pressesprecher 2/2021: Kreativität

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Quadriga Media Berlin GmbH

Ausgabe 2/21

www.pressesprecher.com

Wir brauchen noch ein Cover.

Was ist euer Thema? Kreativität. Hmm. Schick mal ein Briefing.

Keine Ahnung. Macht halt was Kreatives.

Done.

Angespannte Situation Mit welchen kommunikativen Herausforderungen die Uniklinik Essen konfrontiert ist.

Gegen die Angst Wie Unternehmen Vertrauen in neue Technologien aufbauen können.

Erstaunlich robust Die Kommunikations­branche kommt bisher gut durch die Krise. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt.


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E D I TO R I A L

KOM Die erste Ausgabe des „pressesprecher“ erschien im Dezember 2003. „Beruf Pressesprecher“ lautete der Titel. „Wer hat den interessantesten Job? Wer macht die beste Arbeit? Wer bekommt das meiste Geld?“ So stand es auf dem Cover. Bildlich unterstrichen wurde das Ganze durch ein Foto mit vielen Mikrofonen. So war das vor 17 Jahren: Ein Pressesprecher musste mit der Presse sprechen. Der „pressesprecher“ bekommt einen neuen Namen. Ab der Juli-Ausgabe werden wir zu „KOM“. Der bisherige Untertitel „Magazin für Kommunikation“ bleibt bestehen. Layout und Struktur erfahren einen sanften Relaunch. Einige Rubriken werden sich ändern. Wir wollen mehr Flexibilität bei der Covergestaltung. Auch die Adresse der Website wird angepasst. Sie finden uns im Internet ab Juli unter www.kom.de. Wie bisher werden sechs Ausgaben pro Jahr erscheinen. Unser Anspruch bleibt, auch bei „KOM“ die für Ihren Arbeitsalltag relevanten Themen und Trends aufzugreifen. Wir werden weiterhin aktuelle Entwicklungen der Branche analysieren, relevante Akteure vorstellen und in Meinungs- und Gastbeiträgen Inspiration für den beruflichen Alltag von Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen, Behörden, Verbänden, NGOs und Agenturen liefern. Public Relations, interne Kommunikation, Social Media, politische Kommunikation, Kampagnen und Digitales – in diesen Themenwelten werden wir uns bewegen. Natürlich wissen wir, dass viele von Ihnen an der Berufsbezeichnung „Pressesprecherin“ und „Pressesprecher“ hängen; dass Medienarbeit – also das Interwww.pressesprecher.com

agieren mit Journalist*innen – ein wesentlicher Teil Ihrer Tätigkeit ist. Wir sehen allerdings auch, dass sich Pressesprecher*innen immer stärker als Kommunikator*innen verstehen. Dieser Eindruck hat sich während der Corona-Zeit noch einmal verstärkt. Es handelt sich hierbei nicht um eine kurzfristige Entwicklung, sondern um eine nachhaltige. Kommunikationsverantwortliche sind längst auch für digitale und interne Kommunikation, Strategie, Events und Social Media verantwortlich. Werbung und Marketing verschmelzen zunehmend mit Öffentlichkeitsarbeit. Es geht um ganzheitliche Kommunikation. Mit unserem bisherigen Magazin-Titel schließen wir aus unserer Sicht zu viele Personen aus. Der neue Name „KOM“ trägt zudem der Entwicklung Rechnung, dass sich in der professionellen Kommunikation der Frauenanteil kontinuierlich erhöht. Beispiel: Die erste „pressesprecher“-Ausgabe zeigte 2003 eine Übersicht mit den Kommunikator*innen der 30 wichtigsten Unternehmen. Lediglich vier waren Frauen. In unserer Dax-30-Übersicht in der letzten Ausgabe hatten von den 30 Unternehmen immerhin zwölf Kommunikationschefinnen. Unter dem Gesichtspunkt, eine inklusive und geschlechtergerechte Sprache verwenden zu wollen, ist der Titel „pressesprecher“ sowieso nicht mehr zeitgemäß.

Volker Thoms, Chefredakteur 3


I N H A LT

3 Editorial 6 Sprecherspitze 70 Kolumne 71 PR-Bild Award 72 Sprecherkarte 73 Impressum 82 Social Media / Feedback KO M M E N TA R

7

Ganz oder gar nicht Angela Merkel erhielt viel Respekt, als sie sich kürzlich entschuldigte. Um Verzeihung bitten von Unternehmen ist oft wenig glaubhaft.

SZENE

8 Abschied von Siemens

14

Volker Stollorz leitet das Science Media Center. Im Interview spricht er darüber, was für ihn gute Wissenschaftskommunikation ausmacht.

Clarissa Haller ist nicht mehr Kommunikationschefin des Technologiekonzerns.

9 Merkwürdige Strafe Ein Fußballtrainer sollte als Strafe für Fehlverhalten ein Frauenteam trainieren. DFBChefkommunikatorin Mirjam Berle regte das auf.

10 Angespannte Lage Die Uniklinik Essen behandelte mehr als 2.100 Corona-Patienten. Eine Ausnahmesituation auch für die Kommunikationsabteilung.

12 Vertrauensschaden Der Corona-Impfstoff von AstraZeneca hat kein gutes Image. Wie kam es dazu? I M W ORT L AUT

32

Kommunikatorinnen und Kommunikatoren stellen Projekte vor, die sie für besonders kreativ und gelungen halten. 4

14 Wissenschaft Volker Stollorz leitet das Science Media Center. Wie bewertet er die Wissenschaftskommunikation in der aktuellen Krise?

MENSCHEN

20 Gegen die Langeweile Thomas Mickeleit war mehr als 14 Jahre lang Kommunikationschef bei Microsoft. Eine Herausforderung: nicht in Routine zu verfallen.

22 Auf der Schiene Tanja Kampa arbeitet für Alstom in Paris. Sie beschreibt eine Arbeitswoche mit einem Live-Event auf Linkedin. MEDIEN

24 Fernsehmarkt Annalena Baerbocks Interview bei ProSieben / Die „Welt“ eröffnet ein neues TV-Studio. K R E AT I V I TÄT

26 Kreativ oder nicht? Vier Kommunikationsverantwortliche erklären, warum Kreativität in ihrem Job wichtig ist.

28 Kreativität fördern Britta Poetzsch ist Chief Creative Officer in einer Werbeagentur. Ein Interview über Kreationsprozesse und die Rolle von Führungskräften.

32 Schöne Kampagnen Beispiele für Projekte, die Kommunikator*innen aus Unternehmen und Agenturen für besonders gelungen halten.

36 Rede auf Distanz Rhetorik-Experte Michael Rossié beschreibt, wie Reden auch im digitalen Raum kreativ sein können. März / April 2021

Fotos: privat, Wildlife Watch

Inhalt 2/ 2021


I N H A LT

40 Mystery-Schokolade Ritter Sport behauptete, eine Schokolade dürfe nicht Schokolade heißen. Das stimmte zwar nicht, brachte aber reichlich Berichterstattung.

62 Statusspiele Der Status prägt die Kommunikation eines Menschen. Führungskräftecoach Tom Schmitt über Lässigkeit, willkommene Aggression und Machtquellen.

PRAXIS

AGENTUREN

44 Gegen die Angst

66 Fragebogen

Künstliche Intelligenz, 5G, Flugtaxis: Neue Technologien lösen häufig Sorgen aus. Für Unternehmen bedeutet das, Vertrauen aufbauen zu müssen.

50 Urlaubsstimmung? Inwieweit Sommerurlaub möglich sein wird, ist unklar. Die Unterkunftsvermittler HomeToGo und Airbnb setzen in ihrer PR auf Daten und Inspiration.

54 Marken im Podcast Der Audio-Trend ist ungebrochen. Wie Unternehmen Podcasts in ihre Kommunikationsstrategie integrieren können. KARRIERE

Romina Gerhards von Hill+Knowlton Strategies über Agenturen, ihren Job und gutes Storytelling. BÜCHER

67 Blick auf sich selbst Jeanne Wellnitz rezensiert Till Raethers Buch „Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben?“.

40

Ritter Sport behauptete, eine Schokolade dürfe nicht Schokolade genannt werden. Das stimmte nicht. Wie ist die Mystery-Aktion zu bewerten? Warum funktionierte sie so gut?

WISSENSCHAFT

68 Etwas Unterhaltung Chiara Schäfer hat analysiert, welche Erwartungen Jugendliche und junge Erwachsene an Wissenschaftsformate haben.

50

Der Sommerurlaub rückt näher. Eigentlich. HomeToGo und Airbnb wollen mit Daten-PR und Inspiration die Lust am Reisen hochhalten.

58 Erstaunlich robust

Fotos: Ritter Sport, Airbnb

Der Arbeitsmarkt für die Kommunikationsbranche zeigt sich in der Krise widerstandsfähig. Warum ist das so?

74 Verband BdKom-Forum, Sommerakademie, Neumitglieder, Fragebogen. www.pressesprecher.com

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Foto: Zeit Online

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KO M M E N TA R

Ganz oder gar nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt viel Respekt, als sie sich für die Osterruhe entschuldigte. Wenn Unternehmen eine Entschuldigung lediglich für PR in eigener Sache nutzen wollen, können sie sich ihr „Sorry“ gleich sparen.

Foto: Picture alliance/dpa/AFPPool/Stefanie Loos

Von VOLKER THOMS

Ende März hat Angela Merkel eingeräumt, dass der Beschluss der sogenannten Osterruhe zu nächtlicher Stunde im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz ein Fehler war. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung“, sagte sie. Sie bitte „alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung“. Dafür erhielt sie viel Respekt. Immer wieder kommt es vor, dass auch Unternehmen um Entschuldigung bitten. „Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen“, schrieb Adidas, nachdem sich der Sportartikelhersteller massiver Kritik ausgesetzt sah, weil er während der Coronakrise Mietzahlungen aussetzen wollte. Die Kosmetikkette Douglas wollte während des zweiten Lockdowns Läden zu Drogerien umetikettieren. „Wir bitten diejenigen um Entschuldigung, die wir mit unserem Vorgehen befremdet oder www.pressesprecher.com

vor den Kopf gestoßen haben“, sagte Douglas-Chefin Tina Müller nach dem öffentlichen Aufschrei. Alle Läden mussten dann doch schließen. Volkswagen entschuldigte sich 2020 für ein rassistisches Werbevideo. Daimler bat 2018 um Verzeihung, weil es auf Instagram den Dalai Lama zitiert hatte. Die Deutsche Bank entschuldigte sich 2017 für „Altlasten“, die den Aktionär*innen viel Geld kosteten. Entschuldigungen machen nur dann Sinn, wenn sie glaubwürdig rüberkommen. Anderenfalls können sie sogar weiteren Schaden anrichten, wenn die Öffentlichkeit dem Unternehmen ein „Sorry“ nicht abnimmt, weil es wie PR in eigener Sache aussieht. Eine Entschuldigung wirkt überzeugend, wenn sich Unternehmen darum bemühen, einen Schaden wieder gutzumachen. Platt gesagt: Wer illegal 1.000 Bäume gefällt hat, sollte auch 1.000 Bäume wieder auf-

forsten. Manchmal begehen Mitarbeitende Fehler, für die das Unternehmen als Gesamtes nichts kann, aber verantwortlich ist. Eine Entschuldigung von Seiten der Firma ist dann angebracht. Sie sollte bei schweren Verstößen aber auch mit personellen Konsequenzen einhergehen. Daran mangelte es bei Volkswagens Entschuldigung für das rassistische Werbevideo. Persönlich verantwortlich sein wollte niemand. Für Unrechtsbewusstsein spricht das nicht. Wenn man aus Profitinteresse einen Schaden für die Gesellschaft, Kunden oder Wettbewerber billigend in Kauf genommen hat, ist eine Entschuldigung wenig überzeugend. Ist das Topmanagement involviert, ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen vor einer Entscheidung potenzielle Risiken abgewogen hat. Den Versuch, mit etwas Illegalem oder moralisch Fragwürdigem durchzukommen, muss man deshalb so interpretieren, dass die Öffentlichkeit getäuscht werden soll. Eine Entschuldigung kann sich ein Unternehmen dann sparen. Es ist offenkundig, dass sie nur erfolgt, um den Imageschaden kleinzuhalten. So wirkte es bei Douglas. Man wollte schauen, ob der Drogerie-Etikettenschwindel von der Öffentlichkeit akzeptiert wird oder nicht. Auch bei Adidas müsste den handelnden Personen klar gewesen sein, dass das Aussetzen von Mietzahlungen keine Akzeptanz findet, wenn man jahrelang Milliardengewinne erwirtschaftet hat. Bei Angela Merkel ist davon auszugehen, dass die Osterruhe die Infektionszahlen senken sollte. Doch die wenig durchdachte Maßnahme diente ebenfalls dazu, nach stundenlangen Verhandlungen nicht ergebnislos dazustehen. Taktische Überlegungen spielten eine Rolle. Die Entschuldigung war trotzdem glaubwürdig, weil die Bundesregierung die Osterruhe gestrichen hat und ein Schaden noch nicht entstanden war – den Schaden für das Ansehen der Politik einmal ausgeklammert. × 7


SZENE

Sichtbar wie nie zuvor Das Universitätsklinikum Essen hat bisher rund 2.100 mit dem Coronavirus infizierte Menschen behandelt. Wie geht die Kommunikationsabteilung mit dieser Ausnahmesituation um? Die Einschätzung von Expert*innen des Klinikums zur Lage ist aktuell sehr gefragt.

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Indikator ist, um zu bewerten, ob Kontakt- und Hygiene-Maßnahmen verschärft werden müssen oder gelockert werden können. Die Uniklinik Essen hat gewarnt: Es seien nur noch sieben von 180 Intensivbetten frei, berichtete „dpa“. Der Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Essen, Professor Jochen A. Werner, wurde in dem Bericht mit den Worten zitiert, dass die Infektionszahlen dringend reduziert und das Impftempo erhöht werden müssten. „Sonst wirft uns die dritte Welle in den nächsten Wochen um“, warnte der Mediziner. Thorsten Schabelon bezeichnet die Situation „als angespannt“. Es herrsche eine „gewisse Unruhe, was noch kommen könnte“. Aktuell – Ende April – seien 40 Intensivbetten mit

„Das Medieninteresse ist nicht auf NRW beschränkt.“ Thorsten Schabelon

Covid-19-Patienten belegt. 41 war der Höchststand im Dezember 2020. Schabelons fünfköpfiges Kommunikationsteam erhält täglich etwa ein Dutzend Medienanfragen. Allein aus Zeitgründen könnten nicht immer alle bedient werden. „Aber die meisten erfüllen wir, das ist auch unser Anspruch“, sagt Thorsten Schabelon. Dabei wenden sich einige Journalist*innen auch direkt an die Professor*innen, die wiederum die Pressestelle informieren. Bei Fachthemen antworten die Mediziner selbstständig. Das Kommunikationsteam unterstützt in der Abstimmung und nimmt eine beratende Funktion ein.

Einblicke in den ­Klinikalltag geben Eine der eindrucksvollsten Reportagen über die Arbeit der Krankenhäuser in der Corona-Zeit lieferte die ARD mit ihrer „Story im Ersten. Auf der Covid-Intensivstation der Charité“. Es ist zu sehen, wie um jedes Leben gekämpft wird, wie schwer Verläufe sein können und wie gezeichnet einige der Behandelten nach Monaten in einer Klinik sein können. Auch das Uniklinikum Essen ermöglicht TV-Medien und Fotoagenturen immer wieder Einblicke in die Realität des Krankenhausbetriebs. „Ein Dreh auf der Intensivstation beeinflusst natürlich die März / April 2021

Fotos: 2x Universitätsklinikum Essen

Die Corona-Zeit zeichnet sich durch ein enormes Interesse von Medien und Öffentlichkeit an einem einzigen Thema aus. Groß ist zudem das Bedürfnis, sich an Expertinnen und Experten zu orientieren, die die sich ständig ändernde Situation einschätzen. Aus medizinischer Sicht ist längt nicht mehr nur die virologische Perspektive wichtig. Das Coronavirus mutiert. Impfstoffe und deren Nebenwirkungen gilt es zu bewerten genauso wie Langzeitfolgen wie Long Covid und die Situation in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen. Therapieansätze verändern sich. Die Studienlage ebenso. Zu den Institutionen mit disziplinübergreifender Expertise gehören die Universitätskliniken. Entsprechend hoch ist die Anzahl von Medienanfragen. Thorsten Schabelon, Leiter der Stabsstelle Marketing und Kommunikation am Universitätsklinikum Essen, erlebt das riesige Interesse jeden Tag. Die Uniklinik hat die höchste Zahl an CoronaPatienten in Nordrhein-Westfalen. Als der „presse­sprecher“ im Februar 2020 mit ­Schabelon sprach, hatte Essen selbst noch keinen Corona-Fall zu verzeichnen. Inzwischen wurden rund 2.100 Erkrankte in der Uniklinik behandelt. Für medizinische Fachleute und Politik steht fest, dass die Belegung der Betten auf den Intensivstationen ein


IM WORTLAUT

Fundierte Expertise liefern Wohl niemals zuvor diskutierten Medien, Forscherinnen und Forscher und Unternehmen wissenschaftliche Themen so kontrovers auf der großen Bühne. Wer gehört werden will, muss komplexe Themen einfach und verständlich erklären können. Wie lassen sich komplexe Wissenschaftsthemen vermitteln? Wie lassen sich Diskurse abbilden? Und was macht gute Experten aus? Das haben wir Volker Stollorz, Leiter des Science Media Center, gefragt. Interview: HEIKE THIENHAUS

Fotos: picture alliance/Westend61; privat

Herr Stollorz, auf der Website des Science Media Center steht: „Wenn etwas tagesaktuell Wichtiges passiert und Wissenschaft involviert ist, dann müssen Redaktionen und Medienschaffende in kürzester Zeit reagieren.“ Wie herausfordernd war das von Corona geprägte Jahr für Sie? Wir waren anfangs alle überfordert. Es gab eine Flut an schnellen Informationen und wissenschaftlichen Publikationen. Allein unter dem Stichwort „Covid-19“ erschienen in einem Jahr mehr als 120.000 wissenschaftliche Studien und fast 15.000 Preprints. Vieles davon mussten wir bearbeiten, damit die Journalistinnen und Journalisten das durchblicken. Das war ein Tsunami, der selbst Fachleute verunsicherte. Wie zeigte sich diese Verunsicherung? Keiner wusste, was dieses Weltereignis für uns alle bedeutet. Diese Unsicherheit, die ja innerhalb der Wissenschaften typisch ist, über die Pandemie wurde wie unter einem Brennglas für die breite Öffentlichkeit sichtbar: Ist Corona nur eine leichte Grippe oder schlimmer? Sind Kinder ansteckend oder nicht? Erkenntnisse, die zunächst galten, waren drei www.pressesprecher.com

Der 57-jährige Volker Stollorz wurde 2020 vom „Medium Magazin“ als Wissenschaftsjournalist des Jahres ausgezeichnet.

Wochen später obsolet. Das irritierte die Menschen, denen die Methoden der Wissenschaft nicht vertraut sind. Inwiefern unterstützen Sie die Journalisten bei einer derartigen Informationsflut? Wir haben uns auf die Sichtung der Publikationsflut konzentriert und für die Journalisten relevantes Material wie klinische Studiendaten oder Fachtexte vorsortiert. Wir fassten wissenschaftliche Publikationen zusammen und kommentierten die für die öffentlichen Diskussionen wichtigen Paper. Eigens für Corona-Publikationen haben wir ein Bewertungssystem mit ein bis drei Sternchen entwickelt. Das Science Media Center agiert wie ein Dienstleister für Journalisten, die sich mit wissenschaftlichen Themen beschäftigen. Wie arbeiten Sie konkret? Wir bedienen alle registrierten Journalisten zu Themen mit Wissenschaftsbezug – sei es Klima, Umwelt, IT, künstliche Intelligenz, Technologie, Energie, Medizin und Lebenswissenschaften. Wir liefern ihnen proaktiv und zeitnah Einschätzungen und Zitate aus der Wissenschaft. Die Themen bestimmen wir. Hierzu schicken wir ihnen drei- bis viermal pro Woche eine Info-Mail. Oder wir veranstalten sogenannte Press Briefings, die teils als Pressekonferenz oder in einer virtuellen Schalte stattfinden. Forschende stehen Journalisten dann exklusiv Rede und Antwort. Dazu bieten wir Fact Sheets mit Hintergrundinformationen zu Themen wie Thrombosen durch AstraZeneca-Impfungen: „Was ist eigentlich eine Thrombose? Wie entsteht sie? Wer ist betroffen?“ Oder wir liefern ihnen hochrelevante, noch nicht veröffentlichte Fachtexte sowie einordnende Experten-Statements – natürlich unter Embargo. Bis zur Freigabe. Auf welcher Grundlage entscheiden Sie, wann ein wissenschaftliches Thema relevant ist? Thematisch definieren wir zunächst Public Issues. Wir orientieren uns dabei an einem internen Kriterienkatalog, wo wir in öffentlichen Debatten einen echten Mehrwert liefern können. Wir äußern uns als Redaktion nur da, wo wir genaue Informationen haben und verlässliches Wissen mittels Exper15


IM WORTLAUT

duziere, mit denen ich den Menschen die Angst vor Nebenwirkungen nehme, kann das nach hinten losgehen. Warum? Es könnten doch unerwartete Nebenwirkungen auftreten.

ten liefern können. Wir sortieren eine Menge Themen aus. Bei uns sind wissenschaftliche Themen dann relevant, wenn sie für die Öffentlichkeit relevant sind. Oder bei der Klärung politischer Fragen, die einen Wissenschaftsbezug haben. Hier sehen wir einen erheblichen Orientierungsbedarf. Kurz gesagt: Wenn es knallt, helfen wir mit fundierter Expertise. Wie kommunizieren Sie komplexe wissenschaftliche Themen möglichst einfach? Ich halte es wie Einstein: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.“ Dafür sollte ich mir vorab die zentralen Säulen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse bewusstmachen: Komplexität, Unsicherheit und organisierte Skepsis. Es geht um das Einordnen in Zusammenhänge. Genau. Auch eine neue Studie kann stets nur ein Mosaikstein der wissenschaftlichen Erkenntnis sein. Gute Wissenschaftsjournalisten sollten neben der Fähigkeit, die richtigen Experten finden zu können, immer auch diese Unsicherheit und Vorläufigkeit der Forschung mit einfangen. Erst dann sollten sie vereinfachen. Welche Kriterien braucht es für eine anschauliche Wissenschaftskommunikation? Erklärungen, Metaphern und Bilder sind immer attraktiv. Aber: Wir wissen nicht viel darüber, wie solche Bilder auf die Menschen wirken. Menschen können vereinfachte Bilder auch immer falsch verstehen. Dieser „Easiness Effect“ kann gefährlich werden. Beispiel: Wenn ich über Impfstoffe rede und Bilder pro16

Wieder was gelernt: Wie verbreiten sich Aerosole in einem Raum? (Grafik: „Zeit Online“)

Haben Sie Beispiele für gelungene Wissenschaftskommunikation? Ich bleibe mal beim Journalismus. Im vergangenen Jahr zeigten einige überregionale Qualitätszeitungen wie „Süddeutsche Zeitung“ oder „Die Zeit“ erstaunliche Innovationen bei ihrer digitalen Präsenz. Da gab es Sternstunden des Wissenschaftsjournalismus mit visuell anregenden Daten, Grafiken und Erklärungen zu Daten. Die genannten Medien erzielten damit erhebliche Reichweiten. Und wer kommuniziert wissenschaftliche Themen besonders gut? Die Wissenschaftsjournalistin und Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim oder der Virologe Christian Drosten machen das sehr gut. Ob Mai Thi auf Youtube oder Christian Drosten in seinem Podcast – sie erklären anschaulich, nehmen sich die nötige Zeit für lange Strecken, um ihre Zuschauer oder Hörer mit in das Universum der Wissenschaften zu nehmen. Seien es zehn, 20 oder 30 Minuten. Kurze Statements sollte man sich als Wissenschaftskommunikator also sparen? Es ist ein Unterschied, ob ich in einer Talkshow sitze, ein Kurzinterview gebe oder einen Wissenschaftsartikel für die „FAZ“ schreibe. Komplexe Zusammenhänge aus der Forschung eignen sich eher nicht für 30-Sekunden-Statements – beispielsweise nicht bei der Frage, ob sich das Klima nun erwärmt oder nicht und woher man das weiß. Trotzdem müssen Wissensexperten in kürzester Zeit Statements vor der Kamera abliefern. Was raten Sie denen? Bei kurzen Interviews ist es erstens wichtig, sich vorab klarzumachen, was ich sagen will. Dann kann diese Botschaft auch als kurzes Statement funktionieren. Zweitens sollte ich erstmal erklären dürfen, in

„Komplexe Zusammenhänge aus der Forschung eignen sich eher nicht für 30-Sekunden-Statements.“ März / April 2021


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T I T E L K R E AT I V I TÄT

Ein bisschen Kreativität muss sein Welche Kampagnen und Projekte finden Kommunikationsverantwortliche eigentlich kreativ? Offenbar so einiges mit Tieren. Und Digitales. Die sieben von uns befragten Personen konnten eigene oder fremde Projekte nennen.

Virtuelle Safari als Schutz vor Wilderei

Fotos: Screenshots Wildlife-Watch, privat

Vor kurzem war ich im Balule Nature Reserve. Ich habe drei Zebras und mehrere Antilopen gesehen sowie Vögel und Moskitos gehört. Während draußen in München schon wieder Schnee fiel, durfte ich ein bisschen den Wilddieben im Kruger-Nationalpark auflauern. Herzklopfen inklusive. Dank Wildlife-Watch, einem Live-Stream Powered by Samsung Galaxy S20 FE, konnte ich mitten im dritten Lockdown nicht nur meine Sehnsucht nach einer Safari ausleben, sondern wusste, dass ich die Anti-Wilderei-Organisation Black Mamba unterstütze. Hierbei handelt es sich um eine kreative Produktkampagne und eine Purpose-Initiative im Doppelpack. Sie soll zwei Monate lang dabei helfen, die Aufmerksamkeit auf bedrohte Tierarten zu lenken. Sie wird das Leben der Wilddiebe mit Hilfe von Millionen von virtuellen Tierschützern schwerer machen. Parallel geht es auch darum, die Features der neuen Galaxy-Kamera bekannt zu machen. Dabei helfen auch die Live-Camera-Organisation Africam sowie die Influencerin Peggy Gou, eine DJane aus Berlin. Das Kreative an der Kampagne sind die Idee – einfach, ungewöhnlich und relevant –, die Kooperation von Gleichgesinnten mit unterschiedlichen Stärken und der Ansatz, Zuschauer*innen zu Unterstützer*innen für eine bessere Welt zu machen. Cornelia Kunze ist Gründerin und Geschäftsführerin bei der internationalen ­Kommunikationsberatung i-sekai.

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März / April 2021


T I T E L K R E AT I V I TÄT

„Mein Bruder hat ein neues Zuhause gefunden. In einem Medizinschrank.“

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Fotos: Omnia360, WWF, privat

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06.05.16 12:32

Hofrundgang in 360 Grad

Bildgewaltiges Out-of-Home

Ein besonderes kreatives Projekt durften wir im vergangenen Jahr für die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nieder­ sachsen e.V. umsetzen. Bei #MeetMuh konnten Familien in ganz Niedersachsen dem Corona-bedingten Lager­koller entfliehen und virtuell einen Milchbauernhof im Emsland ­bereisen. Ziel des Projekts war es, Bewusstsein für die moderne Milchwirtschaft zu wecken. Dafür lädt Landwirt Andreas zu einem digitalen 360-Grad-Hofrundgang ein und führte durch die verschiedenen Stationen wie Melken, Stall und Weide. In kleinen Videosequenzen erfahren die Zuschauenden Fakten über Kühe. Sogar ein Geburts-Video ist dabei. Wer innerhalb der Tour die richtige Anzahl an Milchprodukten zählt, konnte dabei eine Woche Urlaub auf einem ganz realen Milchbauernhof gewinnen. Das Projekt hat mich besonders begeistert, da es die Vorteile einer 360-Grad-Tour mit Augmented Reality verknüpft: Der virtuelle Hofrundgang wurde über Brötchentüten beworben, die sich mit dem Smartphone zum Leben erwecken ließen und das Maskottchen Muh direkt nach Hause an den Frühstückstisch brachten.

„Das geht nicht“ oder „das können wir nicht machen“ hören viele Kommunikatoren und Marketeers sicher immer wieder von ihren Vorgesetzten oder sie sprechen diesen Satz selbst aus. Wenn die Antwort dann „ja“ oder „stimmt schon“ ist, dann ist das in der Regel der größte Killer für Kreativität. Meine Antwort lautet von daher eher: „Okay, und was machen wir weiter? Wo überall können wir die Idee ausspielen?“ Man kann dann förmlich die Begeisterung der Kollegen spüren. Ja, mit diesem Mut fällt man auch mal auf die Nase! Aber man kann auf der anderen Seite auch viel positive Reichweite erzielen und nebenbei sogar noch Awards abräumen. Gerade NGOs beweisen hier oft den größten Mut. Oft ja auch aus der Not heraus. Denn die Spendengelder sollen schließlich nicht primär in die Werbung fließen, sondern in die Projekte. Meine persönlichen Kreativitätslieblinge finde ich oft im Out-of-Home – sprich auf Plakaten, wenn das Ganze durch eine ganzheitliche Kommunikation (Print, Video, PR) rundgemacht wird. Ich mag sehr, was der WWF macht, weil die Kommunikation in der Regel sehr bildgewaltig ist und zum Nachdenken anregt. Auf der anderen Seite geht der WWF in der Detailargumentation aber auch immer auf Lösungen und Ideen zur Verbesserung der Lage ein und kritisiert nicht nur stumpf.

Claudia Kiani verantwortet Marketing und PR bei der auf Virtual Reality spezialisierten Agentur Omnia360. Sie ist gleichzeitig Geschäftsführerin.

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Daniel Brandt ist Senior Communications Manager bei Vion.

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T I T E L K R E AT I V I TÄT

Mystery-Schokolade Ritter Sport verbreitete die Meldung, dass seine neue Schokolade nicht Schokolade genannt werden dürfe. Das stimmte nicht. Wieder mal stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Antäuschaktion kreative PR oder plumpe Irreführung ist.

Von CAROLIN SACHSE-HENNINGER

Von der Tafel „Cacao y nada“ hat Ritter Sport rund 2.300 Tafeln produziert. Verknappung weckt Begehrlichkeit.

Wenn ein Reptilienpark ankündigt, künftig das Schwimmen mit Krokodilen zu erlauben, ist klar: Das kann nur ein Aprilscherz sein. Immer wieder regt der 1. April PR- und Marketing-Abteilungen zu mehr oder weniger kreativen Höchstleistungen an. Nicht immer geht das gut, wie jüngst der Fall Volkswagen in den USA zeigte: Erst „leakte“ der Autohersteller, sich in „Voltswagen“ umbenennen zu wollen, schob dann eine offizielle Pressemitteilung hinterher, um das Ganze nach Unruhen an der Börse schließlich als Aprilscherz aufzulösen. Ergebnis: verärgerte Medien, verstimmte Anleger*innen, verständnislose Kund*innen. Falsche Behauptungen, 40

wenn auch scherzhaft gemeint, können nach hinten losgehen. Wenige Wochen vorher gab es einen ähnlichen Fall, der anfangs in die Irre führte. Der Schokoladenhersteller Ritter Sport lancierte in der „Bild“-Zeitung die Meldung, dass seine jüngste Kreation „Cacao y nada“ („Kakao und nichts“) nicht Schokolade genannt werden dürfe. Das Problem: Die Tafel sieht aus wie Schokolade, schmeckt auch wie Schokolade, bezieht ihre Süße aber nicht aus Zucker oder einem herkömmlichen Substitut, sondern ausschließlich aus dem Saft der Kakaofrucht. Eine Innovation, die mit dem geltenden Lebensmittelrecht nicht zu vereinbaren sei,

wonach Schokolade zwingend aus Kakao und einer Zuckerart bestehen müsse, sagte der Hersteller. Die „Bild“Zeitung titelte pointiert: „SchokoladenSchwachsinn des Jahres.“ Die Meldung fand ihren Weg über „dpa“ in zahlreiche Leitmedien – von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bis zum „Spiegel“. Selbst die ZDF-Kindersendung „Logo“ beschäftigte sich mit der Meldung. Zusätzlich gab es eine Pressemitteilung des Schokoladenkonzerns, in der Geschäftsführer Andreas Ronken das Lebensmittelrecht als „absurd“ kritisierte und wetterte: „Wenn Wurst aus Erbsen sein darf, braucht Schokolade keinen Zucker. Aufwachen!“ Die EmpöMärz / April 2021


T I T E L K R E AT I V I TÄT

rung des Unternehmens bestimmte den Tenor der Medienberichte. Bis sich Bundesernährungsminis­ terin Julia Klöckner einschaltete. Der „Wirtschaftswoche“ erklärte sie, aus Sicht ihres Ministeriums dürfe die „Kakaofruchttafel“ sehr wohl Schokolade heißen, denn die zuständige Zuckerarten-Verordnung führe nicht abschließend alle Zuckerarten auf. Folgerichtig könnte auch natürlicher Kakaosaft als Zuckerart gelten. Die Geschichte von der Schokolade, die keine sein darf – alles nur ein Scherz, ein gelungener PR-Stunt? Redaktionen, darunter „dpa“, sahen sich jedenfalls zu Korrekturen genötigt, das Medien-Portal „Übermedien“ rollte den Fall auf. Fake-News-Vorwürfe gegen Ritter Sport wurden laut. Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR), prüfte als PR-Selbstkontrollorgan den Fall.

Schuldige auf allen Seiten Das Branchenblatt „Meedia“ mahnte, die Pressemitteilung als Stuntmedium zu missbrauchen, könne „das Vertrauen der Medienmacher in die PR-Arbeit dieses Unternehmens massiv erschüttern“. Die Rhetorik des Unternehmenschefs, der „das Klischee der handlungsunfähigen und inkompetenten“ Politik und Gesetzgebung bediene, sieht das

„Was wir kommunizieren, entspricht den Tatsachen.“ Petra Fix, Ritter Sport

Medium gar gefährlich nahe am Narrativ der „Querdenker“-Bewegung. Der PR-Ethikrat sah vor allem die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. „Mit fünf Minuten intensiver Recherche hätte man in Redaktionen herausfinden können, dass das so nicht sein kann. Für uns ist das eher ein Fall für den Presserat“, sagt Uwe Kohrs vom Deutschen Rat für Public Relations. Recherchen waren unzureichend. Von einer Rüge sah der PR-Ethikrat ab. „Es war relativ klar, dass es sich bei

dem Fall um eine Mystery-Aktion handelte“, erklärt Kohrs. Sogenannte Mystery-Aktionen – also mit einem provozierenden Narrativ Aufmerksamkeit zu erzielen –, seien grundsätzlich in Ordnung, solange diese zeitnah aufgedeckt würden. Im Fall von Ritter Sport sei dies geschehen, stellt Kohrs fest, „egal, wer die Aufklärung veranlasst hat“. Kohrs’ Kollege und DRPR-Vorsitzender Lars Rademacher lobte gar in einem Interview die Kreativität von Ritter Sport: „Das war sehr geschickt konstruiert. Ein Hoch auf die PR-Frau, die das erfunden hat.“

„Hier wurde nichts erfunden“

Fotos: 2x Ritter Sport, privat

„Für uns ist das eher ein Fall für den Presserat“ Uwe Kohrs, PR-Rat

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Die Angesprochene kann weder mit dem Lob noch mit Fake-News-Vorwürfen etwas anfangen. Petra Fix, die Leiterin der globalen Nachhaltigkeitskommunikation von Ritter Sport, stellt im Gespräch klar: „Hier wurde nichts erfunden. Was wir kommunizieren, entspricht den Tatsachen.“ So eindeutig, wie es scheint, ist die Angelegenheit nicht. Ob Kakaosaft eine Zuckerart im Sinne der Kakao-Verordnung ist oder nicht, wird in Fachkreisen diskutiert. Rechtssicherheit gibt es aktu41


PRAXIS

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März / April 2021


PRAXIS

Ab 2025 sollen alle Bosch-Produkte über KI verfügen oder mit ihrer Hilfe entwickelt oder hergestellt werden.

Lust machen auf neue Technologien Wenn es um technischen Fortschritt geht, entstehen bei vielen Menschen Ängste, ob das Neue beherrschbar ist oder ob es Risiken mit sich bringt. Wie gehen Unternehmen damit um, wenn sie Technologien einsetzen, die an ­Science‑Fiction erinnern?

Von MIRJAM STEGHERR

Foto: Martin Stollberg

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Winston Smith ist eine Legende: Fast jeder kennt ihn. Kaum einer erinnert sich an ihn. Dabei hat er bis heute großen Einfluss darauf, wie wir über Zukunft diskutieren. Smith ist Hauptprotagonist von „1984“, dem Science-Fiction-Klassiker von George Orwell. Der Roman zeichnet das düstere Bild eines Überwachungsstaats, das oft auftaucht, wenn es um den potenziellen Missbrauch von Technik geht. Im US-Wahlkampf warnte Bernie Sanders davor, dass die Gesichtserkennung ermögliche, was Winston Smith erlitt: totale Kontrolle durch Technik. Und die EU-Kommission will zumindest zum Teil verhindern, dass die Dystopie Wirklichkeit wird, indem sie der Gesichtserkennung Grenzen setzt. Wenn es um die Zukunft von Technologien geht, gibt es in der Regel schon einen Science-Fiction-Film oder -Roman, der diese Zukunft skizziert. Das wirkt sich auch auf die Kommunikation von Neuem aus, insbesondere bei künstlicher Intelligenz (KI). Science-Fiction-Geschichten über KI enden für Menschen oft schlecht: Entwickelt, um ihnen zu helfen, übertrumpfen oder eliminieren die Supercomputer am Ende ihre Schöpfer, wie HAL in Stanley Kubricks Weltraum-Odyssee. Für 45


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Krisenfester als erwartet

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Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt für Kommunikationsverantwortliche? Welche Branchen stellen ein und welche nicht? Welche Fähigkeiten sind gefragt? Die RecruitingSpezialisten GK Unternehmens- und Personalberatung, Schuhmann Personalberatung und PRCC geben Antworten.

März / April 2021


KARRIERE

Die Coronakrise hat die Wirtschaft in Deutschland unterschiedlich hart getroffen. In Gastronomie, Tourismus und Teilen des Einzelhandels sieht es abgesehen von einer kurzen Phase im Sommer 2020 seit mehr als einem Jahr sehr schlecht aus. Kultur und der EventBranche fehlt es ebenfalls an Planungssicherheit. Viele Mitarbeitende sind oder waren in Kurzarbeit. Eine schlechte wirtschaftliche Situation führt meist dazu, dass als Erstes die externen Kosten gesenkt werden. Für die Kommunikation bedeutet das, Marketing und Werbung zurückzufahren und weniger auf externe Dienstleister wie Agenturen zurückzugreifen. Wie ist es um den Arbeitsmarkt für Kommunikation­sverantwortliche bestellt? Das hat der „pressesprecher“ die Recruiting-Spezialisten GK Unternehmens- und Personalberatung, Schuhmann Personalberatung und PRCC gefragt. Fazit: Der Stellenmarkt in der Kommunikationsbranche hat sich in der Coronakrise bisher robuster gezeigt, als es der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um fünf Prozent im Jahr 2020 hätte erwarten lassen.

Branchen wie Tourismus, Fashion und Luftfahrt haben aufgrund der Krise ebenfalls einen erhöhten Kommunikationsbedarf – intern wie extern. Insbesondere Kommunikator*innen mit Erfahrung in Krisen-, Digital- und Change-Kommunikation werden dringend benötigt. „Seit Ende des Sommers ist eine Belebung des Arbeitsmarktes spürbar, die sich seit Jahreswechsel weiter beschleunigt hat. Es scheinen die mittelund längerfristigen Perspektiven wieder stärker in den Vordergrund zu rücken“, fasst Ulrich Schuhmann, geschäftsführender Gesellschafter von Schuhmann Personalberatung, den Status quo zusammen. Christian Löcker, Managing Partner bei GK, bewertet die Situation ähnlich: „Von Kandidatenseite erreichen uns aktuell deutlich mehr Anfragen auf allen Hierarchieebenen. Darunter ist

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Wie entwickelt sich der Markt in e ­ inzelnen Branchen? Branchen wie das Gesundheitswesen, Pharma, der Online-Handel, Telekommunikation und der Food-Bereich gehören zu den Krisengewinnern. Sie suchen nach qualifiziertem Personal und stellen ein. Unternehmen der hart getroffenen www.pressesprecher.com

„Digitalkompetenz wird zur Selbstverständlichkeit.“ Thomas Lüdeke, PRCC

auch eine steigende Anzahl von Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, für die ein Wechsel oder eine neue Position notwendig sind, weil ihre letzte Position aufgelöst wird oder wurde.“ In den von der Krise besonders betroffenen Branchen würden unbefristete Vollzeitstellen seltener ausgeschrieben und stattdessen öfter auf Agenturen gesetzt. Insgesamt würden eher Personen für Führungspositionen gesucht – vor allem solche, die „den Wandel aktiv mitgestalten möchten, die Change-Prozesse nicht nur tolerieren, sondern wirklich wollen“, sagt PRCC-Geschäftsführer Thomas Lüdeke. Ein digitales Mindset sowie die Fähigkeit, an der Schnittstelle zum Marketing arbeiten zu können, hält er für zentrale Skills.

Wie steht es um die Wechselbereitschaft? Recruiting-Prozesse finden seit mehr als einem Jahr häufig vollständig digital und über Videocalls statt. Ein Gefühl für den neuen Arbeitgeber kann dabei nur begrenzt entstehen. Die Möglichkeit, dass Kandidatinnen und Kandidaten Teammitglieder kennenlernen und sich einen Eindruck vom künftigen Arbeitsplatz und den Räumlichkeiten verschaffen, ist ebenfalls nicht gegeben, obwohl das eine Entscheidung für oder gegen einen Job beeinflusst. Nimmt man die dem „pressesprecher“ gemeldeten Personalveränderungen als Indikator, zeigt sich, dass die Bewegung auf dem Stellenmarkt zunimmt. Die Zahl der verkündeten 63


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