heilpädagogik aktuell, Nummer 10, Herbst 2013

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Ausgabe 10 — Herbst 2013

heilpädagogik aktuell Magazin der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik

Unterrichtsteam im Schulhaus Stadel (ZH): Schulische Heilpädagogin Barbara Weber und die beiden Klassenlehrpersonen Lea Hartmann und Wibke Granacher (von links nach rechts).

Thomas Burla (Foto)

Professionelle Lerngemeinschaften Gute Zusammenarbeit am Arbeitsplatz ist nicht selbstverständlich. Gerade in multiprofessionellen Teams sind klare Berufsidentitäten und der Austausch untereinander wichtig für gelingende Kooperationen.

Thema: Berufsidentität und Kooperation Lehre Logopädie im multi­ professionellen Team Von Susanne Kempe Preti

Prof. Claude Bollier

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Masterarbeit Keine Insel: Zusammenarbeit in der integrativen Schulform 3 Von Dr. Lars Mohr Reportage Zusammen sind wir besser: Bericht aus Primarschule und Stiftung Von Christine Loriol Dienstleistungen Integration braucht Zusammenarbeit Von Chris Piller Konzepte Interview mit Judy Müller, Kanton Zug Von Sabine Hüttche Aktuelles Weiterbildung und Agenda

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Schon bei Kleinkindern im vorsprachlichen Alter zeigen sich Verhaltensweisen der ge­ genseitigen Unterstützung und Hilfe, Pers­ pektivenwechsel und ein Wissen um Regeln im gemeinsamen Spiel. Kooperation ist also naturgegeben, braucht aber Pflege. In Spiel­ gruppen für behinderte und nicht behin­derte Kinder muss sie durch Erwachsene angelei­ tet werden. Kindern, welche die unaus­ gesprochenen Regeln nicht verstehen, droht sonst der Ausschluss. Das gilt ähnlich für die Kooperation Erwachsener an Schulen: In der integrativen Schule arbeiten Regellehrperso­ nen mit Sonderpädagoginnen und mit Fach­ lehrpersonen zusammen. Oft müssen die Konzepte der Zusammenarbeit erst entwi­ ckelt und dann zuverlässig umgesetzt wer­ den. Wenn die Teilnehmenden den Regeln nicht folgen, droht der Abbruch. Wo Raum für eigenes, selbstverantwortliches Handeln ist, werden komplexe Abläufe flüssiger und Aufgaben direkt im Team beim gemeinsa­ men Unterricht gelöst. Aber Achtung: «Na­ türliche» und «organisierte» Gruppen sind nicht dasselbe. Erstere findet man in Famili­ en oder im Freundeskreis, also in persönli­ chen, informellen Beziehungen. Die zweiten haben eine institutionelle Form, sind Teil der Organisation. Aufgaben, Rollen und Erwar­ tungen sind in diesen formal geregelt und festgelegt. Geht man zu persönlich, ja fami­

liär miteinander um, leiden Aufgabe und Ergebnisse, und wo man nur nach Regeln funktionieren soll, geht die offene und ver­ trauenstiftende Kommunikation unter. Pizza essen ist für die gute Zusammen­arbeit okay, aber wichtig ist es, ein kluges Mass zwischen den Regeln der Organisation und dem Flow guter Beziehungen zu finden. Berufsidentität und Zusammenarbeit Institutionen funktionieren gut, wenn ein gewisses Mass an Regeln, aber auch Hand­ lungsspielräume für die Professionen beste­ hen. Das ist besonders in der interprofessio­ nellen Zusammenarbeit in integrativen Re­ gel- oder Sonderschulen von Bedeutung. Pädagogische und therapeutische Arbeit besteht aus Beziehung, Wissensvermittlung und dem Aufbau neuen Verhaltens. Heil­ pädagogen und Therapeutinnen stehen da­ bei oft in Situationen, die durch Mehrper­ spektivität, Simultaneität, Unvorhersehbar­ keit und Erfolgsunsicherheit gekennzeichnet sind. Heilpädagogisches Professionswissen besteht nicht zuletzt aus praktischem, erfah­ rungsgestütztem Handeln, aus Maximen, Faustregeln und typischen Fällen, sogenann­ ten Prototypen. Die Novizen-Expertenfor­ schung zeigt, dass das Professionswissen über die Jahre so vertieft und präzisiert wird, dass zu Beginn methodisch enger und ge­ planter und mit der Zeit aus einer gesicher­ ten Berufsidentität heraus flexibler, situa­

tionsadäquater und offener gehandelt wer­ den kann: Es bildet sich ein Konglomerat von Wissensformen und diese persönliche Berufs­identität ermöglicht flüssiges, kompe­ tentes pädagogisches Handeln, oft auch Intui­tion genannt. Jede Kooperation im heilpädagogischen Feld braucht den intensiven Austausch zwi­ schen den Beteiligten über subjektive Wahr­ nehmung, Erfahrungen, Theorien, Hand­ lungsweisen und über die gemeinsame Ver­ antwortung, die geteilt werden soll. Zusammenarbeit zwischen Pädagogen, Heil­ pädagoginnen und Therapeuten braucht zudem einen sinnvollen Auftrag, ein klares Ziel, kurze spontane Absprachen im Alltag, lösungsorientierte Kommunikation, Zeit­ gefässe für die Regelung der Arbeit und für gemeinsame Weiterbildung sowie Kompe­ tenztransfer zwischen den Professionen. «Wir teilen das Wissen», sagt eine Fachperson in unserer Reportage. In dieser Nummer von «heilpädagogik aktuell» vertiefen wir die an­ gesprochenen Facetten gestärkter Arbeitsbe­ ziehungen und zeigen Wege zu Zufrieden­ heit, Kreativität und Produktivität in profes­ sionellen Lerngemeinschaften auf. Prof. Claude Bollier ist Dozent in der Weiterbildung an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich und leitet unter anderem das Nachdiplomstudium Leadership und Management.


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