Mittelbayerisches Zeitung

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POLITIK

MITTELBAYERISCHE ZEITUNG

„OlympiJa“ oder „NOlympia“ Münchner Bewerbung um Olympia 2018 steht am Sonntag beim Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen am Scheideweg. ●

NAHOST Die Kanzlerin fordert Israelis und Palästinenser zu neuen Verhandlungen auf. ●

VON JÖRG BLANK, DPA ●

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Merkel verlangt Bewegung

SPORT „Ja“ oder „Nein“: Die

VON KLAUS BERGMANN UND CHRISTIAN KUNZ, DPA

FREITAG, 6. MAI 2011

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„OlympiJa“ oder „NOlympia“? 59 Tage vor dem entscheidenden Votum des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) muss die Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2018 eine sehr bedeutsame Abstimmungshürde nehmen. Beim Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen können knapp 21 000 Stimmberechtigte am Sonntag für oder gegen Olympia 2018 in ihrer Gemeinde votieren. „Ja“ oder „Nein“ – am Muttertag wird es spannend am Fuße der Zugspitze.

GARMISCH-PARTENKIRCHEN.

Beide Seiten sind zuversichtlich

Das IOC entscheidet am 6. Juli

Die Sympathisanten sehen dagegen „eine Riesenchance“ in möglichen zweiten Winterspielen nach 1936 in Garmisch-Partenkirchen. Nicht nur sportlich wäre ein IOC-Zuschlag „überaus positiv“, betont Fischer. Viele infrastrukturelle Maßnahmen – auch in München – sind wohl nur mit

BERLIN. Der Mann neben der Kanzlerin

Nach einem seit Monaten tobenden erbitterten Streit geben sich Befürworter und Gegner in Garmisch-Partenkirchen siegesgewiss. „Ich tippe auf 52 Prozent für uns“, erklärte gestern Axel Doering (63), Mitorganisator des Bürgerbegehrens gegen Olympia 2018. Peter Fischer (57), der an der Spitze der Bürgerinitiative pro Olympia steht, blickt ebenfalls mit einem „guten Gefühl“ dem Tag der Wahrheit entgegen. Der Organisator der im Februar erfolgreich durchgeführten alpinen SkiWeltmeisterschaften hofft auf einen klaren Sieg: „Würde eine deutliche Mehrheit zwischen 60 und 70 Prozent Befürworter erreicht, dann kann man mit Recht sagen, dass die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen hinter Olympia 2018 steht.“ Die Gegner, zu denen auch zahlreiche Grundstückseigentümer am unverzichtbaren olympischen SchneeStandort zählen, wehren sich gegen einen „Ausverkauf der Heimat“. Olympische Spiele seien „schon heute zu groß“ für einen nicht einmal 30 000 Einwohner zählenden Ort, in dem 55 Wettbewerbe geplant seien, argumentiert Doering. Die Ablehner warnen insbesondere auch vor großen finanziellen Risiken und wollen sich nicht dem Diktat des IOC ausliefern. „Alle Rechte liegen beim IOC, alle Pflichten beim Ausrichter“, begründete Doering.

Knapp 21 000 Stimmberechtigte können am kommenden Sonntag beim Bürgerentscheid in Garmisch-Partenkirchen für oder gegen Olympia in ihrer Gemeinde votieren. Sowohl Befürworter als auch Gegner geben sich dabei im Vorfeld siegesgewiss. Foto: dpa ●

SO LÄUFT DER BÜRGERENTSCHEID AB ●

➤ Auf dem Stimmzettel beim OlympiaBürgerentscheid können die knapp 21 000 Stimmberechtigten insgesamt drei Kreuze machen. ➤ Der „Bürgerentscheid 1“ der Befürworter fragt vereinfacht, ob die Marktgemeinde die Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele im Jahr 2018 als Partner von München wie geplant weiter vorantreiben soll. ●

Olympia zu realisieren. Die „Ja“-Sager erklären die Abstimmung darum auch zu einer Grundsatzentscheidung. „Für die Zukunft wäre Olympia äußerst wichtig“, warb Fischer um das Kreuzchen der Bürger. Es geht für Münchens OlympiaKampagne womöglich schon um alles, auch wenn das IOC erst am 6. Juli im südafrikanischen Durban den Dreikampf zwischen München, dem südkoreanischen Pyeongchang und dem französischen Annecy entscheidet. Der bayerische Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) hatte sich zuletzt bei einer Podiumsdiskussion in Garmisch-Partenkirchen dazu bekannt, „dass sich die Staatsregierung an das Votum der Bürger halten wird – wie immer es ausfällt“. Klar ist trotzdem, dass die Bewerbungsgesellschaft auch bei einem „Nein“ nicht aufgeben würde. Sie erwartet im Endspurt sogar Rücken-

➤ Der „Bürgerentscheid 2“ der Gegner richtet sich gegen Spiele am Fuße der Zugspitze. Er sieht bei ausreichender Zustimmung im Kern vor, dass die Gemeinde sämtliche mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) geschlossenen Verträge auf ihre Rechtsgültigkeit überprüfen muss, um einen Weg zu finden, doch noch aus der Bewerbung auszusteigen. ●

➤ Falls beide Bürgerentscheide mehrheitlich mit „Ja“ beantwortet werden sollten und dabei jeweils die 20-Prozent-Hürde der Stimmberechtigten nehmen, würde das Ergebnis der Stichfrage ergeben, welche Entscheidung dann gelten soll: „Ja“ zu Olympischen Winterspielen oder „Nein“. Hier können die Bürger von Garmisch-Partenkirchen das dritte Kreuz machen. (dpa) ●

wind. „Ich gehe von einer überzeugenden Mehrheit für die Olympischen Spiele und Paralympics aus“, hatte Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung erklärt. „Dann herrscht endlich Klarheit“

Eine Niederlage käme zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In der kommenden Woche veröffentlicht das IOC seinen Evaluierungsbericht über die drei Kandidatenstädte. Und am 18. und 19. Mai kommt es in Lausanne zum technischen IOC-Briefung. Dieses wird für München, das schon zweimal gescheiterte Pyeongchang und Annecy als „entscheidende Präsentation“ angesehen. „Dort können wir die ganze Substanz unserer Bewerbung zeigen“, hatte IOC-Vizepräsident Bach erklärt. Die Unterstützung der Bevölkerung wird als wichtiges Kriterium inner-

halb des IOC angesehen. Die Münchner Bewerber haben stets damit geworben, dass die Mehrheit der Menschen hinter ihnen stehe. Darum kann Doering behaupten: „52 Prozent sind für uns ein Sieg. Für die Befürworter wären 52 Prozent zwar vom Ergebnis auch ein Sieg, aber trotzdem ein fatales Signal.“ Das IOC möge „nichts weniger, als dass es irgendwo nicht wohlgelitten ist“, behauptet der Nein-Sager. Bei den zwei Bürgerentscheiden werden die Stimmberechtigten vereinfacht um „Ja“ oder „Nein“ zu Olympia befragt. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass beide Entscheide mehrheitlich mit „Ja“ beantwortet werden, würde das Ergebnis einer Stichfrage entscheiden, welches Votum dann gelten soll. Eines sagen Befürworter und Gegner vorab unisono: „Am Sonntag herrscht endlich Klarheit.“

steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Mahmud Abbas soll die zerstrittenen Palästinenser einen, den Extremismus bekämpfen und den Nahost-Friedensprozess wieder in Gang bringen. Merkel weiß um die Riesenprobleme, die ihr Gast hat. Seit langem kämpft sie für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern. Gut eineinhalb Stunden mühte sich Angela Merkel gestern, neuen Schwung in ihr Herzensthema zu bringen. Bislang musste sie Enttäuschungen wegstecken: Beide Seiten treten auf der Stelle. Als Merkel und Abbas vor die Journalisten treten, haben sie beim zentralen Thema zumindest eine verbale Einigung gefunden: Beide beteuern ihr Interesse an einer Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Angesichts der dramatischen Entwicklungen in den arabischen Ländern sei eine Friedenslösung „noch dringlicher, als das bislang schon der Fall war“, sagt Merkel. Drei Dinge, das machte Merkel Abbas klar, sind für die Bundesregierung unverzichtbar: die Anerkennung der Sicherheit und der Existenz Israels, der Verzicht auf Gewalt und ein Bekenntnis zum Verhandlungsprozess. Und dabei spiele das Nahost-Quartett aus UN, EU, USA und Russland eine wesentliche Rolle. Deutschland sei bereit, hier Verantwortung zu übernehmen. Ende Januar hatte Merkel dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ihren Ärger über den Siedlungsbau ins Stammbuch geschrieben. Merkel, die schon lange für eine Zwei-StaatenLösung kämpft, verlangte Bewegung von Netanjahu und verknüpfte dies mit einer Frist: Bis zum Frühherbst solle sich konkret etwas tun. Netanjahu hatte deutlich gemacht, dass er zu einem Entgegenkommen kaum bereit sei. Die Palästinenserbehörde müsse „zwischen einem Frieden mit Israel oder einem Frieden mit der Hamas wählen“. In Berlin registriert man das mit Bedauern: Dabei habe Merkel doch viel Mühe darauf verwendet, Netanjahu klar zu machen, dass die Zeit der Umwälzungen auch eine Zeit der Chancen für eine Verhandlungslösung sei. Der Stillstand könnte auch Zwist in der EU heraufbeschwören. Frankreich könnte womöglich der von den Palästinensern angestrebten einseitigen Anerkennung durch die UN-Vollversammlung zustimmen. Das will Berlin verhindern.


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