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Judith Adler und Monika T. Wicki

Die Zukunft ist jetzt! Personenzentrierte Zukunftsplanung Leitfaden


Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Einleitung Zukunftsplanung ist eine Aufgabe, die alle Menschen betrifft. Immer wieder müssen Übergänge geplant und gestaltet werden: beim Übergang von der Schule in den Beruf, beim Auszug aus dem Elternhaus oder für die Vorbereitung auf das Pensionsalter. Auch für älter werdende Erwachsene mit Behinderung und ihre Familien ist es wichtig, die Zukunft zu planen (Heller & Factor 1993; Freedman, Krauss und Seltzer, 1997). Anlass einer Planung können anstehende Übergänge sein oder der Wunsch der planenden Person nach einer Veränderung in der Lebens­situation. Ziel der Zukunftsplanung ist es, darüber nachzudenken, darüber zu sprechen und aufzuschreiben, was für die Person ganz persönlich jetzt wichtig ist, in Zukunft und auch an ihrem Lebensende. Ziel ist es, darüber nachdenken, darüber sprechen und aufschreiben, was für mich jetzt wichtig ist, in Zukunft und auch an meinem Lebensende.

Die Entstehung dieses Leitfadens Dieser Leitfaden wurde 2013 im Rahmen des Entwicklungs- und For­ schungs­projektes «Die Zukunft ist jetzt!» an der Interkantonalen Hochschule für Heil­päda­gogik Zürich (HfH) entwickelt. Der Leitfaden basiert auf dem Lehrgang «Die Zukunft ist jetzt! Ein Kurs­angebot zur Unterstützung der Zukunftsplanung von Er­wachsenen mit einer geistiger Behinderung und ihren Angehörigen», der zwischen 2011 und 2013 an der HfH auf Basis von De Brine et al. (2009) entwickelt, in vier Kantonen getestet und evaluiert worden ist. Zur Entwicklung des Leitfadens wurden noch zwei andere, bereits bestehende Instrumente beigezogen. Dies sind «Zukunfts­planung zum Lebensende: Was ich will» vom Förder­verein für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. (2011) und die Broschüre «Living well. Thinking and planning for the end of your life» von der Helen Sanders Association (HSA) & Lancashire County Council (2010).

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Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Ziel Ziel ist es, personenzentriertes Denken und Handeln zu ermöglichen. Dies ist eine Grundhaltung, in der von den Stärken, Möglichkeiten, Träumen und Zielen einer Person ausgegangen wird. Das, was der Person wichtig ist, steht im Zentrum für die Planung der Wohnsituation, der Arbeits­ situation, der finanziellen und rechtlichen Fragen und des Übergangs in den Ruhestand. Der Leitfaden kann Unterstützung bieten für einen personenzentrierten Zugang zur Zukunftsplanung. Ebenso werden schwie­rige Fragen im Umgang mit Krankheit und Tod angesprochen und diskutiert. Der Leitfaden ist im Besonderen für die Besprechung der Zukunft von erwachsenen Menschen mit intellektueller Be­einträchtigung konzipiert. Im Folgenden sprechen wir von der «planenden Person». Ergebnis und Ziel der Gespräche ist es, herauszufinden und aufzuschrei­ ben, was für die planende Person ganz persönlich jetzt und für ihre Zukunft wichtig ist und welches ihre Wünsche sind. Dazu wird das Arbeits­buch durch die planende Person gemeinsam mit betreuenden Angehörigen, Beiständen oder auch Bezugspersonen auf der Grundlage der Gespräche jedes einzelnen Treffens ausgefüllt. Es muss vorab geklärt werden, welche Unterstützung die planende Person bei der Besprechung und Dokumentation braucht – unterstützte Kommunikation oder auch weitere Personen. Das Arbeitsbuch kann, nach Rücksprache mit der planenden Person, mit weiteren Personen besprochen oder auch kopiert werden. Das Doku­ ment hilft, wichtige Fragen anzusprechen, zu klären und die Wünsche bezüglich Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Krankheit und Tod festzuhalten. Es hilft auch, Ziele zu entwickeln und erste Schritte zur Umsetzung zu planen. Auch wenn dieses Dokument nicht gesetzlich verbindlich ist, dient es drei wichtigen Zwecken: • E rstens hilft es die Stärken, Möglichkeiten, Träume und Ziele einer Person festzuhalten und die Planung darauf aufzubauen. In wichtigen Lebens­ be­­reichen werden Zukunftswünsche und Erwartungen formuliert und Unter­stützungs­möglichkeiten erkannt. Zweitens unterstützt das Dokument die beteiligten Personen, den • kom­plexen Planungsprozess in einzelne Themen und Schritte aufzuteilen. • Drittens werden wichtige bio­graphische Angaben der planenden Person für Verwandte und künftige Vertrauens- und Betreuungspersonen dokumentiert.

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Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Das Dokument kann alleine oder mit anderen Personen ausgefüllt werden. Man kann die Themen der Reihe nach oder nach Lust und Laune behandeln. Man kann auch mehr oder weniger Treffen machen. Die planende Person sollte mit den betreuenden Angehörigen, Beiständen oder Bezugspersonen dieses Dokument periodisch überprüfen und anpassen, um zu gewährleisten, dass das Dokument sich den gegebenen Veränderungen anpasst.

Aufbau des Dokumentes und der Gespräche Die Gespräche werden in acht bis neun einzelnen Treffen geführt, die etwa eine bis eineinhalb Stunden dauern. Das erste und das zweitletzte Treffen werden gemeinsam mit der Bezugsperson, das letzte Treffen mit der Bezugsperson und mit Angehörigen durchgeführt, sofern die planende Person dies wünscht.

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Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Die Treffen befassen sich mit den folgenden Themen:

Inhalt 1

Ein gutes Leben

1.1

Meine Geschichte

11

1.2

Meine Stärken – das kann ich gut

12

1.3

Älter werden, Wünsche und Beziehungen

13

a)

Älter werden

13

b)

Wünsche für die Zukunft

14

c)

Beziehungen

15

Zukunft planen

17

1.4

Seite 9

a) Entscheidungen

17

b) Freizeit

19

c) Wohnen

21

d) Arbeit

22

e) Pensionierung

24

1.5

Rechte und Pflichten

25

1.6

Was mir wichtig ist, damit es mir gut geht

26

1.7

Mein Plan

27

2

Planen bis zum Lebensende

2.1

Medizinische Entscheidungen

a)

Wenn meine Nieren nicht mehr arbeiten

b)

Wenn ich nicht mehr genug esse und trinke

c)

Wenn mein Herz stehen bleibt

d)

Wenn ich nicht mehr atme

e)

Wenn ich nicht mehr genug trinke

f)

Wenn ich zu wenig Blut habe

g)

Wenn meine Organe nicht mehr arbeiten

h)

Wenn ich Schmerzen habe

i) Übersicht, was getan werden soll

Seite 28 28

2.2

Sterben, Beerdigung und Testament

33

a)

Meine Beerdigung

33

b)

Wer nach meinem Tod von mir etwas bekommen soll

33

3

Abschluss

Seite 34

4

Literaturverzeichnis, Reproduktions- und Bildnachweis

Seite 35


Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Materialien Für die gemeinsame Arbeit wurden zwei Dokumente erstellt: • Das Arbeitsbuch für die planende Person, das ohne einleitende Texte auskommt. • Der Leitfaden für die unterstützenden Angehörigen, Beistände oder Bezugs­personen, welche die Gespräche begleiten.

Empfehlungen für unterstützende Angehörige, Beistände und Bezugspersonen Stellen Sie die folgenden Fragen ins Zentrum des Gesprächs: • Wie möchte die Person leben? • Welche Unterstützung braucht die Person, um ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen? • Wünscht die Person eine Veränderung? • Was ist wichtig, damit es der Person gut geht und sie sich sicher fühlt? Dies erfordert auch das Finden von individuellen Lösungen und das Erbringen von Leistungen, die zum individuellen Unterstützungsbedarf passen. Passen Sie Ihre Sprache derjenigen der planenden Person an und ver­ meiden Sie den professionellen Jargon. Arbeiten Sie aufmerksam mit der Person. Schauen Sie genau hin, wie es ihr geht. Hören Sie gut zu. Beginnen Sie dort, wo die planende Person steht. Versuchen Sie ihre einzigartige Geschichte zu verstehen, ihre jetzige Situation und ihre Vorstellung der Zukunft. Arbeiten Sie mit der planenden Person an ihren aktuellen Fragen. Versuchen Sie den Planungsprozess in kleine, machbare Schritte zu teilen. Nehmen Sie sich jeweils nur ein Stück mit der Person vor. So ist der Prozess besser zu überblicken und es entsteht weniger Angst. Lassen Sie die planende Person eigene Wünsche und Ziele entwickeln, auch wenn diese Wünsche von Ihren eigenen Vorstellungen der Zukunft abweichen. Nehmen Sie auch Ihre eigenen Gefühle zu den verschiedenen Themen wahr und gehen Sie mit diesen um. Reflektieren Sie auch Ihre eigene Rolle.

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Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

Wenn notwendig, passen Sie Ihre Erwartungen der möglichen Entwick­ lung und Veränderung der planenden Person an. Definieren Sie möglich­ er­weise Ihre eigenen fachlichen Ziele neu. Wenn die planende Person, Sie als Angehörige, als Beistand oder als Bezugsperson Schwierigkeiten mit Zukunftsplänen haben, versuchen Sie, die unterschiedlichen Ansichten und Ängste zu differenzieren. Wenn die an einer Planung beteiligten Personen unterschiedliche Vor­ stellungen und Bedürfnisse haben, kann es vorkommen, dass ein Plan gemacht wird, der die Vorstellungen und Bedürfnisse der planen­den Person nicht beachtet. Dann wird niemand den Plan verfolgen und er wird nicht verwirklicht werden. Versuchen Sie, Geschwister, Freunde und wichtige Bekannte in die Planung einzubeziehen. Verstehen Sie deren Wünsche und Möglich­ keiten. Und bieten Sie ihnen Informationen über Dienstleistungen und Unter­stützungsmöglichkeiten. Bauen Sie mit den Personen und ihren Angehörigen Beziehungen auf. Arbeiten Sie mit ihnen zusammen. Vergessen Sie nicht, dies ist ein Prozess, nicht ein Problem und keine Lösung. Teilen Sie auch Ihre Ideen und Informationen mit und hören Sie die Antworten. Lassen Sie die Beteiligten selbst die Lösungen finden. Stellen Sie nicht Ihre eigenen Gewohnheiten und Werte über sie. Dieses Dokument bietet der planenden Person, ihren Angehörigen, Beiständen und Bezugspersonen eine gute Grundlage, wenn sie mit dem Planungsprozess beginnen. Es hilft ihnen, einen Anfang zu machen, ins Gespräch zu kommen und den Prozess in kleine Schritte zu teilen.

Vorbereitung Es wird empfohlen, dass sich Angehörige, Beistände oder Bezugs­per­so­ nen vor der Durchführung der Gespräche mit der Form und den Inhalten des Dokumentes vertraut machen. Die Interkantonale Hochschule für Heil­päda­­gogik Zürich (HfH) bietet hierzu auf Anfrage Kurse und Weiter­ bildungen an.

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Die Zukunft ist jetzt! – Leitfaden

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Ein gutes Leben Immer wieder verändern sich Dinge in meinem Leben. Ich bin mit der Schule fertig und suche eine Arbeit, ich möchte meine Wohnung wechseln, ich werde älter und trete in den Ruhestand. In diesen Momenten ist es gut, miteinander über die Zukunft zu sprechen und zu planen. Der Anlass der Planung kann unterschiedlich sein. Vielleicht wünscht sich die planende Person Veränderungen in ihrem Leben oder sie möchte gewisse Dinge besprechen, welche die Zukunft betreffen. Vielleicht sehen die Bezugsperson, Angehörige oder der Beistand, dass Veränderungen kommen und möchten diese gerne mit der Person besprechen. Dieser Leitfaden hilft, die Dinge zu besprechen und erste Schritte zu planen. Das wichtigste ist aber, dass die Person dies auch selber wünscht. Darum ist es sinnvoll, ein erstes Treffen zu vereinbaren und das Vor­ gehen, das dieser Leitfaden vorschlägt, zu besprechen. Dafür ist ein ruhiger Raum, an dem sich die planende Person wohlfühlt, sehr wichtig. Bei der Arbeit mit Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung wird eine Kombination von Bildern und Aktivitäten angewandt, die hilft, Konzepte zu vermitteln. Die vorliegenden Materialien sind dafür geeignet, können aber bei Bedarf auch ergänzt werden. Ein Treffen dauert jeweils 45 Minuten bis zu eineinhalb Stunden, je nach Bedarf und Möglichkeiten. Beginnen Sie, indem Sie den Ablauf des Treffens er­klären. Schauen Sie zurück, was im letzten Treffen besprochen wurde. Besprechen Sie, was im Dokument aufgeschrieben wurde und fragen Sie, ob die planende Person nochmals etwas ergänzen möchte. Erklären Sie, was an diesem Treffen besprochen werden soll. Zwischen den einzelnen Treffen können eine oder zwei oder auch mehrere Wochen vergehen, je nach Bedarf und Situation. Die einzelnen Treffen sollten aber nicht mehr als zwei Monate auseinander liegen, weil sonst die Kontinuität in der Planung verloren gehen kann. Einige Monate nach dem letzten Treffen sollten die Beteiligten wieder zusammen kommen und zurückblicken, was unterdessen alles um­gesetzt wurde. Es sollte geklärt werden, ob noch weitere Unterstützung zur Umsetzung der Pläne benötigt wird.

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