischen Umgang mit diesem kolonialen Erbe. Zu fragen ist, wie am besten in diese Diskurse zu intervenieren ist.

16.5.2014 11.30 – 15.30 Übungsseminar Institut für Kultur- und Sozialanthropologie Universitätsstraße 7 4.Stock A–1010 Wien TeilnehmerInnen

remapping.latinoamérica „remapping latinoamerica“ ist ein rudimentär gestalteter Videofilm, der künstlerisch (dadaistisch) und wissenschaftlich (Thema der Dekolonialität) aufbereitet wurde. Er visualisiert die Heterogenität in Lateinamerika, seine Identitäten, seine sozialen Konflikte, seine Wünsche nach Einheit und seine nationalen und transnationalen Repräsentationen. Der Film basiert auf dem Projekt „re.mapping latinoamerica" (wissenschaftliche Poster), das einen theoretischen Ansatz ausgehend vom dekolonialen Standpunkt vorschlägt und dafür Musik von der puerto-ricanischen Band Calle 13, Aufsätze von Eduardo Galeano und Gedichte aus dem Nahuatl

9. Tage der Kultur- und S o z i a l a n t h ro p o l o g i e 2 0 1 4 Workshop H: D e k o l o n i a l i t ä t / In t e r k u l t u r a l i t ä t

kontextualisiert. In diesem Sinne beruht der Film nicht auf einem statischen politischen und geografischen Kontext oder auf einer spezifischen kulturellen Identität, sondern vielmehr auf mobilen kulturellen Gesichtspunkten, unter denen Lateinamerika oder „lo latinoamericano" als imaginärer Ort, als Ort des Kollektiven und Treffpunkt von unterschiedlichen kulturellen Traditionen auftritt. Bei der Vorführung des Films liegt auch ein Handout mit dem Inhalt der wissenschaftlichen Poster des Projektes „remapping latinoamerica“ auf.

Koordinatoren: Jesus Nava Rivero (Institut für Internationale Entwicklung) jesus.navarivero@univie.ac.at Lisa Oberbichler (Absolventin des Diplomstudiums. Institut für Internationale Entwicklung) lisa.oberbichler@gmx.at Vortragende: Julia Stranner (Absolventin des Diplomstudiums. Institut für Internationale Entwicklung) julia.stranner@gmail.com Alejandro Boucabeille (PhD Studium Geschichte. LeopoldFranzens Universität Innsbruck) alejandro17de@yahoo.de Jonathan Scalet (Masterstudium. Institut für Internationale Entwicklung) jonathan.scalet@gmail.com Sophie Schasiepen (Absolventin des Diplomstudiums. Akademie der bildenden Künste Wien) sophie.schasiepen@gmail.com


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