Gentlemen's Report No.4

Page 11

Im Rahmen der ARC nahm der Cruising Club der Schweiz (CCS), mit heute über 6500 Mitgliedern der grösste Schweizer Verein für Fahrtensegler, bereits 2001 mit einem Club-Schiff an der Atlantik-Rally teil. Der damals 21 Jahre alte Renato Schmid erinnert sich: «Die Schönheit und die Weite des Atlantiks bügeln einem so ziemlich jede Falte aus der Seele.» Der 19 Tage lange Törn auf der 12 Meter langen Jacht habe ihn damals verändert. «Ich bin daran gewachsen, ich habe gelernt, dass man über Grenzen hinaus gehen kann», so der Zürcher. «In der Unendlichkeit des Atlantiks realisiert man, wie verschwindend klein und bedeutungslos, verletzlich und gar hilflos die Menschen sind.» Das die Bilanz des Aargauers Sander Mallien, nachdem er ebenfalls in 19 Tagen den Atlantik überquert hatte. Demut sei es, was man mit nach Hause nehme. Diese Erfahrung machen fast alle Blauwassersegler nach einem mehrwöchigen Meerestrip. Von einer «inneren Zufriedenheit» ist die Rede, man habe etwas geschafft, was vielen verwehrt bleibe. Dem Wunsch nach dem Aussergewöhnlichen trug der CCS erneut Rechnung: Vor zwei Jahren organisierte er auf einem seiner Club-Schiffe einen Rund-Atlantik-Törn, der zu einem grossen Erfolg wurde. Mit sechs Crew-Mitgliedern führte Philipp Haefelfinger als Skipper die CCS-Jacht über den Nordatlantik, von Neufundland über Grönland nach Island. Eine Woche vor Beginn des Törns sei er nervös geworden, doch er habe punkto Crew Glück gehabt, meinte der Schiffsführer gegenüber der NZZ. Eine gute Mannschaft sei mitunter der Schlüssel zum Erfolg eines Törns, der durch ein Gebiet führt, das bekannt sei für seine Stürme. «Segler, die den Nordatlantik machen, müssen wissen, dass es kein SchoggiSchlecken ist. Sie müssen belastbar sein. Kälte, Feuchtigkeit, hohe Wellen – all das kann einen auf dieser Strecke heimsuchen.» Harry Brüngger, Zürcher Kantonspolizist, war eines der Crew-Mitglieder. Er fand es schön, «einfach in die Welt hinaus zu segeln». Angst habe er keine gehabt, aber grossen Respekt. Die einzige Frau an Bord, Caroline Schwegler, hat ihren Schritt keine Sekunde bereut: «Die besten Momente waren eindeutig die, welche die Natur geboten hat: das Auftauchen von Walen, das Kochen des Wassers vor lauter tanzenden Heringen, das Geräusch eines Eisberges im Nebel.» Philipp Haefelfinger, der Unfälle an Bord als grösstes Problem eines Atlantik-Törns bezeichnet, ist heute noch stolz auf seine Leistung und die seiner Crew. «Es macht Lust auf mehr.» Lust auf mehr hat auch Axel Strauss empfunden. Der Segellehrer aus Zürich suchte nach Tausenden von Meilen auf dem Meer die sportliche Herausforderung und wurde semiprofessioneller Segler. Elfmal hat er den Atlantik überquert, einmal davon als Einhandsegler. «Jede Transatlantik war anders, jede war eine persönliche Bereicherung. Es ist schön, wenn das Wasser mit jedem Tag des Vorankommens seine Farbe ändert, immer blauer wird, wenn es nach Westen geht, immer grüner von West nach Ost.» Für den gebürtigen Deutschen ist neben einer guten technischen Vorbereitung des Bootes die sorgfältige Crew-Auswahl das Wichtigste für das Gelingen einer Atlantik-Überquerung. «Drei Wochen zusammen auf engstem Raum können sehr lange werden, wenn man sich nicht versteht.» Dazu brauche es noch viel Geduld. Wer die Reise nach den vorherrschenden Winden richtet und entsprechend vorbereitet ans Werk geht, kann das nautische Abenteuer Transatlantik sicher bestehen. Eine Fahrt über den Atlantik stillt die Abenteuerlust und erfüllt Sehnsüchte. www.gentlemensreport.com/reportage REPORTAGE 9


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.