franzmagazine 4

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von Heinrich Schwazer, Journalist Illustrationen von Laurina Paperina

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IE SIND DIE KILL BILLS der volkstümlichen Musik. Man kann sie wahlweise als die brillanteste Combo des volkstümlichen Weltkreises beschreiben oder als Rache des Hochplateaus an der Erfindung des Radios. Wobei sie selbstredend davon ausgehen, dass das eine ohne das andere gar nicht geht. Mit Sicherheit sind sie im Guten wie im Schlechten die einflussreichste Band, die dieses Land je hervorgebracht hat. Und nirgends naht Rettung. Wer das nicht glauben kann oder will, führe sich ein paar nackte Zahlen zu Gemüte. Die Kastelruther Spatzen sind das mit Abstand erfolgreichste kulturelle Exportprodukt aus Südtirol und mehr oder weniger das einzige, das ohne Subventionen auskommt. Während die Hochkultur mit Millionen durchgefüttert werden muss und im Grunde nichts als eine Verteilung von Steuergeldern von unten nach oben ist, sind die belächelten Spatzen ein volkswirtschaftlicher Faktor für das Hochplateau und darüber hinaus. Mehr als 15 Millionen Platten hat die Gruppe um Norbert Rier verkauft, 13 Mal haben sie den deutschen Musikpreis „Echo“ gewonnen, 8 Mal die Krone der Volksmusik, ihr Konzertkalender umfasst jährlich an die 100 Auftritte in den größten Hallen, fast jährlich bringen sie eine neue CD heraus, die sich mit wenigen Ausnahmen zu Bestsellern entwickeln, 110 goldene Schallplatten haben sie in 25 Jahren

erhalten, das Spatzenfest in Kastelruth wird alljährlich von bis zu 50.000 Fans gestürmt. Keine andere deutschsprachige Popband von Rammstein bis Tokio Hotel kann mit ihnen mithalten und sie sind in der schnelllebigen Popwelt scheinbar absolut krisenfest. In ihrem Windschatten etabliert sich gerade eine neue Generation von volkstümlichen Schlagersängern, die die volkstümlichen Charts scheinbar nach Belieben okkupieren. Allen voran Belsy & Florian, die im August dieses Jahres den Grand Prix der Volksmusik gewonnen haben – eine Auszeichnung, die das Adoptivkind aus Indien bereits 2006 mit dem Leiferer Rudy Giovannini errungen hatte.Giovannini, „der Caruso der Berge“ wie ihn seine Fans getauft haben, hat eine klassische Gesangsausbildung als Tenor hinter sich, seine enorme Popularität in Deutschland jedoch erlangte er mit volkstümlichen Melodien und religiös verschnörkelten Texten. Bevor die Nachbarn in dieser Dominanz der Südtiroler auf dem Millionenmarkt der volkstümlichen Musik etwas fundamental Ungerechtes vermuten, sollte man sie über mögliche Gründe darüber aufklären. Die ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ausdruck eines nicht zuletzt politischen Trends zur Regionalisierung, den die Musikindustrie geschickt auf ihre Mühlen zu lenken vermochte. Was die anderen erst lernen mussten, haben die lustigen Südtiroler Musikanten quasi genetisch gepachtet. Sie sind, um es in einem po-

franz 4 – November 2010

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