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FILM Dienst Das Magazin für Kino und Filmkultur

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www.filmdienst.de

Rachel McAdams

Die kanadische Schauspielerin söhnt Glamour und Bodenständigkeit miteinander aus.

Peter Bogdanovich

Wer sich bei »Is’ was, Doc?« totlachte, wird seine neue Komödie »Broadway Therapy« lieben. Ein Gespräch über den Wandel des Humors in Hollywood.

California City

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Masken im Film

In der Tragikomödie »Frank« spielt Michael Fassbender die Titelrolle – versteckt hinter einer Maske. Anlass für einen Streifzug durchs maskierte Kino.

20. August 2015 € 5,50 68. Jahrgang

Mit dem Porträt einer kalifornischen Geisterstadt entwirft Bastian Günther ein hellsichtiges Bild der Gegenwart.


filmdienst 17 | 2015 Kinotipp  der katholischen Filmkritik

41 Der Sommer mit Mamà Anna Muylaerts Plädoyer für Gleichheit ist voller Warmherzigkeit und Witz.

52 DVD-TIPPS: Boardwalk Empire

Neu im Kino Alle Starttermine

38 Anni Felici – Barfuß durchs Leben 27.8. 37 Boy 7 20.8. 47 Broadway Therapy 20.8. 39 California City 20.8. 51 Der Chor – Stimmen des Herzens 27.8. 48 Codename U.N.C.L.E. 13.8. 48 Fantastic Four 13.8. 36 Frank 27.8. 51 Der kleine Rabe Socke 2 – Das große Rennen 20.8. 44 L’Chaim – Auf das Leben! 27.8. 49 Liebe mich! 20.8. 45 Lilien im Winter – La Bohème am Kap 27.8. 42 Das Märchen der Märchen 27.8. 43 Selfless – Der Fremde in mir 20.8. 41 Der Sommer mit Mamã 20.8. 48 Southpaw 20.8. 45 Staatsdiener 27.8. 50 Straight Outta Compton 27.8. 40 Sunrise 20.8. 51 Taxi – nach dem Roman von Karen Duve 20.8. 51 The Gallows 27.8. 46 The Yes Men – Jetzt wird’s persönlich 20.8. 51 Treffpunkt Erasmus 27.8.

28 hilmar hoffmann

fernseh-Tipps 56 In starken Frauenrollen brillierte nicht nur Ingrid Bergman, die arte zum 100. Geburtstag mit »Casablanca« und der Doku »Ich bin Ingrid Bergman« (30.8.) ehrt. Zu bewundern ist auch das Spiel von Juliette Binoche in »Camille Claudel 1915«, von Catherine Deneuve als »Das Schmuckstück« und Sandra Hüller in »Über uns das All«.

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24 Bastian Günther

10 masken

Fotos: TITEL: Real Fiction. S. 4/5: Pandora, Warner Home, S. Fischer-Verlag, Weltkino, Real Fiction, Wild Bunch, Universal, absolutMEDIEN

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Inhalt Kino

Akteure

FilmKunst

16 peter bogdanovich

20 Rachel McAdams

32 Leipzig-Filme

10 masken

Machen sie Superhelden und Slasher erst zu dem, was sie sind? Auf welche Eigenschaften verweisen Tiermasken? Und wer verbarg sich schon im Darth Vader-Helm? Nicht nur im aktuellen Kinofilm »Frank« spielt das Kino mit der (De-)Maskierung seiner spannendsten Figuren. Ein Blick hinter Fassaden in sechs Akten. Von Jens Hinrichsen, Kathrin Häger, Michael Ranze und Rüdiger Suchsland

16 peter bogdanovich

Mit Filmen wie »Is’ was, Doc?« und »Nickelodeon« wurde er zum kongenialen Interpreten des klassischen Hollywood­ kinos. Anlässlich des Starts von »Broadway Therapy« spricht der Cineast über humoristische Trends, Quentin Tarantino und Screwball-Komödien. Von Margret Köhler

20 rachel mcadams

27 e-mail aus hollywood

Von Michael Ranze

Von Franz Everschor

23 in memorian

28  h ilmar hoffmann

Gerade ist sie als Ruhepol einer »Menáge à quatre« in »Aloha – Die Chance auf Glück« sowie als kämpferische Frau eines Boxers in »Southpaw« zu sehen. Mit ihren warmherzig-charismatischen Figuren wird sie zum emotionalen Zentrum der Filme.

Nachrufe auf den bedeutenden DDR(Film-)Komponisten Gerd Natschinski und die »Film noir«-Darstellerin Coleen Gray. Von Ralf Schenk & Rainer Dick

24 bastian günther

Abseits konventioneller Drehbuch-Pfade konfrontiert der deutsche Regisseur (»California City«) seine Figuren mit ihrer Isolation und Verlorenheit. Das Porträt eines Depressions-Chronisten. Von Rüdiger Suchsland

Seit 20 Jahren wurde kein neues Hollywoodstudio mehr aus der Taufe gehoben – bis jetzt! Das neue, von Produzent Robert Simonds gegründete Studio STX ist finanziell und personell überaus gut aufgestellt.

Initiator der Kommunalen Kinos, Gründer der Kurzfilmtage Oberhausen, Kulturdezernent in Frankfurt a.M. – zu seinem 90. Geburtstag kann »Filmvermittler« Hilmar Hoffmann auf ein Leben zurückblicken, das er mit einzigartigem Engagement dem öffentlichen Filmkultur(er)leben widmete. Von Olaf Brill

32 Defa-Stiftung auf DVD

Andreas Voigts »Leipzig Filme 1986–97« und »Unser kurzes Leben«, eine Verfilmung von Brigitte Reimanns DDR-Roman »Franziska Linkerhand«, sind in neuen DVD-Editionen erschienen. Von Josef Lederle & Claus Löser

34 magische momente

Rubriken 3 Editorial 4 Inhalt 6 Magazin 52 DVD/Blu-ray 55 DVD-Perlen 56 TV-Tipps 66 ABCinema 67 Vorschau / Impressum

Das beiläufige Herumdrehen einer Filterzigarette, die sich James Dean in »… denn sie wissen nicht, was sie tun« falschherum zwischen die Lippen steckt, wurde zur zähmenden Geste seiner Leinwandpart­ nerin – voller Intimität und Zuneigung. Von Rainer Gansera

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muss sie dem Mann aus der Vergangenheit auch nicht böse sein. In »Southpaw« ist sie dagegen in einer ganz anderen Rolle zu sehen: Sie spielt mit tüchtiger Entschlossenheit und umsichtiger Fürsorge die Frau eines Boxchampions, die im Hintergrund die Fäden zieht, sich also als Frau in einer Männerwelt behaupten muss. Der Charme aus »Aloha« ist verflogen, dafür ist Maureen, so der Rollenname, viel zu besorgt um das Wohl ihres Mannes. Sie kann es nicht mehr mit ansehen, wie viel Schläge er einstecken muss. Und dann verschwindet sie gewaltsam und viel zu früh aus dem Film – der Abstieg ihres Mannes ist nicht mehr aufzuhalten. Innerhalb kurzer Zeit zwei höchst unterschiedliche Filme, die von der schauspielerischen Bandbreite der Rachel McAdams zeugen.

Fotos: Universal Home Ent., Fox, Tobis

Über die Schauspielerin Rachel McAdams

die bodenständige

Es gibt eine schöne Szene in »Aloha – Die Chance auf Glück« von Cameron Crowe: Da sieht Rachel McAdams als verheiratete Mutter auf dem Flughafen von Honolulu dabei zu, wie ihr ehemaliger Liebhaber, der sie vor 13 Jahren grundlos sitzen ließ, aus dem Flugzeug steigt und, nach kurzer Unterbrechung durch eine pflichtbewusste Kampfpilotin, schnurstracks auf sie zukommt. »I hate to see you again«, raunt Rachel McAdams zur Begrüßung, doch ihr freundliches Lächeln und ihr sanftmütiger Blick strafen sie Lügen. Etwas mit Worten behaupten und mit Mimik das Gegenteil sagen: Rachel McAdams kostet dieser Spagat nicht viel Mühe. Mit ihrer natürlichen Freundlichkeit ist sie der weise Ruhepol in dieser Vierecksgeschichte, die nie so recht in Fahrt kommt. Diese Frau ist mit sich im Reinen, und darum


rachel mcadams Akteure

Aktuell erlebt man die kanadische Schauspielerin gleich in zwei Filmen: In »Aloha – Die Chance auf Glück« ist sie das in sich r­ uhende Wärmezentrum innerhalb einer chaotischen Viererbeziehung, in »Southpaw« kämpft sie als Ehefrau eines Boxers ums Wohl ihres Mannes. Was bestens zu ihr passt: Die Anziehungskraft von Rachel McAdams’ Figuren hat etwas mit der unprätentiösen F­ reundlichkeit und Wärme zu tun, die sie so charismatisch zu verkörpern versteht. Viele Regisseure haben sie als das Gegenüber schwieriger Männer besetzt – dabei kann sie mehr sein als nur die unterstützende Partnerin, die jeder Mann gerne an der Seite hätte.

Charme-Offensive

Provoziert Vergleiche mit Julia Roberts: Rachel McAdams, hier in »Alles eine Frage der Zeit« mit Domhnall Gleeson.

Rückblende: Rachel McAdams wird am 17. November 1978 im kanadischen London als Tochter eines Lastwagenfahrers und einer Krankenschwester geboren. Schon als Heranwachsende interessiert sie sich fürs Theater, absolviert später erfolgreich ein Schauspielstudium an der York Universität von Toronto. Erste Rollen folgen in Fernsehfilmen und -serien, 2002 dann ihr Leinwanddebüt mit »My Name is Tanino«. Mit Filmen wie »Hot Chick – Verrückte Hühner« (2002) und »Girls Club – Vorsicht bissig!« (2004, mit Lindsay Lohan) wird sie auf die Rolle des oberflächlichen Teenagers festgelegt. So spielt sie in »Girls Club« die intrigante Regina George – mit langen blonden, zur Seite gescheitelten Haaren und großen, sich stets verdrehenden Kulleraugen – und bringt so das Kunststück fertig, einem hassenswerten Charakter ein wenig Menschlichkeit zu verleihen.

Von Michael Ranze

Schon mit Nick Cassavetes’ Romanverfilmung »Wie ein einziger Tag« (2004, nach Nicholas Sparks) gelingt ihr der Ausbruch aus dem Klischee. Da spielt sie einen Ostküsten-Teenager aus reichem Haus, der sich in den 1940er-Jahren in einen Jungen aus North Carolina verliebt – eine Liebe, die nicht nur soziale Schranken überwindet, sondern auch den Zweiten Weltkrieg überdauert. Berühmt ihr herzliches Lachen, als sie bei einer Bootsfahrt mit Ryan Gosling in einen Platzregen gerät und ihn, endlich wieder am Ufer, völlig durchnässt leidenschaftlich küsst. In »Red Eye« (2005), einem irrwitzigen Thriller von Wes Craven, nimmt sie bereits jene Souveränität und Kompetenz vorweg, die sie nun in »Southpaw« auszeichnet. Als versierte Hotelmanagerin findet sie für jedes Problem eine Lösung. Während eines Linienflugs entpuppt sich ihr Sitznachbar als skrupelloser Erpresser, der das Leben ihres Vaters bedroht. Wie sie sich gegen ihn wehrt, mit List, Tricks und genauer Kenntnis des Terrains, verdeutlicht mehr als nur Spannungskino: »Dabei kann man die Handlung auch als auf die Spitze getriebenen Geschlechterkampf lesen, als Rachegeschichte einer Frau, die einst vergewaltigt wurde und nun ihre Kraft aus der Gewissheit schöpft, die erlittene Ohnmacht kein zweites Mal empfinden zu wollen.« (Rüdiger Suchsland). In »Die Hochzeitscrasher« (2005) landen Owen Wilson und Vince Vaughn nach einer rasanten Abfolge von Partys auf einer Feier, die Christopher Walken als Finanzminister für eine seine Töchter ausrichtet. Köstlich die Szene, in der Owen Wilson Rachel McAdams als die Schwester der Braut ins Visier nimmt und ihr am Gabentisch den Inhalt aller

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Zuvor spielte Rachel McAdams in »Morning Glory« (2010) die 28-jährige hyperaktive oder besser: übernervöse TV-Produzentin Becky, die es beim beruflichen Neustart für eine abgehalfterte Morgenshow mit einem legendären, krisenherderprobten Reporter (Harrison Ford) zu tun bekommt, der sich schnell als arroganter Sauertopf entpuppt. Regisseur Roger Michell macht sich einen Spaß daraus, die unterschiedlichen Temperamente seiner illustren Schauspieler mit pointiert geschriebenen Wortgefechten aufeinanderprallen zu lassen. Rachel McAdams verkörpert den Druck, der auf Becky lastet, mit überdrehter Verve. Man möchte nicht in ihrer Haut stecken.

Schuldlos verurteilt 2001

Hot Chick – Verrückte Hühner 2002

Wie ein einziger Tag 2004

Girls Club – Vorsicht bissig! 2004

Red Eye 2005

Familie Stone – Verloben verboten 2005

Die Hochzeits-Crasher 2005

Married Life 2007

The Lucky Ones 2008

State of Play – Stand der Dinge 2009

Sherlock Holmes 2009

Ihre bislang anspruchsvollste, weil vielschichtigste Rolle spielt sie in »Für immer Liebe« (2012). Als Bildhauerin lernt sie zufällig auf der Straße einen Musikproduzenten kennen und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Mit ihrem schwarzen Pagenschnitt erinnert sie fast ein wenig an Louise Brooks, mit ihrer Natürlichkeit und Lebensfreude ist sie schlichtweg bezaubernd. Doch nach einem schweren Autounfall kann sich die junge Frau nicht mehr an die letzten fünf Jahre erinnern und erkennt auch ihren neuen Lebensgefährten nicht wieder. Die Lebensfreude schlägt in Verunsicherung und Orientierungslosigkeit um, sie ist urplötzlich eine Frau ohne Identität. Rachel McAdams ist somit das emotionale Zentrum des Films. Sie kann (und will) den vielen Ansprüchen ihrer Umgebung nicht gerecht werden und muss ihren eigenen Weg finden. Auch in das Ensemble von Terrence Malicks »To the Wonder« (2012) fügt sie sich wie selbstverständlich ein. Fast scheint es so, als hätte sie sich bewusst aus der Komfortzone ihres Hollywood-Erfolgs herausbegeben, um in eine ästhetisch ganz andere, aber nicht minder spektakuläre Welt einzutreten. Unvergessen bleibt, wie Rachel McAdams mit blonden Haaren und tiefrotem Kleid lachend durch ein hohes Kornfeld läuft. Sie ist einfach viel zu schnell für Ben Affleck. 

Die Frau des Zeitreisenden 2009

Morning Glory 2010

Sherlock Holmes – Spiel im Schatten 2011

Midnight in Paris 2011

Für immer Liebe 2011

To the Wonder 2012

Passion 2012

Alles eine Frage der Zeit 2013

A Most Wanted Man 2013

Every Thing will be fine 2014

Southpaw 2015

Aloha – Die Chance auf Glück 2015

Spätestens nach diesem Film häuften sich die Vergleiche mit Julia Roberts, wegen des gewinnenden Lächelns, der fülligen Haarpracht (die sich aber auch ändern kann), wegen des strahlenden Leuchtens, der einnehmenden Freundlichkeit. Doch so ein Star wie Julia Roberts ist die schöne Kanadierin nicht geworden. Dafür hält sie ihr Privatleben zu sehr unter Verschluss und antwortet in Interviews zu bedächtig, nicht unbeschwert genug. In der Folge sieht man die Schauspielerin – ähnlich wie Scarlett Johansson und Natalie Portman – in großem Blockbuster-Kino, etwa in »Sherlock Holmes« (2009 und 2011), während sie aber auch mit Independent-Regisseuren wie Brian DePalma (»Passion«), Wim Wenders (»Every Thing will be fine«) und Anton Corbijn (»A Most Wanted Man«) dreht. Und mit Woody Allen: In »Midnight in Paris« (2011) spielt Rachel McAdams Inez, die Verlobte von Gil (Owen Wilson), die während einer Reise nach Paris von ihrem Zukünftigen zunehmend genervt ist. Ständig gibt es Streit und Krisen, Missverständnisse und Vorwürfe. Bei der touristischen Erkundung der Stadt verbietet sie ihm den Mund, um lieber den besserwisserischen Ausführungen ihres ehemaligen Dozenten zu lauschen. Kurzum: Inez liebt Gil nicht mehr und muss es nur noch selbst bemerken. Selten hat man Rachel McAdams so unzufrieden und humorlos, so zickig und herrisch erlebt. Fast scheint es, als sei mit einem Mal auch ihre Schönheit verschwunden.

Filme mit Rachel McAdams

Facettenreichtum statt Star-Image

­ eschenkkartons voraussagt. Wunderschön ist sie in einem tief G ausgeschnittenen Kleid, mit vollen, dunklen Haaren und aufmerksamen, fröhlichen Augen. Wilsons Wortschwall kontert sie charmant und schlagfertig. Dass der Fortgang der Handlung so lustlos und oberflächlich, ohne Verve und Humor dahinplätschert, ist nicht ihre Schuld. Denn eigentlich freut man sich immer, wenn sie den Männerbund durchbricht.

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»Aloha – Auf der Suche nach dem Glück«

Als besorgte Boxerfrau in »Southpaw«

Akteure rachel mcadams


boardwalk empire Die Gangsterserie über die Prohibitionszeit findet mit der fünften Staffel ihren Abschluss: Der Weg des Alkoholschmugglers Nucky Thompson (Steve Buscemi) aus der Illegalität wird mit dem Rückblick auf seinen Aufstieg verknüpft.

the knick Bei ihm möchte man lieber nicht auf dem OP-Tisch landen: Clive Owen spielt in Steven Soderberghs historischer Krankenhausserie den zynischen Chefarzt im KnickerbockerKrankenhaus in New York City (läuft derzeit dienstags ab 22.30 auf zdf_neo).

Filme im TV

herausragend, ein Meisterwerk sehr gut, ambitioniert, lohnenswert solide und interessant wenig aufregend, Mittelmaß verschenkt, enttäuschend ärgerlich, anstößig, eine Zumutung

neu IM Kino

Matteo Garrone adaptiert drei Märchen aus dem »Pentamerone«: Eine bildgewaltige, surreale Fantasie über Eitelkeit, Gier, Eifersucht und die Angst vor dem Alter.

neu Auf DVD

DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN


Kritiken neue Filme

Frank

Glänzende Musik-Dramödie über eine Experimental-Band Ausgerechnet in dem Moment, in dem er mit seinen Fingern in die Tasten hauen soll, fällt Jon die Kinnlade herunter. Den Aushilfsjob als Keyboarder bei der Band »The Soronprfbs«, die an diesem Abend einen kleinen Auftritt in Jons Heimatort absolviert, verdankt er dem Suizidversuch seines Vorgängers. Der junge Amateur-Musiker kommt zur Bühne wie die Jungfrau zum Kinde – gewünscht hat er sich dies aber schon lange. Mit erstarrten Fingern muss Jon nun mit ansehen, wie sich ein Mann im Neoprenanzug und mit riesigem Pappmaché-Kopf aus dem Schatten des BackstageBereichs löst, sich zwischen die wie entrückt vor sich hin spielenden Band-Kollegen stellt und von in Fett geschwenkten Ingwer-Croutons, Thunfisch in Salzlake und Aalen in Gelee singt. Was Frank in seinem kugelrunden Kunstschädel mit den hellblauen Augen und dem wie in Überraschung offenstehenden

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Mund an Songtexten ausbrütet, ist so bizarr wie genial – und damit weit entfernt von dem, was Jon bisher verzweifelt aus seinem Kopf und Keyboard zu prügeln versuchte. Jons Status auf Twitter: 14 Follower. Fortan bilden die sporadisch ins Bild getippten Zahlen und Hashtags den Social-Media-Erfolg des Möchtegern-Singer-Songwriters ab, dem auch der Zuschauer in die Geschichte folgt. Leonard Abrahamsons hinreißend charmante Außenseiter-Dramödie »Frank« dreht sich nämlich um das, was Filmemacher und Musiker gleichsam umtreibt: um Inspiration und Kreativität, ihre Vermarktung und den Weg dorthin – und wenn er über eine abgelegene Waldhütte in Irland führt. Dorthin verfrachtet Frank seine Band inklusive Frischling Jon, um die Aufnahme eines neuen Albums in Angriff zu nehmen. Frank ist wortwörtlich der Kopf der Band; auf den ihm Halt

gebenden Rumpf ist er allerdings angewiesen. Auch wenn sich dieser Haufen Exzentriker samt Manager Don nach elf Monaten Feldstudien in Wald und Flur als mehr oder weniger labil herausstellt. »Der Kleber«, der alles zusammenhält, ist die berührungslos ihr Theremin bearbeitende Clara, die Frank abgöttisch liebt und seinen Schützling Jon abgrundtief hasst, während sie jeden kommerziellen Erfolg der Band zu sabotieren versucht. Das wird klar, als die Klicks der Videos, die Jon heimlich auf YouTube stellt, in die Höhe schnellen und »The Soronprfbs« einen Gig auf dem größten Musikfestival der westlichen Hemisphäre bescheren: dem South by Southwest in Austin, Texas. 23.751 YouTubeKlicks, 1904 Twitter-Followern sei Dank. Jon und Frank sind euphorisch, Clara ist entsetzt – und das nicht ohne Grund. Die bis ins Detail ausgearbeitete Indie-Produktion weiß, von was

sie erzählt, wenn sie eingangs die cool verunsicherten Konzertbesucher möglichst weit von der Bühne entfernt ans andere Ende der schummrigen Bar verfrachtet. Am anderen Ende des Films, im sonnigen Austin, harren die aufgedonnerten Horden auf die YouTube-gehypte NewcomerBand, von der nun alle eine Kommerzialisierung erwarten. Ein Hype, der auf den »sitcomesken« Ausfällen der Band gründet, auf Claras Messerangriff gegen Jon etwa, nicht auf der Qualität der Songs. Die sind dank Filmkomponist Stephen Rennicks nicht nur absonderlich, sondern sogar sehr besonders geraten. Mit Michael Fassbenders dunkler, an Ian Curtis erinnernder Stimme besitzen sie das Potenzial zu veritablen Experimental-Hits, wobei die Performances so wahnwitzig scheinen wie ihr Schöpfer Frank, dessen Maskerade erst spät in ihrem schädlichen Ausgrenzungseffekt pathologisiert wird: Frank scheint von der Welt überfordert, der Kugelkopf funktioniert wie ein anonymisierender Airbag des Lebens. Der Griff zur jede Identität und Gefühlsregung verbergenden Maske, die vom britischen Komiker und Musiker Frank Sidebottom inspiriert wurde, der Anfang der 1980er-Jahre damit auftrat, scheint aus einem unerträglichen Druck zu resultieren. Auch wenn oder gerade weil Frank mit dieser Aufmachung und dazu noch als Bandleader genau die Aufmerksamkeit einfordert, nach der Jon lechzt. Dass sich hinter dem großen Pappmaché-Kopf das prominente, perfekt geschnittene Gesicht von Michael Fassbender verbirgt und die Filmband »The Soronprfbs« bereits eine Facebook-Seite besitzen, auf der die Fans augenzwinkernd eine Tour einfordern, führt das Versteckspiel um Star-Identität und Medienrealität über den Film


neue Filme Kritiken hinaus. Letztendlich erzählt Abrahamson nicht nur das Drama von Frank, Jon und Clara, die in ihren Talenten, Ängsten und Wünschen so unterschiedlich sind und sich in einem unerbittlichen Kampf von Bromance versus Romance entzweien. Zudem treffen die wohldosierten Spitzen des Ausverkaufs einer Musikindustrie, in der Klick- und Follower-Zahlen zu neuen Qualitätsmaßstäben werden, angesichts derer man sich tatsächlich eine Decke über den Kopf ziehen möchte – aber ohne die kleinen Akustiklöcher, die Franks Maske »auf Ohrhöhe« eben doch durchlässig machen.  Kathrin Häger

Bewertung der Filmkommission

Ein junger Musiker findet Anschluss an eine exzentrische Band, deren Sänger sich hinter einem Pappmaché-Kopf verbirgt. Bei den Proben für ein neues Album droht der Neuzugang von der Gruppendynamik aufgerieben zu werden, verschafft der Band aber auch einen Auftritt bei einem großen Festival. Die Indie-Dramödie lotet humorvoll, aber auch feinfühlig die exzentrischen Persönlichkeiten und ihre spannungsvollen Beziehungen aus und erzählt nebenbei von Kreativität, Selbstvermarktung und dem Ausverkauf der Musikindustrie. Der musikalisch mit bizarren Songs glänzende Film spielt überdies mit dem Status von Star-Identität und medialer Repräsentation. – Sehenswert ab 14.

Fotos S. 36-51: Jeweilige Filmverleihe

FRANK. Irland/Großbritannien 2014 Regie: Leonard Abrahamson Darsteller: Michael Fassbender (Frank), Maggie Gyllenhaal (Clara), Domhnall Gleeson (Jon Burroughs), Scoot McNairy (Don), Carla Azar (Nana) Länge: 91 Min. | Kinostart: 27.8.2015 Verleih: Weltkino | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 43 263

Boy 7

Futuristisches Jugenddrama

Ein junger Mann wacht in einem U-Bahnschacht auf und weiß nicht, wer er ist. Er kann einer Festnahme entkommen, entdeckt in seinen Taschen eine Karte, die ihn zu einem Restaurant führt. Auf der Toilette entdeckt er ein Buch mit seinen Notizen, womit er seine jüngste Vergangenheit wieder zusammenpuzzeln kann. Das ist der spannende, wenngleich nicht sehr originelle Beginn eines Jugendfilms mit Thriller- und Science-Fiction-Elementen, der auf einem Roman der Niederländerin Mirjam Mous basiert. Der Junge heißt Sam und war zu einer Resozialisierung in der »Kooperation X« verdonnert worden, weil er seine Abiturnoten gehackt hatte. Was wie die Deckfirma eines JamesBond-Bösewichts klingt, erweist sich als perfide Anstalt, die Jugendliche in uniforme Overalls steckt, durchnumeriert und absurd Böses mit ihnen vorhat. Hier lernt Sam, der nunmehr als »Boy 7« firmiert, die junge Safeknackerin Lara kennen, mit der er das Geheimnis der Anstalt zu entschlüsseln versucht. Die Geschichte hat alle Elemente eines klassischen Jugendfilms: die Verweigerung von Konformität, erste Liebe und den immer nagenden Zweifel an der Recht-

mäßigkeit der Verfügung durch »Erwachsene«. Der Plot ist aber auch die Schwachstelle des Films, denn er ist über weite Teile leicht vorhersehbar. Man merkt ihm an, dass die Romanautorin Mirjam Mous vieles äußerst naiv verhandelt; ihre Beschreibung des Nicht-Konformen ist überaus konform und frei von jeglichen Ambivalenzen. In gewisser Hinsicht erinnert der Plot an die ‚Divergent‘-Reihe, wenngleich »Boy 7« in sich logischer ist. Was den Film dennoch sehenswert macht, ist die Inszenierung durch Regisseur Özgür Yildirim. Yildirim, der sich schon mit »Chiko« und »Blutzbrüdaz« als einer der wenigen deutschen Genre-Regisseure empfahl, beweist ein gutes Gespür für Atmosphäre, Schauspielführung und Kamera. Es gibt kaum eine Einstellung, die nicht wohlüberlegt oder zumindest originell ist, ohne je zum reinen Selbstzweck zu verkommen. Auch die Wahl der Schauspieler spricht für sich. David Kross spielt glaubwürdig und nuanciert; Emilia Schüle gelingt eine attraktive Mischung aus Zartheit und Renitenz. Yildirims Bearbeitung des Stoffes vermag dem schwachen Plot eine gelungene Inszenierung entgegenzusetzen. Wie er

erzählt, ist interessanter als das, was erzählt wird. Als Impuls eines wiedererstarkenden deutschen Genrekinos verdienen »Boy 7« und insbesondere Regisseur Yildirim Beachtung. Sascha Koebner Bewertung der Filmkommission

Ein junger Mann erwacht ohne Gedächtnis in einem U-BahnSchacht und muss sich seine jüngste Vergangenheit mühsam zusammenpuzzeln. Dabei kommt er einer ominösen Resozialisierungsanstalt auf die Spur, die jugendliche Delinquenten auf perfide Art zu manipulieren versucht. Der Jugendfilm mischt ScienceFiction- und Thrillerelemente, wobei es um erste Liebe, die Verweigerung von Konformität sowie Zweifeln an der Erwachsenenwelt geht. Die wenig originelle Geschichte wird von einer guten Inszenierung aufgefangen, die viel Gespür für Atmosphäre, Kamera und die Führung der ansprechenden Darsteller beweist. – Ab 12.

Scope. Deutschland/Niederlande 2015 Regie: Özgür Yildirim Darsteller: David Kross (Sam), Emilia Schüle (Lara), Ben Münchow (Louis), Jens Harzer (Isaak), Jörg Hartmann (Fredersen), Liv Lisa Fries Länge: 104 Min. | Kinostart: 20.8.2015 Verleih: Koch Media | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 43 264

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Kritiken fernseh-Tipps

Kriegsgeschichten

07.40 – 08.55 mdr Ilja – Der furchtlose Recke R: Wladimir Toropchin Fabulierfreudiger Zeichentrickfilm Russland 2007 Ab 8 15.00 – 16.30 KiKA Blöde Mütze! R: Johannes Schmid Unprätentiöser Sommerfilm um Freundschaft und erste Liebe Deutschland 2007 Sehenswert ab 12 15.25 – 17.00 einsfestival Maman ist kurz beim Friseur R: Léa Pool 15-Jährige übernimmt Mutterstelle für Brüder Kanada 2008 Ab 14 22.00 – 01.25 arte Living in the Material World – George Harrison R: Martin Scorsese Facettenreiches Porträt des Musikers (s. Text S. 57) USA 2011 Ab 14 22.40 – 00.30 Servus TV Monster R: Patty Jenkins Biopic über die Serienkillerin Aileen Wuornos USA/Deutschland 2003 Ab 16 23.05 – 03.05 rbb Fernsehen Che (1 & 2) R: Steven Soderbergh Ambitioniertes Biopic über Che Guevara Frankreich/Spanien/USA 2008 Ab 16 23.30 – 01.10 BR FERNSEHEN Scampolo R: Alfred Weidenmann Romy Schneider als glücksuchendes Waisenkind BRD 1957 Ab 14 00.30 – 02.10 Servus TV Der Duft der Frauen R: Dino Risi Junger Soldat spielt Aufpasser für verbitterten Blinden Italien 1974 Ab 16 00.30 – 03.35 ZDF Der Flug der Störche (1 & 2/2) R: Jan Kounen Zweiteiler um Kommissar Hervé Dumaz Frankreich 2012 Ab 16

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22. August, 15.00 – 16.30

Blöde Mütze!

KiKA

Martin ist zwölf Jahre alt und für sein Alter etwas zu klein und zierlich. Seine Mütze wirkt da einen Tick großspurig, und als ihn der ein Jahr ältere Oliver als »Blöde Mütze« beleidigt, ist das kein guter Anfang im leicht spießigen Kleinstadt-Ambiente, in dem sich Martin nach dem Umzug seiner Eltern neu orientieren muss. Bis er Silke entdeckt und das quirlige, selbstbewusste Mädchen aus seiner Klasse zum Dreh- und Angelpunkt seines Denkens und Fühlens wird. Mit »Blöde Mütze!« erlebte man 2007 im Kino einen Kinderfilm, der amüsant, charmant, auch spannend unterhält und etwas zu sagen hat – und das, obwohl er sich an keine marktgängigen (Verwertungs-)Formate und Trend-Themen anlehnt: keine coole Attitüde à la »wilde Kerle«, kein Family-Entertainment um »Hühner«, Detektive oder Hexen, ebenso kein brisanter sozialer Brennpunkt, keine soziale, körperliche oder seelische Gewalt, kein Mobbing, kein übersteigerter Gruppenzwang. Doch auch im Mittelschichtambiente, in dem nun mal die meisten Kinder hierzulande aufwachsen, gibt es Herausforderungen, denen sich Kids stellen und die sie mit Mut, Selbstüberwindung und wachsender Charakterstärke bewältigen müssen. Das sind handfeste, existenzielle Themen, zu denen »Blöde Mütze!« einfühlsam und witzig ein weiteres zentrales Thema hinzuaddiert: die Liebe.

»Rammbock«

Am 2. September 1945 endete mit der Kapitulation Japans der Zweite Weltkrieg auch im Pazifik. 3sat erinnert mit der Themenwoche »Kriegsgeschichten« (ab 23.8.) an das mörderische Rasen der Völker. Unter den thematisch weitgefächerten Spiel- und Dokumentarfilmen finden sich Dramen wie Stefan Ruzowitzkys »Die Fälscher« (29.8., 20.15 – 21.45) oder die schockierende Collage »Night will fall – Hitchcocks Lehrfilm für die Deutschen« (30.8., 23.15 – 00.30); aber auch ein »Kultur­zeit spezial« über »Polens Kino der Erinnerung« (26.8., 22.25 – 22.55), in dem es um die Versuche des polnischen Kinos und insbesondere von Andrzej Wajda geht, die verdrängten Schrecken der Kriegszeit ins Bewußtsein zu rufen. Zu sehen sind u.a. auch Wajdas »Das Massaker von Katyn« (26.8., 22.55 – 00.50) über den Massenmord an polnischen Offizieren sowie das Kriegsepos »Warschau ’44« (27.8., 22.25 – 00.25) von Jan Komasa, das den Warschauer Aufstand mit den Mitteln Hollywoods inszeniert. ERSTAUSSTRAHLUNG: 23. August, 23.20 – 00.50

Servus TV

Wie wir leben In vier Jahren Drehzeit ist Filmemacher Thomas Burstyn ein preisgekrönter Einblick in das Leben einer sehr ungewöhnlichen Maori-Familie geglückt. Sechs Kinder und 50 Pferde bestimmen den Alltag des Ehepaars Colleen und Peter Karena, wobei letzterer als Pferdeflüsterer arbeitet und seiner Familie somit ein naturverbundenes Leben beschert. In der fantastischen Naturlandschaft Neuseelands leben die Karenas als Außenseiter, andererseits aber auch ungebunden und unbedroht von den Geiseln der Moderne. Servus TV zeigt die bildgewaltige Dokumentation des früher als Kameramann arbeitenden Burstyn als Free-TV-Premiere.

22./25. August

Servus TV

Charlize Theron Zum 40. Geburtstag von Charlize Theron am 7. August strahlt Servus TV zwei Filme mit der südafrikanischen Schauspielerin aus, die ihr enormes Rollenspektrum vor Augen führen. Für ihre eindringliche Darstellung der wegen sechsfachen Mordes hingerichteten Prostituierten Aileen Wuornos in »Monster« (22.8., 22.40 – 00.30) erhielt die Aktrice einen »Oscar« als beste Hauptdarstellerin. Von den Maskenbildnern extrem »verunstaltet«, gewann Theron der Figur eine irritierende Ambivalenz zwischen Abscheu über ihre Taten und gleichzeitiger Empathie angesichts des Leidensdrucks der Täterin ab. In »Sweet November« (25.8., 20.15 – 22.25) spielt Theron hingegen die schöne Muse eines erfolgreichen Werbefachmanns (Keanu Reeves). Dem Tode durch eine unheilbare Krebserkrankung geweiht, sieht sie in dem neuen Mann an ihrer Seite eine Möglichkeit, die ihr am Herzen liegende Umerziehung irregeleiteter Männer ein letztes Mal umzusetzen. »Sweet November«

»Monster«

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

SA

Ab 23. August 3sat

SAMSTAG 22. August


fernseh-Tipps Kritiken

SO

22. August, 22.00 – 02.05 arte

George Harrison & John Lennon Der Gitarrist George Harrison war in gewisser Weise der ruhende Pol der »Beatles«, obwohl sein Wesen von vielen Widersprüchen durchzogen war und Harrison seinen inneren Frieden am Ende erst in indischer Mystik fand. Martin Scorsese zeichnet in seinem Dokumentarfilm »Living in the Material World – George Harrison« (22.00 – 01.25) ein facettenreiches Bild des Musikers, der unter anderem auch zur Entstehung des britischen Independent-Films in den 1980er-Jahren beigetragen hat. Der chronologisch strukturierte Film aus Archivmaterial und Zeitzeugen-Interviews umfasst dabei auch die Zeit vor und nach den »Beatles«. Im Anschluss zeigt arte das »One To One«-Konzert von John Lennon am 30. August 1972 im Madison Square Garden, das letzte Konzert des Musikers, der nach seinem Bruch mit den »Beatles« nie wieder auf Tour ging. Neben dem Konzert umfasst »John Lennon - The One to One Concert Film« (01.30 – 02.05) auch Gastauftritte von Stevie Wonder und Roberta Flack. 23. August, 01.45 – 04.00 3sat

Vier im roten Kreis Man könnte es Zufall nennen, der den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Einbrecher Corey (Alain Delon) auf den Gangster Vogel (Gian Maria Volonté) stoßen lässt, mit dem er dann ein Juweliergeschäft am exklusiven Place V ­ endôme in Paris ausnimmt. Oder aber Vorherbestimmung, Schicksal, Verhängnis, ganz so wie es das Krishna-Zitat über den »Le Cercle rouge« eingangs nahelegt, dem keiner entgehen kann. 3sat zeigt Jean-Pierre Melvilles unübertroffenes Meisterwerk in der restaurierten Fassung, die auch visuell die grandiose Inszenierung ins rechte Licht rückt, indem der leitmotivische »rote Kreis« schon in der allerersten Einstellung als rote Ampel aufleuchtet. Das episch angelegte »Heist Movie«, das sich in perfekter Weise der stilistischen wie thematischen Ausdrucksmittel des Film noir bedient, kreist um die anonyme Macht, die alle Figuren in einem unsichtbaren Netz zappeln lässt, aus dem es kein Entrinnen gibt. Der Mensch sei nur bei der Geburt »unschuldig«, kommentiert der Polizeipräsident, ohne sich persönlich davon auszunehmen. Der vielfach zitierte Film, der Filmemacher wie Quentin Tarantino, Jim Jarmusch, John Woo oder Aki Kaurismäki sichtlich inspiriert hat, ist dabei selbst eine Hommage an die Meister des französischen Films, etwa an Jules Dassin und »Rififi«, dem Melville in der nahezu wortlosen, fast 30-minütigen Einbruchssequenz die Reverenz erweist.

sonntag 23. August

09.40 – 11.15 SWR Fernsehen Ich will Dich R: Anna Ditges Begegnungen mit Hilde Domin Deutschland 2007 Ab 14

23.00 – 00.30 rbb Fernsehen Hai R: Samuel Fuller Kontroverser Schocker USA 1969

12.00 – 13.00 KiKA Allerleirauh R: Christian Theede Stimmungsvoll-poetisches Märchen um die wahre Liebe Deutschland 2012 Ab 8

23.10 – 01.10 arte Hair R: Milos Forman Temporeiches Flower-Power-Musical USA 1977 Sehenswert ab 14

13.45 – 15.20 Disney Channel WALL•E – Der Letzte räumt die Erde auf R: Andrew Stanton Formal wie inhaltlich radikaler, ­bezaubernder Animationsfilm USA 2008 Sehenswert ab 6 20.15 – 22.50 7MAXX L.A. Confidential R: Curtis Hanson Stilvoller Neo Noir mit Russell Crowe USA 1997 Sehenswert 20.15 – 23.10 arte Die durch die Hölle gehen R: Michael Cimino Schonungsloses Vietnam­ kriegsdrama USA 1978 Ab 16 20.15 – 22.35 TELE 5 Fesseln der Macht R: Ulu Grosbard Krimi mit Robert De Niro und Robert Duvall USA 1981 Sehenswert 22.15 – 23.50 3sat Das radikal Böse R: Stefan Ruzowitzky Doku über die SS-Einsatztruppen Deutschland 2012 Ab 14

23.20 – 00.50 Servus TV Wie wir leben R: Thomas Burstyn Ein Maori-Pferdeflüsterer und seine Familie (s. Text S. 56) Neuseeland 2009 23.50 – 01.45 3sat Rommel R: Niki Stein Fernsehdrama über den ­Feldmarschall Rommel Deutschland 2012 Ab 16 00.05 – 01.43 Das Erste Männer im Wasser R: Måns Herngren Männer in der Midlife-Krise Schweden/Dt. 2008 Ab 12 00.05 – 01.35 NDR fernsehen Confidence R: James Foley Vier Trickbetrüger in der Bredouille USA/Kanada/Dt. 2003 Ab 16 01.30 – 02.50 hr fernsehen Von Kindern R: Niko Apel Drei Kinder bei der Filmarbeit Deutschland 2010 Ab 12 01.45 – 04.00 3sat Vier im roten Kreis R: Jean-Pierre Melville Meisterhafter Gangsterfilm Frankreich 1970 Sehenswert ab 16

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