Filmdienst 11 2016

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FILM DIenst Das Magazin für Kino und Filmkultur

11 2016

www.filmdienst.de

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George Clooney in »Money Monster«, dem neuen Spielfilm von Jodie Foster. Ein weiterer Film über böse Börsianer und die Mechanismen des Finanzmarkts. Oft sind Broker im Kino die »Monster«: Feindbild und Faszinosum zugleich.

26. Mai 2016 € 5,50 69. Jahrgang

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FILMDIENST 11 | 2016 DIE NEUEN KINOFILME NEU IM KINO ALLE STARTTERMINE

51 3/4 18.5. 49 Agnes 2.6. 49 Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln 26.5. 51 Bad Neighbors 2 5.5. 43 Chamissos Schatten: Kapitel 3 – Kamtschatka und die Beringinsel 26.5. 47 Dirty Games 2.6. 47 Doktor Proktors Zeitbadewanne 2.6. 47 Ente gut! Mädchen allein zu Haus 26.5. 36 Everybody Wants Some!! 2.6. 45 Green Room 2.6. 51 Kötü Kedi Serafettin – Bad Cat 5.5. 51 Holding the Man 2.6. 44 Mein Praktikum in Kanada 26.5. 47 Mikro & Sprit 2.6. 39 Der Moment der Wahrheit 2.6. 37 Money Monster 26.5. 42 Der Nachtmahr 26.5. 49 Outside the Box 26.5. 47 Sing Street 26.5. 46 Sonita 26.5. 41 The Event 26.5. 44 The Nice Guys 2.6. 43 The Whispering Star 26.5. 50 Tomorrow 2.6. 51 Urmila für die Freiheit 26.5. 40 Vor der Morgenröte 2.6. 44 Whiskey Tango Foxtrot 2.6. 51 Wie Männer über Frauen reden 12.5. 38 X-Men: Apocalypse 19.5. 48 Zen for Nothing 2.6.

KINOTIPP

39 DER MOMENT DER WAHRHEIT

48 ZEN FOR NOTHING

der katholischen Filmkritik

44 THE NICE GUYS 40 VOR DER MORGENRÖTE Stefan Zweig im Exil: Filmische Zeitgeschichte und ein Drama um Kunst & Politik.

FERNSEH-TIPPS 56 Große Regisseure bei arte: Am 30.5. läuft die »Schottische Trilogie« von Bill Douglas. Vom 5. bis 8. Juni folgt eine Reihe von Roman-Polanski-Filmen, u.a. die Erstausstrahlung von »Venus im Pelz« (8.6.). 4

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37 MONEY MONSTER

49 ALICE IM WUNDERLAND 2

Fotos: TITEL: Sony. S. 4/5: Sony; Universum; Zorro; Walt Disney; Concorde; Paramount; X-Verleih

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11 | 2016 DIE ARTIKEL INHALT KINO

AKTEURE

FILMKUNST

10 KINO & FINANZMARKT

18 JOSEF HADER

28 SABINE TIMOTEO

10 KINO & FINANZMARKT

18 JOSEF HADER

In »Money Monster« von Jodie Foster ist George Clooney aktuell als clowneske Karikatur eines Börsianers zu sehen. Damit reiht sich der Film ein in eine Vielzahl von Werken, die »Wall Street-Wölfe« kritisch aufs Korn nehmen. Und damit oft ziemlich hilflos versuchen, dem Finanzmarkt-Phantom eine filmische Gestalt zu verleihen. Von Rüdiger Suchsland

16 DEUTSCHER FILM IM »GLOBAL VILLAGE«

Mit der Verleihung der »Deutschen Filmpreise« feiert die Filmbranche am 27.5. herausragende Leistungen des letzten Jahres. Der deutsch-iranische Regisseur Ali Samadi Ahadi gibt der Branche einige Impulse mit, wo sie sich zukünftig hinbewegen sollte: über den Tellerrand. Von Ali Samadi Ahadi

Derzeit brilliert der österreichische Mime und Kabarettist als Stefan Zweig in »Vor der Morgenröte«. Im Gespräch umreißt er seine persönliche Haltung zu Kunst & Politik. Von Margret Köhler

Von Franz Everschor

20 SERGEI LOZNITSA

Der in Berlin lebende ukrainische Regisseur befasst sich in seinen Dokumentar- und Spielfilmen immer wieder damit, wie gesellschaftliches Zusammenleben gestaltet wird. Ein Werkporträt anlässlich des Starts seines neuen Films »The Event«. Von Fabian Tietke

28 SABINE TIMOTEO & WERNER PENZEL

Ein Gespräch mit dem Regisseur von »Zen for Nothing« und der Schauspielerin, die er für sein Dokumentar-Projekt zu einem dreimonatigen Selbstversuch mit dem Leben in einem Zen-Kloster überredete. Von Josef Lederle

23 IN MEMORIAM

Nachrufe u.a. auf den kubanischen Regisseur Julio García Espinosa.

24 GITTA NICKEL

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Der Konzernriese Comcast hat sich die Animationsfilmschmiede Dreamworks Animation einverleibt. Damit formiert sich eine neue Animations-»Supermacht«, die Disney Konkurrenz macht.

Mit ihren dokumentarischen Arbeiten für die DEFA eckte die eigenwillige Regisseurin beim Regime an. Eine Würdigung der klugen Beobachterin von Lebens- und Arbeitswelten anlässlich ihres 80. Geburtstags.

31 KURZFILMTAGE OBERHAUSEN Eine Nachlese zu einer der international wichtigsten Bühnen des kurzen Films: Vom Unwohlsein angesichts der Urbanisierung und der Ratlosigkeit in der Suche nach neuen Formen. Von Kathrin Häger & Claus Löser

Von Stephan Ahrens

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RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAY TV-TIPPS P.S. VORSCHAU / IMPRESSUM

rn-Riesen Comcast hören zum Konze Die »Minions« ge umfasst Works Animation der nun auch Dream 27) Hollywood, S. (siehe E-Mail aus

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Kino ali samaDi ahaDi

unser GeDanken

ZUm

Auf dem diesjährigen Internationalen Filmfestival in Cannes war mit »Toni Erdmann« von Maren Ade endlich wieder ein deutscher Spielfilm im Wettbewerb vertreten. Grundsätzlich war dies ein Grund zum Aufatmen, auch wenn mancher schon wieder aufstöhnte: Cannes, gut und schön, aber musste es denn ausgerechnet Maren Ade sein? Für ihren Film »Alle Anderen« erhielt sie 2009 einen »Silbernen Bären« der »Berlinale«, wie bereits »Der Wald vor lauter Bäumen« (2003) wurde »Alle Anderen« für den Deutschen Filmpreis nominiert. Für den Preis selbst reichte es dann nicht – war »Alle Anderen« zu spröde, ästhetisch zu nahe an der »Berliner Schule«? In Cannes wurden dann alle Skeptiker auf dem falschen Fuß erwischt: Szenenapplaus, erfrischendes Lachen und geradezu euphorische Reaktionen für ein deutsches Drama voller Humor, Witz, genialer Einfälle! (Bericht folgt in FD 12/16.) Noch vor einigen Jahren sorgte das Kino der »Berliner Schule« für Furore. Wobei die kunstvoll-spröden Filme von Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Schanelec, Christoph Hochhäusler, Ulrich Köhler oder Maria Speth Kinobesucher durchaus polarisierten. Meistens wurden sehr private Geschichten erzählt, über Familien, Freundschaften, Beziehungen, fragile Konstellationen, melancholisch verdichtet ohne große Dramatik, lakonische Annäherungen an die Wirklichkeit als Stimmungsbarometer. Viele dieser Filme vermittelten ein Lebensgefühl, erzählten von der Angst vor der

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Wirklichkeit. Sie registrierten Zukunftsängste und (Gefühls-)Kälte in Zeiten, in denen es den Menschen wirtschaftlich nicht schlecht geht, sie aber vereinsamen und ihrem Glück hinterherlaufen. Heute sind kaum noch Filme der »Berliner Schule« zu sehen. Für 2016 wurden sechs komplett andere, künstlerisch wie thematisch grundverschiedene Filme für den Deutschen Filmpreis nominiert (die Preisverleihung findet am 27. Mai statt): »4 Könige«, »Der Staat gegen Fritz Bauer«, »Ein Hologramm für den König«, »Er ist wieder da«, »Grüße aus Fukushima« und »Herbert« erzählen auf andere, jeweils eigene Art von Befindlichkeiten, setzen das Leben ins Verhältnis zur jeweiligen künstlerischen Verdichtung. Ist diese Vielfalt verheißungsvoll? Oder gibt es aktuell sogar eher ganz andere Probleme für den deutschen Film? Der 1972 in Täbris im Iran geborene, in Köln lebende Regisseur Ali Samadi Ahadi drehte Filme wie »Lost Children«, »The Green Wave«, »Salami Aleikum«, »Pettersson & Findus – Kleiner Quälgeist, große Freundschaft« und »Die Mamba«. Am 8. April 2016 konnte er im Rahmen der Würdigung des deutschen Films durch Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin (vgl. FD 09/16) seine persönlichen Gedanken über die Befindlichkeit des deutschen Films zum Ausdruck bringen, über die Zwänge des Filmemachens in Deutschland sprechen, zudem auch über seine Wünsche und Hoffnungen. Seine Rede findet sich nebenstehend.


Foto: Senator

ali samaDi ahaDi Kino Der große Dichter Ahmad Shamloo spricht in einem seiner wunderschönen Gedichte von »Fremden Zeiten, in denen wir leben …« Und wahrlich empfinde ich die Welt, in der wir uns befinden, als sehr fremd. Es ist so, als ob die Menschheit ihre Unschuld verloren hätte. Ganz berauscht von der Gier des Geldes, der Macht, schlägt der Mensch in einer Art Wahn um sich und reißt dabei die Fundamente seiner Existenz nieder. Die Liebe für die Muttererde, für unsere eigene Menschheitskultur, die Empathie füreinander, die die Grundlage für unser Sein ist, scheinen verschwunden. Ich habe das Bild vor Augen, dass wir, die Menschheit, von hohen Wogen in stürmischer Nacht hin und hergeworfen werden und atemlos nach Halt suchen.

länder geschweige denn aus den Grenzen der Bundesrepublik hinauszugehen, um Film zu machen. Als ich mit Filmemachen anfing, mussten wir 100 Prozent, bei bestimmten Projekten sogar mit Genehmigung nur 80 Prozent Ländereffekt in den jeweiligen Ländern einbringen. Heute verlangen die Länderförderer zum Teil 200 Prozent Ländereffekt! Bei fast jedem Thema, das man in dieser global-komplexen Welt anpackt, wird die Frage gestellt: Wo ist die Verlinkung zu Deutschland und zu unserer Region? Wie viele Drehtage dreht ihr in unserem Bundesland? Wie viele Schauspieler sind deutsche Staatsbürger? Sind sie hier in unserer Region angemeldet? Kann man den Film auch in Deutschland erzählen? Und so weiter.

Ja, ich empfinde, dass unsere Welt komplizierter geworden ist. The Global Village ist eben nicht nur ein wirtschaftliches Zusammenzurren der Welt, wo scheinbar die Distanzen für Waren verschwinden und wo für uns im Westen alles von überall erreichbar wird. Das Globale Dorf bringt auch die Menschen näher. Mit all ihren Unterschieden, Gemeinsamkeiten und Konflikten. Ob wir es wollen oder nicht. Und die atemberaubende Geschwindigkeit dieser Bewegung lähmt uns, weil wir scheinbar der Beantwortung der Herausforderungen in dieser Geschwindigkeit nicht gewachsen sind.

Dabei haben wir aus unserer weltpolitischen, wirtschaftlichen und historischen Position die Aufgabe, die Dinge anders anzupacken. Wir müssen raus in die Welt, wenn wir die Frage der AfD-Wähler und Pegida-Demonstranten, die sie Woche für Woche stellen, die da heißt: »Was geht uns der Krieg in Syrien an?«, beantworten wollen. Wir Filmschaffende als ein Spiegel in die Seele dieses Landes müssen wissen, wie die deutsche Wirtschaft in Afrika, in China, in Saudi-Arabien und sonst wo arbeitet, welchen Einfluss unsere Außenpolitik auf die Welt hat. Schließlich gehören wir zu den stärksten Ländern dieser Erde! Unser Handeln anderswo hat in einem Globalen Dorf direkte

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global komPliZierten

Wir stehen vor vielen Fragen, für die wir, die Menschheit, nach Antworten suchen. Deutschland ist, wenn nicht der größte, aber dann doch einer der größten Profiteure der Globalisierung. Unbenommen. Unsere Wirtschaft, unsere Industrie und Dienstleistung können und wollen nicht in der Zeit zurück zu einer regionalen Weltpolitik. Aber was machen wir mit den Menschen? Mit all den Seelen, die sich auf der Strecke zurückgelassen fühlen? Was machen wir mit der Gier der Reichen, die auf Kosten und sei es auch auf Kosten der Leben der Armen immer reicher werden wollen? Könnte, ja sollte etwa die Beantwortung dieser Fragen auch eine Aufgabe des deutschen Films sein? Ganz bestimmt! Aber wie und wo finden wir uns als deutsche Filmemacher in diesem »Global Village« wieder? Wo ist unser Platz? Wo zeigen wir Flagge? Nun, so sehr die Industrie und die Wirtschaft auf die Globalisierung setzen, so sehr setzten leider die Förderer und Sender in Deutschland auf die Regionalisierung. Es klingt absurd, aber bei all den Regularien und Regionaleffekten, die die Länderförderungen den Filmen und Produzenten aufbürden, bei all den Wünschen der Sender (der Regionalsender), Geschichten in den jeweiligen Bundesländern zu erzählen, ist es kaum noch möglich, aus den Grenzen der einzelnen Bundes-

Vill ag e Zeiten Von Ali Samadi Ahadi

Auswirkungen auf unser Leben. Wenn wir unser Grundgesetz ernst nehmen, das da sagt: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, dann muss es für den deutschen Film möglich sein, in Griechenland oder in Ceuta über das Elend der Flüchtlinge oder in den Koltan-Minen in Kongo über die Kinder oder über die Textilfrauen in China Filme zu machen. Und schließlich müssen wir raus in die große weite Welt, um mit anderen Künstlern, Filmschaffenden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu arbeiten, um gemeinsam Gedankenanstöße auf globale Herausforderungen zu entwickeln. Zu Fragen wie Klimawandel, Terrorismus, Ressourcenmanagement, Menschenrechte und zu vielem mehr. Ich wünsche mir sehr, dass wir, und damit meine ich auch die Kulturpolitiker und Sender, verstehen, dass in unserer Welt so manche Antworten auf regionale Fragen weit weg von zuhause zu finden sind. Ich wünsche mir, dass wir dies nicht als ein Problem sehen, sondern die Hürden für einen international denkenden und agierenden deutschen Film abbauen und mit Mut die alten, gewohnten und sicheren Pfade verlassen, gemeinsam neue Wege des Erzählens gehen, auch wenn es mühsam ist. Denn dazu sehe ich uns verpflichtet und auch in der Lage! O

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KRiTiKEN NEUE FiLME

Richard Linklater schließt an seinen Kultfilm »Dazed and Confused« an

Jeder will etwas, und das mit doppelten Ausrufungszeichen. »Everybody Wants Some!!« ist ein üppiger Film: Von der Musik – das Eingangsstück »My Sharona« von The Knack, Hits von Blondie etc. – bis zu den testosterongeladenen Boys, die den Film wie ein gut trainiertes Musical-Ensemble bevölkern, ist er bunt, quicklebendig, interaktiv. Richard Linklater erzählt vom langen Wochenende einer Baseball-Mannschaft im August 1980 an einer Universität im südöstlichen Texas, kurz vor Semesterbeginn. Es ist die Zeit der Schnauzbärte, knappen Shorts, über der Brust spannenden T-Shirts und der Wasserbetten – es ist Disco-Zeit, auch Reagan-Zeit, doch davon bleibt der College-Mikrokosmos gänzlich unberührt. Dass Linklater die Erzählung wie einen Countdown aufbaut – es wird bis zur ersten Schulstunde heruntergezählt –, ist ein dramaturgischer Witz: »Everybody Wants Some!!«, thematisch eng mit Linklaters Kultfilm »Dazed and Confused« verwandt, könnte den Regeln des Suspense und der Plotentwicklung kaum mehr zuwiderlaufen. Wenn am Ende der durchnäch-

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tigte Baseball-Spieler Jake im Klassenzimmer einschläft, ist nicht allzu viel passiert außer einer großen Welle an Homosozialität: Kameradschaftsrituale und kleine Rivalitäten, Partys, Alkohol, Mädchenbekanntschaften. »Coming of Age« ohne das Werden, als reine Gegenwart. Mit Jake wird der Betrachter an die Hand genommen und durch den Film geführt – hinein in die Gruppe und das etwas heruntergekommene Wohnheim. Gleich am Anfang hat der BaseballTrainer als praktisch einzig erwachsene Figur einen kurzen Auftritt, »no alcohol, no girls upstairs«, ermahnt er. Doch natürlich gibt es Alkohol in rauen Mengen, und auch die Zimmer im oberen Stockwerk sind so rasch mit Mädchen belegt, dass Jake am ersten Abend aus Platzgründen seinen Plan aufgeben muss, Sex zu haben. »What position do you play?« ist eine wiederkehrende Frage im Film, die nicht nur im Hinblick auf die Funktion beim Baseball gemeint ist. Denn es geht für Jake, der als Freshman in die Gruppe kommt, zunächst darum, sich eine Position im sozialen Gefüge zu erarbeiten.

So reiht sich ein tribalistisches Ritual ans nächste, entscheidet über Ausschluss und Zugehörigkeit – von Tischtennis über Matratzenrutschen bis zu Saufund Kiff-Rekorden scheint jede Aktivität kompetitiv zu sein. Aber auch im buchstäblichen Sinn ist das »positioning« für den Film essenziell. Nie sind die Figuren vereinzelt zu sehen, bilden vielmehr Cluster, positionieren sich im Raum oder formieren sich beim Gehen, gruppieren sich wieder neu – der Gruppenverband ist in einer kontinuierlich fließenden Bewegung sich verändernder Körperfigurationen. Dabei gerät der Übertritt in ein anderes Milieu oder in eine andere »Szene« zu einer regelrechten Kollision von Codes, Looks und habituellen Formen. Als Jake sich in Beverly verliebt, in eine Studentin der Abteilung Schauspiel, landen die als einfältig geltenden Baseballer einmal wie Exoten auf einer kirmeshaften Theaterparty, auch ein kurzer Ausflug in die Punkszene gerät zur Fremdheitserfahrung. Nach »Boyhood« blickt Linklater mit »Everybody Wants Some!!« erneut in seine Jugend zurück. Der Tonfall ist, trotz dickem

Esther Buss BEWERTuNg DER FiLMKOMMiSSiON

Am Wochenende vor Semesterbeginn trifft im Sommer 1980 ein Studienanfänger im Wohnheim eines texanischen Colleges ein, wo er auf eine etablierte CollegeMannschaft stößt. Kameradschaftsrituale und kleine Rivalitäten, Partys, Alkohol und Mädchenbekanntschaften füllen die Zeit bis zur ersten Schulstunde. Eine von Retro-Elementen getragene, höhepunktarme Erzählung über Jugend und Homosozialität, mit der Richard Linklater an sein Frühwerk »Dazed and Confused« anschließt. Trotz populärer Ebene und autobiografischer Bezüge bleibt der Film eher distanziert und ein Stück weit abstrakt. – Ab 14.

EVERYBODY WANTS SOME!! Scope. USA 2016 Regie: Richard Linklater Darsteller: Blake Jenner (Jake), Zoey Deutch (Beverly), Ryan Guzman (Roper), Glen Powell (Finnegan), J. Quinton Johnson (Dale Douglas), Wyatt Russell (Willoughby), Austin Amelio (Nesbit) Länge: 117 Min. | Kinostart: 2.6.2016 Verleih: Constantin | FD-Kritik: 43 915

Fotos S. 36-51: Jeweilige Filmverleihe

Everybody Wants Some!!

Retro-Anstrich, im Vergleich dazu weitaus distanzierter. Linklater porträtiert das Figurenpersonal zwar durchaus liebevoll, stets aber aus der Perspektive des von außen schauenden Beobachters. Der aufgeplusterte McReynolds, der kiffstarke Willoughby, der Aufreißer Nesbit: Letztlich sind das alles eher modellhafte Typen als Identifikationsfiguren. Selbst Jake, Linklaters Stellvertreterfigur, bleibt eigentümlich abstrakt. Letztendlich steht und fällt der Film mit der (sicherlich auch kulturell bedingten) Einstellung zu dem unbekümmerten Treiben der Jungs: Was für die einen nach dem prallen Leben aussieht, mag für die anderen einfach nur furchtbar öde sein.


NEUE FiLME KRiTiKEN

Money Monster

Jodie Foster lässt George Clooney als Finanzmarkt-Clown in die Klemme geraten

Dieser Mann ist doch ein Witz: eine Testosteron-Maschine unter dem Zaubererzylinder oder dem Boxer-Cape, er macht alberne tänzerische Verrenkungen und arg selbstgewisse Anlagetipps, fünf Mal die Woche in der eigenen, titelgebenden Show. Dieser Mann ist aber auch: George Clooney, Produzent und Hauptdarsteller, bekennender wie bekannter »Hollywood liberal«. In seinem aktuellen Film allerdings zeigt sich das Bekenntnishafte gleich so plakativ, dass es beinahe schon redundant erschiene, dieser Karikatur ausgerechnet ihren Karikaturencharakter vorzuwerfen. Unglaublich gockelhaft stolziert Lee Gates durch die Gänge des Senders auf dem Weg zum Studio, seine Regisseurin Patty Fenn (Julia Roberts) schon per Funkknopf im Ohr. »Winnetou« ist das vereinbarte Kennwort, wenn Gates wieder einmal über die Stränge schlägt, sich nicht ans Skript hält, zu frech wird. Ihm steht ein Abend mit vielen Winnetous bevor. Das erste Zeichen, dass etwas schieflaufen könnte: Gates findet keine Begleitung zum Aftershow-Dinner, ausgerechnet er, der nach eigener Aussage in den

Neunzigern zum bislang letzten Male alleine zu Abend gegessen habe. Das zweite, für Gates zunächst freilich weniger drängende Problem: Der Hedgefonds Ibis, eine seiner liebsten Empfehlungen, hat einen heftigen Crash hinter sich, ein Computerfehler soll schuld sein, der Chef der Firma ist irgendwo über den Wolken unerreichbar, während sich die Pressesprecherin Diane Lester darauf vorbereitet, ein abwiegelnd-nichtssagendes Statement abzugeben. So wie Clooney die dekadente Fassade seiner Figur bis dahin übersteigert, so rasch lässt er sie ins vollkommen Verschüchterte zusammenbrechen, als ein vermeintlicher Pizzabote ins Studio stürmt. Dieser Kyle Budwell hat neben Pappschachteln auch noch eine Knarre und einen Bombengurt dabei, den er Gates anzuziehen zwingt. Budwell hat alles beim Ibis-Crash verloren und scheint, so genau weiß er das selber nicht, nach Antworten zu suchen. Nach wahren Antworten. Oder nach einer Entschuldigung. Und während die New Yorker Polizei das Gebäude umstellt und errechnet, dass Gates doch immerhin eine achtzigprozentige Chance hätte,

einen entschärfenden Schuss auf den Zündungsmechanismus zu überleben, dämmert es allmählich sogar Diane Lester, dass die Sache mit dem Computerfehler wohl bestenfalls eine schlechte Ausrede war. Vor den Kameras und hinter den Kulissen beginnt ein nervenaufreibendes Spiel, in dem Jodie Foster, die ihren ersten KinoThriller als Regisseurin gedreht hat, mindestens vier Geschichten auf einmal erzählt. Die eine ist die eines außergewöhnlich prominent realisierten Spielfilms, in den – und in dessen Botschaft – sich Fosters Regie und Julia Roberts’ Regie-Spiel aber eher funktional einordnen: hysterisch intensiv da, wo es notwendig scheint, die meiste Zeit aber eher moderierend. Der Kommentar zur Verderbtheit der Finanzwirtschaft hingegen, die Botschaft also, präsentiert sich ebenso verkürzt wie aufdringlich: verkürzt, weil das Versagen hier streng in Personen komprimiert und die Systemfrage kaum angedacht wird, und aufdringlich, weil die Bekehrung und Überzeugung von anfänglich Ibis-Gläubigen wesentlich die Struktur der Handlung prägt. Als Thriller hingegen, der immer neue Konstel-

lationen und Bedrohungsszenarien entwirft, der seine Figuren in neue Beziehungen zueinander und zur Umwelt stürzt, überzeugt Fosters Film durchaus. Noch stärker aber ist die vierte Geschichte, die sie erzählt und die immer wieder geschickt hinter den anderen zu verschwinden scheint: Es ist die einer Mediengesellschaft, in der Kidnapper von Regisseuren ins rechte Licht gerückt werden, in der noch unter einer potenziell tödlichen, live übertragenen Gewalttat der Börsenticker läuft und in der Enthüllung und Geständnis gar nicht anders können, als öffentlich zu sein. Diese Allmacht, einen Schwindel entwerfen und hinterher wieder aufdecken zu können, mag eine größere Gefahr bedeuten als zu viel Geld in zu wenigen Händen. Tim Slagman BEWERTuNg DER FiLMKOMMiSSiON

Nach dem Crash eines Hedgefonds kapert ein Geschädigter mit Pistole und Bombengurt die Live-TV-Sendung eines gockelhaften Anlageberaters und verlangt nach Antworten. in der Folge entwickelt sich ein solide inszenierter und gespielter Thriller mit immer neuen Konstellationen und Bedrohungsszenarien, dessen Medienkritik subtil und treffend ausfällt. in seiner politischen Stoßrichtung und seinem Zorn auf die Finanzwirtschaft bleibt der Film hingegen allzu vorhersehbar und plakativ. – Ab 14.

MONEY MONSTER Scope. USA 2016 Regie: Jodie Foster Darsteller: George Clooney (Lee Gates), Julia Roberts (Patty Fenn), Jack O’Connell (Kyle Budwell), Dominic West (Walt Camby), Caitriona Balfe (Diane Lester), Christopher Denham (Ron Sprecher) Länge: 99 Min. | Kinostart: 26.5.2016 Verleih: Sony | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 43 916

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NEuE FILME auf DvD / BLu–Ray

The Night Manager

Hochkarätige Miniserie nach einem Roman von John Le Carré

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eine schöne Frau in dem Hotel in Kairo, in dem Pine des Nachts hinter der Rezeption steht, ermordet wird: Sophie war dabei, einen dubiosen Deal auffliegen zu lassen, den Roper während des Arabischen Frühlings mit dem Zögling eines mächtigen ägyptischen Clans abschließen wollte; sie zog Pine dabei ins Vertrauen und wurde seine Geliebte. Der aufgestaute Groll über den Tod der mutigen Frau motiviert Pine, sich von Angela Burr als Undercover-Agent anwerben zu lassen, als er vier Jahre später in einem Hotel in den Alpen zufällig wieder Ropers Weg kreuzt. Pine lässt sich eine falsche Identität verpassen und in den »inner circle« Ropers einschleusen, um nach Beweisen für dessen illegale Machenschaften zu suchen. Dabei ist er bald auf sich alleingestellt: Sollte er auffliegen, kann ihm Angela kaum Rückendeckung geben, da sie selbst alle Hände voll damit zu tun hat, Pines Mission innerhalb der Strukturen des MI6 und des Innenministeriums geheim zu halten – denn dort sitzen längst Leute, die mit Roper unter einer Decke stecken. Le Carrés Roman erschien schon 1993; Susanne Bier und Drehbuchautor David Farr haben ihn in die Gegenwart geholt, ohne dabei jedoch allzu große Änderungen vornehmen zu müssen: Der Stoff um illegale Waffengeschäfte wirkt nach wie vor aktuell; ein zeitgenössisches Thema wie der Arabische Frühling lässt sich da nahtlos einfügen, und dass Pines MI6-Kontakt hier mit einer Frau statt mit einem Mann besetzt ist, setzt als Reminiszenz an veränderte

Rollenbilder einen schönen Akzent, ohne die Vorlage jedoch groß zu verändern. Obwohl die Serie an diversen schauträchtigen Schauplätzen spielt und dabei nicht mit schönen Kulissen geizt – von Kairo bis Südengland, von der Schweiz bis Mallorca – lässt sich die Dramaturgie nicht davon ablenken, dass der Kern der Story vor allem ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel ist: Pine und Burr müssen versuchen, ihre Gegner auszutricksen und sich selbst nicht in die Karten schauen zu lassen, während sie ihre Ermittlungen vorantreiben; das Ganze wird für sie zum lebensbedrohlichen Spiel der Täuschungen innerhalb völlig korrupter Strukturen, in denen jeder falsche Schritt, jedes zu leichtfertig geschenkte Vertrauen tödliche Konsequenzen haben kann. Wobei die hervorragende Besetzung beste Arbeit leistet, angeführt von Tom Hiddleston als aufrechtem, zugleich aber undurchschaubarem Held sowie von Hugh Laurie als skrupellosem, aber umso charismatischerem Bösewicht. – Sehenswert ab 16. Felicitas Kleiner THE NIGHT MANAGER GB 2016 Regie: Susanne Bier Darsteller: Tom Hiddleston, Hugh Laurie, Elizabeth Debicki, Olivia Colman, Tom Hollander Länge: 338 Min. + 57 Min. Bonus FSK: ab 12 | Anbieter: Concorde FD-Kritik: 43 938

Fotos: Jeweilige Anbieter

Aus dem Rauchpilz einer Rakete wird per Überblendung ein Martini-Kelch, aus der Trommel eines Revolvers ein edles Teeservice, aus Bomben, die ein Flugzeug abwirft, ein Diamantcollier – die Synthese aus Glamour und Krieg, die der Vorspann der Miniserie präsentiert, verbreitet ein gewisses Bond-Feeling. Und die Episoden lösen das durchaus ein: Susanne Biers Verfilmung von John Le Carrés gleichnamigem Roman verbindet Agenten-Suspense mit einer Jetset-Atmosphäre, die eines 007 durchaus würdig wäre. Im Kontext der Story wirkt die stylische Oberfläche dieser Titelsequenz dann allerdings fast wie eine Bebilderung des Zynismus des »Bad Guy«: Der Waffenhändler Richard Roper (Hugh Laurie) scheffelt als »Händler des Todes« das Geld, mit dem er sich als eleganter Lebemann inszeniert und Annehmlichkeiten wie eine Privatinsel, eine junge Geliebte und eine Entourage williger Handlanger finanziert. Falls Roper, den jemand zu Anfang als »schlechtesten Menschen der Welt« bezeichnet, jemals so etwas wie ein Gewissen hatte, dann muss das schon ziemlich lange her sein; wem er seine Waffen verkauft und was derjenige damit tut, könnte ihm nicht gleichgültiger sein. Angela Burr, der Leiterin einer Unterabteilung des MI6, ist es nicht gleichgültig. Und darin findet sie einen Seelenverwandten in einem jungen Mann namens Jonathan Pine, der zu Beginn als Nachtmanager in Luxushotels arbeitet. Indirekt bekommt es Pine zum ersten Mal mit Roper zu tun, als


KRITIKEN FERNSEH-TIPPS

SA

SAMSTAG 28. MAI 22.15 – 01.15 Servus TV Jenseits der Hügel R: Cristian Mungiu Formal eindrucksvolles Elendsdrama Rumänien/F 2012 Ab 14

20.15 – 22.15 ProSieben Alles, was wir geben mussten R: Mark Romanek Retro-SciFi nach Roman von Kazuo Ishiguro USA/GB 2010 Ab 16

22.45 – 01.05 SAT.1 Slumdog Millionär R: Danny Boyle Indisches Slum-Drama USA/GB 2008 Sehenswert ab 14

20.15 – 22.45 SAT.1 Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger R: Ang Lee Meisterliches Abenteuer-Drama USA 2012 Sehenswert ab 14 20.15 – 22.15 Servus TV Spuren R: John Curran Junge Frau auf Solotour quer durch Australien Australien 2013 Ab 14 20.15 – 23.05 zdf_neo King Kong R: Peter Jackson Spektakuläres Remake des Riesenaffen-Klassikers USA 2005 Sehenswert ab 14

23.20 – 01.10 James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau R: Terence Young Sean Connery in Bond Nr. 2 GB 1963

ZDF

Ab 16

23.40 – 01.20 Das Erste Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren R: Brian de Palma Toningenieur zeichnet Mordbeweise auf USA 1981 00.40 – 03.00 zdf_neo Southland Tales R: Richard Kelly Politsatire auf Bush-Regierung USA 2006 Ab 16

21.45 – 01.15 arte No Direction Home R: Martin Scorsese Kluges Dylan-Porträt USA 2005 Sehenswert ab 12

01.15 – 02.45 Servus TV Shadow Dancer R: James Marsh IRA-Aktivistin muss als Spitzel für Briten arbeiten GB/Irland 2012 Sehenswert ab 14

22.15 – 00.00 ProSieben 13 R: Géla Babluani Spannendes Remake eines Todesspiel-Thrillers USA 2010 Ab 16

02.15 – 03.40 mdr Liebe auf neuseeländisch – Eagle vs Shark R: Taika Waititi Lyrisch-surreale Loser-Komödie Neuseeland 2007 Sehenswert ab 14

28. Mai, 03.00 – 03.55

Der Traumlotse – Das Kino des Andrzej Wajda

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Im März feierte der polnische Filmregisseur seinen 90. Geburtstag, doch von Ruhestand ist bei dem einstigen Mitbegründer der »Polnischen Filmschule« keine Rede. In Interviews bezog er Stellung gegen die neue rechtskonservative Regierung, sein neues Filmprojekt »Powidoki«, ein Biopic des Konstruktivisten Wladyslaw Strzeminski, steht kurz vor der Fertigstellung. Das knapp einstündige Porträt »Der Traumlotse« von 2011 rollt Wajdas Karriere noch einmal auf: Von frühen Meisterwerken wie »Asche und Diamant« (1958) über seine gesellschaftskritischen Werke wie »Der Mann aus Marmor« (1977) bis zum Spätwerk mit Filmen wie »Das Massaker von Katyn« (2007). Dabei wird auch Wajdas Rolle beim Scheitern des kommunistischen Regimes gedacht.

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3sat

28. Mai

Themenabend: Bergwelt

Mit edelweißer Alpenromantik, wie sie einst der Heimatfilm bot, hat der »Bergwelt«-Themenabend, den 3sat zelebriert, wenig am Hut. Versammelt werden drei Filme, in denen jeweils etwas faul ist in der schönen, erhabenen Gipfelwelt. Im Thriller »Die Tote in der Berghütte« brodeln unter fünf Freundinnen beim Kurzurlaub in den Alpen Konflikte hoch; und in »Gletscherblut« droht gar eine ökologische Katastrophe das Idyll zu zerstören. Besonders sehenswert: Das Biopic über Bergfilm-Größe Luis Trenker. In dem Film von Regisseur Wolfgang Murnberger, in dem Tobias Moretti Trenker verkörpert, geht es nicht zuletzt um dessen Verstrickungen ins NS-Regime. 20.15 – 21.45 Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit 21.45 – 23.10 Die Tote in der Berghütte (Wdh.: 02.10 – 03.40) 23.10 – 00.40 Gletscherblut 28. Mai, 20.15 – 22.15

ProSieben

Alles, was wir geben mussten

Selbstlosigkeit ist die zentrale Tugend, die drei Waisen (Keira Knightley, Carey Mulligan, Andrew Garfield) in einem Internat anerzogen wird. Aus grausamen Gründen: Das gesellschaftlich vorgegebene Ziel ihres Daseins ist es, als Organspender das Leben anderer zu retten und dafür das eigene zu opfern. Die zwei heranwachsenden Mädchen und der Junge sehnen sich aber mehr und mehr nach einem eigenen Leben und hoffen, ihr Schicksal aufschieben zu können – was ihnen eine Liebesbeziehung ermöglichen könnte. Allerdings kann der Junge nur eine seiner Freundinnen wählen. Das in den 1970er- und 1980erJahren angesiedelte Drama entwirft eine Welt, in der Menschen als widerstandslose Organlieferanten »gezüchtet« werden. Die verhaltene Inszenierung vermittelt suggestiv die von unterdrückten Gefühlen geprägte Atmosphäre und zeichnet das hintergründig schockierende Bild einer Gesellschaft, die menschliches Leben als »Material« instrumentalisiert. ERSTAUSSTRAHLUNG: 29. Mai, 16.55 – 18.30

arte

Michael Jackson’s Journey from Motown to Off the Wall

Michael Jackson (1958 – 2009) gehört zu den Künstlern, deren Leben und Werk in etlichen Dokumentationen erschöpfend erörtert und analysiert wurde. Filmemacher und Freund Spike Lee hat es sich dennoch nicht nehmen lassen, ein weiteres filmisches Porträt über den genialen Musiker anzufertigen. Dabei nimmt er auf angenehme Weise die Kontroversen, Skandale und Tragödien aus dem Fokus und kapriziert sich auf das musikalische Schaffen der Zeit nach dem Motown-Hype um die Jackson Five, das 1979 mit dem Album »Off the Wall« einen ersten Solo-Höhepunkt erreichen sollte. Ein ebenso einfühlsamer, mitreißender wie kompetenter Dokumentarfilm.

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

20.15 – 21.30 Disney Channel Dumbo, der fliegende Elefant R: Ben Sharpsteen Zeichentrickklassiker USA 1941 Sehenswert ab 6


FERNSEH-TIPPS KRITIKEN

SO 06.05 – 07.25 mdr Der goldene Falke R: Carlo Ludovico Bragaglia Amüsanter Mantel- und Degenfilm Italien 1956 Ab 12 13.10 – 15.20 ProSieben Mavericks – Lebe deinen Traum R: Curtis Hanson, Michael Apted Visuell beeindruckender Surfer-Film USA 2012 Ab 14 13.40 – 15.15 SWR Fernsehen Heldinnen R: Dietrich Haugk Unbeschwerte Komödie frei nach Lessing BRD 1960 Ab 12 29. Mai, 20.15 – 21.45

einsfestival

Der lange Weg nach Hause

Seit Phillip Noyce Ende der 1980er-Jahre nach Hollywood ging, ist er vor allem als Spezialist für Genre-Arbeiten, insbesondere Thriller (»Der Knochenjäger«) und Actionfilme (»Salt«), hervorgetreten. Darüber ist etwas in Vergessenheit geraten, dass der Australier sich ursprünglich mit gesellschaftskritischen Werken einen Namen machte, etwa mit dem Journalismusdrama »Nachrichtenkrieg« (1978). Auch in »Der lange Weg nach Hause« (2002), für den Noyce noch einmal nach Australien zurückkehrte, packt er ein heißes Eisen an: Über Jahrzehnte ließ die Regierung »Mischlinge« – Kindern von Aborigines und Weißen – gewaltsam aus Eingeborenen-Familien herausreißen und in weißen Familien unterbringen. Der Film schildert die Flucht zweier Mädchen, die sich entlang eines Kaninchenzauns 1500 Meilen zu ihrem Heimatdorf durchschlagen. Ein engagierter, politisch brisanter Film, der die emotionale Härte durch einen poetischen Grundtenor, das Aussparen von physischer Gewalt und mythologische Überhöhungen mildert. ERSTAUSSTRAHLUNG: 29. Mai, 23.50 – 01.23

Das Zimmermädchen Lynn

Das Erste

Ein hochneurotisches Zimmermädchen lebt seine voyeuristischen Neigungen aus, indem es sich unter den Betten von Hotelgästen versteckt. Als die scheue junge Frau Zeugin einer SM-Session wird, nimmt sie Kontakt mit der Domina auf. Aus der Begegnung der beiden Außenseiterinnen entsteht der Anstoß, dem eigenen Lebensglück entschiedener nachzujagen. Selbstbewusst umgesetzte Romanverfilmung um eine exzentrische Romantikerin, die von ihrer wunderbaren Hauptdarstellerin Vicky Krieps geprägt wird. Sensibles Einfühlungsvermögen, die intime Kameraführung und surreale Momente verbinden sich zu einer beglückenden Filmerfahrung. LESETIPP: »Herrin über jede Sekunde«. Ein Gespräch mit Vicky Krieps von Margret Köhler in FILMDIENST 11/2015.

16.55 – 18.30 arte Michael Jackson’s Journey from Motown to Off the Wall R: Spike Lee Einfühlsames Porträt des Musikers USA 2016 Ab 12 20.15 – 22.05 arte Wenn Liebe so einfach wäre R: Nancy Meyers Vergnügliche Liebeskomödie USA 2009 Ab 14 20.15 – 21.45 einsfestival Der lange Weg nach Hause R: Phillip Noyce Engagierte Aufarbeitung australischer Geschichte Australien 2002 Ab 16 29. Mai, 06.05 – 07.25

SONNTAG 29. MAI 20.15 – 22.40 Stalag 17 R: Billy Wilder Weltkriegsdrama um US-Kriegsgefangene USA 1953 20.15 – 21.35 Tolle Lage R: Sören Voigt Groteskes Panoptikum der deutschen Einheit Deutschland 2000

TELE 5

Ab 16 zdf.kultur

Ab 16

22.05 – 23.35 arte Bra Wars R: Hermann Vaske Hollywoods Affäre mit dem BH Deutschland 2014 Ab 14 23.50 – 01.23 Das Erste Das Zimmermädchen Lynn R: Ingo Haeb Neurotische Frau versteckt sich unter Betten Deutschland 2014 Sehenswert ab 16 01.25 – 03.23 Das Erste Der Mann mit dem goldenen Arm R: Otto Preminger Bahnbrechendes Rauschgift-Drama USA 1955 Sehenswert ab 16 01.50 – 03.30 arte Armadillo R: Janus Metz Pedersen Eindrucksvolle Afghanistan-Doku Dänemark 2010 Sehenswert ab 16 mdr

Der goldene Falke

Eine Karriere von den späten 1930er- bis in die 1980er-Jahre war dem 1989 verstorbenen italienischen Schauspieler Massimo Serrato beschieden. In dieser Zeit spielte sich der große, blonde Mime quer durch alle Genres und gab den Bösewicht (z.B. als Nazi im neorealistischen Klassiker »Die Sonne geht wieder auf«, 1946) ebenso zuverlässig wie den edlen Helden. Letzteren verkörperte er z.B. in der abenteuerlich-romantischen Komödie »Der goldene Falke«, die der mdr zur Feier von Serratos 100. Geburtstag am 31.5. ausstrahlt. Serrato spielt darin den Sprössling eines Sieneser Adelsgeschlechts, der aus politischen Gründen mit der Tochter eines rivalisierenden Clans verheiratet werden soll. Die wahre Geliebte des jungen Galans mag sich allerdings damit nicht abfinden und stiftet in der Maske des »goldenen Falken« reichlich Verwirrung. Eine amüsante, schwungvolle Parodie des Ritterfilm-Genres.

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