Compliance Manager Magazin I Ausgabe 30 (2)

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Wer war’s?

Wer hat bei Ihnen im Unternehmen am Kartell mitgemischt? Welche neuen Entwicklungen gibt es in Sachen Kartelle? Die Kartellanalyse 2022.

60 Novartis unter dem Mikroskop: Dr. Klaus Moosmayer über die Compliance-Kultur in seinem Unternehmen. 16 Compliance Punk: Unser Compliance Punk lässt Sie dieses Mal über sich selbst nachdenken. 65 Was machen Sie eigentlich gerade, …? Dieses Mal schauen wir Kerstin Ahrend bei der Arbeit über die Schulter.


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Liebe ­Leserinnen, liebe Leser!

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EDITORIAL

Unsere Wahrnehmung kann uns auch täuschen. Dieser „nette“ Effekt unserer Psyche ist schon seit langem bekannt, darüber gibt es mittlerweile auch Berge an wissenschaftlicher Literatur im Fach Psychologie. Von unserer Psyche ist es eigentlich lieb gemeint – sie ermöglicht uns ja damit, uns selbst eine eigene Wirklichkeit zu basteln, in der wir gut leben können. Schützt uns also davor, dass wir in Depressionen verfallen, weil die Wirklichkeit nicht so ist, wie wir sie gerne hätten. Das ist gültig für alle Bereiche unseres Lebens, auch in unserem Beruf. Und in unserem Compliance-Beruf nahmen wir lange genug an, „alles Böse“ gehe vom Vertrieb aus. Vertrieb sei der wahre Quell der Kartelle. Diese Annahme ist für uns in gewisser Weise bequem: Der Vertrieb ist schließlich als Gruppe gut einkreisbar, und da die Vertriebsmitarbeiter sich auch in die jeweilige Unternehmenshierarchie einordnen müssen, macht sie das für uns „umgangsfähig“. Will heißen, wir wissen, was zu tun ist und welche Mittel wir dort anwenden müssen. Doch dann kamen die kalten Zahlen – und zeigten uns, dass es überhaupt nicht immer der Vertrieb ist. Vor sieben Jahren habe ich in dieser Zeitschrift zum ersten Mal eine Kartellanalyse gemacht, und zwar für die Jahre 2004 bis einschließlich 2014 und für die beim Bundeskartell-

amt mit Geldbußen belegten Fälle (schauen Sie bitte dazu Heft 1/2015, Compliance Manager Magazin). Die Analyse zeigte eindeutig, dass der eigene Vorstand bzw. die eigene Geschäftsführung bei den Kartellen genauso eifrig mitmischt wie der Vertrieb. Mathematik hat also ihre Stärken, vor allem wenn es darum geht, ein Problem emotionslos und ungetrübten Blickes zu betrachten. Wenn man das denn will. Für so manchen Compliance Manager mag die Mathematik aber auch zum Kopfzerbrechen führen, denn wie soll man denn den Geschäftsführer einfangen? Was lässt sich denn der Vorstand von Ihnen sagen? Das ist dann plötzlich nicht mehr so einfach wie mit dem Vertrieb. Für dieses Heft habe ich erneut eine Kartellanalyse durchgeführt, diesmal für die Jahrgänge 2015 bis einschließlich Februar 2022. Die Ergebnisse lesen Sie hier in der Titelstory. Selbstverständlich gibt es dazu wieder ausführliche Tabellen und Grafiken. Warum mache ich das? Die nackten Zahlen werden uns nicht den Grund des Problems erklären können, auf das Warum der Kartelle werden sie Ihnen also keine Antwort liefern. Aber sie helfen uns, unsere Ansichten zu korrigieren und unsere Compliance-Arbeit auf einer auf Erkenntnis basierenden Grundlage aufzubauen. Und eben nicht auf unbegründeten und subjektiven Annahmen. Ich hoffe, diese Kartellanalyse hilft Ihnen in Ihrer Arbeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Ihre Irina Jäkel Editor in Chief


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IN DIESER AUSGABE

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„WELCHES SCHWEINDERL HÄTTEN S’ DENN GERN?“ T I T E L STO RY: KA RT E L L A N A LY SE 2 0 2 2

Also, wer war’s? Wer hat bei Ihnen im Unternehmen am Kartell mitgemischt? Das wüssten wir alle gern! Und deswegen wiederholen wir unsere Kartellanalyse, dieses Mal für die beim Bundeskartellamt im Zeitraum von 2015 bis einschließlich Anfang 2022 abgeschlossenen Fälle. Welche neuen Entwicklungen gibt es in Sachen Kartelle? Wie werden die meisten Kartelle beendet? Und: Können wir dieses Mal auch den Kartell-Mastermind ausmachen? Erfahren Sie alles aus unserer Kartellanalyse 2022.

N EU ES AUS D EM B CM

E IN CO M PL IA NC E GED IC H T

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Utopie im Compliance-Büro Ein Gedicht von Michaela Gottwald über den Compliance-Alltag.

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„Mit Argumenten überzeugen“ Seit der letzten Mitgliederversammlung Mitte Januar 2022 hat der Berufsverband der Compliance Manager (BCM) das neue Präsidiums-Ressort „Verbands- und rechtspolitische Entwicklungen“. Dr. Tobias Brouwer und Dr. Jan Ehling im Gespräch über ihre Ziele und ihre Strategie.

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IMPRESSUM

„Es geht darum, den Sachverstand zu bündeln!“ Prof. Jürgen Krais hat die Leitung der Fachgruppe Geldwäsche übernommen. Er berichtet, welche Ziele er hat und wie die Fachgruppe Geldwäsche arbeiten wird.

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CO MPLI AN CE PUN K

N EUES AUS D EM B CM

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Was sind Sie – und wenn, wie viele?

Vom Unser Compliance Punk unterbreitet Ihnen seine „Zehn Fragen zum Glück“, mit denen Sie sich in der hohen Kunst der Selbstreflexion üben können. Wie viele Fragen schaffen Sie mit einem „Ja“ zu beantworten?

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Eine Zeitschrift des Berufsverbandes der Compliance Manager e.V. (BCM) Herausgeber Rudolf Hetzel Torben Werner Redaktion Irina Jäkel Editor in Chief Telefon: 030 / 84 85 93 20­ irina.jaekel@bvdcm.de Mitarbeit an dieser Ausgabe Michaela Gottwald Gestaltung Armen Vanetsyan

KARTELLE

DAS IN TERVIEW

Korrektorat Dr. Roland Kroemer Werbelektorat txt-file

Die Hybris der Manager Um die Titelstory zu ergänzen und das Bild über die aktuelle Lage in Sachen Kartelle zu vervollständigen, sprachen wir mit dem Volkswirt PD Dr. Johannes Paha, der an der Justus-Liebig-Universität Gießen zu Wettbewerbspolitik und kartellrechtlicher Compliance forscht und lehrt, über die aktuellen Entwicklungen.

CO M PL IA N C E B EI DE R A R B EI T

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Fotoredaktion Armen Vanetsyan Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@helios-media.de

„Unseren ‚Ethical Baseline Survey‘ haben über 50.000 Mitarbeiter beantwortet!“ Das Novartis hat 2021 einen Versuch unternommen, seine weltweite „Compliance-Kultur“ zu messen. Wir haben Dr. Klaus Moosmayer gefragt, welche Rückschlüsse er aus den Studienergebnissen gezogen hat und wie sein Team damit arbeitet.

Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Vollstufige Bogenoffsetdruckerei Benzstraße 12 | 12277 Berlin (Marienfelde) Abonnementkonditionen Inland: 4 Ausgaben – 68 Euro Ausland: 4 Ausgaben – 78 Euro Alle Preise inkl. MwSt. und Versandkosten Im Internet www.compliance-manager.net

60 Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 ­ Fax: 030 / 84 85 92 00 info@quadriga.eu

Was machen Sie gerade, … Frau Kerstin Ahrend?

In dieser Rubrik schauen wir Compliance Managern aus unterschiedlichen Branchen bei der Arbeit über die Schulter.

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RUB RIK EN

Editorial 3 Impressum 5 Personalwechsel in Compliance 22 Bücherschau 24 Taylor Wessing Systemupdate 26

Bildnachweise: Umschlag: Getty Images; S. 6: privat; S. 8: VCI, Fresenius Kabi; S. 12: privat; S. 14: Getty Images; S. 16: privat; S. 22: Dekra, TÜV Süd, IAV; S. 24-25: Nomos Verlag, Erich Schmidt Verlag, C. F. Müller Verlag; S.26: Taylor Wessing; S. 28-29: Getty Images; S. 54: privat; S. 60: Novartis; S. 65: SGL Carbon SE.


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CO M P LI A NCE MA NAG ER N ÜBER DIE SCH ULT ER G ESCH AUT

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Was machen Sie gerade, … Kerstin Ahrend

U Position

Head of Group Compliance

Unternehmen

SGL CARBON SE

Branche

Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Materialen und Produkten aus Spezialgraphiten, Carbonfasern sowie kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen.

CV:

Kerstin Ahrend ist seit 2015 Head of Group Compliance der SGL Carbon SE. Zuvor war die Volljuristin in unterschiedlichen leitenden Funktionen im HR Management tätig, seit 2001 bei der SGL Carbon, von 1997–2001 bei der Deutschen Lufthansa AG.

Um einordnen zu können, womit ich mich derzeit beschäftige, möchte ich zunächst kurz den Hintergrund, vor dem meine Arbeit sich abspielt, skizzieren. SGL Carbon SE ist ein börsennotierter, global aufgestellter Mittelständler. Wir haben ein kleines Compliance-Team bestehend aus zwei Compliance Managern und verantworten das weltweite Compliance Management System. Unterstützt werden wir dabei durch unser globales Netzwerk der lokalen und funktionalen Compliance-Vertreter. Vor zwei Jahren haben wir unser Compliance-Programm erstmalig extern nach der Norm ISO 19600 auditieren lassen und dann Ende letzten Jahres eine Re-Zertifizierung nach der ISO 37301 als Überwachungs- und zugleich Transformationsaudit vorgenommen. Wir hatten uns damals für das Programm entschieden wohlwissend, dass es noch keine zertifizierungsfähige Norm war. Aber wir setzten darauf, dass sie kommen wird. Wir haben im Haus unterschiedliche Managementsysteme, die bereits nach den ISO-Normen zertifiziert wurden. Deswegen haben wir mit der vertrauten Systemlogik und Nomenklatur aus unserer Sicht für unser Unternehmen den richtigen Schritt gemacht.


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CO M P LI A NCE M A N AG ER N ÜBER DIE SCH ULT ER G ESCH AUT

In diesem Zusammenhang stehen wir nun vor der großen Aufgabe, ein Rechtskataster anzulegen. Denn die Grundvoraussetzung für ein Managementsystem nach ISO ist, dass die bindenden Rechtspflichten identifiziert und kontinuierlich aktualisiert werden sowie deren Einhaltung überwacht wird. Mit dem Rechtskataster wollen wir die für uns geltenden Rechtspflichten in einer strukturierten Form erfassen und deren Überwachung den verantwortlichen Stellen im Unternehmen zuweisen. Für ein global agierendes und produzierendes Unternehmen ist es durchaus eine Herausforderung, alle relevanten Rechtspflichten aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten und Jurisdiktionen zu identifizieren, die Aktualisierung sicherzustellen und dies dann auch entsprechend zu dokumentieren. Das geht natürlich nur Schritt für Schritt. Mit einem überschaubaren Budget und knappen Ressourcen ist das durchaus herausfordernd und fordert eine sorgfältige Planung. Und übrigens, nach meinem Kenntnisstand wird dieses Thema in der Compliance Community noch nicht besonders diskutiert. Wir sind daher sehr an einem Austausch hierzu interessiert. Das Rechtskataster ist für unsere Compliance-Abteilung derzeit eines der Themen, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Ein weiteres Thema ist die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Wir sind sozusagen schon mittendrin. So arbeiten wir beispielsweise intensiv mit den Kollegen und Kolleginnen des globalen Einkaufs an der Erweiterung des Lieferanten-Risikomanagementsystems zur Einhaltung der nun gesetzlich geforderten Sorgfaltspflichten. Auch mit den Kollegen und Kolleginnen aus der Personalabteilung stehen wir zum Thema Menschenrechte in engem Austausch. Derzeit führen wir dazu im Unternehmen eine gemeinsame Awareness-Kampagne durch. Wir haben ein zweistufiges Human-Rights-Trainingskonzept entwickelt. Die erste Stufe stellt ein E-Learning-Programm dar, das wir unternehmensintern

konzipiert und erstellt haben. Dieses E-Learning wurde zunächst von allen Führungskräften bereits im Oktober 2021 absolviert. Im Dezember und Januar schlossen wir dann die zweite Stufe ab, es handelt sich um interaktive Workshops, die wir global und virtuell durchgeführt haben. Dazu gab es insgesamt 30 Workshops mit allen Führungskräften und Teamlei-

„Wir stehen gerade vor der großen Aufgabe, ein Rechtskataster anzulegen. Denn die Grundvoraussetzung für ein Managementsystem nach ISO ist, dass die bindenden Rechtspflichten identifiziert und kontinuierlich aktualisiert werden.“

tern weltweit. Es ist uns gelungen, im virtuellen Raum sehr praxisnahe Fälle mit den Kollegen und Kolleginnen im Hinblick auf die Fragen von potenziellen Menschenrechtsverstößen am Arbeitsplatz zu diskutieren. Eine Trainingskampagne von so einem Ausmaß und unter Pandemiebedingungen war für uns Neuland. Das Feedback der Teilnehmer zeigt jedoch, dass uns dies gut gelungen ist, unter anderem auch weil wir viel Zeit in die Vorbereitungen investiert haben. So haben wir zum Beispiel letztes Jahr unsere regionalen Com-

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pliance-Konferenzen hierfür genutzt. Das ist eine unternehmensinterne Plattform, auf der wir mit unserem Compliance-Netzwerk zusammenarbeiten. Wir haben an allen Standorten einen Compliance-Vertreter, das sind unsere General Manager, Werksleiter, Standortleiter, eben die Personen vor Ort, die auch den „Compliance-Hut“ aufhaben. Das heißt, sie sind Multiplikatoren, unsere Ansprechpartner und repräsentieren den lokalen Tone from the Top. Dieses interne Netzwerk bringen wir alle zwei Jahre auf unserer Regionalkonferenz zusammen. Letztes Mal haben wir mit den Kollegen Human-Rights-Praxisfälle entwickelt, reale Szenarien aus ihrem jeweiligen Geschäftsalltag, die wir in den Workshops nutzten. Auch führten wir mit ihnen als Pilotgruppe diese Workshops ebenfalls virtuell durch und holten das Feedback ein. Und damit haben wir eine sehr gute Grundlage für unsere späteren Führungskräfte-Workshops erarbeitet. Die Workshops mit den Führungskräften selbst haben wir nach regionalen und sprachlichen Indikatoren aufgestellt. Die Gruppenstärke lag bei ca. 20 Teilnehmern, die wir dann jeweils in zwei Gruppen für die Arbeit in den Break Out Sessions aufgeteilt haben. Wir schafften es tatsächlich, die Szenarien nachzubilden und interaktiv Lösungsideen für die Fallkonstellationen zu sammeln. Momentan bereiten wir die Workshops für den Vorstand und das Top-Management vor. Auch sie werden die Themen anhand von Praxisfällen selbst erarbeiten und diskutieren. Für die Nicht-Führungskräfte wollen wir das Konzept ein wenig anpassen, zwar nicht die E-Learnings, aber die Workshops. Da brauchen wir aufgrund der geänderten Zielgruppe – aber auch aus Kapazitätsgründen – eine andere Lösung. Zurzeit denken wir an virtuelle Classroom Trainings mit Online-Poll-Elementen. Aber da sind wir gerade in der Konzeptentwicklung.


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