politik&kommunikation: Die drei Fragezeichen

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Der digitale Wahlkampf wird lokal

Warum wählen wir wen?

Was nach Volksparteien kommt

Die drei Fragezeichen Wer wird die neue Merkel?

Quadriga Media Berlin GmbH  ISSN 1610-5060  Ausgabe III/2021 — Nº 136 www.politik-kommunikation.de

Das ABC für Strategen


Zuversicht

Chancen

Fortschritt

Freiraum

Miteinander

Stabilität

Weil’s um mehr als Geld geht. Seit unserer Gründung prägt ein Prinzip unser Handeln: Wir machen uns stark für das, was wirklich zählt. Für eine Gesellschaft mit Chancen für alle. Für eine ressourcenschonende Zukunft. Für die Regionen, in denen wir zu Hause sind. Mehr auf sparkasse.de/mehralsgeld


ED ITOR IAL

KONRAD GÖKE ist Chefredakteur von politik&kommunikation.

MERKEL MUSS WEG

D

as ist keine Wutbürger-Forderung. Das ist eine Feststellung. Denn nach 16 Jahren zieht sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus der Politik zurück. Im selben Maße, wie den Wählern das dämmerte – nämlich dass Merkel nach der Bundestagswahl irgendwann gehen muss –, vollzog sich die wundersame Aufholjagd des Olaf Mer... Scholz. Verzeihung, vor lauter Rautenfotos im „SZ“-Magazin und „Die Kanzlerin und ich“-Floskeln im ersten TV-Triell kommt man immer wieder durcheinander, wer wer ist. Da hilft es auch nichts, dass Angela Merkel schließlich doch rhetorische Attacken gegen ihren Vizekanzler ritt und sich von ihm distanzierte – sogar in ihrer letzten Bundestagsrede der Legislatur. Dieser Wahlkampf ist anders. Die sozialen Medien nehmen immer breiteren Raum ein, während politische Diskussionen immer schneller immer mehr verknappen. Jochen König hat diese Trends für uns zusammengefasst (Seite 42). Über soziale Medien zeigt sich auch ein anderes Phänomen, das dem Wahlkampf eine gewisse Galligkeit zuführt: lustige, oft aber auch ziemlich gemeine Internet-Bildchen, auch als Memes bekannt. Marvin Neukirch verrät uns, was dahintersteckt (Seite 36). Um im steinigen Gelände des Wahlkampfs trittsicher zu bleiben, hilft das Wahlkampf-ABC, das Kampagnenexperte Kajo Wasserhövel launig für uns zusammengetragen hat – auch wenn in seiner ursprünglichen Fassung noch das „K“ (wie Kajo) fehlte. Er hat das dann mit „K“ wie „Kampagne“ nachgereicht (Seite 30). Um den Wahlkampf auch einmal ganz digital zu begleiten, haben wir das „Wahlcamp“ gestartet. Bis zur Bundestagswahl analysieren wir die Lage mit Gästen aus Poli-

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tik, Beratung und Lobby in Interviews, Podcasts und Gesprächsrunden. Dafür haben wir im Quadriga Forum in Berlin-Mitte eigens den Kabinettssaal aus dem Bundeskanzleramt nachbauen lassen. Die Formate finden Sie auf www.wahlcamp.de – und einige Eindrücke hier auf Seite 14. Sicher ist jedenfalls, dass sich im Bereich von Politik und Public Affairs nach dieser Wahl einiges verschieben wird. Die Menschen wünschen sich neue Parteien und einen neuen Politikertypus, weiß Zukunftsforscher Daniel Dettling (S. 62). Und schon jetzt wird deutlich, dass im Lobbyismus der gute alte Forderungskatalog zunehmend aus der Mode kommt und ersetzt wird durch das Anpacken von Zukunftsaufgaben, schreibt Hans F. Bellstedt (Seite 76). Wann Merkel dann wirklich weg muss, ist noch alles andere als sicher. Am Wahltag selbst werden wir ausweislich der aktuellen Umfragen wohl noch nicht erfahren, wer die Wahl wirklich gewonnen hat und wer mit wem regiert, befürchtet Eckhard Jesse (Seite 26). Es könnte deshalb sein, dass Angela Merkel uns noch einige Zeit erhalten bleibt. So können wir mit Günter Bannas noch einmal einen Blick auf ihr politisches Vermächtnis werfen, bevor es dann endgültig heißt: Merkel muss weg. Wenn Ihnen ein wichtiger Blickwinkel auf das Wahlkampfgeschehen fehlt oder Ihnen etwas aufgefallen ist, was Sie gerne teilen würden, dann freue ich mich immer über Experten und Fachfrauen, die ihre Erkenntnisse nicht für sich behalten, sondern für alle aufschreiben wollen. Meine E-Mail ist konrad.goeke@politik-kommunikation.de Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre. Und bitte bleiben Sie gesund! Konrad Göke

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I NH A LT

EINE KOMPLIZIERTE WAHL 24

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78 EIN VIRUS MACHT UNS BEINE

Wie Deutschland endlich seine Digitalisierung in den Griff bekommt von Martin Kaloudis

DAS ABC FÜR STRATEGEN 28 12 RESCHS RHETORIK REVIEW

Der Wahlkampf ist mit einem Wort zu beschreiben: Gähn! von Markus Resch

14 FOTOSTRECKE WAHLCAMP Impressionen aus dem Wahlcamp

20 P&K INSIDER TEIL 2

Wir stellen die übrigen Köpfe unseres neuen Beratergremiums vor

24 ES IST KOMPLIZIERT

Eine Vorschau auf die Bundestagswahl von Eckhard Jesse

28 DAS ABC FÜR WAHLKAMPFPLANER

Von „A“ wie „Attacke“ bis „Z“ wie „Ziele“ von Kajo Wasserhövel

34 WER DEN SCHADEN HAT

Politische Memes überschwemmen die sozialen Medien im Wahlkampf von Marvin Neukirch

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90 GLOSSE 64 DER EINFACHE WEG ZUM PERFEKTEN MATCH

40 DER DIGITALE WAHLKAMPF WIRD LOKAL

Wie Wahlkampfzentralen im Internet agieren von Jochen König

44 BITTE WEITERSAGEN

Wie Politiker Medien ihre Botschaft unterjubeln können von Hendrik Wieduwilt

50 WAHLGEHEIMNIS GELÜFTET

Warum treffen wir welche Wahlentscheidung? von Ursula Münch

54 STILBILDEND

Die Agenturauswahlprozesse von Behörden sind unnötig formalisiert von Benjamin Minack

68 DIE HARDCORE-AKTIVISTEN

Interview mit GreenpeaceKommunikationschef Jan Haase von Volker Thoms

74 HERAUSGEFORDERT

Warum Interessenvertreter weniger fordern und mehr anbieten sollten von Hans F. Bellstedt

1000 Mal gewählt: Der übervolle Bundestag 3 Editorial 5 Schnappschuss 6 Expertentipp 8 Pro & Kontra 10 Fragerunde 10 Floskelalarm 82 Bücher 87 Impressum 88 Ein Tag mit

INTERVIEW: JAN HAASE (GREENPEACE) 68

wie 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel die Politik in Deutschland verändert haben von Günter Bannas

60 WAS KOMMT NACH DEN VOLKSPARTEIEN?

Zukunftsparteien brauchen einen anderen Politikstil von Daniel Dettling

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S CH N A P P S CH U S S

BITTE RECHT FREUNDLICH

Dass Angela Merkel sich in vielen Bereichen gut auskennt, wissen wir. Schließlich hat sie als Kanzlerin ja auch Richtlinienkompetenz. Wie man hier sieht, beherrscht sie aber auch das richtige Lächeln für den Wahlkampf. Das fällt ihr nicht einmal auf die Füße, wenn es schelmisch ist. Parteifreunde könnten sich davon eine Scheibe abschneiden. Um es aber nicht zu übertreiben, ist die Maske schon wieder anlegebereit: So, genug Schabernack.

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EX PERT E N T IPP

WAHLKAMPFSCHMUTZ, VOLKSPARTEIEN, KLIMA

Carolin Zeller

Vizepräsidentin, Quadriga ­Hochschule Berlin

In diesem Bundestagswahlkampf wurde viel über Negative Campaigning geklagt. War der Wahlkampf besonders „schmutzig“?

Kristin Breuer

Geschäftsführerin Kommunikation, Verband Forschender Arznei­ mittelhersteller

Georg Milde Publizist

Frühere Wahlkämpfe waren sogar „schmutziger“, nur wurde dies damals ohne die sozialen M ​ edien weniger schnell und weit transportiert.

Analoger vs. Digitaler Wahlkampf: Hat der Wahlkampfstand ausgedient? Er wirkt vielleicht etwas altmodisch und bewegt auch keine Massen, aber diese Form des ​Dialogs kann keine digitale Plattform jemals ersetzen.

Werden viele Minister aus Merkels letztem Kabinett auch künftig politische Führungsrollen einnehmen?

Im Gegenteil: Ohne klassisches Canvassing würde eine Lücke klaffen – bei Mobilisierung und ​ direktem Austausch.

Sicherlich nicht viele. Allerdings wird auch in einer neuen Regierung eine der jetzigen ​​ Regierungsparteien vertreten sein. Eine kleine personelle Überlappung ist zu erwarten.

Soll man für Ungeimpfte mit dem Aufheben der Maßnahmen länger warten als für Geimpfte und Genesene?

Dass man überhaupt über Lockerungen nachdenken kann, ist den Impfstoffen ​ und der Impfkampagne zu verdanken. Aber die Politik tut gut daran, sich für ​ ­Entscheidungen in dieser Richtung eng mit Epidemiologen abzustimmen.

Haben wir in Deutschland noch Volksparteien? Ja, im Moment haben wir noch Volksparteien.

Wer wird nächster deutscher Kanzler oder Kanzlerin? (Hier bitte mit einem Namen antworten)

Bleibt Merkel als Altkanzlerin medial präsent?

Bleibt der Klimawandel bis zum Wahltag das Thema Nummer eins?

Nach Afghanistan: Kann die Nato ihre Aufgaben noch erfüllen?

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Karl-Rudolf Korte

Professor für Politikwissenschaften, Universität Duisburg-Essen

Tanja Böhm

Managing Director Corporate Affairs, Microsoft Germany

Juri Schnöller

Mitgründer und Geschäftsfüh­rer, Cosmonauts & Kings

Wahlkampf 2021 ist integriert und denkt nicht in Kategorien analog und digital. Am Ende geht es darum, die Wähler dort abzuholen, wo sie über die Themen diskutieren.

Der Generationenwechsel hat begonnen. Zeit für neue Ideen, neue K ­ onzepte und einen neuen politischen Stil.

Miriam Hollstein Chefreporterin Politik, Funke-Mediengruppe

Hauptgeschäftsführer, GDV

Thomas Sigmund Leiter Hauptstadtbüro, „Handelblatt”

Wenn Corona keine dominante Rolle mehr spielt, erleben wir auch wieder den klassischen Straßenwahlkampf im großen Stil.

Schon allein, weil es vermutlich eine Dreier-Koalition geben wird und gar nicht mehr so ​viele Ministerämter pro Partei bleiben.

Das wäre ein „Impfzwang durch die Hintertür“. Das dritte G für getestet muss ​​meines Erachtens erhalten bleiben.

Schon, ja. Aber wir haben eine hohe Volatilität und damit keine klare Parteibindung mehr.

Jörg Asmussen

Die Ungeimpften müssen getestet sein.

Aber fragen Sie mich in fünf Jahren noch einmal.

Es wäre eine Wette, alles andere ist zum aktuellen Zeitpunkt unseriös, denn auch der Zweite k ​ ann ­Sieger werden, wenn er klug verhandelt.

Das wäre gut.

Es ist nicht das Thema Nummer eins, sondern der Vorsorgestaat

Als Gastdozentin an Universitäten. Davon abgesehen rechne ich mit einem recht radikalen ​Rückzug.

Das ist er schon jetzt bei vielen Menschen nicht (allein), sondern auch zum Beispiel ​Wohnen, Mobilität, Löhne.

Frau Merkel wird sich nicht völlig in die Uckermark zurückziehen.

Ja, und auch darüber hinaus.

Es gilt abgewandelt der alte Winston-Churchill-Spruch über die Demokratie: Die Nato ist ​ein Bündnis mit Defiziten, aber wir haben kein besseres. III/2021

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SPANNENDE GÄSTE IM WAHLCAMP Jede Bundestagswahl ist eine besondere Hochzeit der politischen Kommunikation. Für dieses Jahr hat sich p&k etwas Besonderes ausgedacht. Im „Wahlcamp“ sprechen wir mit spannenden Gästen aus Politik, Medien und Agenturen über den laufenden Wahlkampf. Dabei unterstützt uns die Agentur fischerAppelt. Viele interessante Besucher waren schon da – sie kommen als Polaroid-Schnappschüsse auf unsere „Wall of Fame“! Auf andere freuen wir uns noch. Hier sehen Sie einige Eindrücke mit Zitaten aus den Gesprächen der ersten Wochen. Sehen Sie auf www.wahlcamp.de alle Folgen.

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Steffen Bilger „Wir haben vor ein paar Jahren diesen Gesprächskreis zwischen CDU und Grünen wieder belebt. Das finde ich auch gut, weil die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch auf Bundesebene jetzt oder irgendwann dann mal in der Regierung zusammenarbeiten, ist natürlich gegeben.“

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Unser Technik-Mann Artur Erxleben verkabelt Katja Kipping, die ehemalige Parteivorsitzende der Linkspartei und aktuelle Spitzenkandidatin in Sachsen. Katja Kipping „Aber was ich für mich selbst sehr klar gemacht habe, ist, nichts ist schlimmer als ehemalige Vorsitzende, die noch so, wie der Trainer an der Seitenlinie dann kluge Hinweise geben.“

Marco Buschmann „Wir wollen so stark werden, dass man nicht gegen uns anregieren kann. Nicht um die schönste Braut zu sein, sondern weil das natürlich der stärkste Hebel ist, um von unserem Programm etwas umzusetzen.“

Unsere Gäste erhalten ein ­eigenes, eingerahmtes ­p&k-Cover. Hier freut sich Marco Buschmann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestags­ fraktion, mit p&kChef Konrad Göke (r.) über sein Exemplar. Die Schlagzeile dürfen die Gäste ausnahmsweise selbst bestimmen.

Conrad Clemens „Es ist der spannendste Wahlkampf, an den ich mich erinnern kann. Es ist plötzlich so, dass verschiedene Parteien gleichauf sind, dass wir unterschiedliche Personen haben, die Kanzler oder Kanzlerin werden können. So kurz vor der Wahl, so ein offenes Rennen, das ist sehr besonders.“

Markus N. Beeko, der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, amüsiert sich im Vorgespräch. Im Hintergrund steht unsere „Wall of Fame“ mit ­Polaroid-Fotos ­unserer Gäste. III/2021

Markus N. Beeko „Für uns ist die Herausforderung, dass wir im Tagtäglichen auch auf die Menschenrechtsverletzungen in den Gegenden der Welt hinweisen, die sonst in Vergessenheit geraten.“

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Jörg ­Schindler, Bundes­ geschäftsführer der Partei Die Linke, erklärt uns die Wahlkampfstrategie seiner Partei. Für Wahlkampfstimmung sorgen die Wahlplakate, die wir aufgehängt haben.

Nadine Schön „Ich bin ein totaler ‚Daten-Freak‘ und finde, dass wir grundsätzlich viel mehr und viel besser die Daten nutzen müssen, um die großen Herausforderungen, die wir haben, vom Klimawandel bis zu einer besseren Gesetzgebung tatsächlich zu realisieren.“

Conrad ­Clemens, der Bevollmächtigte des Freistaates Sachsen beim Bund, gibt sich die Ehre für ­einen Podcast, den wir im Kanal „wahlkampfpod­ cast.podigee. io“ hochgeladen ­haben.

Volker Wissing „Eine Partei legt Kernthemen fest, mit denen sie die Wählerinnen und Wähler ansprechen möchte. Und diese Themen, die kommunizieren wir in unterschiedlichem Wording, aber immer mit der gleichen Kommunikationsstrategie.“

Corinna Emundts „Wir hatten bisher einen Nicht-Wahlkampf. Von oben auf den großen inhaltlichen Wahlkampf geguckt, würde ich sagen, es gibt noch gar keinen. Wir hatten jetzt ganz lange ein Vorgeplänkel um Petitessen.“

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Konstantin Kuhle „Die Frage ist, ob das noch eine große Rolle spielt mit den Duellen und Triellen oder ob wir nicht längst in einer so dynamischen Parteiendemokratie sind, dass sich das eigentlich überholt hat.“

Seit einigen Wochen zeichnen wir unseren „Wahlkampfpodcast“ auf. Hier ­sprechen (v.l.) p&k-Chef­redakteur ­Konrad Göke, p&k-Heraus­ geber Torben Werner und Wahlkampfexperte Kajo ­Wasserhövel.

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Anke Domscheit-Berg „Ich habe sehr viel Sexismus in der Politik erlebt – in diesem Wahlkampf eher wenig. Aber es ist mir nicht egal, wenn das mit Annalena Baerbock passiert. Ich nehme das als Signal wahr, dass sich an alle politisch interessierten Frauen richtet, die die Botschaft bekommen, wenn du dich in die erste Reihe stellst, dann wirst du derart angepisst.”

Carsten Schneider „In den letzten drei Wochen die Strategie zu wechseln, ist wie in der 85. Minute von einer Fünfer- auf eine Dreierkette in der Abwehr umzustellen. Das ist meistens nie gut.“

Aus Lübeck ­besuchte uns der Nachwuchs­ politiker Tim Klüssendorf (SPD) für eine Podcast-Folge.

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P&K INSIDER

KLUGE KÖPFE p&k ist ein Magazin für Fachleute, die in der politischen Öffentlichkeit stehen, wirken und arbeiten. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir dafür den Input der Besten bekommen. Nur so können wir immer nah an den wichtigsten Themen und den spannendsten Personalien der Szene sein. Wir haben uns deshalb entschieden, ein Panel zusammenzurufen, das uns fach­ lich eng berät und auf dem Laufenden hält: die p&k-Insider. Sie helfen uns, die vollständigs­ ten Ranglisten zusammenzustellen, die neuesten Trends früh zu registrieren und die sach­ kundigsten Meinungen zu erfahren. Um breit aufgestellt zu sein, kommen sie aus den ver­ schiedensten Bereichen: Journalismus, Agenturen, Wissen schaft und Lobby. Heute stellen wir die ersten fünf dieser Runde vor, die schlussendlich elf Köpfe umfassen soll. Sie erzählen uns, wie der Wahlkampf ihre Arbeit verändert. Die erste Hälfte der Insider lernten Sie bereits in der letzten Ausgabe kennen. Hier kommt Teil zwei.

„DEFINITIV DER SPANNENDSTE WAHLKAMPF“

JURI SCHNÖLLER seit 2016 Geschäftsführer, Cosmonauts & Kings 2014 bis 2016 Head of Berlin Office, Campaigning Bureau 2014 Digital Lead Germany, Juncker for President

Das iPhone meldet sich mit Warnungen zur täglichen Screen Time und die häufigen Telefonate im Politikbetrieb ähneln der digitalen Version des Wiener Kaffeehaus um die Jahrhundertwende. Der Schlaf wird weniger – die Kampagnenintensität nimmt zu. Definitiv der spannendste Wahlkampf, den ich bisher erleben durfte!

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THOMAS SIGMUND seit 2013 Ressortleiter Politik und Leiter Hauptstadt­ büros, „Handelsblatt” 2011 bis 2013 stellvertretender Leiter Hauptstadtbüro, „Handelsblatt” 2004 bis 2013 Korrspondent, „Handelsblatt”

„IN DER POLITIK IST EIN TAG WIE EINE EWIGKEIT.“

Vor dem Wahlkampf bestimmten Debatten über Inhalte meine Arbeit in der Redaktion. Heute ist alles anders. Seit die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und die Kanzlerkandidaten Armin Laschet und Olaf Scholz von ihren Parteien auf Schild gehoben wurden, geht es vor allem um Nebensächlichkeiten. Das Belanglose beherrscht den politischen Diskurs. Plagiate, Nebentätigkeiten, Biografien und vor allem der Umgang damit. Zuletzt beschäftigte ich mich damit, dass die Kanzlerin sich im Bundestag um das sympathische Löffeltier, das Versuchskaninchen, kümmerte. Der Wahlkampf dreht sich um alles, nur nicht um das Wichtige. Dabei hätte die Kandidatin oder ein Kandidat nach 16 Jahren Angela Merkel die echte Chance, für etwas Neues zu stehen. Für die Zukunft hat aber keiner Zeit. Ansonsten starre ich wie alle anderen auf die schwindenden Umfragewerte der Union und frage mich, wie Kanzlerkandidat Laschet noch die Trendwende schaffen will. Es sind aber noch einige Tage bis zur Wahl und bis dahin gilt die politische Weisheit: In der Politik ist ein Tag wie eine Ewigkeit.

TERMINE UND ZEIT WERDEN KNAPPER.“

JÖRG ASMUSSEN seit 2020 Hauptgeschäftsführer, Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft 2016 bis 2020 zuletzt Head of M&A for Europe and Head of the Financial Institutions Group for Continental Europe, Investmentbank Lazard 2014 bis 2015 Staatssekretär, Bundesministerium für Arbeit und Soziales

In meinen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern und Spitzenbeamten und Spitzenbeamtinnen nehmen Umfragen und Personal- und Parteikonstellationen mehr Raum ein als sonst. Termine und Zeit werden knapper und die Spannung nimmt zu. Bis Sonntag, 18 Uhr.

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„EINE FALSCHE GESTE KANN KARRIEREN BEENDEN.“

MIRIAM HOLLSTEIN seit 2020 Chefreporterin Politik, Funke-Mediengruppe 2015–2020 Chefreporterin Politik, „Bild am Sonntag” 2001–2019 Politikredakteurin, „Welt”-Gruppe

Für Politikjournalistinnen und -journalisten sind Bundestagswahlen die Olympischen Spiele unserer Disziplin. Die Termine überschlagen sich und nun zeigt sich, wie gut das Netzwerk an Kontakten ist, welches man jahrelang gepflegt und gehegt hat. Das ist anstrengend, aber für uns Politiknerds auch eine unglaublich spannende Zeit. Nie kann man, wenn man nah genug dran ist, die Spitzenpolitik schonungsloser, aber auch verletzlicher erleben. Ein falscher Satz, eine falsche Geste kann Karrieren beenden, wer heute noch Spitzenkandidat ist, kann man morgen schon ein Niemand sein. Unsere Aufgabe ist – auch das mehr denn je – das kritische Hinterfragen, das Vermitteln zwischen dem, was da in der Politik passiert, und den Lebenswelten unserer Leser und Leserinnen. Die größte Gefahr in solchen Zeiten? Dass wir uns - getrieben von der Empörungsdemokratie – zu sehr auf kurzlebige „Skandale“ konzentrieren und dabei die Inhalte vernachlässigen.

P&K INSIDER

In der letzten Ausgabe haben wir bereits diese Insider vorgestellt:

Iris Bethge-Kraus Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB)

Ursula Münch Direktorin der Akademie für Politische ­Bildung

Volker Ratzmann Executive Vice President Corporate Public Affairs, Deutsche Post DHL Group

Janina Mütze Gründerin Civey

Bela Anda geschäftsführender Gesellschafter, Anda Business Communication

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Wir laden Deutschland

Willkommen im EnBW HyperNetz. enbw.com/WirLadenDeutschland


WAHLKAMPF VON A BIS Z Das Erste, was im Wahlkampf flöten geht, ist der wohltemperierte Plan. Der politische Gegner und etliche Zufälle wirbeln die besten Vorsätze durcheinander. Dagegen hilft das ABC für Strategen. VON KAJO WASSERHÖVEL

Chancenverwertung: Kein Wahlkampf ist eine Abfolge definierter Sequenzen. Jeden Tag passiert etwas Neues. Man muss es erkennen und konsequent nutzen. Wenn man dies immer wieder besser hinbekommt als die Konkurrenz, geht was.

Attacke: Offensiv sein ist besser als defensiv rumzuhängen. Und es macht mehr Spaß. Ein alter Kampagnenleitspruch ist „Go aggressively after your opponent!“. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Konkurrenz noch nicht stabil auf dem Platz ist.

Botschaft: Strateginnen fragen potenzielle Kandidaten gerne diese drei Sachen: 1. Warum kandidierst du? 2. Was willst du tun, wenn du gewinnst? 3. Wie willst du dafür werben? Wenn es darauf keine halbwegs vernünftige Antwort gibt, besser gehen.

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Druck aufbauen: Es gibt die berühmte Antwort Bobby Fischers auf die Frage, warum er Schach spielte (das war, bevor er verrückt wurde). Seine sehr, sehr, sehr böse Antwort war: „Ich liebe den Moment, wenn das Ego meines Gegners bricht.“ So gemein sind wir natürlich nicht. Aber ein bisschen Powerplay und den Willen, von Tag zu Tag mehr Druck aufzubauen, gehört nun einmal dazu.

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Echo: Die eigenen Botschaften brauchen ein Echo, sonst gehen sie unter. Entweder sorgt man vorher dafür, dass die neuen Ideen für den 15-Punkte-Planfür-was-auch-immer aufgenommen werden, oder morgen redet schon niemand mehr drüber.

Heimat: Wo kommt jemand her, was hat ihn oder sie geprägt? Über die Heimat und Herkunft erschließen sich viele Wählerinnen Spitzenkandidatinnen.

Freundlichkeit: Manchmal ist Freundlichkeit viel effektiver als die Attacke. Nicht umsonst sagen die Kanadier: „Kill with kindness“. Es ist zunächst sympathisch, freundlich zu sein. Wichtig ist, dass Freundlichkeit nicht als Mangel an Energie ausgelegt wird, sondern eben als Souveränität wahrgenommen wird.

G8: Gut, geht nicht immer. Aber Deutschland ist keine Insel, und die Wählerschaft will sicher sein, dass ihre Kanzlerin sich nicht blamiert. Trittsicherheit auf dem internationalen Parkett ist eine der wesentlichen Qualifikationen, die gesehen und geglaubt werden müssen.

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Initiative: Im Schach wichtig und im Wahlkampf erst recht. Es gibt keine Verlängerung, und ab einem bestimmten Tag arbeitet man auch gegen die Uhr. Man hat einfach keinen Monat, keine Woche, keinen Tag zu verschenken. Also immer schön die Initiative behalten.

Jubel: Erfolgreiche Wahlkämpfe sind kein Trauermarsch, sie machen Spaß – okay, manchmal muss man sich den Spaß eben selbst machen und die Erfolge feiern. Laut und deutlich. Die Konkurrenz wird es sicher nicht tun.

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WER DEN SCHADEN HAT Politische MEMES überschwemmen die sozialen Medien im Wahlkampf. Ihre Macht liegt in ihrem Spaßfaktor. Parteien können sich daran aber auch die Finger verbrennen. VON MARVIN NEUKIRCH

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ls Armin Laschet lachte, während im Vordergrund Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede hielt, passierte zunächst: nichts. Medien berichteten unaufgeregt vom Besuch des Unions-Kanzlerkandidaten im Flutgebiet. Dann entdeckte jemand den feixenden Kanzlerkandidaten der Union im Hintergrund des Videos der Steinmeier-Rede, vergrößerte den Bildausschnitt und stellte ihn ins Netz. Viele schimpften, der Ministerpräsident mache sich über die Flutopfer lustig (was natürlich Unsinn ist). Andere interessierte das gar nicht. Sie kopierten den fröhlichen Laschet in andere Bilder, interpretierten sein Lachen als Reaktion auf völlig andere Kontexte mit Bildbeschriftungen: „Wenn du dich an einen Witz von Hans-Georg Maaßen erinnerst.“ „Wenn die Lehrerin sagt, wer noch einmal lacht, fliegt raus.“ Oder voll auf die Zwölf: „Und dann sagte ich denen: ‚Klar kann ich Kanzler‘.“ Natürlich war Laschets Lachen aus dem Kontext gerissen. Darum geht es hier. Aus Laschets Lachen wurde ein Meme. Der Begriff Meme leitet sich vom griechischen Wort „mimema“ ab. Es bedeutet so viel wie „etwas Nachge-

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ahmtes“. Dieses Kultur- und vor allem Jugendphänomen beschreibt einen Medieninhalt – meist ein einfaches Foto –, der vielfach reproduziert und abgeändert wird. Dabei fügt ein Scherzbold meist ein Textfeld hinzu, das die ursprüngliche Bedeutung der Vorlage in einen anderen Kontext setzt. Memes verbreiten sich schnell, weil sie so vielfältig sein können und auf die unterschiedlichsten Situationen anzuwenden sind. Ein klassisches Beispiel sind sogenannte „reaction pics“: Fängt ein Foto auf besonders hübsche Weise eine Reaktion wie Überraschung, Ärger oder Belustigung ein, kann man das auf einen neuen Sachverhalt beziehen – so geschehen mit Armin Laschets schelmischem Grinsen. Ob eine Privatperson, ein Filmoder Seriencharakter oder eine prominente Persönlichkeit – prinzipiell kann alles und jeder zum Meme werden. Heute gibt es unzählige Programme, in denen vorgespeicherte, häufig genutzte Fotos einfach mit einem Text verziert werden können. So eroberten die Memes das Internet im Sturm. Heute sind sie aus der Internetkultur nicht mehr wegzudenken. Auch im politischen Raum hat wohl jeder mindestens eines davon geteilt. Alles, was die (junge) Gesell-

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DER DIGITALE WAHLKAMPF WIRD LOKAL Algorithmen, Messenger und digitaler Medienkonsum prägen die politische Meinungs- und Willensbildung im aktuellen Bundestagswahlkampf. Die Wahlkampfzentralen haben das erkannt und sich neu aufgestellt. Höchste Zeit, dass diese Kompetenz auch in der Fläche ankommt. VON JOCHEN KÖNIG

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ie Coronapandemie hat den Trend zum digitaarbeit mit Influencern, Großveranstaltungen via Zoom len Wahlkampf im Superwahljahr 2021 beschleuund den Einsatz von Messengern wie Whatsapp und Telenigt. Zwar sind die Marktplätze wieder teilweise gram. Die Parteien haben verstanden: Der digitale Wahlgefüllt, und die Infostände der Kandidierenden kampf ist ein zentraler Erfolgsfaktor und muss professiowerden Wochenende für Wochenende aufgenell betrieben werden. baut. Aber die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen: Parteien und Kandidierende sind dazu gezwungen, Wähler digital Investitionen, Kompetenz, Twitter zu erreichen. Die politische Meinungs- und Willensbildung findet immer mehr in der digitalen Öffentlichkeit Drei Trends lassen sich in den Wahlkämpfen des Superstatt. Laut einer aktuellen Analyse von Forsa und der Uniwahljahrs identifizieren: Erstens haben Parteien in die versität Hohenheim nehmen 49 Prozent der Befragten die digitale Infrastruktur investiert, um Kandidatinnen und Wahlkämpfer vor Ort für den digitalen Wahlkampf und Parteien und Kandidaten via Social Media oder über digidie Kampagnen zu befähigen. Dazu gehört, dass Parteien tale Werbeanzeigen wahr. Damit legt digitale Wahlwerdigitale Inhalte zur Verfügung stellen, Vorlagen und bung insgesamt zu, liegt noch hinter Wahlplakaten (56 Prozent), aber bereits knapp vor TV-Spots (48 Prozent). Sharebild-Generatoren entwickelt haben, Zielgruppen Parteien nutzen mittlerweile eine große Palette an mit Kandidierenden teilen und Updates zum Verlauf der digitalen Kanälen, um die Wählerschaft zu erreichen: Kampagne versenden. Fast alle haben auf den gängigen Social-Media-PlattforZweitens ist die größte und signifikanteste Neuerung men einen eigenen Account, moderieren die Kommenin diesem Superwahljahr der massive digitale Kompetenztarspalten, arbeiten teilweise mit Social-Media-Agentuzuwachs der Kandidaten und Wahlkämpferinnen vor Ort. ren zusammen, betreiben gezieltes Targeting, messen Zum einen hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass Aktivitäten und Reaktionen der Community und passen Kandidierende und Kampagnen vor Ort stärker auf Social ihre Inhalte entsprechend an. Neben Media gesetzt haben. Auf der anderen der Ausspielung von politischen Wer- „ Der digitale Wahlkampf Seite führt auch die jüngere Altersstrukbeanzeigen gibt es weitere Ansätze wie ist ein zentraler Erfolgs- tur der Kandidierenden dazu, dass der Partei-Apps, außerdem die Zusammenfaktor.“ digitale Schwerpunkt zunimmt. Des 40

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