Gentlemen's Report No.6

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FLUCHEN UND HOFFEN, DASS ES NÜTZT Text: David Torcasso Fotografie: Gregor Hohenberg

Der Schweizer Fernsehmoderator Dieter Moor ist vor neun Jahren nach Brandenburg bei Berlin ausgewandert und hat dort einen Bio-Bauernbetrieb eröffnet. Nebenbei moderiert er Kultursendungen auf ARD oder RBB. Ein Gespräch über Gewitter, existenzielle Krisen und zielorientiertes Schimpfen.

Gentlemen’s Report: Dieter Moor, wo ist das Wetter besser – in Berlin-Brandenburg oder in Ihrer alten Heimat, der Schweiz? Dieter Moor: Brandenburg wird auch die «Toskana von Deutschland» genannt. Wir haben hier wesentlich mehr Sonnenstunden als im Schweizer Mittelland, im Sommer auch bei vierzig Grad. Aber dann ist es im Winter minus dreissig Grad. Mir gefällt das. In der Schweiz scheinen mir die Jahreszeiten weniger ausgeprägt. Dafür schlägt das Wetter dort mehr aufs Gemüt. Wenn es in der Schweiz regnet, kann es drei Wochen lang andauern. Und wenn es im Winter minus fünf Grad anzeigt, fluchen die Zürcher schon über die Kälte. Haben Sie sich leicht an das neue Klima gewöhnt? Als ich 2003 nach Brandenburg gezogen bin, war der Jahrhundertsommer. Zum Verzweifeln! Acht Wochen lang fiel kein einziger Regentropfen. Ich musste mich gleich zu Anfang als Bauer beweisen. Inzwischen herrscht in Berlin-Brandenburg eine

Mischung aus atlantischem und kontinentalem Klima. Wobei der Regen sich noch immer kurz vor Berlin auflöst. Als wäre da eine unsichtbare Wand.

Beschäftigt Sie als Bio-Bauer das Wetter? Das Wetter ist in meinem Job unglaublich wichtig. Ich habe auf meinem iPhone alle Wetter-Apps und Dienste, die ich kriege. Diese Informationen sind essenziell. Wenn ich mich entscheide, auf fünfzig Hektaren Heu zu machen, dann muss es vier bis fünf Tage trocken sein. Wenn das Heu geschnitten ist, liegt es da. Punkt. Es gibt kein Zurück. Somit prägt das Wetter mein Leben als Bauer enorm. Je nachdem freue ich mich über jeden Regentropfen oder über jeden Sonnenstrahl. Als ich noch in Wien gewohnt habe, war das Wetter nicht wichtig. Die Städter nehmen Regen oder Sonne nicht so intensiv wahr. Aber sobald man auf dem Land lebt und jedes Gewitter, jeden Sturm, jeden Hitzetag sozusagen live miterlebt, nimmt das Wetter eine zentrale Rolle im Leben ein. Die Urgewalt des Wetters beruhigt interview 6

mich. Weil sie seit Jahrmillionen gleich ist. Das, was ich heute sehe, haben schon die Dinosaurier gesehen.

Gehen Sie trotzdem ins Freie, wenn es stark regnet? Es stimmt schon: «Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Kleidung». Alle glauben immer, Bauern würden in Gummistiefeln bei Regen über das Feld stapfen. Ich hasse Gummistiefel! Sie stinken und sind ungesund. Lederschuhe sind genauso wasserdicht, wenn man sie richtig mit Fett einschmiert. Dazu trage ich eine Jacke, die mit Wachs bearbeitet wurde, und einen anständigen Hut mit einer breiten Krempe. Nicht weil das cool aussieht, sondern weil es tatsächlich nützt. Regenwetter kann dann sehr schön sein. Wie bitte – Regen kann schön sein? Das ist das Beste am Landleben: Man kann dem Wetter nicht ausweichen. In der Stadt geht man in die U-Bahn, in ein Café


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