Schmitz

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Editorial

Mit acht Monaten eigentlich zu früh, und dennoch viel zu spät für etwas, das schon im Juli zur Welt kommen sollte. Was ist es denn geworden? Ein Magazin. Och – der ist aber ganz schön groß; hat er denn schon einen Namen? Schmitz. Ein bisschen blass ist er aber schon? Ja. Warum denn heute so einsilbig? Freust du dich gar nicht über das neue Familienmitglied? Doch.


Hallo und willkommen bei Schmitz, dem Magazin von Studentinnen und Studenten des Studiengangs Medienproduktion und Medientechnik an der Hochschule Amberg-Weiden. Jahr für Jahr soll nun ein neues Heft erscheinen – stets mit Fokus auf eine Farbe. Weiß ist das Thema dieser Ausgabe und zieht sich wie ein roter – Pardon, weißer Faden durch Form und Inhalt. Drei zentrale Rubriken gliedern den Inhalt: monoton, polyton und unterton. Wie Stützpfeiler ins Heft betoniert stehen sieben Kurzrubriken; abhängig von der Farbe präsentiert sich Gewöhnliches außergewöhnlich: Voxpop, Container, Cocktails, Kurioses, Porträt, Farbe bekennen, im Detail. Unser Förderer, die sti Group, hat noch eine Besonderheit möglich gemacht: Die Bilder zu den Artikeln sind als Adhäsionsaufkleber gedruckt; sie haften auf den Magazinseiten – und auf allen glatten Flächen. Unbedingt ausprobieren!


tonart Sonst geht es ja nicht los Editorial............................................... 3 Inhalt................................................... 4 Dank................................................... 59

monoton Geschichten mit Wendepunkten 08/15................................................... 10 Bereinigt.............................................18

polyton Raum f체r Diskurs Fastzeit............................................... 24 Geldfluss............................................ 30

unterton Heiter bis wolkig Schleimig........................................... 38 Gespinst............................................. 44 Wachmann......................................... 52

beton Es kommt drauf an, was man draus macht Kurioses............................................... 6 Musik..................................................16 Farbe bekennen.................................. 22 Cocktails............................................ 28 Portr채t................................................ 36 Container........................................... 42 Voxpop............................................... 50 Im Detail............................................ 56 tontechnik Muss auch sein Impressum......................................... 60


Kurioses Ihr wollt vor den Kollegen auch einmal mit eurem Wissen protzen, aber es fällt euch einfach nichts Beeindruckendes ein? Bitte­ schön: Kurioses zur Farbe Weiß.


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Alles außer frisch. Milch ist ein beliebtes Getränk und viele halten sie wegen ihrer Nährstoffe für besonders gesund. Die Supermärkte bieten unzählige Milchprodukte an. An vorderster Front der Klassiker: Kuhmilch. Frischmilch, frische Landmilch, frische Bergbauernmilch, frische Vollmilch, frische Trinkmilch – frische Milch so weit das Auge reicht. Weit gefehlt, denn frisch ist hier nichts. Nach dem Melken vergehen mehrere Tage, bis die Milch im Regal steht und durch das kurzzeitige Hocherhitzen geht ein Teil der Nähr-

stoffe verloren. Trotzdem dürfen sich diese Produkte Frischmilch nennen, selbst die monatelang haltbare H-Milch wird so zu einem frischen Produkt. Das Problem: Der Begriff frisch ist gesetzlich nicht geschützt und seine Aussagekraft damit quasi wertlos. Für den Verbraucher kaum einleuchtend: Die direkt nach dem Melken abgefüllte und nicht erhitze Milch wird Roh- beziehungsweise Vorzugsmilch genannt, obwohl hier der Name Frischmilch zutreffend wäre. Käufer von Rohmilch müssen sie vor dem Verzehr wegen möglicher Ver-

unreinigung abkochen. Im Gegensatz dazu ist Vorzugsmilch – durch besonders hohe Ansprüche beim Verarbeiten – auch ohne Erhitzen bedenkenlos genießbar. Wegen der hohen hygienischen Hürde ist die unbehandelte Vorzugsmilch allerdings praktisch nicht im Handel erhältlich, denn nur wenige Höfe dürfen sie verkaufen. Kunden, die eine wirklich frische Milch kaufen wollen, erwartet ein steiniger Weg. Die Verbraucher sollten vor dem Kauf die tatsächliche Frische der Produkte auf jeden Fall hinterfragen.


Weiß oder doch nicht? Das Papier, auf dem dieser Text gedruckt ist, ist weiß. Da wird niemand widersprechen. Aber wie weiß ist weißes Papier wirklich? Hat es vielleicht doch einen leichten Farbstich, den wir nur nicht wahrnehmen? Fakt ist: Weißes Papier sieht nicht immer gleich aus. Das hat allerdings nichts mit Toleranzen beim Produktionsprozess zu tun, sondern ist vom Hersteller so gewollt. Verantwortlich dafür sind die sogenannten optischen Aufheller, die dem Papier beigemischt werden. Sie sollen den natürlichen Gelbstich des Papiers verschwinden lassen, damit es noch weißer aussieht. Das funktioniert so: Optische Aufheller sind Partikel, die auf unsichtbare uv-Strahlen reagieren. Sie veranlassen Elektronen dazu Energie zu speichern, die beim Freiwerden wieder sichtbares Licht erzeugt. Dieser Effekt wird auch Fluoreszenz genannt. Das Papier beginnt quasi zu leuchten und die Farben darauf sehen bunter und lebendiger aus. Doch optische Aufheller haben auch Nachteile: Zum Beispiel muss man den Grad der Aufhellung exakt kennen; denn wenn die Druckmaschine nicht genau auf das Papier eingestellt ist, werden die Farben verfälscht gedruckt.

Auf der Suche nach dem weißen Loch. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wer dieser Redensart glaubt, dürfte auch nicht wirklich verwundert sein über das, was der Kosmologe Blake Temple herausgefunden hat. Seiner Berechnung zufolge gibt es im Weltall schwarze Löcher – und auch weiße Löcher. Sie bilden in seiner Theorie das Gegenstück zu den schwarzen Löchern. Aber was hat es damit überhaupt auf sich? Als schwarzes Loch bezeichnet die Astronomie ein Objekt mit extrem hoher Gravitation. Alles in der Umgebung wird quasi hineingesaugt – sogar das Licht. Deshalb erscheinen diese Objekte als schwarze Punkte im Weltall und bekamen so den Namen schwarze Löcher. Im Gegensatz dazu soll es auch weiße Löcher geben, die – umgekehrt zu den schwarzen Löchern – Materie ausstoßen. Die Berechnung von Blake Temple beruht auf Albert Einsteins Relativitätstheorie. Danach kann die Zeit auch rückwärts laufen. Temple kam dadurch zu der Annahme: Weiße Löcher sind eigentlich schwarze Löcher, bei denen die Zeit rückwärts läuft. Damit sind die weißen Löcher in der Theorie zwar durchaus denkbar, bis heute wurde jedoch noch nichts entdeckt, was diese Theorie beweisen würde. Aber über die schwarzen Löcher wurde ja anfangs auch nur spekuliert.


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Die weiße Maus auf der Autobahn Woran denken die meisten Leute beim Begriff Weiße Maus? Vermutlich nicht an die Polizei, sondern tatsächlich an eine kleine, weiße Maus. Viele werden sich jetzt fragen, was denn die Polizei mit weißen Mäusen zu tun hat. Das ist ganz einfach: Es war früher der Spitzname der Autobahnpolizei. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau des Autobahnnetzes wurde in Deutschland eine Autobahnpolizei nötig. Ab 1953 entstanden in vielen Städten die sogenannten Verkehrskomman­

dos – die Vorstufe der heutigen Autobahnpolizei. In den frühen 60er Jahren wurde der Fuhrpark mit zwei besonderen Autos erweitert. Diese Autos waren der Porsche 356 und der Porsche Targa. Die neuen Streifenwagen sollten den Polizeibeamten bei schneller Fahrt den entscheidenden Vor­teil verschaffen. Niemand war damals schneller als die Autobahnpolizei. Neben der Höchstgeschwindigkeit hatten diese Autos eine weitere Besonderheit: Sie bekamen alle eine weiße Sonderlackierung, passend zur weißen Uniform der Polizisten.

Durch die rundlichen, weißen Streifenwagen dauerte es nicht lange, bis die Autobahnpolizei im Volksmund den Spitznamen Weiße Maus bekam. Heutzutage gibt es keine Sonderlackierung mehr und die Uniform unterscheidet sich auch nicht mehr von der Uniform anderer Polizeibeamter. Das einzige, was noch an die Zeit der Weißen Maus erinnert, ist ein kleiner Aufkleber in Form einer weißen Maus auf dem Kofferraumdeckel mancher Streifenwagen.



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08/15 Jessica und Peter waren ein glückliches Pärchen. Bis zu jenem Tag, an dem sie Brautkleid und Anzug für ihre Hochzeit einkaufen wollten. Die beiden haben sich seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Jeweils separat erzählen sie ihre ganz persönliche Sicht auf den einen Tag, der ihre Beziehung beendet hat. Weder Peter noch Jessica wussten, dass sich auch der ehemalige Partner dazu äußert.


peter Ja, ich weiß das schon noch recht genau. Wir waren da in Regensburg bei diesem Outlet, wo man diese Hochzeitsklamotten recht günstig bekommen kann. Den Tipp hatten wir vom Roger, einem Arbeitskollegen von mir. Naja, und ich hab halt auch noch so eine riesige Asbach-Flasche gehabt, wo ich, schon seit ich 15 war, das Kupfergeld gesammelt hab. jessica Du, das weiß ich noch so genau, als ob es gestern gewesen wäre. Wir waren da in Regensburg. In einem voll trendigen In-Laden. Wir wollten keine so 08/15­Hochzeit, sondern schon etwas Besonderes. Wir haben uns aber schon in der Früh gestritten, weil der Peter doch tatsächlich diese Asbach-Buddel mitnehmen wollte. Und das kann man doch echt nicht bringen, ich mein, wir sind doch nicht in so einem Dorfladen, wo man mit so was auftauchen kann. Das geht doch einfach nicht. peter Ich wollte meine Asbach-Flasche mitnehmen. Das macht man doch so – oder? Meine Mutter hat das bei ihrer Hochzeit auch so gemacht – oder? Diese Geschichte haben sie mir ja bei jeder Familienfeier reingedrückt. Und beim Reingehen in dieses Outlet bleibt die Jessica doch mittendrin stehen. Und ich lauf voll auf sie drauf. Und so was hat die halt dauernd gemacht: Die bleibt halt immer irgendwo mittendrin stehen. Naja, dabei ist mir halt die Flasche runtergefallen. Und das Scheißteil fällt so blöd auf die Kante vom Fußabstreifer, dass es halt aufbricht und halt ein paar Pfennige in die Schlitze reinfallen.

Die haben da so riesige Teile und da bekommt man das halt schlecht raus. jessica Und da passiert ja schon sein erster Fauxpas. Der Dödel rennt natürlich gleich mit seiner Buddel in das Geschäft. Ist ja das schon voll peinlich. Das macht man doch nicht – oder? Und dann bleibt der mit seinen Sandalen – er hat doch tatsächlich Sandalen anziehen müssen – am Fußabstreifer hängen. Und lässt natürlich seine Buddel runterfallen, der Depp. Das Ding bricht natürlich und überall kullern diese Münzen rum. Die Leute haben uns angeschaut und ich wollte eigentlich gleich wieder gehen. Das war einfach nur so peinlich. peter Wie soll ich jetzt die Cents aus dem Fußabstreifer rausbekommen? Ich mit meinen Wurstfingern? Da hab ich halt gesagt, dass die Jessica das machen soll. Die hat damals auch recht

lange Fingernägel gehabt, von daher hätte das schon funktioniert. jessica Wir stehen voll auf dem Präsentierteller und überall im Geschäft liegen seine Münzen. Und was fällt dem Herrn ein: Ich soll doch ihm mal helfen, da wären ein paar – er hat halt wirklich gesagt ein paar! – Pfennige in den Fußabstreifer gefallen. Ich soll doch mit meinen dürren Fingern da mal rumfummeln. peter Sie hat sich ja sowieso erst vor kurzem die Nägel lackieren lassen. Die hätten das schon ausgehalten. jessica Zwei Tage vorher war ich bei meinem Nail-Spezialisten. Und hab mir die Nägel versiegeln lassen. Und er meint doch ernsthaft zu mir, ich soll im


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Fußabstreifer rumfummeln. peter Wir haben die Kohle dann aufgesammelt. Ein Verkäufer hat uns auch geholfen und hat sich dann auch um mich gekümmert. So klamottenmäßig. Ich wollte ja eigentlich immer eine schöne Hochzeit. Ganz klassisch mit allem Drum und Dran. So mit Musikband oder einer Kapelle oder so. Vor allem aber soll doch der Bräutigam die Braut nicht schon vorher sehen. Aber die Jessica hat sich das so eingebildet, weil das doch so antiquiert sein soll. So hat die tatsächlich geredet, ne? Und widersprechen darf man ihr ja auch nicht. jessica Gott sei Dank hat sich dann ein Angestellter um den Fußabstreifer gekümmert. Der Peter war dann auch plötzlich verschwunden und ich hab ihn gesucht. Ist ja eigentlich schon der nächste Hammer, den er so geliefert hat. Ich bin dann in die Brautab-

teilung und hab mich ein bisschen umgeschaut. Wir wollten ja immer etwas Moderneres. Dieses weiße Rüschen­ Zeug hat mir ja noch nie gefallen. peter Ich hab dann eigentlich recht schnell was gefunden. Ich mein, ist ja auch nicht das Problem: schwarze Hose, Sakko und Hemd. Fertig. jessica Und was seh ich? Rüschen! Alles voll mit diesem hässlichen Zeug.

Ende. Ja? Ich hab auch noch nie geheiratet und dann noch seine Aktion mit dem Fußabstreifer. Und dann diese blöde Kuh von Verkäuferin. Steht bei mir rum und schaut mir beim Suchen zu. Dass Madame mir helfen könnte? Nein, Fehlanzeige! Da bin ich heute noch sauer! Ich hab ewig, wirklich ewig gesucht, bis ich dann ein graues Kleid gefunden habe. An der Taille war es ein wenig eng,

Wir wollten keine so 08/15­Hochzeit Wir sind doch keine Bauern – oder? So etwas trägt man doch heute nicht mehr. Dann habe ich auch eine Verkäuferin gefragt, ob sie denn noch etwas Moderneres hätten. Schlussendlich habe ich dann in einem Eck ein paar modischere Sachen gefunden. Aber so die Mordsauswahl hatten die nicht für das, dass es so der In-Schuppen war. peter Und zack finde ich sie nicht mehr. Es war aber auch sau unübersichtlich da. Und alles voll mit dieser Dürrholz-Deko. jessica Ich such halt ewig rum. Aber entweder die ganze Welt besteht aus Anorexie-Models oder Fetten oder ich habe so einen schwierigen Körperbau. Ich war mit meinen Nerven echt am

aber bis zur Hochzeit hätte ich schon noch ein wenig abgespeckt. Aber sonst: wirklich super. Schön schlicht und elegant. Eigentlich genau das, wonach ich gesucht habe. So hab ich mir es vorgestellt. Ich bin dann ein paar Schritte damit gegangen und habe mich sofort in das Teil verliebt. peter Im hintersten Eck hab ich sie dann gefunden. Ich glaub, die macht so was mit Absicht. Die ist immer weggerannt, wenn wir beim Einkaufen waren. jessica Und dann kommt der Herr daher: grobschlächtig wie immer. Wenn der rumläuft, muss ich immer an einen fetten Affen denken. peter Weißt, was die angehabt hat?


Ich kanns nicht beschreiben. Das Teil hat ausg’schaut wie ein grauer Sack. Potthässlich! Und einen Arsch hat die in dem Sack gehabt – wie eine Mettwurst. Aber, so was kann man ihr ja nicht sagen. Wie bringt man das ihr denn irgendwie schonend bei? jessica Und dann schießt er den Vogel ab! peter Also hab ich halt gemeint, dass sie sich ein Kleid aussuchen soll, bei dem lange Handschuhe dazu passen, damit man ihre dicken Unterarme nicht so sieht. jessica Da sagt er halt eiskalt zu mir, dass ich zu dicke Arme hätte. Und ich soll mir doch ein Kleid suchen, das das ein bisschen kaschiert. Vor versammelter Mannschaft sagt er das zu mir. Die Verkäuferin schaut mich nur ganz mit-

leidig an. Die andere Kundschaft ist richtig zusammengezuckt, als er das gesagt hat. peter Als ich das gesagt habe, hab ich sofort gemerkt, dass ich das besser nicht gesagt hätte. jessica Das Schlimme war: Ich hätte ihn zusammenstauchen sollen. Ordentlich. Aber ich habs einfach nicht mehr gekonnt. Ich war fertig. Ich wollte einfach nur noch in ein Loch krie­ chen und keinen mehr sehen. peter Ich hätte ja erwartet, dass sie mich irgendwie anschnauzt oder so. Aber sie hat mich nur angeschaut. So hab ich sie noch nie vorher gesehen. jessica Und da hab ich gewusst: Ich will nicht mehr. Ich will einfach nicht mehr. Ich will nicht zu diesem Trottel. Und schon gar nicht mit ihm mein Le-

ben verbringen.

Und dann schießt er den Vogel ab! peter Sie hat sich einfach den Ring vom Finger gezogen und ihn mir gegeben. Und dann hat sie ganz leise zu mir gesagt, dass ich jetzt verschwinden soll. jessica Da hab ich ihn zum Teufel geschickt. Eigentlich wollte ich ja abhauen. Aber ich musste das Kleid noch ausziehen. ¶


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Kann ich mit virtuellen Menschen arbeiten, ohne die echten zu vernachlässigen?

Kristy Myers will es wissen. Bei Siemens kann die Ingenieurin Karriere und Familie bestens vereinen. Kristy Myers hilft, neue Standards in der Fertigungstechnologie zu setzen. Denn die Software für eine virtuelle Simulation von Produktionsabläufen, die sie und ihr Team entwickeln, ermöglicht Unternehmen, effizientere Prozesse und sicherere Arbeitsumgebungen zu schaffen. Ein anspruchsvoller Job, der viel Engagement fordert. Trotzdem hat Kristy genug Zeit für ihren kleinen Sohn – flexible Arbeitszeiten machen es möglich. Wollen Sie wissen, wie Ihnen eine Karriere bei Siemens dabei helfen kann, die richtige Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden? Finden Sie’s heraus.

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Musik Ein Besuch in der Disco ohne farbiges Flackerlicht? Undenkbar! Musik und Farbe gehören zusammen – nicht nur im Nachtleben. Musiker über Musik in Weiß.


Christian Koch Solokünstler: Hip-Hop, Rap, RnB (myspace.com/pokmc) Zum Thema «Die Farbe Weiß» in der Musik fällt mir als allererstes das White Album der Beatles ein. Das war damals die erste Platte meines Bruders; habe sie durch Scratch-Versuche zerstört. Danach gab es erstmal zwei Monate kein Taschengeld mehr und meine dj-Karriere war mit acht Jahren schon beendet. Die Böhsen Onkelz hatten auch mal ein Weißes Album, das aber komischerweise eher schmutzig war.

Christoph Doser (Kirchen-)Organist; studiert Musik und Orgel an der Musikhochschule Detmold Ich persönlich verbinde vor allem das Intervall einer reinen Quinte mit der Farbe Weiß. Das Intervall ist keine Dissonanz; es ist rein und klar – steht in sich neutral und stabil. Bei den Tonarten muss ich an die Tonart C-Dur denken. Sie wird in ihrer ursprünglichen Form nur auf den weißen Tasten des Klaviers gespielt. Klanglich wird sie als hart, kalt, klar und neutral empfunden – wie die Farbe Weiß.

Michael Herrmann Sänger in der Rock-’n’-Roll-Hardcore-Band Basement Romeos (myspace.com/basementromeos) Ganz pragmatisch ist Weiß wahrscheinlich die ungünstigste Farbe, die man bei Konzerten tragen kann. Sowohl als Musiker als auch als Besucher – es sei denn man sitzt in einem Opernhaus. Live Musik, Blut und Schweiß gehören einfach zusammen! Deshalb sangen auch schon die Jungs von der Terrorgruppe: «Clean is good and white is clean (…) dirt is

ist das auch gut so.

bad but dirt is fun, dirt means freedom, don’t you know, its a new world you’re looking for.» Zum anderen fällt mir der Song Good Guys Don’t Wear White von Minor Threat ein. Er ist ein Statement gegen das Schwarz-Weiß-Denken, das so viele Menschen betreiben. Mit Musik kann man sich genau diesen Mainstream-Denkweisen widersetzen. So heißt es: «Man, who’s to say who’s the better man? (...) So tell your momma and your papa, sometimes good guys don’t wear white.»

Maximilian Kock Pianist, Komponist, Musikproduzent, Professor (maximilian-kock.de) In der Musik-Farben-Synästhesie heißt es, dass Hörer die Farbe Weiß eher mit hohen, hellen und positiven Tönen in Verbindung bringen. Schwarz hingegen assoziieren die Befragten mit dunklen, bedrohlich klingenden und basslastigen Klangwelten. Diese Synästhesie koppelt die unabhängigen Sinne Sehen und Hören miteinander. Sie stellt fest, welche Farbe mit welchen Tönen assoziiert wird. Warum wir Hörer hochfrequente Töne – mit einer großen Schwingungsanzahl – als hell empfinden und tieffrequente Töne – mit einer geringen Schwingungsanzahl – als dunkel, ist wissenschaftlich (noch) nicht erklärbar. Aber vielleicht

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Bereinigt Das Leben lief gut für Frank K., er legte eine Bilderbuchkarriere hin. Das Abitur beendete der heute 27-Jährige mit einem Eins-Komma-Schnitt, das Studium zog er ohne Wartesemester durch und war kurz vor seinem ersten Vorstellungsgespräch. Alles schien sich für ihn bestens zu entwickeln, bis ihn die Polizei festnahm, er in U-Haft kam und dann eine zweijährige Haftstrafe wegen Brandstiftung absitzen musste.


Frank öffnet die weiße Tür mit einem freundlichen Lächeln und bittet herein. Er wohnt in einer Mietskaserne, eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung dient ihm als Zuhause. «Aufräumen muss ich nicht viel, mit dem niedrigen Hartzsatz kommt eh kaum was zusammen», sagt er etwas verbittert und zeigt auf das braune, durchgesessene Ledersofa: «Bitte, nimm doch Platz.» Die Wohnung ist klein, aber aufgeräumt. An den weißen Wänden hängen ein paar Bilder aus der fhm, die leicht bekleidete Frauen in lasziven Posen zeigen. Der Raum ist erfüllt vom beißenden Geruch kalten Rauchs und auch das geöffnete Fenster schafft hier kaum Abhilfe. Er selbst lässt sich auf einem kleinen Hocker nieder, der vor dem ikeaSchreibtisch steht; darauf stapeln sich Papiere und Umschläge in Türmen verschiedener Höhe. Er wühlt kurz zwischen den Stapeln, zieht eine Schachtel Lucky Strike hervor und zündet sich langsam eine Zigarette an. Er bläst noch zwei kleine Rauchringe in die Luft, be-

vor er anfängt seine Geschichte zu erzählen. «Ich könnte mich noch heute über meine Dummheit aufregen, alles nur wegen einer Frau», sagt er und blickt seinem sich schon auflösenden Rauchring hinterher. «Ich hatte während meiner Studienzeit eine Freundin, die mich kurz vorm Bachelor verlassen hat. Ich hab mich dann ganz auf meinen Bachelor konzentriert, einen guten Abschluss gemacht und gleich die ersten Bewerbungen rausgeschickt. Und eines Abends hat mich alles wieder eingeholt und ich bin zu ihrem Neuen gefahren, um seine Wohnung anzuzünden. Zum Glück hat das alles nicht so geklappt, wie ich das geplant hatte.» Ein paar Tage später nahm ihn die Polizei fest – kurz nachdem er eine positive Antwort auf seine Bewerbung erhalten hatte. Er drückt seine Zigarette im Ascher aus und wendet sich erneut dem Schreibtisch zu. Er greift einen Stapel Papiere und knallt sie auf den Couch-

tisch: «Alles Bewerbungen, die zurück gekommen sind», sagt er und zeigt auf die restlichen Stapel auf dem Schreibtisch. «Und das ist der Rest. Seit ich draußen bin, habe ich sicher über 300 Bewerbungen verfasst und abgeschickt. Selbst das Unternehmen, das vor meiner Haftstrafe zugesagt hatte, wollte nichts mehr von mir wissen. Mit ei­ nem Ex-Knacki kann man nichts anfangen, ihm nicht vertrauen und ihm keine höhere Position in einem Unternehmen anbieten.»

Probleme der Wirtschaft – auch im Knast

Mit diesem Problem steht Frank K. nicht alleine da. Die Wirtschaftslage ist zwar gut, doch Firmen lassen im Ausland produzieren und eine gehobene Stelle wird nicht gern an einen ehemaligen Häftling vergeben. Arbeitslose


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gibt es viele, Arbeitsplätze werden seltener und Besserung ist nicht in Sicht. Das bedeutet immer weniger Chancen für die Menschen, die keine weiße Weste vorweisen können. Nicht nur in der freien Wirtschaft sieht es mau aus. Im Gefängnis sind die Aussichten nicht besser. Nach dem Strafvollzugsgesetz ist jeder Häftling zur Arbeit verpflichtet. Das sind in der Nürnberger Haftanstalt sechshundert Häftlinge, tatsächlich reicht die Arbeit nicht einmal für die Hälfte. Wo keine Arbeit ist, kann auch niemand ausgebildet werden.

das ist so gut wie unmöglich. Leider war meine Haftstrafe zu kurz für eine Ausbildung und die Arbeit war einfach nicht da.» Während seiner Haftstrafe konnte Frank ab und zu in der Schlosserei der jva aushelfen und mitarbeiten. Wenigstens etwas Abwechslung zum Knastalltag und eine kleine Verbindung zur Arbeitswelt. Für einen Bachelor-Absolventen hatte die jva nicht viel zu bieten, was ihm den Start ins Berufsleben erleichtert hätte. In der Schlosserei konnte man ihm keine Ausbildung anbieten; es

Ausbildung – nicht möglich «Ich hätte gerne eine Ausbildung im Knast angefangen», sagt Frank wehmütig, während er den Stapel Bewerbungen wieder auf seinem Schreibtisch verstaut. «Egal als was. Mir war schon klar, dass es mit Bachelor schon nicht leicht sein wird, eine Arbeitsstelle zu finden, aber als vorbestrafter Bachelor,

gab einfach nicht genug Arbeit und die Stellen waren meist für Häftlinge mit längeren Haftstrafen reserviert. Außerdem ging man davon aus, ein BachelorAbsolvent könne trotz Vorstrafe schnell wieder Fuß fassen im Leben draußen. Bei seinen Bewerbungen hat sich Frank umgestellt, damit er das schafft.

Er bewirbt sich jetzt für eine Ausbildungsstelle und hofft, bis zum Ende des Jahres einen Ausbildungsvertrag zu bekommen. «Ich wäre mittlerweile mit allem zufrieden, Hauptsache ich kann arbeiten und verdiene Geld. Zuhause zu sitzen und nur von der Hand in den Mund zu leben, macht einen langsam aber sicher verrückt. Es gibt sogar Momente, in denen ich den Knast vermisse, den geregelten Tagesablauf und all das.» Sobald sein Eintrag aus dem Führungszeugnis gelöscht ist, will er sich wieder um einen Job bewerben, der zu seinem Abschluss passt. Haftstrafen werden nämlich meist nach zwei bis fünf Jahren aus dem Führungszeugnis gelöscht. Dann hat Frank zumin­ dest auf dem Papier wieder eine weiße Weste und muss seine Haftstrafe bei einer Bewerbung nicht mehr erwähnen. ¶


Farbe bekennen Schwarz oder weiĂ&#x;, richtig oder falsch, bleiben oder gehen: So manch eine Lebenssituation erfordert eine klare Entscheidung, die Mut braucht. In so einer Situation befand sich auch Josef KĂśltringer, Ordenspriester der Oblaten des heiligen Franz von Sales.


Ich habe die Menschen in Indien während meines zwölfjährigen Aufenthalts geliebt. Die Frauen mit ihren langen, schwarzen Haaren und in bunten Saris gekleidet, die wild gestikulierenden Männer mit ihren Turbanen und Lungis, die umherschreienden Kinder – immer gastfreundlich, immer neugierig, immer gut drauf. Niemand nahm Anstoß daran, dass ich katholischer Priester und Ordensmann bin. Sie schätzten mein Engagement für den Aufbau eines Kollegs, sie wussten, dass ich an einer Hochschule für Philosophie Kurse gebe, und waren dankbar, wenn ich mit ihnen ein paar Worte in ihrer eigenen Sprache wechselte. Bis eines Tages die Polizei vorfuhr und mich mitnahm; einfach so, ohne Erklärungen. Ich wurde in eine Gefängniszelle gesetzt und schließlich verhört. Man warf mir vor, dass ich hinduistische Gläubige zum Christentum bekehren wolle, und dass ich illegale Versammlungen abhalte, um die indische Regierung zu stürzen. Irgendjemand hat an das Innenministerium einen anonymen Brief geschrieben und mich der genannten Tatbestände beschuldigt. Es war alles erfunden und nach einigen Tagen wurde ich freigelassen, weil bei der Befragung der Menschen in meinem Dorf nichts von den Vorwürfen bestätigt werden konnte. Einige Wochen später, drei Uhr früh in der Osternacht, klopfte es an meiner Zimmertür und eine Stimme jammerte Unverständliches vor sich hin, so als ob jemand Hilfe bräuchte. Da kein Strom vorhanden war, nahm ich meine große Taschenlampe in die Hand und öffnete die Tür. Sofort wurde mir scharfes Chilly-Pulver in die Augen gestreut, und jemand versuchte wohl, mich mit einer langen Eisenstange zu erschlagen. Zum Glück schlug er auf den Türrahmen ein, unter dem ich noch stand. Ein dritter Mann umfasste meine Füße und brachte mich zu Fall. Sofort wurde mir ein Seil um meinen Hals gelegt und daran gezogen. Währenddessen schlug ich wild mit der Taschenlampe um mich, und dürfte meine Angreifer damit derart heftig an Kopf und Nase verletzt haben, dass sie schließlich aufgaben und das Weite suchten. Ein paar Tage später, der erste Schock

war vorbei, wurde ich schwer krank, verbrachte drei Wochen in einem Krankenhaus und flog dann nach Österreich zurück. Bis heute, zehn Jahre später, weiß ich noch immer nicht, wer hinter der anonymen Anzeige und dem Überfall steckte. Die Polizei vermutete, dass es einen Zusammenhang gegeben haben könnte und eventuell hinduistische Fundamentalisten hinter diesen Aktionen stecken könnten. Keine Ahnung, ist auch egal. Zurück in meiner Heimat wurde mir von allen Seiten geraten, dass ich in Europa bleiben und meine Mitbrüder und meine Aufgaben in Indien zurücklassen sollte. Das wollte ich nicht. Meinen Auftrag, meine inneren Motivationen und meine konkrete Arbeit durfte ich nicht aufgeben. Es war ja nie meine Absicht, auch nur einen einzigen Hindu zum Christentum zu bekehren, und ich wollte mich nie politisch engagieren oder gar zum Unruhestifter werden. Vielleicht wollte ich den Menschen einfach helfen. Deshalb wollte ich zurück. Wenn da nicht die verdammte Angst gewesen wäre: die Angst wieder überfallen zu werden, die Angst, zu leiden oder gar zu sterben.

Die ersten Wochen nach meiner Rückkehr habe ich mich kaum aus dem Haus getraut, ich musste wieder lernen, abends alleine durch den Garten zu gehen oder im Zimmer zu schlafen. Jedes noch so leise Geräusch draußen vor meiner Tür hat mich zusammenschrecken lassen. Dennoch, nach Monaten habe ich wieder gelernt, den Menschen in Indien zu vertrauen, den Frauen in ihren bunten Saris und den lauten Männern. ¶

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Fastzeit Kein Sex vor der Ehe – in den USA populär wie nie – klingt für deutsche Ohren altbacken und befremdlich. Dass es sich lohnt zu warten und sich für seinen zukünftigen Ehepartner aufzuheben, ist für Stefan (Name geändert), gläubiger Protestant und Student an der Hochschule Amberg-Weiden, kein Quatsch, sondern tiefe Überzeugung.


Du bist 21 Jahre alt und noch Jungfrau, auf viele Menschen wirkt das seltsam. Warum verzichtest du auf Sex bis zur Ehe? Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen. Meine Eltern haben mir diese Werte vermittelt und mit der Zeit habe ich einfach gemerkt, dass das für mich das Richtige ist. Auch meine Schwester sieht das so. Unsere Eltern haben uns diesen Weg aufgezeigt und wir haben uns dann frei entscheiden können. Sie haben sich auch erst nach ihrer Hochzeit für den Glauben entschieden. Ich finde es für mich persönlich einfach sinnvoll – auch jetzt noch. Was meinst du mit sinvoll?

schläge fürs Leben. In der Bibel steht zwar explizit nichts zum Thema Sex vor der Ehe, aber das hat ganz einfach den Grund, dass es damals in der Kultur gar keine Frage war. Viele Menschen heiraten heute gar nicht mehr oder erst mit Anfang 30. Zu biblischen Zeiten war man bereits mit 16 oder 17 verheiratet; die Spanne von der Geschlechtsreife bis zur Heirat war einfach nicht so groß.

Aber es gehen doch ständig Ehen in die Brüche, ist deine Einstellung nicht veraltet? Nein, ich richte ja mein ganzes Leben beziehungsweise meine Wertvorstellungen an der Bibel aus, weil ich finde, dass das, was da drin geschrieben steht, heute noch genauso viel Bedeutung hat wie damals. Es ist nicht nur ein leeres Buch, sondern enthält auch viele Rat-

Gilt das auch, wenn dir deine zukünftige Frau vor der Hochzeit gesteht, dass sie keine Jungfrau mehr ist?

Kannst du dir vorstellen, dich scheiden zu lassen?

Na ja, gut würde ich es nicht finden, aber wenn sonst alles passt, würde ich es ihr verzeihen. Das ist ja nur einer von vielen Punkten und die perfekte Frau gibt es nicht.

Das kommt auf die Umstände an, pauschal könnte ich es nicht ausschließen. Wenn sie zum Beispiel mehrmals

An welchem Punkt hast du dich gegen vorehelichen Sex entschieden?

Sex ist mehr als einfach nur macht man halt mal

Das ist etwas, was in die Ehe gehört. Eine Hochzeit ist mehr als nur ein Ritual in einer Kirche, wo man feiert und sich den Magen voll schlägt. Nach meinem Verständnis ist das eine Entscheidung, die ein Leben lang gilt. Ich entscheide mich dabei ja bewusst für eine Person. Und ich sehe mich in dem Weg bestätigt, allein wenn man hört: Die und die haben sich schon wieder getrennt.

Es soll aber nicht so rüber kommen, als wenn Sex vor der Ehe der größte Supergau wäre. Ich glaube, dass Gott alles vergeben kann und auch vergibt.

fremdgegangen ist und nicht einsieht, dass sie einen Fehler gemacht hat, dann auf jeden Fall. Würdest du eine Frau heiraten, die keine Jungfrau mehr ist? Ich will auf jeden Fall mal heiraten, aber auf keinen Fall eine Frau, die schon mal Sex hatte. Man gibt mit dem Sex ja ein Stück weit von sich ab und teilt etwas, das nicht für einen One-Night-Stand gedacht ist. Ich möchte keine Frau, die sagen wir mal 21 ist und schon drei oder vier Jungs hatte. Das hat für mich auch nichts mehr von Reinheit und zeigt für mich auch, dass sie nicht in der Lage ist eine Beziehung zu führen. Von der Bibel wird gesagt, dass man ein Fleisch mit der Person wird, dass man mit ihr verbunden ist.

Es war eher ein längerer Prozess; auf ein Ereignis könnte ich das nicht zurückführen. Irgendwann setzt man sich mit dem Thema halt auseinander. Es gibt viele Internetseiten und Vorträge darüber und das Thema ist ja auch ständig in den Medien präsent. Laut einer Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatten 2009 über 70 Prozent der deutschen Jugendlichen ihr erstes Mal mit 17 Jahren oder früher. Denkst du, dass der Umgang mit Sex in den Medien dafür mitverantwortlich ist? Ja, auf jeden Fall. Es ist zwar jedem selbst überlassen, wie er damit umgeht, aber wenn ich sehe, dass kleine Kinder bei den Privatsendern ständig nackte Menschen sehen können, habe ich damit schon ein Problem. Es gab zum Bei-


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spiel den Fall in den usa, wo Katy Perry in der Sesamstraße aufgetreten ist und diese Szene nicht ausgestrahlt wurde, weil sich viele Eltern darüber beklagt haben, dass sie zu freizügig gekleidet ist. Es gibt da zwar einen Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und ethischer Auffassung, aber ich persönlich würde mir auch in Deutschland eine strengere Auslegung wünschen. Man sollte aber niemandem etwas aufzwingen, da wurden von der Kirche schon zu viele Fehler gemacht.

ne Studienkollegen. Ich lehne Sex ja auch nicht grundsätzlich ab und verurteile niemanden, nur weil er schon mal Sex hatte.

habe meine Freundin natürlich auch geküsst. Bei Petting würde ich persönlich aufhören, aber eine genaue Grenze gibt es da nicht.

Hattest du schon mal eine Beziehung?

Ist Küssen nicht genauso intim wie Sex?

Mit meiner Ex-Freundin hatte ich eine Fernbeziehung, aber es war auch nicht so, dass ich ständig Lust auf Sex gehabt hätte. Sie wußte, wie ich dazu stehe, aber bei ihr war das ähnlich. Sie war auch gläubig und hatte die gleichen moralischen Vorstellungen.

In der Bibel wird über Küssen nichts gesagt, aber in einer Beziehung küsst man sich erst, bevor man miteinander schläft. Sex ist schon noch eine andere Stufe, auch wenn ich das aus erster Hand nicht beurteilen kann. (lacht) ¶

Was für Fehler?

War das Verlangen nach Sex durch den Verzicht nicht noch viel größer?

Das Zölibat finde ich beispielsweise nicht gut; ein Mensch sollte nicht sein ganzes Leben lang Single sein. Die Kirche ist ja auch gegen Kondome – denkst du, dass Verhütung laut Bibel erlaubt ist? Genau weiß ich das gar nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Problem ist. Ich bin ja auch kein Katholik. Der Papst hat ja gesagt, Verhütung ist Mord. Das sehe ich anders. Wenn man verhütet, weil man gerade kein Kind haben will, dann ist das für mich völlig O. K. Wie reagieren deine Freunde auf deine Entscheidung, mit dem Sex zu warten? Ich kenne viele, die denselben Standpunkt vertreten wie ich – nicht nur aus der Gemeinde. Bei anderen war das nie eine große Sache. Sie fragen zwar, aber die Meisten respektieren das, auch mei-

Es gibt zwar dieses psychologische Phänomen, dass wenn man versucht nicht an eine gelbe Zitrone zu denken, man automatisch an eine denkt, aber wie gesagt: Ich habe nicht ständig an Sex gedacht. Nebenbei habe ich neulich erst in einer Fernsehsendung gesehen, dass die Häufigkeit, wie oft Paare miteinander schlafen abnimmt, je länger sie zusammen sind. Wo liegt die Grenze zwischen Zärtlichkeit und Sex? Natürlich ist Küssen noch kein Sex. Es gibt zwar auch extrem konservative Stimmen, die das verbieten. Ich habe aber meinen eigenen Standpunkt und


Cocktails Kalt, trist und dunkel: So ein Wintertag schlägt aufs Gemüt. Doch damit ist jetzt Schluss – unsere drei weißen Coktails versetzen euch in Sommerlaune.


Coconut Banana

Raffaello Lady’s Cocktail

Pina Colada

Alkoholfrei

Alkoholgehalt: zwei Prozent

Alkoholgehalt: acht Prozent

Zutaten 2 cl Cocossirup 3 cl Bananensirup 2 cl Sahne Milch zum Auffüllen

Zutaten 2 cl Malibu 2 cl Batida de Coco 2 cl Amaretto 2 cl Cocossirup Milch zum Auffüllen

Zutaten Crushed Ice 4 cl Brauner Jamaica Rum 2 cl Cocoscreme 2 cl Sahne Ananassaft zum Auffüllen

Zubereitung Glas kühlen Glas mit Eiswürfeln füllen Shaken Cocos- und Bananensirup zusammen mit der Sahne und 2– 3 Eiswürfeln in den Shaker geben und kräftig schütteln, bis der Shaker außen beschlägt. Alles durch ein Sieb abseihen und den Rest des Glases mit Milch auffüllen Dekorieren Den Drink nach Belieben mit Cocktailkirschen garnieren und Trinkhalm servieren Tipp Auch ein Orangenstück macht sich sehr gut als Dekoration; der säuerliche Geschmack neutralisiert die extreme Süße des Cocktails.

Zubereitung Glas kühlen Eiswürfel in ein Glas geben Shaken Malibu, Batida de Coco, Amaretto und Cocossirup in einen Shaker und gut schütteln Mixtur in das vorgekühlte Glas geben und mit Milch auffüllen Dekorieren Sternfrucht, Cocktailkirschen oder Erdbeeren runden als Dekoration den Geschmack perfekt ab Tipp Den Amaretto einfach mit Apfeloder Kirschsaft mischen – unter Liebhabern ein absoluter Geheimtipp!

Zubereitung Glas kühlen Ein wenig Crushed Ice in das Glas geben Shaken Den Shaker mit 2–3 Eiswürfeln, Rum, der Cocoscreme und der Sahne befüllen und circa 15 Sekunden kräftig schütteln Absieben Das Getränk mit einem Sieb in das Cocktailglas abseihen und anschließend mit Milch auffüllen Dekorieren Den Cocktail mit AnanasStücken, Weintrauben oder Physalis dekorieren; Strohhalm nicht vergessen!

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Geldfluss Kann ich mein Sperma verkaufen ? Diese Frage kĂśnnte sich so mancher Mann auf der Suche nach einem unkomplizierten Nebenverdienst schon gestellt haben. 630 Euro bekommt man etwa bei der Samenbank Erlangen fĂźr sechs Spenden. Doch ist es wirklich so leicht sein Erbmaterial unters Volk zu bringen? Ein Selbstversuch.


Neulich abends mit den Kommilitonen bei einem Bier: Wir diskutieren darüber, wie man als Student schnell und bequem an Geld kommen könnte. Jemand wirft schließlich in die Runde, man könne doch einfach mal Sperma spenden gehen – die Bezahlung soll nicht schlecht sein und von Arbeit könne man hier ja auch nicht unbedingt sprechen. Ja, warum denn eigentlich nicht einfach mal Sperma spenden gehen? Diesen Vorschlag habe ich nun schon des Öfteren gehört, aber nie scheint ihn jemand wirklich umzusetzen. Mal eben das sonst so achtlos verschwendete Erbgut in bare Münze verwandeln – bequemer und schneller geht es doch gar nicht – oder? Ich beschließe, es herauszufinden. Die Internetseite der einzigen Samenbank Nordbayerns in Erlangen lässt sofort erahnen: So ganz simpel ist es keineswegs – die Voraussetzungen für eine Spende sind in puncto Gesundheit hoch. Trotzdem will ich das Online-Bewerbungsformular ausfüllen, denn ich gehöre zur angegebene Altersgruppe von 20 bis 40 Jahren und habe auch keine der aufgelisteten Krankheiten. Neben Angaben zu Person und Aussehen werden auch noch Blutgruppe und Rhesusfaktor abgefragt.

cher dar. In der Kategorie Beruf übertreibe ich hingegen lieber nicht, denn falls ich tatsächlich persönlich erscheinen darf, sollte relativ schnell auffallen, dass dort kein erfolgreicher Unternehmer im Wartezimmer sitzt. Außerdem, so ja die Vermutung, bewerben sich hier sowieso viele Studenten, die sich ein bisschen Geld dazuverdienen wollen. Die Samenbank Erlangen bezeichnet die Samenspende zwar als eine freiwillige, soziale Leistung, die Spender erhalten nach sechs abgegebenen Proben dennoch eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 630 Euro. Mit dieser Summe sind die Anfahrtskosten wohl auch aus den entlegensten Winkeln Bayerns mehr als gedeckt. Evolutionsbiologisch gesehen, denke ich mir, wäre ja eigentlich die Weitergabe des kostbaren eigenen Erbguts an diverse weibliche Vertreter der Spezies bereits Aufwandsentschädigung genug – wenn man in diesem Zusammenhang denn überhaupt von einem Aufwand sprechen kann. Nach acht Tagen bekomme ich dann per E-Mail einen Termin für die Abgabe einer ersten Probe. An diesem Punkt fange ich zum ersten Mal an, wirklich ernsthaft über die Sache nachzudenken. Das Geld könnte ich natürlich

Ein Blick in meine Geburts­ urkunde verrät: A positiv. Aufschlussreich. Ich frage mich, inwiefern die Angaben auf diesem Formular bereits meine Eignung als Spender beeinflussen und stelle mich beim Punkt Hobbys vorsichtshalber etwas sportli-

gut gebrauchen, jedoch haben durch Spendersamen gezeugte Kinder ab dem 18. Lebensjahr das Recht, den Namen ihres leiblichen Vaters zu erfahren. Man würde also von diesem Zeitpunkt an mit

dem Gedanken leben müssen, jeden Tag könnte das eigene – unbekannte – Kind auf der Suche nach seiner Herkunft vor der Tür stehen. Ich erzähle meiner Freundin davon; sie hat prinzipiell nichts gegen eine Samenspende, findet diese Vorstellung aber auch sehr unangenehm. Trotz Bedenken sage ich meinem Termin zu. Einerseits aus Interesse und zum anderen gehe ich sowieso stark davon aus, ich werde dank meines studentischen Lebensstils vor Ort noch aussortiert. Denn Alkohol und Nikotin sind für Samenspender tabu und in Wirklichkeit steht es natürlich auch bei weitem nicht so gut um meine Fitness, wie ich es in meiner Bewerbung dargestellt habe.


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Wenn man als Mann der strengen Qualitätskontrolle einer Samenbank nicht standhält, aber sein Erbmaterial dennoch, wenn möglich auch noch bezahlt, unters Volk bringen möchte, dann bietet sich seit Neuestem eine weitere Möglichkeit an: Nicht jedes junge Paar mit unerfülltem Kinderwunsch kann es sich leisten, die rund zweitausend Euro für eine Befruchtung in einem Reproduktionszentrum wie dem in Erlangen zu bezahlen, darum gibt es im Internet – wie könnte es anders sein – Portale, auf denen bereits mit Sperma gehandelt wird. Als ich eine dieser Seiten besuche, bin ich positiv überrascht. Ich hatte eine Art Sperma-Schwarzmarkt erwartet, doch die Seite wirkt seriös und ist ähnlich einer Partnerbörse aufgebaut. Das Aufgeben einer Anzeige ist kostenlos und es gibt hier in etwa genauso viele Angebote wie

Gesuche. Schon bald fällt mir auf: Die überwältigende Mehrzahl der Suchenden sind lesbische Pärchen oder alleinstehende Frauen. Das Internet ist für sie in den meisten deutschen Bundesländern immer noch der einzige Weg, um an eine Samenspende zu kommen. In der Samenbank Erlangen darf beispielsweise eine Befruchtung nur bei heterosexuellen Paaren durchgeführt werden, die verheiratet sind oder in einer stabilen Beziehung leben. Begründet wird dies durch die aktuelle Rechtslage: Es bestehe ein erhöhtes Risiko für den Spender, auf Unterhalt für das Kind einer alleine lebenden Frau oder eines lesbischen Paares verklagt zu werden. Das Risiko eines solchen Streitfalls ist natürlich bei der Samenbörse im Internet noch größer. Trotzdem findet ein reger Austausch statt. Die Seite verzeichnet insgesamt über 3500 Inserate. Nutzerin «svenja28» schreibt:

«Auf meinen Prinzen kann ich noch eine Weile warten,

aber ein Kind hätte ich gern schon jetzt.» Die Männer, die hier ihren Samen anbieten, haben Nicknames wie wunschtraum25, Blauauge_nrw oder Kaffeetrinker81. Ihre Profile zeigen Fotos und verraten alles über Gesund-

heitszustand, Freizeitgestaltung und berufliche Laufbahn. Hier kommt man dem amerikanischen Modell des Kindes aus dem Katalog schon um einiges näher als in der Samenbank, denn dort bekommt man weder ein Foto noch besonders detaillierte Angaben über die Persönlichkeit des Spenders. Die Männer auf der Seite sind zwischen 18 und 45 Jahren alt, unter ihnen auch viele Studenten. Auch ich will hier aus Interesse mein Glück versuchen und registriere mich in Anlehnung an die anderen User unter dem Nickname Musicman22. Ich nehme mir vor, mein Inserat so ehrlich wie möglich auszufüllen. Neben den Standardangaben kann man hier die bereits bekannte finanzielle Entschädigung von der Empfängerin wünschen und die Spendemethode auswählen. In den anderen Anzeigen habe ich bereits von Männern gelesen, die auch für eine natürliche Besamung eine Aufwandsentschädigung verlangen. Die andere Möglichkeit, die man unter diesem Punkt auswählen kann, nennt sich Becher. Ich kann mir darunter relativ wenig vorstellen und suche deshalb den Info-Bereich der Seite auf. Dieser verlinkt unter dem Punkt «Wie kommt das Sperma in meine Scheide?» auf eine andere Internetseite, die über die sogenannte Heim-Insemination aufklären soll. Dieser Begriff beschwört sofort Bilder aus früheren Zeiten herauf, in denen alles noch im eigenen Haus gemacht wurde. Das Heim-Inseminations-Set, das man hier bestellen kann, enthält laut Beschreibung sterile Becher, Gleitgel, Spritzen und Spezialkondome. Wie


man dieses Zubehör schließlich korrekt verwendet, könnte ich ebenfalls auf der Seite nachlesen, überlasse das an dieser Stelle aber lieber meiner Fantasie und wähle den Becher für mein Inserat aus. Im Anzeigentext weise ich schließlich noch auf kulturelles Interesse und solide Kochkünste hin –  damit hoffe ich meine Unsportlichkeit wettmachen zu können. Jetzt heißt es nur noch warten. Einige Tage später, bereits im Zug nach Erlangen, beschließe ich, keine Probe abzugeben. Ich würde nur die kostbare Zeit des Labors mit meinem sicherlich ohnehin unqualifizierten Samen verschwenden  –  rede ich mir ein – denn ehrlich gesagt will ich bei genauerer Betrachtung doch lieber kein Samenspender sein. Der bereits erwähnte Gedanke, eines Tages einen mir unbekannten jungen Menschen auf der Suche nach seinem leiblichen Vater auf der Türschwelle stehen zu haben, behagt mir überhaupt nicht. Und nachdem auch meine Freundin bereits Bedenken geäußert hatte, hat sich die Sache für mich eigentlich ohnehin erledigt. Meiner Neugierde tut dies natürlich keinen Abbruch und, in Erlangen

angekommen, finde ich mein Ziel auch recht schnell in einer unscheinbaren kleinen Passage, lediglich gekennzeichnet durch ein kleines Schild neben der Tür. Ein Reproduktionszentrum hatte ich mir anders vorgestellt. Die Frau an der Rezeption ist sehr freundlich und das Wartezimmer sieht aus wie in jeder anderen Arztpraxis: minimalis­ tische, moderne Sitzmöbel und Lesezirkel. Ich will mir natürlich den bereits im Internet angekündigten «Gewinnungsraum» ansehen. Schon der Name klingt so unsexy, ich als Spender hätte wohl ernsthafte Bedenken, ihn verrichteter Dinge wieder zu verlassen. Daran würde wohl auch das neben dem, ich nenne ihn mal «Gewinnungsstuhl», ausliegende «sexuell anregende Bildmaterial, das den Spendern die Aufregung der fremden Situation nehmen soll» – so steht es auf der Homepage – nicht viel ändern. Dr. Andreas Hammel, der Gründer und ärztliche Leiter der Samenbank Erlangen, versichert mir dennoch, es habe noch nie einen Rückzieher in letzter Minute gegeben. Auf meine Frage, ob es denn Männer gebe, die ihre Freundin mit in den Gewinnungsraum nehmen, antwortet er: «Das wäre kein Problem,

kommt jedoch nie vor.» Natürlich interessiert mich auch, wie viele Studenten sich bei der Samenbank als Spender bewerben und wie hoch die Ausfallquote ist.

Fünzig Prozent der Bewerber seien Studenten. «Von allen Probanden», so Hemmel, «kommt aber am Ende nur einer von sieben für eine Spende in Frage. Bei den meisten stimmt die Samenqualität nicht.» Und wie sieht es mit den Motiven aus? Wollen sich die Männer hier etwas dazuverdienen oder wirklich eine soziale Leistung erbringen? «Eine schwierige Frage. Es gibt viele Spen­ der, die bereits finanziell gut situ­ iert sind und nicht auf die Aufwandsentschädigung angewiesen sind. Mein Eindruck ist, dass tatsächlich karitative Motive bei den Spendern überwiegen.» Außerdem weist er mich noch auf andere Möglichkeiten hin, durch «Körpereinsatz» leichtes Geld zu verdienen. Bei einer Thrombozytenspenden beispielsweise oder einer Medikamentenstudie habe man auch nicht die Verantwortung, mit dem gespendeten Samen


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Kinder zu zeugen, die später das Recht darauf haben, die Identität des leiblichen Vaters zu erfahren. Als ich ihm von der Internetbörse erzähle, auf die lesbische Paare und allein stehende Frauen wegen der rechtlichen Lage zurückgreifen müssen, damit sie sich ihren Kinderwunsch erfüllen können, sagt er: «Es ist trau­ rig, dass dem Gesetzgeber diese Frauen gleichgültig sind. Frauen mit Kinderwunsch werden so in ihrer Not zu riskanten Praktiken getrieben.» Und auf die Frage, ob er Männern denn davon abraten würde, hier eine Anzeige aufzugeben, antwortet er nur: «Ich kann grundsätzlich nicht dazu raten, Körperflüssigkeiten im Internet anzubieten.» In diesem Punkt gebe ich ihm Recht und entferne zu Hause mein Inserat. Es war sowieso nicht besonders erfolgsversprechend: In knapp einer Woche haben zwar immerhin sechs Frauen mein Profil aufgerufen, aber keine scheint sich näher dafür interessiert zu haben. Woran mag es wohl hier gelegen haben? Aber wenigstens habe ich nun dem Nächsten, der vorschlägt, mal eben Sperma zu spenden, um sich schnell ein bisschen Geld dazuzuverdienen, etwas

zu entgegnen. Denn abgesehen von den hohen Voraussetzungen bei der Qualitätskontrolle in einer Samenbank und den möglichen rechtlichen Konsequenzen bei der Internetspende will so ein Schritt wohl überlegt sein. ¶

Gut möglich, dass einem sonst die Kinder in der Fußgängerzone plötzlich alle so bekannt vorkommen.


Porträt

«white; … adjective; 1. of the color of milk or fresh snow» – was wir schon alle wissen, das Oxford Dictionary schreibt’s: Mit Weiß verbinden wir alle sofort Schnee. Welcher Name für den brillantesten Snowboarder der Welt könnte wohl besser passen als: Shaun White.


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Shaun wurde mit einem Herzfehler geboren und nur zwei Operationen konnten sein junges Leben rettetn. In seiner Kindheit eiferte Shaun seinem fünf Jahre älteren Bruder Jesse nach, in dessen Fußstapfen er später treten wollte. Dieser brachte ihn auch zum Snowboarden. Im Windell’s Snowboard Camp in Mount Hood, Oregon, lernte er mit sieben Jahren die Grundlagen des Snowboardens. Sie sollten der erste Schritt einer unglaublichen Karriere sein. Mit 13 Jahren hatte er bereits einige Sponsorenverträge und erreichte bei den Japan Open Platz drei. Mit 16 war er der Weltranglistenerste im Slopestyle. Hier müssen die Teilnehmer einen Hindernisparcours durchfahren und werden dabei von einer Jury bewertet. In der Saison 2004 / 2005 musste Shaun wegen einer Verletzung am Knie eine Zwangspause einlegen. Ein großer Rückschlag? Fehlanzeige! Bereits in der darauf folgenden Saison 2005 / 2006 war er erfolgreich wie noch nie zuvor und gewann fast jeden Wettbewerb, bei dem er mitgefahren ist. Das war bis dahin nur der norwegischen SnowboardIkone Terje Håkonsen gelungen. Aber trotz der Erfolge, Sponsoren und Preisgelder ist Shaun immer auf dem Boden geblieben – zumindest was seine Persönlichkeit angeht. Seit seiner Kindheit hat sich eines nie geändert: Im Mittelpunkt steht immer der Sport und nie der Ruhm oder das große Geld. Shaun White verkörpert das Snowboarden wie kein anderer vor ihm. Deshalb würde er auch nie etwas tun, das dem Ansehen des Sports schadet. Auch gegenüber Mitstreitern verhielt sich Shaun während seiner steilen Karriere niemals arrogant. Ihm ist es schlichtweg nicht wichtig einen Wettbewerb zu gewinnen, auch wenn das dann meistens so ist. «Ich weiß, dass ich alles gegeben habe und wenn mich jemand geschlagen hätte, dann wäre ich zwar etwas enttäuscht gewesen,

aber das wäre O.K., denn ich weiß ja, dass ich mein Bestes gegeben habe.» Er fährt nicht Snowboard, weil er es besser kann als alle anderen. Er fährt, weil es ihm Spaß macht. Das ist die Motivation für seine Erfolge. Sein nächster Karrierehöhepunkt ließ nicht lange auf sich warten: Bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin gewann Shaun White die Goldmedaille in der Halfpipe. Er ließ die Konkurrenz weit hinter sich, überzeugte Zuschauer und Jury mit seinen Sprüngen. Vier Jahre später in Vancouver holt er sich erneut Gold. Aber er wäre nicht Shaun White, wenn er nicht immer noch ein Ass im Ärmel hätte. Als er die Medaille schon sicher hatte, zeigte er der Weltöffentlichkeit einen völlig neuen, waghalsigen Sprung, den er selber erfunden hat: eine dreieinhalbfache Drehung um die eigene Achse und ein Doppelsalto – der Double McTwist 1260. Kein anderer Snowboarder konnte ihm diesen Sprung bisher fehlerfrei nachmachen. Aber auch kein anderer hat solch ideale Trainingsbedingungen wie Shaun White. Sein Sponsor Red Bull hat ihm für eine halbe Million Dollar eine Halfpipe gebaut – ganz für ihn allein. Sie steht mitten in den Rocky Mountains, nördlich von Silverton, Colorado einer abgelegenen, kleinen Stadt  –  nur per Helikopter erreichbar. Dort kann er ungestört trainieren und sich auf die anstehenden Wettbewerbe vorbereiten. So eine teure Halfpipe bringt ihm jedoch nicht nur Wohlwollen ein. Oft wird er deswegen kritisiert, aber für ihn ist das kein überflüssiger Luxus. Er braucht für sein Training etwas Ruhe vor seinen Fans und vor den Medien. «Für mich ist es an einem normalen Ort sehr schwierig, vor allem wenn man für ein paar Wochen dort ist, um neue Tricks auszuprobieren. Jeder in der Stadt weiß, dass ich da bin und das verbreitet sich auch rasend schnell. Das ist zwar cool, aber auch ziemlich

schwierig, wenn man versucht sich zu konzentrieren. Es ist wirklich toll, dass mich Red Bull in dieser Sache so gut unterstützt. Das bedeutet mir wirklich sehr viel.» Shaun hat neben dem Snowboarden noch eine weitere, große Leidenschaft – sein Skateboard. Auch in dieser Sportart zählt er zu den besten Fahrern weltweit. Bereits seit seiner Kindheit ist Shaun mit Tony Hawk, der späteren Skateboard-Ikone befreundet. Hawk war sein Mentor und verhalf ihm zu seinen ersten Erfolgen im Skateboarding. Im Jahr 2003 nahm er zum ersten Mal an einem Skateboard-Wettbewerb teil und erreichte gleich den vierten Platz. Shaun qualifizierte sich für die X-Games und war der erste Teilnehmer, der jemals die X-Games im Sommer und im Winter gewonnen hat. Durch etliche Erfolge wurde Shaun schnell zum Superstar in den Medien, vor allem in den Snowboard-Magazinen. 2007 hatte er eine Gastrolle als Snowboardlehrer in der amerikanischen Reality Show «The Girls Next Door» und 2010 war er bei Jay Leno zu Gast. Wesentlich mehr Leuten wird er allerdings durch mittlerweile zwölf Filme und zwei Videospiele bekannt sein. Wegen seiner langen, roten Haare bekam Shaun früher den Spitznamen «Flying Tomato». Mittlerweile gefällt ihm jedoch The Animal besser, denn Shaun erinnert ein bisschen an die gleichnamige Figur aus der Muppet Show. Shaun White scheint die Rolle als Snowboard-Superstar und die Präsenz in den Medien zu gefallen, denn immerhin durfte er 2010 sogar Präsident Barack Obama treffen. Aber auf die Frage «Was findest du an deinem Leben am besten?», antwortet er bodenständig: «Es ist einfach cool, trotz der vielen Arbeit, so viel Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen zu können.» ¶



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Schleimig Das Internet lockt mal wieder mit kuriosen Produkten. Diesmal im Angebot: Cyber Clean. Dabei handelt es sich jedoch weder um eine virtuelle Putzfrau, noch um einen futuristischen Besen, sondern um ein ganz reelles Reinigungs­ mittel. Beworben wird dieser Artikel übrigens mit dem einprägsamen Spruch: «Saubere Tastatur dank Schleim». Das klingt doch toll.


Cyber Clean ist ein neongelber Schleimklumpen, der die Zwischenräume der Tastatur von Schmutz befreit, so zumindest die Theorie. Ob das in der Praxis auch funktioniert, wissen nur wenige, denn die meisten Menschen scheuen einfach davor zurück, Reinigungsschleim zu kaufen. Muss es denn unbedingt Schleim sein? Reicht ein gewöhnliches Mikrofasertuch nicht aus? Ist die Tastatur so dreckig? Der Experte für diese Fragen ist wiederum das Internet. Und das sagt: Ja. Zwischen der Alt- und der TabTaste tanzt der Schimmel. Ja, die Tastatur ist eine wahre Dreckschleuder − schlimmer als der Toilettensitz des Berliner Hauptbahnhofs und das DixieKlo bei Rock im Park zusammen. Die größten Ferkel sind Tastaturen in Internetcafés, Bibliotheken und (Hoch-) Schulen. Tastaturen eben – Treffpunkt verschiedener Hygienestandards, verschiedener Keime und verschiedener Essensreste: Staphylokokke epidermidis sitzt neben Staphylokokke haemolyctus und der Pilz Candida reicht der Bakterie Pseudomand die Hand. Zwischen der Alt- und der Tab-Taste tanzen Schimmel, Schnupfen und Scharlach Polonaise und auf Enter laden Furunkel und Durchfall zum Kaffeekränzchen. Während dieser Text entsteht, tippen Millionen von Bakterien fröhlich mit, sie hüpfen mit den Tasten auf und ab und freuen sich, dass es wieder Zuwachs und Vermehrungsspielraum gibt. Laut einem höchst seriösen Online-Test tummeln sich übrigens auf der Tastatur, mit der dieser Text geschrieben wurde, bereits 1842540 Keime, das entspricht 369 Toilettensitzen − Tendenz steigend. Wie viele Toilettensitze dann einer öffentlichen Tastatur entsprechen und wie viele Keime sich dort breit machen, kann sich jeder selbst denken. Es ist doch aber nicht so, dass jeder extra kräftig auf die Tastatur niest und so sein Revier markiert. Wie kann es dann sein, dass die Tastatur ein Sze-

ne-Treff für Bakterien ist? Essen vorm Bildschirm und das fehlende Händewaschen sind die Schlagwörter für den Keimzuwachs. Der aufmerksame taffZuschauer weiß, dass sich von hundert Menschen nur einer die Hände richtig wäscht. Mit Seife. Eine halbe Minute lang. Und die Fingerzwischenräume nicht vergessen! Aber seien wir einmal ehrlich: Wer wäscht sich denn schon immer nach dieser Regel die Hände? Und wer gönnt sich nicht hin und wieder mal einen Snack und krümelt die Tastatur voll? Da freuen sich eben Candida und Durchfall, binden sich schon mal die Serviette um, sabbern voll freudiger Erwartung auf die Tasten und lauern auf den nächsten Klumpen Butterbreze. Michael Jackson hat’s vorge­ macht: Mundschutz hilft. Bei öffentlichen Tastaturen helfen dann wohl nur noch Mundschutz, Einweghandschuhe und das Desinfektionsmittel im praktischen Taschenformat. Denn wer weiß, was man sich alles einfangen kann, während man in der Bibliothek schnell einen Artikel zur Hygiene am Arbeitsplatz ausdrucken will! Das schlaue Internet schlägt noch weitere Maßnahmen zur Erhaltung der Tastaturhygiene vor. Unter lan-Spielern ist die Frischhaltefolie als Tastaturschutz beliebt. Einige User zweckentfremden gerne die Geschirrspülmaschine und reinigen die Tastatur maschinell. Andere schwören auf Schwamm und Alkohol. Und wieder andere verwenden

neongelben Schleim. Dieser Schleim ist übrigens antibakteriell, desinfizierend und riecht nach Zitrusfrucht. Und das Beste – Schleim hilft in allen Lebenslagen: Es gibt gelben Tastaturreinigungsschleim, türkisen Autoreinigungsschleim, der nach Minze riecht, und für die Prinzessinnen unter uns einen pinken Hello-Kitty-Schleim.

Der riecht nach Erdbeere. Lecker!


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Wir wollten es genau wissen: Funktioniert Cyber Clean wirklich? Wie fühlt sich der gelbe Schleim an? Und vor allem: Ist das alles wirklich so eklig, wie man sich das vorstellt? Schmitz-Redakteur Kris Siepert mit einem Praxistest. Der erste Schritt dieser Test-Odyssee führt mich auf den Online-Shop des Schweizer Herstellers; dort erstehe ich für 3,79 Euro das kleinste Paket im praktischen Zip-Beutel. Schon drei Tage nach erfolgreicher Bestellung liefert mir ein passenderweise gelb gekleideter Mann 75 Gramm der HightechReinigungsmasse. Mit zwei Tastaturen und Cyber Clean bewaffnet suche ich das Amberger Werkstofflabor an der Hochschule AmbergWeiden auf. Ein Auflicht-Mikroskop mit integrierter Kamera bringt Licht ins Dunkel: Das MacBook ist leicht verschmutzt, während meine eigene Logitech-Tastatur unbeschreiblich dreckig ist. Mit der 60fachen Vergrößerung des Mikroskopes erkenne ich zwar noch keine einzelnen Bakterien, aber floureszierende Flecken in den Unebenheiten der Plastikoberfläche: kein normaler Staub oder Dreck. Das müssen Ansammlungen von Bakterien sein, vermute ich. Ich wähle den Buchstaben J als Testobjekt und schieße ein paar Fotos.

Jetzt wird’s ernst: Ich öffne vorsichtig den Beutel und nehme Cyber Clean genauer unter die Lupe. Die Reinigungsmasse erinnert an Spaß-Artikel, die es früher regelmäßig in der Zeitschrift Micky Mouse gab:

Glibberiger Schleim, irgendwie befremdend und aufregend zugleich. Sollte es außerirdisches Leben geben, so würde ich es mir vorstellen. Geruchlich pendelt die Masse zwischen Fensterreiniger und künstlichem Zitronenaroma. Ich drücke nach der aufgedruckten Anleitung den Schleim fest auf die Tastatur – fühlt sich fast wie Pickel-Ausdrücken an. Und tatsächlich: Das gelbe Chemie-Produkt dringt sichtbar tief in die Zwischenräume ein. Erstaunlicherweise geht das anschließende Abziehen ganz leicht und rückstandsfrei. Ab damit unter's Mikroskop:

Staub und Dreck sind verschwunden, genau wie viele der fleckigen Bereiche, die mir vorher aufgefallen waren. Ich bin begeistert; vorerst jedenfalls. Just in der Sekunde, in der ich auf Speichern klicke, lehnt sich mein Fotograf versehentlich gegen einen roten Schalter an der Wand. Einen Wimpernschlag später ist das Werkstofflabor dunkel und sonderbar ruhig. Der Not-Aus-Schalter hat gesprochen und unterbricht alle Experimente erstmal zur Gänze. Ein leicht verärgerter Student, dessen Versuch wir gerade unterbrochen haben, läuft fluchend durchs Labor. Nach gut 30 Minuten Wartezeit, in der ich mir 10 äußerst kreative Wege überlege meinen Fotografen ohne Spuren zu beseitigen, hilft uns der verantwortliche Laboringeneur weiter. Knips, das Licht ist wieder an. Das war übrigens das erste Mal seit der Eröffnung des Labors im Jahr 1998, dass der Not-Aus-Schalter betätigt wurde. Nun nehme ich auch das Macbook ins Visier. Hier wird meine Beobachtung bestätigt: Cyber Clean funktioniert! Hat man sich erstmal an den gelben Schleim gewöhnt, geht einem die unkonventionelle Reinigungsmethode schnell und unkompliziert von der Hand. Apropos Hand: die Hände sollte man danach auf jeden Fall waschen! ¶


Container «Container» ist genau das, was es heißt: ein großer Teil der allwissenden, nichts­ sagende Müllhalde. Diese Kategorie wird genauso wie all die anderen schönen neuen Dinge, die blinken und angenehm nach neu riechen, einen festen Platz in der Schmitz-Geschichte finden.


Hoast – s(h)it everywhere! «Einst, nach einer langen und von Strapazen geprägten Reise fand er am 26. Mai 2011 seine wahre Bestimmung: Befreit von Schutt und Staub, seine neue Brille stolz zur Schau tragend, beflügelt von der Kreativität der Bored Audience Production ließ er seinem Talent freien Lauf und wurde – Künstler», Maximilian Dittrich und Patrick Moser über Hoast. Doch wer oder was ist eigentlich Hoast? Versuch einer Definition: Name: Hoast Farbe: moosgrün Marke: Ideal Standard Geschlecht: Toilette Geburtsort: Kiez, Amberg Geburtsstunde: 26. Mai 2011, 10:21 Uhr Lieblingshobby: Reisen (bevorzugt durch Amberg) Erster öffentlicher Auftritt: Campusfest, Hochschule in Amberg, 26. Mai 2011 Schöpfer? Vier Studenten der Medienproduktion und Medientechnik alias Bored Audience Production: Maximilian Dittrich, Patrick Moser, Alexander Spennesberger und Daniel Wastl Warum gerade der Name Hoast? Hoast hoast Hoast, weil ea Hoast hoast! Wie kam es dazu? Wir haben Müll weg- und Hoast mitgebracht! Und dann kam auch noch Ehec, s(h)it everywhere – Parodie perfekt! Und nach Ehec? Nach erfolgreichem Überleben mehrerer Ehec-Anschläge ist Hoast geschmeidiger denn je und weiß nun wirklich mit jeder Lebenslage umzugehen. Aus diesem Grund wird er seinen Fans selbstverständlich treu bleiben und auch weiterhin, sicherlich stets mit ein wenig Zynismus im Gepäck, das Land bereisen – immer mit dem Ziel vor Augen, friedliche Amberger Bürger in Staunen zu versetzen und gleichzeitig doch auch ein wenig zum Nachdenken anzuregen.

Nicht genug von Hoast? Mehr bei: facebook.com/Hoast.hoast.Hoast ¶

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Gespinst Hand aufs Herz: Wer hat es in seiner Jugend nicht getan – Geister beschwört! Ob durch das allseits beliebte «Gläser rücken» oder die Suche nach der geheimnisvollen «Bloody Mary» im Badezimmerspiegel. Wir alle wollten ihn haben, diesen gewissen Gruselfaktor auf langweiligen Sweet 16-Partys. Doch gesehen haben wir diese Wesen nie. Für das gespenstisch weiße Schmitz war es an der Zeit, sich noch einmal auf die Suche nach ihnen zu begeben. Marina Dötterl hat sich dieser Herausforderung gestellt.


Ob ich Angst hatte? Ich hätte mir fast in die Hosen gemacht. Wieso ich es getan habe? Weil ein Artikel für das neue Magazin gefehlt hat. Wir hatten Themen über Medizin, Musik, Lebensmittel, ja sogar über Samenspende. Doch eines hatten wir nicht – ein Thema, das bei der Farbe Weiß etwas ganz Naheliegendes ist: Wir hatten nichts über Geister. «Hey, hier in der Gegend gibt’s doch die Ghosthunters!» «Hier gibt es was?» «Frau Dötterl, das übernehmen Sie. Gehen Sie mit denen auf Geisterjagd!» Geisterjagd – so wie die Ghostbusters, mit Protonenstrahler am Rücken und grauen Ganzkörperoveralls? Meine Skepsis ist groß. Natürlich ist sie das! Bin ich doch schließlich ein Kind der Technik, des rationalen Denkens. Ich bin damit groß geworden, dass Wissenschaftler auf alles eine Antwort finden. Aber trotz dieser Skepsis kann ich den Drang der Neugier in mir nicht stillen, der sich schon beim bloßen Wort «Geister» in mir aufgebaut hat und deshalb stürme ich direkt nach der Redaktionssitzung an meinen pc, um mich im Internet über das ghtb zu informieren – das einzige Ghosthunter Team in Bayern, deren Chef Alexander Wagner ist und der idealerweise in Kümmersbruck bei Amberg wohnt. Ein Blick auf die Homepage des ghtb macht schnell deutlich, dass es sich dabei um alles andere als eine unbekannte Truppe handelt. Sämtliche regionale und überregionale Medien haben bereits über sie berichtet. Das Einzige, was sie mit den Ghostbusters gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie sich als gemeinnützig bezeichnen und man sie anrufen kann, wenn man glaubt, bei sich zu Hause spukt es. Und wenn man sich ihre Projekte in den letzten zwei Jahren ansieht, dann wird klar, dass das wohl viele Leute glauben, denn das ghtb ist fast jedes Wochenende auf Geistersuche. Sie besitzen zwar keine Protonenstrahler, aber dafür al-

lerlei andere Geräte: zahlreiche Kameras, darunter zwei Nachtsichtkameras, Diktiergeräte, Gaussmaster, Trifieldmeter, Datenlogger, Infrarotthermometer und etwas, das verdächtig nach dem Gerät aussieht, was ich bisher nur von Darmspiegelungen her kenne. Ich setze mich mit Alexander Wagner in Verbindung. Zusammen mit meinem Studienkollegen Juri will ich die Ghosthunters bei einer ihrer paranormalen Untersuchungen, kurz pu, begleiten. Alexander Wagner klingt nett, lustig und bodenständig. Gar nicht so verrückt, wie ich erwartet hatte. Er lädt uns auf eine pu zur Burgruine Wolfstein in Neumarkt ein. Die Ruine stammt aus dem 12. Jahrhundert und thront auf dem 588 Meter hohen Wolfsteinberg. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Burg zeigt, dass sie außer ihrem imposanten Erscheinungsbild relativ unspektakulär ist. Es gibt keinen besonderen Mythos um die Burg.

dige Jobs, zum Teil Familie und keiner von ihnen ist mit einem mystischen Amulett behangen. Einzig und allein die gelbe Aufschrift auf ihren schwarzen T-Shirts zeigt, dass es Geisterjäger sind, mit denen man gerade spricht. Das Team besteht aus Alexander, kurz Alex, Doris, Dani und Natali. Ich frage Alex danach, was es denn mit dem ghtb auf sich hat: «Zunächst einmal haben wir einfach alle ein großes Interesse an paranormalen Geschehnissen, die Suche danach macht uns Spaß. Und zum anderen wollen wir damit Menschen helfen, die das Gefühl haben, irgendetwas stimmt in ihrem Haus nicht. Wir nehmen ihre Sorgen ernst und stempeln sie nicht als Spinner ab. Wir nehmen auch kein Geld dafür, wir machen das ehrenamtlich. Wir besuchen die Leute dann zu Hause und untersuchen alles ganz gründlich. In 95 Prozent der Fälle gibt es für den Spuk eine rationale Erklärung.»

Außer der Klassiker mit der weißen Frau. Natürlich wurde sie auch in Neumarkt mehrfach auf der Burg gesichtet, aber wo wurde diese alte Schachtel schließlich nicht schon überall gesehen? Vor dem Treffen mit den Ghosthunters beschließe ich, sämtliche Vorurteile zu Hause in einer Schublade zu lassen. Juri war nicht ganz so taktvoll – er hat sich zum Treffen ausgerechnet einen Pulli mit dem Ghostbuster-Logo angezogen. Das ghtb nimmt sich besonders viel Zeit für uns. Wir treffen uns bereits früh am Abend, als es noch hell ist und gehen zusammen etwas trinken. Hier können wir sie über ihre Arbeit ausfragen. Das gesamte Team wirkt herrlich normal. Sie haben reguläre, bodenstän-

Ja, aber ist das dann nicht total enttäuschend, wenn es immer eine rationale Erklärung für alles gibt? Alex: «Mein Team zieht mich schon immer wegen meiner Skepsis auf. Ich bin derjenige, der zuerst alles aus einer wissenschaftlichen Sicht heraus betrachtet. Sie sagen immer zu mir, ich würde erst dann an Geister glauben, wenn einer mit seinem Personalausweis vor mir steht! Ich glaube aber, dass da etwas ist, was wir uns nicht erklären können.» Das ist ernüchternd. Und es wirft all meine Vorstellungen über den Haufen. Der Chef der Gruppe, der Gründer des Ghosthunter Team Bayerns, glaubt nicht an Geister.


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Überhaupt ist keiner von ihnen überzeugt, dass es sich bei ihren Erlebnissen tatsächlich um paranormale Aktivitäten handelt. Und ich fange an, mich ein bisschen zu schämen. Meine Skepsis gegenüber diesem Team war zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt. Vielmehr war es mein sensati­ onshungriger Verstand, der glau­ ben wollte, dass eine Horde Verrückter jedes Wochenende mit selbstgebastelten Geräten durch die Wälder streift und Geister beschwört. Aber irgendetwas Gruseliges müssen sie doch erlebt haben. Und dann kommt sie, die Aussage, auf die ich gewartet habe: Alex: «Unheimlich ist es, wenn wir auf unsere Fragen eine Antwort erhalten. Einmal war auf einem Tonband die Stimme eines kleinen Mädchens zu hören, das klar und deutlich ‹Ich hasse dich!› gesagt hat. Ein anderes Mal wollten wir auf einer Burg wissen, warum es hier spukt und wir erhielten die Antwort: ‹Weil wir kein Geld haben!› Recherchen haben ergeben, dass es dort im 15. Jahrhundert einen Burgherren gegeben haben soll, der seine Bediensteten nicht mehr bezahlen konnte. So etwas ist dann schon gruselig und das können wir auch nicht mehr rational erklären.» Doris: «Mich hat auf einer Geistersuche schon mal etwas durch die Jacke in den rechten Oberarm gezwickt. Ich hab richtig aufgeschrien. Als ich zu Hause war, hatte ich einen großen blauen Fleck am Arm und aus dem Team war es ganz sicher niemand.» Jetzt läuft mir ein leichter Schauer über den Rücken

– ein Mädchen, das «Ich hasse dich» sagt und ein Geist, der zwickt. Wenn er zwicken konnte, was konnte er dann noch alles? Ich muss nervös grinsen, als es endlich heißt: «Wir brechen auf !» Auf der Ruine angekommen, inspizieren wir zunächst einmal das komplette Gelände. Die Ghosthunters wirken sehr routiniert. Danach erfolgt die Basismessung. Die Geisterjäger gehen von der Theorie aus, dass Geister aus Restenergie bestehen. Dementsprechend sollte es also möglich sein, ihr Magnetfeld zu messen. Außerdem besteht die Annahme, es würde an Orten, wo sich Geister aufhalten, plötzlich unverhältnismäßig kalt werden. Aus diesem Grund wird auch die Temperatur an verschiedenen Stellen akribisch notiert. Plötzlich meldet sich Doris zu Wort. Sie steht inmitten der Burgruine und sieht sich skeptisch um:

Burg. Kameras werden aufgebaut, Diktiergeräte verteilt, Thermometer und Magnetfeldmesser in die Ecke gelegt, wo Doris dieses beklemmende Gefühl verspürt. Und dann meldet sich ein weiteres Teammitglied mit einem kurzen Aufschrei zu Wort. Es ist Dani: «Mir hat gerade etwas ins Ohr gepustet. Richtig doll! Das war definitiv nicht der Wind!» Ich bin skeptisch, veräppeln die uns vielleicht nur, um uns ein bisschen Spannung zu bieten? Ein Blick in die besorgten Gesichter verrät: Sie veräppeln uns nicht. Sie nehmen die Sache todernst, auch wenn es nicht den Anschein macht, als würden sie deswegen große Angst verspüren. Die Ghosthunters sind also abgehärtet. Aber ich

«Ich habe in diesem Raum ein ganz ungutes Gefühl. Es ist richtig bedrückend, ich fühle mich hier nicht wohl.» Doris ist diejenige, die immer zuerst etwas Ungewöhnliches entdeckt oder empfindet, wie wir von Alex erfahren. Mein Herz schlägt schneller. Das Team hegt keinen Zweifel an Doris’ Empfindungen und konzentriert sich im Folgenden auf diesen Bereich der

nicht; ich falle gleich in Ohnmacht.


Es folgt das so genannte «Sit Down», die Königsdisziplin eines jeden Geisterjägers! Bei einem «Sit Down» setzen sich alle Teammitglieder im Raum verteilt auf den Boden. Es herrscht völlige Dunkelheit. Alle Geräte sind eingeschaltet, Video- und Audiogeräte zeichnen jede noch so kleine Bewegung auf. Ich setze mich auf den Boden. Der Stein ist kalt. Lange Unterhosen wären nicht schlecht gewesen. Und ich klaue mir noch schnell aus der EquipmentTasche eine kleine Taschenlampe – nein, ich nehme doch lieber die große mit dem stabilen Griff. Man weiß ja nie – wenn Gespenster zwicken und pusten können, ist ein «Schlag-Knüppel» in der Hand sicher nie verkehrt. Und dann geht es los. Doris sitzt genau in der Ecke, wo sie die ganze Zeit über schon ein seltsames Gefühl hat und Alex stellt die ersten Fragen:

«Sind wir allein hier?

Ist hier ein Geist, der keine Ruhe findet? Warum bist du hier? Möchtest du uns etwas mitteilen?» Nichts passiert.

Alex stellt weitere Fragen und mir wird irgendwie mit jedem Moment übler. Ich klammere mich an meine Taschenlampe und habe dieses seltsame Gefühl beobachtet zu werden. Plötzlich ist ein unheimliches Knacken zu hören. Klar und deutlich! Drei Taschenlampen richten sich sofort auf den Ort – nichts. Alex fährt fort. Und wieder: knacks, knacks, knacks. Es taucht in unregelmäßigen Abständen auf und rein gar nichts, dass sich in diesem Raum befindet, macht den Anschein, als dass es solche Geräusche von sich geben könnte. Alex, der Mann, der alles rational betrachtet, legt seine Stirn in Falten: «Das ist definitiv keine Einbildung und ich hab’ keine Ahnung, wo es herkommt!» Ich stehe wieder wie versteinert da, die Augen weit aufgerissen. Ich halte meine Taschenlampe noch etwas fester umklammert. Die Befragung geht weiter. Alex: «Was ist das für ein Kna­ cken, das du da machst? Das hilft uns nicht weiter. Du musst schon mit uns sprechen, wenn du uns etwas sagen willst, du machst uns keine Angst.» Ääääh Einspruch – also mir macht es eine Mordsangst! Das Knacken ist erneut zu hören und auf einmal schreit Doris auf. Ihr hatte nun ebenfalls etwas stark ins Ohr gepustet. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir augenblicklich die Ohren zuhalte. Was dumm war, denn mir fällt mein Taschenlampen-Knüppel aus der Hand. Das Team untersucht noch einmal gründlich den Raum, bis man sich auf eine kurze Pause draußen vor dem Burgturm einigt. Ich will wissen, ob das jetzt etwas Ungewöhnliches war mit dem Knacken und dem Pusten und zu meiner Bestürzung antwortet Doris mit ja. Alex beschließt nach drinnen zu gehen, um nach den Geräten zu sehen. Es dauert nicht lange, da hört man ihn auflachen – sämtliche Geräteakkus waren leer, obwohl sie

alle vor Beginn der pu voll aufgeladen waren. Das käme wohl häufiger vor an Orten mit paranormalen Aktivitäten. Sollte es je einen Punkt gegeben haben, wo es angebracht gewesen wäre laut aufzuschreien: Das war er! Alex: «So, ich würd sagen, wir lassen Marina jetzt den Empfindungstest machen!» Ach ja, der Empfindungstest. Hatte ich davon schon berichtet? Der Empfindungstest wird stets am Schluss einer jeden pu abgehalten. Nach dem «Sit Down» bleibt einer aus der Gruppe allein zurück, mit einem Thermometer, einem Magnetfeldmesser und einer Nachtsichtkamera. Er stellt dem Geist Fragen, ähnlich wie bei einem «Sit Down». Die Theorie dahinter ist, dass es womöglich Geister gibt, die sich in einer Menschengruppe nicht wohl fühlen und deshalb eher reagieren, wenn nur eine einzige Person da ist – wenn ich da bin!

Ich fühle mich wie ein Schwein auf der Schlachtbank Ich wimmere leise und setze mich auf einen Stein direkt neben der GruselEcke – wenn schon, denn schon. Sie drücken mir eine Nachtsichtkamera in die Hand – das werden sicher nicht die besten Aufnahmen, die je von mir gemacht worden sind. Meinen TaschenlampenKnüppel behalte ich vorsichtshalber ebenfalls. Sie wünschen mir Glück und dann sind sie weg. Und ich bin allein. Die ganzen Tage zuvor habe ich mein Maul meterweit aufgerissen – ich dachte, ich hätte keine Angst vor Geister, ich habe mich darüber lustig gemacht. Aber jetzt sitze ich da, zitternd


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auf meinem Stein und gebe ein wahrhaft erbärmliches Bild eines Geisterjägers ab. Ich habe Angst. Die Kamera fällt mir fast aus der Hand. Ich blicke panisch in alle Richtungen. Überall glaube ich etwas aufblitzen zu sehen. Und das Knacken kommt immer näher. Mein Herz rast. Was ist, wenn er jetzt kommt? Wird mein TaschenlampenKnüppel ausreichen? Nimmt er mich mit ins Reich der Untoten? Was habe ich mir nur dabei gedacht? Wie konnte ich dieser Idee nur jemals zustimmen? Gleich muss ich einem Herzinfarkt nahe sein! Hat mich da gerade etwas angetatscht? Ich nehme all meinen Mut zusammen und stelle dem Geist zusammenhangslos ein paar Fragen – füge aber bei jedem Satz an, dass es mir auch Recht ist, wenn er einfach gar nichts tut. Er gehorcht – denn er macht nichts. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Nach gefühlten 20 Minuten – in Wahrheit fünf Minuten – packe ich meine Sachen zusammen und laufe in Richtung Ausgang. Als ich die anderen erreiche, ändere ich mein hastiges Gerenne in einen lässigen Gang: «Alles halb so wild! War gar nicht schlimm!» Juri sieht mich an

und beginnt zu grinsen. Mir ist klar, dass mir hier keiner glaubt. Lachend packen wir zusammen und beenden einen spannenden Ausflug in das Reich des Paranormalen. Das ghtb wird die Aufnahmen zu Hause in aller Ruhe auswerten. Wir reden noch die ganze Autofahrt über unsere erste pu und ziehen ein Fazit: Die Spinner, die nach Geister jagen, sind in Wahrheit nette, bodenständige Leute. Sie versuchen auf alles eine wissenschaftliche Erklärung zu finden und wollen jedem ehrenamtlich helfen, der sich in seinen eigenen vier Wänden fürchtet. Sie tun dies in ihrer Freizeit, opfern ihr Wochenende dafür und haben jede Menge Spaß dabei. Die einzig Verrückten sind wir, die wir geglaubt haben, so abgebrüht zu sein, um uns vor nichts zu fürchten. Zwei Wochen später erhalten wir die Auswertung unserer pu auf der Ruine Wolfstein – keine besonderen Auffälligkeiten. «Aber das bedeutet natürlich nicht, dass ein Spuk völlig auszuschließen ist», fügt Alex hinzu. Natürlich nicht – sonst heißt es ja am Ende noch, ich wäre ein Weichei, das sich vor allem gruselt. ¶


«Beim Teetrinken. Engels­ trompeten»

«Als ich nach einem Absturz ein Snickers gegessen habe. Hatte Hunger. Drecks Erdnussallergie.»

«Als ich mein MacBook gebacken habe. Do it youself repair.»

VoxPop Hier steht sie: die Stimme des Volkes. Sie schreit alles heraus: Pannen, Peinlichkeiten, Provokationen – hört einfach rein. Dieses Mal: «Wann bist du kreidebleich geworden?»


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«Bei Horrorfilmen. Ich kann kein Blut sehen.»

«Zweit­versuch verschlafen. Alle guten Dinge sind drei.»

«Als ich versucht habe mit dem Rauchen aufzuhören.»



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Wachmann «Des Nachts ist es so, bei Tage ganz anders.» Wenn wir feiern, brauchen wir keinen Schlaf. Wenn etwas unbedingt fertig werden muss, gönnen wir uns keinen Schlaf. Keine Party, keine Arbeit: Ich mache die Nacht zum Tag – für drei Tage. Ich bin drei Tage wach.


Die wenigen einzelnen Wörter wie Lösung und Gewinnspiel, die ich noch verstehen kann, verbinden sich zu einem mir restlos unverständlichen Satzgefüge – ist bei der Sendung vielleicht auch besser so. Ein letztes Mal versuche ich gegen mein Unterbewusstsein anzukämpfen. Ich raufe mich auf; versuche nach der Fernbedienung auf dem Tisch vor mir zu greifen. Es gelingt mir nicht mehr. Ich lande unsanft auf dem Fußboden. Meine Augen schließen sich – den nächsten Tag erlebe ich wach. Was vor einigen Jahren als Phänomen einzelner Subkulturen in Berliner Szenenclubs begonnen hatte und vornehmlich den Druffis vorbehalten war, hat sich mittlerweile zu einer Art gesellschaftlichem common sense etabliert. Egal ob Ärzte oder Rechtsanwälte, Studenten oder Art Direktoren – nahezu jeder hat schon einmal ein oder mehrere Nächte schlaflos über die Runden gebracht. Willkommen in der 24 / 7-Starbucks-Leistungsgesellschaft. Um mich näher mit der Materie der Schlaflosigkeit befassen zu können, habe ich beschlossen mich einem Selbstversuch zu unterziehen. Allerdings will ich bei meinem Vorhaben nicht nur 24 Stunden wach bleiben, wie ein Bürostreber, der die Nacht vor einer PowerPoint-Präsentation verbringt. Auch nicht 48 Stunden wie ein Druffi im Berghain. Ich will an meine körperlichen Grenzen stoßen: 60 Stunden – drei Tage wach – ist mein angestrebtes Ziel. Keine Aufputschmittel, nur Kaffee und Energydrinks werde ich meinem Körper zumuten.

24 Stunden wach: Ich mache mich auf den Weg in die Hochschule. Eine Studienarbeit zum Thema Weiß steht heute an. Bereits unterwegs erscheinen mir viele Dinge ungewohnt, farblos und träge. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und begebe mich auf direktem Weg an einen freien Arbeitsplatz im Mac-Labor. Die Tastatur leistet Widerstand. Ich benötige Kraft beim Tippen und muss mich konzentrieren, um die Sätze halbwegs korrekt auf den Monitor zu bringen. Das Thema Weiß in der Musik wird mein Kernthema sein. Ein Gebiet, auf dem ich mich normalerweise auskenne. Mein Gedächtnis lässt bereits stark nach. Wie hieß noch einmal die Band mit der Pilzkopffrisur? 30 Stunden wach: Aus dem Internet erfahre ich, dass jemand, der 24 Stunden auf den Beinen ist, dieselben Reaktionsmuster aufweist wie eine Person mit einem Promille Alkohol im Blut. Ich muss an übermüdete Fernfahrer, Sekundenschlaf und Unfälle denken. Meine Befürchtungen bestätigen sich. Ich finde einen Artikel von Professor Jürgen Zulley – Schlafpapst der Universität Regensburg. Bei vielen großen Katastrophen wie dem Reaktorunfall von Tschernobyl oder dem Tankerunglück der Exxon Valdez vor der Küste Alaskas spielte zu wenig Schlaf eine Rolle. In Deutschland entsteht jedes Jahr wegen Schlaflosigkeit Schaden von rund zehn Milliarden Euro. 36 Stunden wach: Ich sitze zusammen mit ein paar Freunden in meiner wg. Wir zocken Computerspiele. Hochund Tiefphasen wechseln sich im Laufe

des Spieles bei mir ab. Am Schluss verliere ich trotzdem. Von den Grafikeffekten wird mir schwindelig. 42 Stunden wach: Nach mehreren Stunden sinnfreiem Surfen im Netz stoße ich auf folgenden Artikel: Folgen von Schlaflosigkeit: Bluthochdruck, Magenbeschwerden, Herz- und Kreislauferkrankungen etc. Ich zünde mir eine Zigarette an und klicke weiter. Den Rest der Nacht werde ich mit Putzen, Abwaschen und Aufräumen verbringen. 51 Stunden wach: Die Wohnung erstrahlt in neuem Glanz. Ich blicke aus dem Fenster auf die Straße. Die Sonne scheint. In dem gegenüberliegenden Promille-Stüberl trinken die ersten auf Pegel. Ich tue es ihnen gleich und leere meine siebte Tasse Kaffee. Die zwei zurückliegenden Tage kommen mir vor wie nach einem Transkontinentalflug. Der Jetlag macht mir zu schaffen. 54 Stunden wach: Nach exzessivem Computerspielen und einigen SouthPark-Folgen später mache ich mich auf den Weg zu einer befreundeten wg. Ich werde ihnen beim Umzug helfen. Eine willkommene Abwechslung. Ob ich ihnen eine große Hilfe sein werde – ich


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bezweifle es. 59 Stunden wach: Mittlerweile bin ich an meinem persönlichen Müdigkeitstiefpunkt angelangt. Ich stecke meinen Kopf in den Gefrierschrank, dusche heiß und kalt abwechselnd, zünde Fürze an und schnupfe Kaffeepulver. 60 Stunden wach:

ne drei Stunden später wird mich mein Körper in mein persönliches PrivatNirvana befördern. Fazit: Nach acht Stunden Schlaf wache ich sichtlich benommen auf dem Fußboden meines Wohnzimmers auf. Mir ist etwas übel. Ich werfe einen Blick in den Badezimmerspiegel. Mein

Ich trete der Facebook-Gruppe «Kaffee! Schlafen kannst du, wenn du tot bist!» bei. Mein erster Beitrag: Kaffee aus Weizengläsern! 61 Stunden wach: Tony Wright ist mein neues Idol. Er hält den Weltrekord im Schlafentzug mit 266 Stunden. Ratten sterben nach 28 Tagen ohne Schlaf. Die Tierwelt ist uns Menschen wieder einmal einen Schritt voraus. 63 Stunden wach: Ich habe mich mit Freunden vor einem Club verabredet. Der Türsteher meint es heute besonders gut mit mir und kontrolliert sorgfältig meine Taschen. Als er nichts Verbotenes finden kann, lässt er mich hinein. Völlig paniert stehe ich unbeirrt in einem dunklen Eck hinter der Tanzfläche. Krampfhaft versuche ich mich an der Wand festzuhalten. Die grellen Lichteffekte erinnern mich an einen schlechten Acid-Trip. An der Bar bestelle ich Red Bull und Erdnüsse. Unweigerlich muss ich an Herrn Lehmann denken: «Denkt an die Elektrolyte!» Am Schluss triumphiert der Wille. Kei-

Bewusstsein konnte ich mit diesem Selbstversuch nicht erweitern, dafür habe ich immerhin wieder eine saubere Wohnung. ¶


Im Detail Zehn Zentimeter lang, drei Zentimeter im Durchmesser, 90 Gramm schwer: das Gardemaß des wohl typischsten bayerischen Nahrungsmittels – der Weißwurst. Zusammen mit süßem Senf, einer Brezn und einem Weißbier verkörpert sie wie keine zweite Speise bayerische Esskultur. Überregional bekannt für seine Weißwurst ist die Metzgerei Wittman aus Neumarkt in der Oberpfalz. Hier wird die Weißwurst noch nach traditioneller Rezeptur und mit Bioprodukten aus der Region hergestellt. Doch was verleiht der Weißwurst ihren typischen Geschmack und das charakteristische Aussehen?


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Herstellung Metzgerei Wittmann Neumarkt Rund eineinhalb Stunden dauert das Herstellen einer Weißwurst. Kalbfleisch und Speck werden gewolft und mit den weiteren Zutaten zerkleinert und vermischt. Danach wird das Weißwurstbrät in die Schweinedärme abgefüllt. Nach einem etwa 25-minütigen Brühvorgang in 71 Grad heißem Wasser kommt die Weißwurst für rund eine viertel Stunde in Eiswasser.


Kalbfleisch Biobauern aus der Region Weißwurst nach traditioneller Rezeptur besteht zur Hälfte aus Kalbfleisch. Das Bio-Vollmilch-Kalbfleisch stammt von Biobauern aus der Region und von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Speck Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall 22 Prozent Speck steckt in jeder Weißwurst. Er stammt vom Schwäbisch Hällischen Landschwein, ökologisch und artgerecht aufgewachsen. Schweinedarm CDS Crailsheim Das fertige Weißwurstbrät wird abgefüllt in einem Naturdarm vom Schwein, aufbereitet von der badenwürttembergischen Firma cds. Ein Schweinedarm mit einer Länge von rund zehn Metern reicht für etwa 100 Weißwürste. Eis Eigene Herstellung aus Trinkwasser Eisbereiter Maja Maschinenfabrik Kehl-Goldscheuer Scherbeneis kühlt die Weißwurst-Masse beim Kuttern und schützt sie vor einer höheren Temperatur als 12 bis 13 Grad. Mit einem Anteil von 28 Prozent verbessert das Eis die Konsistenz der Weißwurst; sie wird dadurch lockerer.

Hobby-Metzger aufgepasst: In der Weißwurst-Akademie kön­ nen unter Anleitung von Metzger­ meister Norbert Wittmann eigene Weißwürste hergestellt und da­ nach verspeist werden.

Salz Bickelbacher Jengen Das mehrere hundert Millionen Jahre alte Steinsalz ist naturbelassen, lediglich zerkleinert. Pfeffer, Marcis, Ingwer Gewürz- und Senfmühle Terhorst Erkelenz Kardamom, Muskat Gewürzmüller Stuttgart Pfeffer, Marcis, Ingwer, Kardamon und Muskat – alles gemahlen – würzen zusammen mit dem Salz die Wurst. Bio-Zitronenschale, Zwiebel und Petersilie Früchte Sussner Neumarkt Frische Bio-Zitronenschale (ersatzweise Bio-Zitronenschalenpulver), Zwiebel und Petersilie verfeinern die Weißwurst. Citrate Raps Kulmbach Das Citrat bindet das Weißwurstbrät und erhöht den bei der Schlachtung gesunkenen pH-Wert wieder auf den Ausgangswert.

Gebrühter Kalbskopf Biobauern aus der Region Der Kalbskopf wird gebrüht und das ausgelöste Fleisch im Fleischwolf zerkleinert. Das auch Häutelzeug genannte Fleisch verleiht der Weißwurst ihre typische Konsistenz. Fleischwolf und Kutter Seydelmann Stuttgart Der Automaten-Fleischwolf zerkleinert Kalbfleisch und der Schweinespeck vor; der Kutter zerkleinert das Fleisch und die anderen Zutaten noch feiner. Füllmaschine Handtmann Biberach Die fein gekutterte Masse presst ein Vakuumfüller in die Schweinedärme. Wurstkessel Fessmann Winnenden Zum Schluss wird die noch rohe Weißwurst in einem Wurstkessel gebrüht.


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Dankeschön! Wir danken vor allem der sti Group; sie hat zum zweiten Mal unsere verrückten Ideen mit ihrer außergewöhnlichen Drucktechnik aufs Papier gebracht.

Auch die Sparkasse Amberg-Sulzbach war wie immer ein treuer Unterstützer – diesmal für unser neues Magazin.

Winzigkleine Figuren, riesengroße Wirkung auf den Fotos – mit freundlicher Unterstützungvon Preiser.

Ganz in Weiß und ohne Fingerabdrücke gebunden, mit Baumwollhandschuhen von texxor.

Ein großes Danke geht auch an zweckdesign in Amberg und alle anderen Helfer. Ohne euch wäre dieses Heft nicht möglich gewesen.


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