Graffiti Magazine 8th Issue Spring 2008

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8th Issue / spring 2008

RIDER GEER HARBURG ROKE SEHNSUCHT NACH DER ABRISSBIRNE


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8th issue

Words from the editors Herzlich Willkommen zur achten Ausgabe des Graffiti-Magazins. Der eher weniger harte Winter ist vorüber und diejenigen unter den Writern, die trotzdem dem Winterschlaf gefrönt haben, können jetzt wieder rauskommen. Nachdem der Wintersturm „Emma“ ein Rohrkrepierer war, bringt ja vielleicht der Frühling den großen Bruder oder die große Schwester von Kyrill, dem letztjährigen Frühjahrssturm, mit weiteren ungeahnten Möglichkeiten zum Spaß haben. Wir vom GM verfolgen bereits bearbeitete Themen gerne weiter. Für dieses Heft wurde uns ein Artikel angeboten, der zu dem Komplex der verlassenen Areale als Ruheraum und Neuland für Vandalen, wie in GM#6 mit „Life After Death“ abgedruckt, gehört. Natürlich haben wir diesen Artikel(„Sehnsucht nach der Abrissbirne“, ab S.43) sehr begrüßt und gerne angenommen. Die anderen Artikel dieser Ausgabe sind aus allen Bereichen des Writing und der angrenzenden Gebiete. Wir bleiben da weiterhin offen für Vieles. Issue #9 wird übrigens unsere zweite Spezialausgabe. Lasst Euch überraschen! Nun aber erst mal dieses GM genießen, also ab dafür! Welcome to the eighth issue of Graffiti-Magazine. The not so very cold winter is over and the ones among the writers who hibernated can wake up now. At about the same time last year Kyrill lead to of options for having fun and you never know but maybe there is another wild storm coming up so you should not miss it. We, the authors of GM, like come back to topics we dealt with in our past issues. For this magazine an article was offered to us that fits to the idea of urban wasteland as playground and undiscovered space for writers. In GM#6 it was “Life After Death” and for this issue it is “Sehnsucht nach der Abrissbirne”. All other articles and essays in this issue are from the various corners of graffiti-writing and the related artforms. Whatever there is you can write about it and send it to us. We still consider us as a platform and open forum. By the way GM#9 will be our second special issue dealing with only one topic. Surprise! Surprise! But at first, enjoy this one!

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RIDER

Ein Name, der unser Magazin schon durch fast alle Ausgaben begeleitet hat, gehört dem Writer Rider. Seine in den letzten Jahren verstärkte Hinwendung zu einer bildlichen Darstellung seines Namens hat ihm eine gesteigerte mediale Präsenz verschafft, wofür dieses, wie auch sein Interview in der Backspin des vorvergangenen Monats spricht. Vielleicht wurde dort schon alles gesagt, vielleicht auch nicht. Ich würde gerne das Interview mit der Vergangenheit beginnen. In dem Video Consequence 3 wurden Pieces von Dir gezeigt und die danebenstehenden Sprüche noch mal explizit hervorgehoben. Diese Sprüche, wie z.B. Pimps dont pay taxes, wurden damals unterschiedlich aufgenommen. Einige Betrachter nahmen sie als ernsthafte Statements ohne weitere Hinterfragung oder Kommentar, andere betrachteten sie auch als ernsthafte Aussagen, schüttelten aber den Kopf und lachten über soviel Realitätsfremde. War der nicht wirklich offene Humor gewollt oder wurde da ein jugendlicher unrealistischer Gangsterlifestyle ernsthaft vertreten? Nein, die Sprüche waren ein Mix aus Ernsthaftigkeit und Humor. Man konnte eigentlich selbst entscheiden, ob man das ernst nehmen wollte oder nicht. Von mir war das nicht ganz ernst gemeint, aber das spielte auch ein bisschen mit rein. Ich hatte mir halt überlegt, so witzige Sprüche neben meine Bilder zu schreiben. Die waren manchmal mehr, manchmal weniger ernst gemeint gewesen, ein humorvoller Touch sollte aber immer dabei sein. Ich mag Ironie und ich mag Karikaturen. Ich mag es, wenn ernste Sachen humorvoll dargestellt werden. Die Sprüche waren mein Versuch, dies wiederzugeben. Es sollte nicht immer alles ernst genommen werden und manche der Sprüche waren auch Schwachsinn und sollten einfach nur unterhalten.

Text_P. Michalski One of the names that has appeared in almost our issues was r. In the last few years his pieces have become rather images than regular styles. Most likely because of that he has received more attention than before. Not only his interview in this GM indicates that also his interview in Backspin magazine two months ago. Let’s see if he said it all back then. I would like to start this interview with a short glimpse back in history. In the video Consequence no.3 pieces of you were shown with a special focus on statements written next to them like pimps dont pay taxes. These sayings were interpreted differently by the audience. Some took them seriously without a second about the background, others also took them seriously but laughed about such written alienation from reality. Was this hidden humour intended or did you seriously promote an unrealistic juvenile gangster-lifestyle? The statements were a mixture of both, seriousness and humour. If was up to the onlooker to finally decide whether it was a joke or not, but seriousness had a little part in it. Back then I thought about writing funny sayings next to my styles. They were more or less serious. I like irony and caricatures. I like to see serious things represented in a funny way. The statements were my attempt to do the same. One should not take too many things too serious and some of the sayings were nonsense and meant to entertain. Humour is the link to your new pieces. Now it appears far more direct and far more inventive than years ago. Yes. There is a lot of direct humour and irony in my new pieces and, of course, there is a lot of influence of caricatures in it. But one of the GRAFFITI MAGAZINE_5


Der Humor bildet jetzt die elegante Überleitung zu den heutigen Sachen. Er tritt jetzt offensichtlicher und einfallsreicher zu Tage. Ja. Auch bei meinen neuen Bildern bin ich durch Humor und Ironie beeinflusst, wie auch durch die schon genannten Karikaturen. Sehr wichtig war es aber auch, etwas Neues zu machen. Immer wieder Styles zu malen ist zwar gut, aber ich wollte etwas Neues bringen, etwas Anderes machen. Da kam ich halt auf die Idee, so etwas zu verknüpfen. Styles mit Charactern hat man ja schon 100mal gesehen, aber die gemalten Figuren so in Einklang mit den Buchstaben zu bringen, dass sie etwas mit dem Style machen, das sieht man eigentlich nicht so oft. Spielen dabei die Pieces von Moses eine Rolle, der ja manchmal in ähnliche darstellender Weise arbeitet?

most important parts was to do something new. It´s nice to do styles but I wanted to do something else. The idea to combine came up. Styles with characters have been painted a million times but to incorporate characters in such a way that they become the piece and the letters has not been there too often. Has there been an influence by the pieces of Moses who quite often paints in a similar way? When I started it I knew Moses only because of his subway whole cars. I didn’t know any pieces representing images by him. I don’t know who started earlier. It came to my mind by myself and had had it in my head years before. But the yards never gave me the time to do it. Nowadays I can do such a piece so quicklyand that’s much better at the spots.

Nein. Als ich damit angefangen habe, kannte ich Moses nur von UBahn Whole Cars. Ich kannte damals keine thematischen oder darstellenden Sachen von ihm. Ich kann nicht sagen, wer von uns damit früher angefangen hat. Ich bin von selber darauf gekommen und hatte das Jahre im Kopf, aber die Abstellanlagen haben nie die Zeit hergegeben. Mittlerweile zieh ich so ein Ding in kurzer Zeit durch und das passt jetzt besser zu den Spots.

Bearing in mind that your lifestyle also includes crime apart from writing, would your life be better or worse without graffiti?

Lass uns mal in das Reich der Phantasie abgleiten und gib dich mal Mutmaßungen hin. Da ich weiß, dass Dein Lebenswandel nicht nur Straf-

Pretty much actually. When I was young I had the choice between doing serious criminal shit and shit called writing. I come from a bad neigh-

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I´d asked myself a lot of times and came to the conclusion that my life would have been worse without it. Have you grown with writing?


taten im Writingbereich einschließt, wäre und würde Dein Leben ohne Graffiti positiver oder negativer verlaufen? Die Frage habe ich mir schon oft gestellt und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wohl eher etwas Negatives auf mich gewartet hätte. Könnte man sagen, dass Du an Graffiti gewachsen bist? Ja. Sehr stark sogar. Früher hatte ich die Wahl zwischen Scheiße bauen mit richtig krimineller Energie dahinter und Scheiße bauen in Form von Writing. Ich komme aus einem Scheißviertel und da war das halt so. Irgendwie habe ich das Gefühl, das Graffiti mich vor einer ganzen Menge Dreck bewahrt hat, weil ich mich immer für das Malen entschieden habe. Die Leute, die sich damals für den anderen Weg entschieden haben, sind heute auf einem mieseren Level als ich, denen geht’s gar nicht gut. Die waren auch schon hunderttausendmal im Knast und der Lebenswandel von denen ist einfach Dreck. Graffiti hat mich 24 Stunden 7 Tage die Woche beschäftigt und mich somit aus vielem Trabbel rausgehalten, da ich einfach keine Zeit und auch keinen Bock auf anderes Zeug hatte. Writing hat mir auch eine Menge Kreativität gelehrt. Damit meine ich, dass ich meine Produktivität nicht nur für das reguläre Graffiti nutze, sondern auch für andere Sachen. Was meinst Du mit damit? T-Shirts oder Leinwände machen, aber auch ganz andere Dinge wie Musik. Kreativität in jeder denkbaren Form halt, die ich nicht nur im Graffiti auslebe. Writing hat mir die gestalterischen Fähigkeiten verliehen andere Sachen zu machen. Durch mein Malen komme ich immer wieder auf

bourhood and life was like that. I’ve always chosen writing and that kept me from doing a lot of bullshit. The guys who chose the other way are now on a different level of life. They are not doing well, not at all. Graffiti kept me busy 24/7 and prevented me from a lot of trouble. I had no time for that because I just wanted to do my thing. Writing also taught me a lot of creativity. I mean that I use my productivity not only for graffiti but for a lot of other things, too. What in particular? Doing t-shirt designs and canvases but also music. Doing creative stuff in a lot of different ways. Graffiti gave me the skills. Because of my painting I always have ideas that I can’t realise in a piece but in a different way on a different surface. All in all I can say that writing has improved my life and made me stay away from trouble. I also got to know a lot of guys through writing and from them I’ve learned various things. I’ve broaden my mind with joy. Travelling also seems to be a joy for you as you are one of only a few writers from Duesseldorf who has been out to bomb in other countries. Travelling has always been interesting to me. If I would have hung out only in my little ghetto then I would now be a low educated drug dealer, living in a project building probably for the rest of my life. Through your journeys you have become famous beyond city limits. That’s the outcome of travelling. For me it’s not enough when people all over the world check my pieces on the internet. I want to see other GRAFFITI MAGAZINE_7


Ideen, die ich im Graffiti nicht, auf anderen Medien aber gut verwirklichen kann. Insofern kann ich sagen, dass mich Writing sehr viel weiter gebracht hat und gleichzeitig vor einer Menge Scheiße bewahrt hat. Ich habe durch Graffiti ganz andere Leute kennengelernt, durch die ich ganz andere Dinge gelernt habe. Ich habe dadurch meinen Horizont erweitert, einfach durch über den Tellerrand hinausgeschaut und das auch noch mit Genuss.

places as well as bombing a particular kind of train. Even when it’s only a short trip I go out partying, sightseeing and want to get in touch with the culture. Seeing and meeting people is a part of the experience. You learn when you travel and I’m open for learning something new. I really can state that I’ve learned a lot through travelling. When I think of social competence I’ve learned more through going to other places than in 10 years of going to school.

Von wegen über den Tellerrand hinausschauen. Du bist ja einer der ganz wenigen reisefreudigen Düsseldorfer.

So far we’ve talked about the past, the present and the realm of imagination. What do you think will your future be like?

Reisen hat mich immer interessiert. Wenn ich immer nur in meinem kleinen Ghetto rumgehangen hätte, dann wäre ich wohl heute nur mit einem Hauptschulabschluss ein Grasverkäufer, rumhängend in irgendsoeinem Betonblock und das wahrscheinlich auch noch mit 30 oder 40.

The goal for my future is travelling, travelling, travelling. That’s all what I’ve got in my head. I want to see so much on this planet and there are particular continents on my mind. I like to check subway systems on the internet and I have to discover undiscovered land. Exotic countries ap-

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Durch Deine Reisen bist du auch einer der ganz wenigen, die überregional bekannt geworden sind. Das bringt das Reisen mit sich. Mir reicht es nicht, wenn die Leute auf der ganzen Welt meine Bilder im Internet anschauen. Ich will andere Gegenden sehen, aber auch das bestimmte Zugmodell einsammeln. Selbst wenn ich nur kurz unterwegs bin, mach ich immer eine Partynacht und Sightseeing und will auch die Kultur kennenlernen. Land und Leute reinziehen gehört für mich dazu. Reisen bildet. Da ich was lernen will und immer offen für Neues bin kann ich sagen, dass Reisen mich bereichert hat und ich da schon viel mitgenommen habe. Lebenserfahrungsmäßig habe ich dabei mehr gelernt als durch 10 Jahre Schule.

peal pretty much to me and that’s where I’ve got to go to in the next few years. I don’t think that my writing will change much in the future. And I also don’t think that my hunger for graffiti will go away and that I`ll paint less than today. We’ll see.

Lass uns nach der Vergangenheit, der Gegenwart und der Flucht in Visionen mal zu dem kommen, was da noch kommen kann. Wie siehst Du Deine Zukunft und welche Ziele hast Du da für dich angepeilt? Das Ziel in meiner Zukunft ist Reisen, Reisen, Reisen. Ich hab immer nur Reisen in meinem Kopf. Ich will noch viel mehr sehen von dieser Welt und ich hab da ganz bestimmte Kontinente, die ich noch ansteuern will. Ich checke im Internet gerne U-Bahnsysteme ab und möchte da noch die weißen Flecken durch mein Entdeckertum tilgen. Exotische Ziele reizen mich ungemein und die zu bereisen, ist mein größtes Anliegen in den nächsten Jahren. Ich glaube, dass ich mich im Graffitibereich in den kommenden Jahren nicht noch großartig verändere. Ich glaube aber auch nicht, dass mein Hunger weggeht und das ich weniger male. Wir werden sehen.

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LEVEL15| MEN’S TEE| TUPS| PURPLE 10_GRAFFITI MAGAZINE

F O R I N F O R M A T I O N G E T I N T O U C H W I T H P u b l i k a t G m b H & C o. K G F O N + 4 9 [ 0 ] 6 0 2 1 / 9 0 0 4 0 - 0 | F A X + 4 9 [ 0 ] 6 0 2 1 / 9 0 0 4 0 - 2 0 S W I T Z E R L A N D l a y u p G m b H F O N + 4 1 [ 0 ] 3 1 / 3 1 8 2 4 74 | FA X + 4 1 [ 0 ] 3 1 / 3 1 8 2 4 7 5 B u b e n b e r g p l a t z 8 | C H -3 0 1 1 B e r n | i n f o @ l a y u p . c h I TA LY G ra ff i t i S h o p. i t / P l u ss s r l FO N + 39 0 3 82 4721 0 6 | FA X + 39 0 3 82 5 659 1 7 | i n fo @ g ra ff i t i s h o p. i t www.eightmileshigh.de


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Geht eh‘ klar!

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ROKE

Seit etwas längerer Zeit tauchen in Dortmund immer wieder und meistens in großer Anzahl hässliche Fratzen auf, gemalte wohlgemeint. Mit herkömmlichen Writing haben sie nichts zu tun und können wohl eher der Street-Art zugerechnet werden, auch wenn diese Gesichter weitestgehend nur entlang der Gleise auftreten. Sie erobern Flächen wie z.B. die Einfassungen von Brücken und Mauern und für dieses hier aufgeführte Fallbeispiel zigmal eine Schallschutzwand. Was ist Deine Motivation hinter deinem Motiv der Gesichter? Für mich ist das Motiv genau die richtige Wahl. Es ist halt wie ein Throw-up. Es ist die Reduzierung meiner ursprünglichen Karikaturen und entstand aus finanzieller Not. Der Drang zu Malen macht erfinderisch. Klar, ich könnte auch Buchstaben malen, aber wer sagt mir, dass ich das muss? Wieso treten die Gesichter immer in Masse auf? Je länger ich an einem Bild oder Projekt arbeite, desto länger bin ich in meiner kleinen Welt. Der wichtigste Punkt ist, dass ich allein bin. Vielleicht ist es ja so eine spirituelle Geschichte? Ich vergleiche es gerne mit Joggen, erst braucht man Zeit zum warm werden und dann irgendwann möchte man gar nicht mehr aufhören, trotz der Anstrengung. Und man kann schön tief in sich gehen. Schlussfolgend male ich gern stressfrei und entspannt, was für mich zwei sehr dehnbare Begriffe sind. Ich würde mich als Langläufer bezeichnen und nicht als Sprinter. Die Handlung ist mir fast schon wichtiger als das Ergebnis. Zudem faszinierten mich schon immer monumentale Arbeiten verschiedenster Künstler. Durch ständige Wiederholung und Aneinanderreihung fungiert ein Motiv oder Bild nicht mehr als einzelnes, sondern ist Teil eines Ganzen. Ein völlig neuer Ausdruck entsteht. Was willst Du mit Deinen Gesichtern anderen mitteilen? Ich finde die Intention von Künstlern immer sehr interessant. Es ist manchmal wie eine Erleuchtung und das Herz rast vor Begeisterung. Es kann aber auch zur Enttäuschung führen. Meine Arbeiten will ich nicht erläutern. Ich möchte, dass die Leute nachdenken und ihr eigenes Bild schaffen. 26_GRAFFITI MAGAZINE

Text_P. Michalski For quite some time ugly faces appear here and there in the city of Dortmund. They often come in an incomparable amount. These faces are painted but have nothing to do with normal writing and can rather be considered as street-art even when they mainly can be seen on the walls along train tracks. Here in this particular example the faces were painted xxx times to cover a noise barrier. What is your motivation for painting these faces? For me, these faces are the perfect choice. It’s just like a throw-up. It’s the abstraction of my original caricatures and was born out of a financial dilemma. The drive to create makes one inventive. Of course, I could paint letters but who is to tell me that I have to? Why do you paint them in such a quantity? The longer I work on a project the longer I’m in my own little world. The main point is that I’m all alone. It’s probably a spiritual thing? I like to compare it to jogging. You need time for warming up and then, from a certain point on, you just can’t stop anymore despite the effort. You can also dig deep down inside of yourself. Eventually I like to paint stress-free and in a relaxed manner which are two very relative terms. I consider myself a long distance runner not a sprinter. The action itself is almost more important than the outcome. In addition I have always liked huge artworks of various artists. Through continuous repetition and the serial effect a single painting becomes part of a bigger picture. A whole new expression arises. What kind of expression do you want to convey? I always find the intentions of the artists very interesting. It sometimes feels like enlightenment and my heart beats like hell. But it also can be very disappointing. I don’t want to explain my works. I want the people to think about them and create their own ideas.


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HARBURG

Text_Moses Es ist das alljährlich romantische Spiel eines Samstagabends, Fahrplanwechsel. Von unendlichem Optimismus getrieben, rechnen, spekulieren und fahren Scharen von Writern in wahrhafter Schatzsuchermanier auf der ewigen Jagd nach dem ganz eigenen, brandneuen Geheimspot. Zur Betriebsstellen-Zentralisierung der Bahn, die sich im letzten Jahrzehnt zu immer überflüssigeren Leerfahrten genötigt sah, gesellte sich in den vergangenen Jahren noch ein neuer Feind des Graffiti; die Privatbahn. So war es denn auch nur eine Frage der Zeit, bis es auch uns im Hamburger Süden trifft... Der Harburger Bahnhof war lange ein dankbarer Ort zum Verweilen, länger als die meisten Writer hinter den allgegenwärtigen Panels überhaupt aktiv sind. 30_GRAFFITI MAGAZINE

The same romantic procedure as every year happens on a particular Saturday: the new train timetable. Driven by a never ending optimism cohorts of writers calculate and speculate and then continue the eternal raid for the very own, brand-new secret spot. Adding to the policy of centralising the trains at big yards which lead to a lot of superfluous service rides a new enemy to graffiti came up: private train companies. The common writer may be very ignorant but one thing is for sure: he has always been a patriot with an aesthetic preposition if it comes to his preferred target. Amorph train fronts, panorama trains, lints, flints and doubledeckers may be the outcome of modern society´s zeitgeist but it will never be the favourite surface for classic trainwriting. It was only a question of time until we had to face the problem...


Die Strecken nach Bremen und Uelzen waren da 2003 der heimliche, unschmerzliche Anfang. Ein Bild hatte sich auf diesen Linien in der Regel ohnehin nur kurzfristig verirrt. Jetzt geht es ans Eingemachte. Jetzt heißt es Privatbahn-Doppeldecker; Diagnose Krebs und Aids. Eigentlich; Diagnose Exitus. Ich erinnere mich kaum an das erste Bild, dass ich auf der Cuxhaven-Line 1993 oder 1994 bewusst wahrgenommen hab, es waren viele und heute würde man sagen, die Linie war gesprengt(Foim würde „zerfickt“sagen). Das Ende wurde auch schon einmal prognostiziert. Der „weiße Streifen“ war aber nichts als ein erbärmlicher Versuch der Bahn, der Lage Herr zu werden. Jede Wellenlinie verleiht mehr Nachdruck. Als die Bahn AG im Jahre 1998 dann auch hier anfing, die ungeliebten Mintis ins noch unbeliebtere Rot zu lackieren, war die Vorhersage wieder wenig optimistisch. Ich persönlich aber dachte mir sogar, wenn ich jetzt noch Mintis male, streichen sie die samt meiner Panels Rot; also malte ich nur noch Umlackierte. Anfangs nur für den Buff, doch die Strategie hatte sich schon ein Jahr später, 1999, ausgezahlt. Mittlerweile waren 90% der Wagen Verkehrsrot und fast jeder wieder bemalt. Ein Zustand, der sich auch bis in den Herbst 2001 nicht ändern sollte. Ein Panel aus dem Jahr 1998 von mir fuhr nach über drei Jahren immer noch, ein Buff existierte faktisch nicht und auch die übrigen Harburger Linien drohten durch das Gewicht der Farbe an der Außenhaut Schlagseite zu bekommen. Hätte es nicht diese gerechte Yardverteilung gegeben. Zum Einen gab es das Lay-Up in Harburg. Hier wurden zwar nur am Wochenende zwei Züge abgestellt, doch reichte das ja, rein rechnerisch,

The train station in Hamburg-Harburg had been a thankful place for wasting time for far too long, longer then most of the writers of the pieces on the trains had been active. The lines to Bremen and Uelzen were only the quiet and unpainful beginning. A piece on a train of the mentioned lines escaped only for a short time from its original line. But now they want it all. Now there are only private double-deckers: Diagnosis cancer and aids, rather diagnosis exitus. I hardly recall the first piece that I saw on the Cuxhaven line in 1993 or 1994, there were just too many of them. The whole line was bombed to the brim. It was said that the „white stripes“ painted by the transit authority(back then it was the Deutsche Bahn, which is now the Bahn AG) over the pieces was the end to graffiti on these lines but it was just a desperate attempt to get the power over the trains back. When in 1998 the Bahn AG started to paint the disliked mint-coloured trains into the even more disliked red trains the prediction was negative again. I thought to myself that if I maintain bombing the mint-coloured trains they would not buff them but paint them red. In conclusion I started to solely bomb red trains. In the first year all the pieces went straight to the buff. But my strategy paid in 1999. Almost all of the trains were painted red by that time and almost all of them were covered in graffiti. The trains remained in that condition until fall 2001. There was one of my piece from 1998 still running, the buff was almost non-existent and all the lines going to Harburg station had to carry a lot of extra weight through the paint on the outside of the trains.

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aus, um zwei Nächte die Woche zu malen. Die Mythen ranken sich um die DSU, DKF und ES-Crews, die allsamstäglich von Kino und Omsk beim End-to-End-malen überrascht wurden. Der Bahnpolizeiwache am 500 Meter entfernten Bahnhof hat sich das Treiben wohl nie so recht erschliessen können, gesehen wurden sie jedenfalls kein einziges Mal. Was in jener Zeit auf dem Abstellgleis im beschaulichen Tostedt geschah, das sogar nur über eine gemütliche Polizeistation mit Öffnungszeiten, dafür aber über Deutschlands umfangreichste Capsammlung zwischen den Gleissteinen verfügte, kann anhand des in Pollock-Manier gefärbten Schotterbodens nur spekuliert werden. Lüneburg war allein schon dadurch unheimlich, dass es eine eigene Bahnpolizei gab, die sogar jede Nacht um halb drei einmal auf die Ladestraße am Yard gefahren kam. Ausgestiegen sind sie allerdings nie und so haben sie den malenden Mob hinter dem Güterschuppen oder zwischen der Reihe auch nie bemerkt, oder bemerken wollen. Eigentlich wurde hier ohnehin nur am frühen Abend gemalt. Das Depot in Stade fungierte als Ausgleich, war es hier nur möglich, die südliche Seite zu malen. Es entfiel jede zeitliche Scham und man gab sich zeitweise gern die Klinke in die Hand. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich an einem Freitag die eineinhalbstündige Busfahrt auf mich genommen habe, um zwei Stunden später und ohne dosengefüllten Leinenbeutel wieder nach Hause zu fahren.

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Harburg had a lay-up. Only on the weekends two trains were parked there. That were two nights a week. It’s legendary that Kino and Omsk bumped on a regular Saturday night interval into the DSU-, DKF- and ES-Crews. Another busy spot was Tostedt. A little town with a police station that had only a few hours open a day but the most extensive cap collection along the partly Pollock-like painted train tracks. Lüneburg was strange because it had its own transit police station from which a car drove up to the yard every night at 2.30hrs. They never got out of the car and that is the reason why they never noticed the bombing mob behind the shed or in between the trains. Probably the cops did not want to notice the vandals. Anyway actually almost all of the graffiti was done there in the early evening. The yard in Stade was another busy place to paint, sometimes one writer followed the next one and everybody shamelessly took the time he needed. I well recall one Friday where I had taken the nightbus for this 60km ride and jumped on the same bus back without any cans left. I did the same procedure on Saturday evening and four panels were added on the train I had painted the night before. In contrast to the night before I missed my bus back to bed and I had to wait until 9 o’clock in the morning for the first train home. I painted three more panels and was happy to had brought a drink and some sandwiches. I enjoyed my breakfast in my warm and comfortable 1st class compartment.


Die gleiche Prozedur wiederholte sich am Samstagabend, zwischenzeitlich hatten sich auf dem Zug schon vier weitere Panels gesellt. Diesmal verpasste ich nach getaner Arbeit allerdings den Bus ins eigene Bett und war genötigt, bis Sonntag um neun zu warten. Ich hatte bis dahin noch einmal drei Panels gemalt und war froh, in weiser Voraussicht ein paar Brote und etwas zu Trinken eingepackt zu haben, mit denen ich es mir im 1.Klasse Abteil auf meiner hergerichteten Liegewiese in molliger Wärme so richtig gemütlich machte. Als ich am Morgen aufwachte, stellte ich fest, dass Express und Hayes zwischenzeitlich weniger zum Schlafen zumute war und sie einen Wagen weiter gemalt hatten. Ausgeschlafen stolperte ich beim Weg aus dem Yard noch über den Dosenbunker eines edlen Spenders, aus dem ich zusammen mit meinen Resten noch ein letztes Bild für dieses Wochenende kratzte und als besagter Zug dann am nächsten Tag einfuhr, waren noch zwei weitere Panels darauf. Ganz anders die Situation in Cuxhaven; Die zweistündige Fahrt war für die meisten Hamburger allein schon dadurch sinnlos, dass es Spots in näherer Umgebung gab. Dieser Umstand, gepaart damit, dass die Wagen dieser Linie äußerst selten mit denen anderer Harburger Linien getauscht wurden und dass Malen hier dank zweier strategisch ungünstiger Stellwerke nur nach Betriebsschluss möglich war, führte dazu, dass fast nur mein Name zu sehen war.

When I woke up in the morning I realised some more panels on the train, one carriage further on. Express and Hayes did not go to bed at the same time as me. Very relaxed I made my way out of the yard and bumped into some stashed cans from some other guys. I took the paint and some of my own left over cans and did my final piece for this weekend. The next day when that particular train pulled into Cuxhaven station two more pieces were on it. It was a whole different situation in Cuxhaven itself. It is a two hours ride from Hamburg and most of the writers had closer yards to go to. Because of that and because of rarely to other lines changing carriages as well as two all overseeing towers that made piecing impossible at service hours my name was almost the only one visible on this line. It was comparable to a nice dream when a new carriage appeared on this line or other writers contributed their artwork to this line. I knew this spot so well and I was never surprised when the cleaner after his worktime refilled his private car with the diesel that was meant for the diesel engine. Cuxhaven has, as well as Lüneburg and Harburg(also responsible for the Tostedt and Stade yards) a transit police station but this had never been a problem through all those years. It rather seemed to be the case that the average age of the policemen was very high and their motivation very low.

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Der Spot war für mich daher absolut berechenbar und so war ich auch nie wirklich erstaunt, wenn der Putzer nach Schichtende noch einmal die Blechgießkanne an der Dieselloktankstelle auffüllte, um seinen Privatwagen zu betanken oder noch den einen oder anderen gefüllten Kanister in seinem Kofferraum verbarg. Cuxhaven verfügte ebenfalls über eine semiengagierte Bahnpolizei, von der all die Jahre keinerlei Gefahr auszugehen schien. Vielmehr wirkte es oft so, als sei der Altersdurchschnitt der Beamten eher im oberen zweistelligen Bereich anzusiedeln, der Motivationswert eher im unteren. So kam es in den letzten zehn Jahren auf den Harburger Linien, bei einer stattlichen Anzahl von weit mehr als 1000 bemalten Zügen, auch nur zu drei bekannten Festnahmen, wovon tatsächlich nur eine durch den BGS selbst durchgeführt wurde. Gemein war allerdings allen, dass sie selbstverschuldet waren. Ein weiterer fruchtloser Versuch der Bahn, dem bunten Treiben auf ihren Südhamburger Vorortlinien Herr zu werden, waren die 2001 eingeführten BSG-Checker. Während diese in Cuxhaven und Stade ununterbrochen tagsüber auch leere Abstellgleise bewachten und sich die Zeit in der Anlage mit der Lektüre von Fußfetischmagazinen vertrieben, pendelten ihre Kollegen zwischen den anderen Yards, schliefen oder beschäftigten in der Zeit relativ sachfremd mit Türsteherposing am Bahnsteig. 34_GRAFFITI MAGAZINE

To draw a conclusion: in the last ten years there have been more than 1000 painted trains on the Harburg lines but only three arrests and only one of them was done by the transit police themselves. All the arrests had in common that it was the writers´ own faults. Another useless attempt to stop the colourful hustle and bustle on the southern lines of Hamburg was the introduction of the BSG-Security in 2001. They were 24/7 in the Cuxhaven and Stade yards even when there were no trains parked. They were reading rather staring at magazines for foot fetishists while their fellow workmates commuted in between the other yards or slept or pretended to be the cool guys on the platforms. Apart from a badly co-ordinated buff nothing had changed in the following two years. The security guards got some more colleagues but that did not end up in more caught writers. Trying to follow the business times and hot spots of the writers lead to gaps in the train surveillance. These gaps could not be closed until the end. It was not a secret that Stade was controlled by two or more security guards at night. On Sunday at daytime it was a whole different story. Regularly, every Sunday Rock did a whole car in the unguarded yard. After the announcement that all the lines were privatised and taken over by Metronom the security guards disappeared from the yards. Some of the yards disappeared too. Tostedt is dead, the yard in Harburg is only a backjump now with a guarded hardware store behind. The yard


Zwei Jahre später, grundlegend hatte sich, bis auf einen schlecht koordinierten Buff, nicht viel geändert, bekamen die erfolglosen Bahnschützer noch je einen Kollegen an die Seite gestellt, um allerorts Präsenz zu zeigen. Wieder kaum von Erfolg gekrönt schien es, als müssten die Schichten der unfähigen Bewacher nun so weit den mutmaßlichen Stoßzeiten der Writer angepasst werden, dass anderenorts Lücken entstanden, die bis zum Schluss nicht mehr geschlossen wurden. So war es kein Geheimnis, dass in Stade nachts zwar mindestens zwei, gerne auch mehr Wachleute im Depot aufpassten, mit der Regelmäßigkeit eines Sonntag nachmittags Rock allerdings einen bunten Wholecar in der ansonsten unbewachten Anlage malte. Aus allen anderen Spots hatten sich die Checker nach Bekanntgabe der Streckübernahme durch die Privatbahn Metronom ohnehin verabschiedet, und so haben alle diese Stellen in ihren letzten Monaten noch einmal eine Malfrequenz erlebt, die jedem gesunden Menschenverstand widerspricht. In Lüneburg und Stade wurden Window-Down-Wholetrains und Wholecars gemalt, Cuxhaven sah nach mehreren Wochenenden Besuch Ende 2007 wieder aus wie 2001 und in Tostedt musste man mangels freier Fläche dem im Zug schlafenden Lokführer jede Nacht etwas weiter entgegenmalen. So war es bis zuletzt ein Augenschmaus, am Harburger Bahnhof zu warten und ein bemaltes System zu sehen, das 15 Jahre allem trotzen konnte. Allem, außer hässlichen Privatbahn-Doppeldeckern.

in Stade is about to become an s-train yard for the extension of one of the lines.. Nevertheless all the remaining spots had faced an incomparable bombing rate in the last few months. Several window down whole trains and whole cars were painted in Lüneburg and Stade and Cuxhaven looked like 2001 after a few weekends with paint parties. Until the end Harburg was a nice place to chill and to watch the painted trains passing by in a system that was painted for 15 years. Waiting for the Metronom…

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Sehnsucht nach der Abrissbirne

Text_A. von Koeln Plattenbauten gibt es nicht nur im Osten: In den sechziger und siebziger Jahren wurden auch in der Bundesrepublik gigantische Wohnkomplexe gebaut. Heute stehen die Arbeiterschließfächer vielerorts leer. Am Rande des Ruhrgebiets soll Sprengstoff das Problem nun aus der Welt schaffen.

Not only in the eastern parts of Germany, the former communist country, one can find simple tower blocks entirely made of concrete. In the 1960s and 1970s huge areas in West-Germany were covered with these buildings. Plenty of them are abandoned today. At the edges of the Ruhr-Area explosives are to solve the problem.

Mit einem Ruck hebt Alois Brelih sein Bein und schwingt es über den Sims des zersplitterten Fensters. Schon steht er drin in dem Haus, in dem er 20 Jahre lang gelebt hat. „Ach du lieber Himmel“, entfährt es ihm. Die bunten Tapeten hängen von den Wänden, Heizkörper sind herausgerissen und liegen auf dem Boden. Der ist übersät mit Scherben und Zigarettenstummeln. Mittendrin liegt ein großer schwarzer Plüschhund mit verklebtem Fell. Offensichtlich schlüpfen manchmal Jugendliche herein- davon zeugen die zusammengerückten Polstergarnituren.

With an abrupt movement Alois Brelih swings his leg over the sill of the broken window. He is now standing in the house where he had lived for twenty years. “For heaven’s sake”, he remarks. The colourful wallpapers come off and the radiators are torn down. The floor is full of broken glass and cigarette’s ends. In the middle of it all lays a black fluffy toy dog with sticky fur. Obviously youngsters hop into the house sometimes and the couches so close to each other give additional evidence.

Brelih, der hier früher Hausmeister war, stapft durch die Wohnungen eines verlassenen Hochhauses. Die Stadt liegt am Niederrhein, im Herzen Westdeutschlands. Und das leerstehende Gebäude ist nicht das einzige hier. Die „Weißen Riesen“, wie die Sechzehngeschosser hier heißen, wurden Anfang der siebziger Jahre gebaut. Wie in zahlreichen anderen westdeut-

Brelih walks through the flats of the empty project building of which he was the caretaker. It is a city in the Lower-Rhine-Area, in the heart of the western parts of Germany. The abandoned building is not the only one. The big tower blocks with their 16 stories were called „White Giants“ and build at the beginning of the 1970s. Like in a lot of other cities they were the answer to the growing population. Modern living was expressed GRAFFITI MAGAZINE_43


schen Städten waren sie die Antwort auf das Bevölkerungswachstum der Ballungszentren. Fahrstühle, Garagen und eingebaute Waschmaschinen versprachen modernes Wohnen. Dass Teile einer historischen Bergarbeitersiedlung für sie weichen mussten, störte damals fast niemanden. „Anfang der siebziger Jahre waren diese Häuser schon was“, sagt Bürgermeister Christoph Landscheidt (SPD). Von seinem Schreibtisch im Rathaus blickt er aus dem Fester auf das, was die meisten hier nur noch „Schandfleck“ nennen. Wie Mahnmale ragen die drei Häuser in den Himmel. Die zerschlagenen Fenster in der angegrauten Fassade wirken wie tote Augen. „Als derartige Siedlungen und Hochhäuser gebaut wurden, ging man fälschlicherweise davon aus, dass in ihnen das Zusammenleben und so etwas wie ein Gemeinwesen problemlos gedeihen können“, sagt David Frössler, Projektleiter der Agentur Stadtumbau NRW. Trend zur Verwahrlosung Doch die Abwärtsspirale begann sich schon bald zu drehen, nachdem die Häuser fertig waren. „Der Trend zur Verwahrlosung war nach wenigen Jahren nicht zu übersehen“, sagt Sabine Wachtendonk, die eine der ersten Mieterinnen in xxx`s „Weißen Riesen“ war. Öfter seien Fassadenplatten abgefallen und nicht wieder angebracht worden. In der Tiefgarage fühlte sie sich immer unsicher. Nachdem die ersten Bewohner - so wie Wachtendonk - in die umliegenden Dörfer gezogen waren, folgten ihnen in den Stadtwohnungen oft Sozialmieter nach. Für sie fand die Kommune anderswo schwer Unterkunft, und die Vermieter hatten sichere Einkünfte. „Doch wenn man nur noch sozial schwierige Mieter in ein Haus steckt, kann man sich leicht vorstellen, was passiert“, sagt Bürgermeister Landscheidt. Frössler nennt die Gebäude ein „Wahrzeichen des Verfalls“ oder „Enklaven sozial Benachteiligter“. Viele warten nur noch auf den Abriss oder die Sprengung - wenige Jahrzehnte nach der feierlichen Einweihung. „Bei heruntergewirtschafteten Häusern ist in der Regel der Totalabriss die wirtschaftlichste Variante“, sagt Frössler.

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in elevators, garages and washing machines. Back then nobody complained that they were build on an old coalminers` housing estate. „At the beginning of the 1970s these buildings were good”, says mayor Christoph Landscheidt of the Labour Party. From his desk in City Hall he can well see what most of the people call an “eyesore”. Like huge monuments the buildings touch the sky. The broken windows look like dead eyes in the grey façade. “In the time when estates and project buildings like these were build people wrongly thought something like a community would grow immediately and naturally”, says David Frössler, the project manager of the city’s redevelopment agency NRW. The run-down tendency But soon after the houses were finished the whole project started to go wrong. “After a few years the tendency to run-down was easy to see”, says Sabine Wachtendonk, one of the first tenants of the “White Giants”. Quite often parts of the façade fell off and were not replaced. In the garage she never felt save. When the first tenants of the flats moved to the towns around new tenants with a lower social status moved into the houses. It was difficult for the city council to find other places to live for these people and for the owner of the tower blocks it was an easy and safe income. “But one can imagine what happens if you only put people with a low social background into one house” says mayor Landscheidt. Frössler calls the buildings „a symbol of decay“ or „hometown of socially deprived people”. Only a few centuries after their celebrated erection a lot of people wait for the demolition or the blast. “In most of the cases it is the most economical thing to do with dilapidated buildings like these”, says Frössler.


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GEER I’m Free

I’m Free

Die Schrittfolge im Takt des Schwellenabstands Die Anspannung wenn ich als Erster fertig bin Das vergebene Warten nach schlafloser Nacht Es macht mich frei Es löst die Strukturen auf im nichts Ich denke an nichts Ich gehöre nur mir Manchmal habe ich Angst vor der Polizei Manchmal habe ich Angst vor mir Manchmal lache ich über die Affen in ihren Anzügen Manchmal bin ich ein Affe Aber ich kann noch lachen Und ich lache und bleibe Mensch

Step speed timed by sleeper spacings Heart beating in my numb head Wasted hours waiting after sleepless nights It sets me free Structure desolves into nothing I think of nothing I am all mine Sometimes I am scared of the police Sometimes I am scared of myself Sometimes I laugh about these greedy fools Sometimes it is greed I choose But I can still laugh And I laugh and I am free

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Hood-Company Hüttenstr. 156

50672 Köln

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Alle Umschläge bitte ohne Absender, fest verschliessen und mit dem Zusatz „GM“ versehen. Das eingesandte Material wird ausschließlich für das GM verwendet und es erfolgt keine Rückgabe. Es werden nur Photos aus den Jahren 2006 und 2007 berücksichtigt.

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