SLIDE Nr. 11 - Hawa Magazin in deutsch

Page 17

Rolf Iten, was fasziniert Sie am Verschieben von Häusern?

Wie weit lässt sich auf diese Weise ein Gebäude transportieren?

Damit ich ein Gebäude bewegen kann, muss ich es zuerst kennenlernen. Ob es fünf Jahre alt ist, 200 oder älter, macht einen Unterschied. Da muss ich zuerst herausfinden: Wie hat man seinerzeit gebaut, wie ist die Statik, was ist das Besondere an diesem Bau?

In unserem Fall war die höchste Distanz 380 Meter. Kleinere Gebäude haben wir allerdings auch schon auf der Stras­se verschoben. 2008 transportierten wir eine denkmalgeschützte Prozessionskapelle in Luzern auf einem Tieflader. Auf diese Art kann man relativ weit fahren – je nach Grösse des Gebäudes und je nach Streckenprofil.

Gibt es Arten von Gebäuden, die sich nicht verschieben lassen? Wir sind noch nie mit einem Gebäude konfrontiert gewesen, das sich rein technisch nicht hätte verschieben lassen. Es gab aber schon Fälle, in denen eine Verschiebung schlicht zu aufwändig gewesen wäre.

Wo liegt denn die Hauptschwierigkeit? Die liegt in der Baustubstanz. Je schlechter der Zustand des Hauses, umso schwieriger ist es zu verschieben. Ein modernes Haus mit armierten Betonwänden ist einfach. Alte Gebäude muss man sehr genau analysieren.

Dann liegt es am Preis? Ja, die Frage ist, ob es sich lohnt oder nicht. Zweitrangig sind die Kosten oft bei denkmalgeschützten Objekten. Dort geht es ja darum, ein Haus zu erhalten.

Welches war das älteste Gebäude, das Sie je bewegt ­haben? Im luzernischen Lieli haben wir eine mehr als 400 Jahre alte Kapelle verschoben, vollständig gebaut aus Bruchsteinmauerwerk. Das war eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Und 1985 rückten wir die Kirche und das Pfarrhaus von Saint-Blaise im Kanton Neuenburg näher zum See, weil am alten Standort ein Autobahntunnel gebaut wurde. Auch das war äusserst anspruchsvoll.

Basiert eine solche Operation auf technischem Wissen, oder spielt auch eine Art Gefühl mit? Es ist eine Mischung aus Handwerk und Berechnung. Der Ingenieur kennt die Theorie und kann Belastungen abschätzen. Umsetzen müssen es dann aber die Mitarbeiter draussen. Wenn man Elemente aus einem Gebäude herausbricht, kann es zu Setzungen oder Deformationen kommen. Die muss man präzise korrigieren, sonst kann es Risse geben.

Versichern Sie die Verschiebungen? Solche Versicherungen sind relativ teuer. Wir empfehlen sie in der Regel nicht.

Muss man ein Haus komplett leer räumen? Nein. In Zürich Oerlikon haben wir 2012 das 123 Jahre alte Verwaltungsgebäude der Maschinenfabrik um 60 Meter verschoben. 6200 Tonnen, verteilt auf 80 Metern. Hier blieb alles drin. Während der Vorbereitungen, die ein Jahr dauerten, arbeiteten die Leute im Gebäude. Nur bei der eigentlichen Verschiebung wurde das Haus für zwei Wochen evakuiert.

Rolf Iten, ITEN AG

Aus Sicherheitsgründen? Nein, sondern weil es zu kompliziert gewesen wäre, die Wasserinfrastruktur am Laufen zu halten. Wir haben aber schon Wohnhäuser verschoben, während die Leute effektiv darin wohnten, und die hatten auch Strom.

Wie funktioniert so eine Verschiebung? Der erste Schritt ist das «Unterfangen». Dabei wird das Gebäude vorbereitet, indem man es vom Fundament trennt. Wir lagern alle Lasten um und verstärken das Gebäude so, dass es verschoben werden kann. Dann ersetzen wir den Keller durch eine Betonkonstruktion.

«Wir haben schon Objekte verschoben, während die Menschen darin wohnten.»

Achten Sie auf ein leises Verschieben? Beim Bauen gibt es immer Staub und Lärm. Wir geben unser Bestes. Die Personen in Oerlikon haben aber sicher gehört, dass wir unter ihnen den Keller herausgebrochen haben.

Also stellen Sie das Haus auf einen Schlitten?

Haben Sie schon einmal ein Objekt hin- und hergeschoben?

Ja, das ist ein passendes Bild. Wir legen zwei Stahlkonstruktionen quer übereinander. Die untere ist fix, die obere beweglich. Die untere Konstruktion ist unsere Bahn, auf der wir das Gebäude dann fahren.

Ja, in Bern Bümpliz haben wir ein Bürogebäude für den Aushub einen Meter angehoben und weggeschoben. So gab es Platz, um eine neue Tiefgarage zu bauen. Dann schoben wir das Haus wieder zurück.

Die Schweizer Baufirma ITEN AG ­verschiebt ­Fabriken, Bürogebäude, Brücken, Kirchen und selbst bewohnte Häuser. Rolf Iten, Jahrgang 1959, führt das Familienunternehmen seit 16 Jahren.

slide Nr. 11 17


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.