zoon politikon - Gott und die Welt

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Die Stars der Szene

Autor Redaktor Luka Dobec (21) aus Horgen studiert im 2. Semester Anglistik und Germanistik an der Universität Zürich.

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Als Gallionsfigur des Salafismus im deutschsprachigen Raum dient Pierre Vogel, der in der Schweiz durch die gegen ihn verhängte Einreisesperre zur Zeit der Minarett-Debatte Bekanntheit erlangte. Die Öffentlichkeit richtete ihre Augen auch auf den islamischen Zentralrat der Schweiz, dessen berühmteste Vertreter Nicolas «Abdullah» Blancho und Qaasim Illi sind. Sie alle sind Konvertiten, die einen strengen Islam propagieren. Pierre Vogel war bis zum Jahre 2002 Profiboxer im Sauerland-Boxstall, als er im Alter von 24 Jahren seine sportliche Laufbahn aus religiösen Gründen beendete. Das beim Boxen erworbene Durchsetzungsvermögen setzte er in der Folge für die Verbreitung des salafistischen Islams ein. Seine Vorstellungen von der Welt sind prononciert: Geschlechtertrennung, Verschleierung der Frau, Aufopferung des Lebens für die Religion als Weg zum Paradies. Den Vorteil dieser radikalen Interpretation des Islam sieht er gerade in seiner klaren Botschaft: Taten lassen sich als gut oder böse einstufen, das Ergebnis ist der Himmel oder die Hölle. Er schafft es durch sein charismatisches Auftreten, den strengen Islam für die Jugend «cool» zu machen, wie zahlreiche Videos und Kommentare im Internet beweisen. Die Bezeichnung «Hassprediger», mit der er oft beschrieben wurde, ist jedoch trotz vieler grenzwertiger Aussagen nicht korrekt. So bevorzugt er etwa Frieden gegenüber Gewalt, hält sich aber auch mit bewussten Provokationen nicht zurück. Beispielsweise prophezeite er Bundeskanzlerin Angela Merkel ewige Höllenqualen, sollte sie vor ihrem Tod nicht zum Islam konvertieren. Somit ist Pierre Vogel trotz sehr charismatischer Inszenierung vielen ein Dorn im Auge. In der Schweiz sind die zwei berühmtesten Figuren des radikalen Islams Nicolas Blancho und Qaasim Illi, die dem 2009 gegründeten islamischen Zentralrat angehören. Blancho, 27, wächst konfessionslos als Sohn einer Schweizer Familie auf. Gemäss der Aussage seines ehemaligen Lehrers Alain Pichard war Blancho ein mittelmässiger Schüler, der ziellos wirkte. Erst der Kontakt mit dem Islam brachte eine Veränderung in seinem Leben. Blancho beendete seine Lehre als Drucker, schaffte die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium und erlangte die Matura.

Heute studiert er Islamwissenschaften. Trotz seiner sanftmütigen Erscheinung sehen viele Experten in ihm eine Gefahr. Etwa weil er versucht, eigene Aussagen zur Scharia und zum Dschihad durch brillante Rhetorik zu relativieren. Qaasim Illi, 29, geboren als Patric Illi, trat dem Islam im Alter von 20 Jahren bei. Als bekennender Feind des Staates Israel war Illi auch der Gründer der «Pro-PLO»-Organisation, für welche er wiederholt vor Gericht stand. Verurteilt wurde er nur ein Mal, zu einer minimalen Geldbusse. Heute distanziert er sich öffentlich von seiner radikalen Vergangenheit. Berühmtheit erlangte Illi vor allem durch sein Engagement in der Debatte um das Burkaverbot. Nach eigenen Aussagen gibt ihm der Islam den Halt, den er in seinem Leben vorher oft vermisste.

Huntington lässt grüssen Es ist schwierig, die Aushängeschilder der radikalen Konvertiten einzuschätzen. Die fremde Weltanschauung, welche sie propagieren, wird geschickt durch Rhetorik und Charisma verdeckt. Das macht sie für Aussenstehende oft unberechenbar. Auffallend ist, dass die Bewegungen insbesondere beim jungen Publikum auf Resonanz stösst. Trotzdem scheint die Schweiz nicht unmittelbar vom Terror bedroht zu sein, obwohl das Risiko radikaler Einzeltäter nie ausgeschlossen werden kann. Samuel P. Huntington postulierte in seinem Werk «Kampf der Kulturen» die Unausweichlichkeit des Konfliktes zwischen Islam und Westen, der sich auch in dieser Problematik widerspiegelt. Er ortet die Wurzel des Konfliktes nicht in der fundamentalistischen Komponente des Islams, sondern in den fundamentalen Unterschieden zwischen der islamischen und der westlichen Glaubenswelt, welche ein angepasstes Zusammenleben verhindern. Beide Religionen sind monotheistisch und expansionsorientiert, was eine Kooperation erschwert oder gar verunmöglicht. Nicht Institutionen und verschiedene Auslegungen von Gott heizen demzufolge die Gemüter auf und zerstören den sozialen Frieden, sondern das konstante Bedürfnis nach einer Vergrösserung der jeweiligen Einflusssphäre.

zoon politikon | februar 2011 | nr. 10

heutzutage überhaupt noch zu provozieren vermögen. Die öffentlichen Zurschaustellung einer sehr rigiden, erzkonservativen Lebenshaltung gegenüber einer enthemmten aufgeklärten Gesellschaft des «anything goes». Gewissermassen schliesst sich dabei der Kreis, welcher vor langer Zeit durch den Sermon von der «moralisch verluderten Jugend» seinen Anfang nahm und nun, begleitet von den obligatorischen Entrüstungsstürmen in sein Gegenteil verkehrt wird.


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