Leseprobe tun handeln denken hfh 2016

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Ariane Bühler, Alois Bigger, Beat Suter, Stefan Wettstein

Tun – Handeln – Denken Handlungsbezogenes Lernen am Beispiel elementarer Werktätigkeiten


Ariane Bühler, Alois Bigger, Beat Suter, Stefan Wettstein

Tun – Handeln – Denken Handlungsbezogenes Lernen am Beispiel elementarer Werk­tätigkeiten


Vorbemerkungen Das vorliegende Buch beruht inhaltlich einerseits auf praktischen Erfahrungen aller Beteiligten und andererseits basiert es in weiten Teilen auf verschiedenen schriftlichen Vorarbeiten zum Thema, ins­besondere auf einer Dokumentation von Meinrad Benz und Beat Suter (1985–2002) sowie auf Vorlagen von Anna Bachofen und Mario Somazzi. Diese Vorarbeiten wurden vom Autorenteam neu zusammengestellt und inhaltlich weiterentwickelt. Inhaltlich ist das Buch eingebettet in die Ausbildung des Masterstudienganges Sonderpädagogik, Vertiefungsrichtung Schulische Heilpädagogik mit dem Schwerpunkt Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung (PMGB). Grundlegende Kenntnisse aus ausgewählten Modulen der Aus­bildung in Bezug auf das Entwicklungsniveau des Handelns und das Niveau der Handlungsfähigkeit – wie z.B. das Konzept der kognitiven Entwicklung nach Piaget (Ginsburg & Opper, 2004), das Konzept der Lernniveaus (Benz & Suter, 2002; D.Fischer, 1983) und das Konzept der dominierenden Tätigkeiten nach Pitsch (2002) und Leontjew (1977) – sind zum vertieften Verständnis sicher hilfreich.

Impressum Ariane Bühler, Alois Bigger, Beat Suter und Stefan Wettstein (2010) Tun – Handeln – Denken. Handlungsbezogenes Lernen am Beispiel elementarer Werktätigkeiten. Gestaltung: Stefan Wettstein Fotografien: Stefan Wettstein und Beat Suter Lektorat: Dr. Lars Mohr 2. Auflage 2016 © Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich, 2010/2016 Alle Rechte vorbehalten Die Verantwortung für die Texte liegt bei der Autorin und den Autoren


1. Einleitung 5 1.1 Einführende Gedanken zum Bildungsverständnis 5 1.2 Vom Tun über das Handeln zum Denken 6 1.3 Handlungsbezogenes Lernen: Grundlegende Aspekte 8 1.4 Handlungsbezogenes Lernen und Begriffsbildung 14 1.5 Menschen mit geistiger Behinderung unter Berücksichtigung pädagogisch relevanter Niveaustufen 22 2. Aspekte handlungsbezogenen Lernens 23 3. Didaktische Überlegungen 27 3.1 Handlungsbezogenes Lernen am Beispiel „Herstellen einer Rassel“. 29 3.2 Alltägliche Orientierungs- und Strukturierungshilfen im Unterrichtsraum und am Arbeitsplatz 34 4. Aufbau grundlegender Handlungs- und Denkschemata am Beispiel elementarer Werktätigkeiten 37 4.1 Schneiden 37 4.2 Weben 49 4.3 Nähen 55 4.4 Nageln 63 4.5 Bohren 69 4.6 Schrauben 77 4.7 Sägen 83 4.8 Schleifen 97 4.9 Kleben 105 4.10 Malen und Lackieren 113 5. Literatur 120

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1. Einleitung 1.1 Einführende Gedanken zum Bildungsverständnis Wie kommt der Mensch zur Erkenntnis? Wie gelangen insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung dazu, die Welt zu begreifen und zu verstehen? Wie kann im Unterricht dieser Bildungsprozess unterstützt werden? Die Verwendung des Begriffs „Bildung“ weist darauf hin, dass es um mehr als blosse Wissensvermittlung geht. Der Mensch kann sich – mit mehr oder weniger Unterstützung – nur selber bilden. Dies setzt ein Verständnis voraus, das jeden Menschen als ein aktives und auswählendes Wesen betrachtet. Bildungsprozesse sind also aktive, selbstgesteuerte Vorgänge. Kinder bilden sich und lernen, indem sie ihr bisheriges Können benutzen, verändern und erweitern. Das tun sie nur, wenn das Lernen einen persönlichen Sinn ergibt, Lerninhalte bedeutsam sind. Der Mensch wird dabei immer als Ganzes angesprochen. Nur auf Wissensvermittlung angelegter Unterricht bleibt einseitig. Wahrnehmen, Handeln, Empfinden, Fühlen und Denken sollen in Einklang gebracht werden. Es gibt keine isolierten Funktionen und Kompetenzen, die man fördern oder vernachlässigen kann, sondern zwischen dem Wahrnehmen und Denken, dem Handeln und Empfinden, etc. bestehen vielfältige Wechselwirkungen. Bei Bildungsprozessen geht es immer wieder darum, das Selbst- und das individuelle Weltbild zu einem Ganzen zu verknüpfen (vgl. Schäfer, 2003, S. 15). Der Mensch ist stets aktiv, er tut etwas, bewegt sich, spürt seine Umwelt, sieht sie, hört sie, gewinnt Eindrücke und macht Erfahrungen, die er in sein bestehendes Wissen über die Welt einordnet. Das bedeutet immer auch zu „denken“. Dieses Denken ist in den frühen Phasen der Entwicklung noch kein Denken in dem Sinne, in dem Erwachsene über ein Objekt oder ein vergangenes Ereignis nachdenken. Zu Beginn ist es eine Form mentaler Aktivität, die alle Erfahrungen begleitet. Wie wenn wir das erste Mal unsere Schuhe selber binden. Dazu gehören verschiedene Empfindungen und Wahrnehmungen, die, wenn wir die Schuhe in der Folge öfter binden, zu einem „Schema- des-SchuheBindens“ konstruiert werden. Die Bedeutung der Aktivitäten für das Individuum ergibt sich aus zwei miteinander verbundenen Vorgängen. Einerseits aus dem, was die einzelne Person erfährt oder tut, und andererseits auch daraus, wie sie das, was sie erfährt oder tut, in ihr bisheriges Tun und Erleben einordnet. Insofern verbinden sich im Bildungsprozess die intersubjektiven Vorerfahrungen mit den neuen Erfahrungsaspekten der gegenwärtigen Situation. Unser Verständnis von Bildung entspricht dem Bildungsgegriff Kokemohrs. Bildung wird demnach nicht als ein zu erreichendes Ziel, sondern eher als ein Verarbeitungsmodus von Welt- und Selbsterfahrungen gedacht. „Bildung“ bezeichnet die „Prozesse einer grundlegenden Transformation von Weltund Selbstverhältnissen dort, wo auf neue Problemerfahrungen in schon erworbenen Orientierungen nicht mehr angemessen geantwortet werden kann“ (Kokemohr, 2000, S. 421); oder in anderen Worten „Bildungsprozesse sind durch Fremdes herausgeforderte Veränderung von Grundfiguren meines Welt- und Selbstverhältnisses“ (Kokemohr, 2007, S. 14). Bildung ist also ein Prozess der Be- oder Verarbeitung widerständiger Erfahrung (vgl. Kokemohr, 2007, S. 25). Zentraler Ausgangspunkt für Bildungsprozesse insbesondere von Menschen mit geistiger Behinderung ist handlungsbezogenes Lernen. Dabei ist wichtig, dass Menschen mit geistiger Behinderung sich selbsttätig und selbstständig mit ihrer Umgebung auseinandersetzen können. Nur so wird Entwicklung möglich. Menschen mit geistiger Behinderung wählen aus der Fülle der erfahrbaren Möglichkeiten die für sie sinnvollen und aktuell zu verarbeitenden Informationen und Erfahrungen aus. Die Erlebnisse und Erfahrungen, die sie suchen, spiegeln ihre jeweiligen entwicklungsspezifischen Interessen wieder. Das heisst, sinn- und bedeutungsvoll sind in erster Linie all jene Erfahrungen, die sie aus eigenem Interesse heraus machen wollen (vgl. Wieczorek 2006, S. 13f). Werden ihnen Angebote aufgedrängt, die über die aktuell mögliche Entwicklung und ihre Interessen hinausgehen, können sie diese nicht für ihre Entwicklung und Bildung nutzen. Es werden negative Befindlichkeiten ausgelöst. In Bildungsprozessen sind Lernende aber auch darauf angewiesen, auf ihr Erleben eine Resonanz bei ihren Bezugspersonen zu erhalten, damit sie ihre Handlungen als bedeutsam erleben können. Nur im interaktiven Teilen von Erlebnissen kann sich dieses Gefühl und Bewusstsein herausbilden (vgl. Stern, 1992, S. 179ff). Bildungsprozesse können daher nur in einem interaktionalen Kontext stattfinden.

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1.2 Vom Tun über das Handeln zum Denken Wie kommt es, dass das heranwachsende Kind lernt, was „Höhe“ ist, was „Breite“ ist, was „viel“ oder „wenig“ ist. Wie lernt es, dass fünf Erbsen als Gemüse-Portion wenig ist, hingegen fünf Kohlrabi als Gemüseportion nicht nur „viel“, sondern „zu viel“? Wie lernt das Kind wissen, was „lieblich“ ist, was „teuer“ ist. Wie kommt das Kind dazu, einen Unterschied zwischen schneiden und abschneiden zu machen? Wann heisst schneiden mit Daumen und Zeigefinger auf und zu drücken und wann heisst es mit angepasstem Druck hin und her fahren? Wie lernt es schliesslich, was „fünf“ bedeutet? Wie lernt das Kind die richtige Reihenfolge von Wörtern, wenn es sagen will, dass es erst ins Bett will, nachdem es das Bilderbuch angeschaut hat. Wie lernt es logische Sätze zu bilden? Wie zum Beispiel: Wenn A grösser als B und B grösser als C, dann ist auch A grösser als C. Um diesen Fragen etwas nachgehen zu können, bemühen wir einige Gedanken zur Entwicklung des Denkens: Denken ist das Ordnen des Tuns (Aebli, 1981). Denken ist die Aktivität des Wissens, ist "der Erwerb, die Organisation und der Gebrauch von Wissen" (Neisser, 1979, S.13). Denken ist somit eine Aktivität und kein Zustand. Denken führt zu neuem Wissen und Denken ermöglicht gezieltes planvolles Handeln. Denken ist eine permanente Kombination von Klassieren und Reihen. Wahrgenommene Ereignisse werden in einer bestimmten Reihenfolge empfunden und laufend klassiert. Die so wahrgenommen Empfindungen werden in der Verarbeitung mit den bereits vorhandenen Repräsentationen verknüpft. Daraus resultieren Impulse, die zu neuen Aktivitäten führen. Diese Impulse müssen genauso wie beim Inputprozess richtig klassiert und in die richtige Reihenfolge gebracht werden. Wenn dieser Outputprozess über eine Einzelhandlung hinausgeht, sprechen wir vom Planen der Handlung. Dann nämlich muss der Mensch die beabsichtige Handlung innerlich vorwegnehmen, das heisst er denkt die einzelnen Schritte, bevor er sie ausführt, er ordnet die einzelnen Schritte zum Voraus in Gedanken. Man spricht vom inneren Organisieren. Denken führt zu neuem Wissen - aber nicht im Sinne einer blossen Anhäufung von Wissen. Konstruktivistisch gesehen bedeutet neues Wissen ein aktiver Auf- und Zusammenbau von inneren Begriffen. Diese inneren Begriffe repräsentieren die äussere Welt. Daher wird dafür auch oft das Wort Repräsentationen verwendet. Der Mensch rekonstruiert von Grund auf die reale äussere, sowie die von Menschen gedachte Welt. Der Mensch ist in seiner Entwicklung ganz auf sich gestellt – niemand kann ihm unmittelbar Wissen und Können geben oder eintrichtern. Bereits vorgeburtlich und unmittelbar nach der Geburt lernt der Mensch als erstes seinen Körper zu bewegen. Nur so lernt er den Körper überhaupt kennen, nur so baut er sich ein inneres Abbild – eine Repräsentation – des eigenen Körpers auf. Dieses Abbild bzw. Wissen über den Körper besteht aus Bewegungsschemata. D.h. das innere Abbild besteht aus dem „Wissen“ darüber, wie der Körper bewegt werden kann. Indem der Mensch seinen Körper bewegt, erlebt er unterschiedliche Empfindungen, abhängig von der Reihenfolge der Bewegungen und der Intensität dieser Bewegungen. Diese Erfahrungen werden gruppiert bzw. klassiert. So entstehen innere Repräsentationen von anfänglich mehr oder weniger zufälligen oder reflexhaften Bewegungen – das Wissen bzw. die inneren Begriffe von Hinschauen und Hinhören, von Greifen, von Schaukeln, von Kriechen und Gehen usw.. Dadurch entsteht mit der Zeit ein Abbild, eine Repräsentation des Körpers. Piaget geht davon aus, dass diese Repräsentationen noch keine bewussten Denkschemata sind, sondern rein sensomotorische Schemata (Piaget, 2003). Durch Bewegungen erfährt und rekonstruiert der Mensch nicht nur den eigenen Körper. Er erlebt auch, dass er äussere Ereignisse auslöst. Sein Tun bewirkt Veränderung in der äusseren Welt. Diese Erfahrung führt dazu, dass die Bewegungsschemata mit neuen Aspekten der Wirklichkeit kombiniert werden. Das Schema des Greifens wird mit z. B. akustischen Ereignissen ergänzt. Das Ergreifen des Gegenstandes bewirkt dessen Erklingen, bzw. Ertönen. Damit werden die Repräsentationen der Bewegungen mit Repräsentationen von Ereignissen verknüpft und erweitert. Der Mensch hat damit ein Abbild, eine Repräsentation des Körpers selbst und der Wirkung des Körpers in Form von Ereignissen. Je nach Art (Klasse) der Bewegung und je nach Intensität (Reihung) entstehen unterschiedliche Ereignisse (Wirkungen). Dieser Körper, der Ereignisse auslöst, erfährt bald, dass da mehr als nur zufällige Ereignisse existieren. Ereignisse sind nicht nur von der Aktivität des Körpers abhängig, sondern auch noch von etwas anderem. Ein Saugen am Lutscher bewirkt ein anderes Ereignis als das Saugen an einem Zitronenschnitz. Solche Erfahrungen führen zu einer zusätzlichen Erweiterung der Bewegungs- und Ereignisschemata. Es entstehen die Objekt-Begriffe. Durch das Ergreifen und Saugen am Zitronenschnitz entsteht allmählich das Schema der Zitrone. Eine innere Repräsentation einer bestimmten Greiftätigkeit kombiniert mit bestimmten Ereignissen wie Geschmack, Farbe, Konsistenz usw. als inneres Pendant von dem, was wir Zitrone nennen. 6


Damit hat der Mensch eine innere Repräsentation von Objekten in Form von Wissen über ganz spezielle Bewegungsmuster und ganz bestimmte Ereignisse, die mit bestimmten Objekten der äusseren Wirklichkeit ausgelöst werden können. Als letztes konstruiert der sich entwickelnde Mensch noch eine weitere Wirklichkeit, nämlich jene der Beziehungen der konstruierten Objekte untereinander. Er entdeckt, dass die Objekte nicht nur von seinem Tun und von den von ihm ausgelösten Ereignissen abhängen sondern, dass auch Objekte untereinander in ganz bestimmten Beziehungen stehen. Dass z. B. ein dicker Stab nicht in ein kleines Loch hineinpasst, ein dünner aber schon. Im Alter von ca. 1 1⁄2 bis 2 Jahren, gegen Ende der Sensomotorik sind diese Prozesse der Konstruktion der Wirklichkeit in allen Dimensionen grundsätzlich angebahnt. Das Denken ist grundsätzlich „startklar“, wenn auch noch sehr rudimentär in den Inhalten und der inneren Organisation. Nun kann der eigentliche Aufbau der Wirklichkeit in all seinen Dimensionen beginnen. Von relativ einfach nachvollziehbaren konkreten Begriffen wahrnehmbarer Objekte, über die Begrifflichkeit von Tätigkeiten und Eigenschaften, Begriffe von Emotionen und Gefühlen bis hin zu abstrakten Begriffen, die nur noch durch logische Gesetzmässigkeiten definiert sind. Dazu gehören etwa die verschiedenen Zahlsysteme oder die Grammatik der Sprache. All diese neuen Begriffe, bzw. Repräsentationen leiten sich von einer Kombination aus bereits konstruierten Begriffen und zusätzlichen Tätigkeiten (motorischen oder gedachten) ab. Zusammengefasst heisst das, dass jede neue Repräsentation eine aktive Konstruktion voraussetzt. Je nachdem, wie komplex und vor allem wie abstrakt die Denkfähigkeit des heranwachsenden Menschen ist, benötigt die Neukonstruktion von Begriffen (Repräsentationen) mehr oder weniger motorische Aktivität: Auf der Sensomotorischen Stufe (ca. 0 – 2 Jahre) ist immer eine motorische Aktivität notwendig. Auf der präoperativen Stufe (ca. 2 – 7 Jahre) kann das Kind bereits Tätigkeiten und Objekte inklusive Beziehungen untereinander denken. Zur Erarbeitung, zur Neukonstruktion solcher Repräsentationen ist es aber auf aktive motorische Tätigkeiten angewiesen. Dies vor allem bei nicht anschaulichen Begriffen (Repräsentationen) wie z. B. Höhe, Länge, Alter, usw.. Auf der operativen Stufe (ca. 7 – 12 Jahre) kann das Kind vermehrt konkrete Begriffe konstruieren, die lediglich auf rein denkender Aktivität beruhen. Damit wird das eigentliche abstrakte Denken möglich. Auch wenn es anfänglich auf konkrete Denkoperationen begrenzt ist. Mit diesen konkreten Denkoperationen können Kinder die Kompetenzen der Kulturtechniken Schriftsprache und Mathematik erlernen. Und zwar so erlernen, dass diese Techniken auch tatsächlich zur Problemlösung und zur Kommunikation genutzt werden. Dieses Denken ist grundsätzlich ebenfalls nichts anderes als Klassieren und Reihen (Ginsburg & Opper, 2004, S. 151ff, 172ff). Klassifikationen und Reihenfolgen bauen vollständig auf den handelnd erworbenen Klassen- und Reihenbegriffen auf: Das Zahlsystem ist die Abstraktion und Ordnungsstruktur der handelnden Tätigkeiten im Umgang mit Mengen. Die Grammatik der Sprache ist die Abstraktion und Ordnungsstruktur von kommunizierten Handlungsplänen. Fehlen diese konkreten Denkoperationen, die auf dem Handeln aufbauen, gelingt auch kein Verständnis der Schriftsprache und Mathematik. Auch nicht wenn diese Kinder Zahlreihen und Buchstabenkombinationen automatisieren können. Mit diesen antrainierten Kompetenzen können sie zwar Schrift kopieren und gar auswendig reproduzieren, auch mathematische Rechenoperationen anschaulich lösen. Schriftsprache als Informationsträger und Mathematik als Problemlösungsstrategie einzusetzen aber wird kaum gelingen; das jedoch ist letztlich wohl der Sinn der Kulturtechniken. Zurück zu den Fragen am Anfang des Kapitels: Wie kommt es, dass ein heranwachsendes Kind lernt, was „Höhe“ ist, was „Breite“ ist, was „viel“ oder „wenig“ ist? Diese Frage lässt sich gewiss nicht vollumfänglich oder abschliessend beantworten. Eines aber lässt sich aus obigen Ausführungen ableiten: Solche Repräsentationen (Begriffe) können dem Kind nicht einfach erklärt werden, sie können ihm auch nicht einfach gezeigt werden. Das Kind muss diese Repräsentationen handelnd konstruieren, indem es die materielle Welt bearbeitet, sich mit ihr auseinandersetzt, indem es praktische Probleme löst. Um eine solche Entwicklung zu unterstützen, kann die Pädagogik eine geeignete Umwelt anbieten. Besonders geeignet dafür ist das konkret handlungsbezogene Lernen. Hier ergeben sich laufend Problemstellungen, die bewältigt werden wollen. Ein optimales Feld, um Repräsentationen (Begriffe) zu konstruieren. Ein optimales Feld zur Weiterentwicklung der Vorstellungen, der inneren Welt also. Das primäre Ziel des handlungsbezogenen Lernens, des handlungsorientierten Unterrichts ist also die Weiterentwicklung des Denkens, der Reihenbildung und der Klassenbildung und der davon abgeleiteten Konstruktionen der inneren Wirklichkeit. 7


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