Filmdienst 06 2016

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FILM DIENST

JESUS-FILME Zu Ostern erzählt auch Hollywood von der Auferstehung Christi („Auferstanden“). Nur einer von vielen Filmen, die ein christliches Publikum anvisieren.

Das Magazin für Kino und Filmkultur www.filmdienst.de

06 2016

In Barry Levinsons Satire verschlägt es Bill Murray nach Afghanistan. Zeit für einen Rückblick auf Hollywoods Orientreisen in Zeiten des „war on terror“. 17. März 2016 € 5,50 69. Jahrgang

STÉPHANE BRIZÉ Der französische Regisseur lässt in „Der Wert des Menschen“ Vincent Lindon verzweifelt gegen den sozialen Abstieg kämpfen.

JULIE DELPY Mit der Komödie „Lolo“ legt der französische Star eine neue Regiearbeit vor und spielt auch selbst die Hauptrolle. Im Interview sinniert sie über Film, Familie und Dummheit als Gesellschaftskrankheit.


inhalt Die neUen kinofilme

+ 39 49 49 42 45 48 44 49 46 45 47 51 37 45 38 36 49 45 41 40 47 49 49 50

ALLE STARTTERMINE Auferstanden 17.3. Bach in Brazil 17.3. Die Bestimmung - Allegiant 17.3. Chamissos Schatten: Kapitel 1 24.3. Folge meiner Stimme 17.3. Heart of a Dog 24.3. Herbert 17.3. Kein Zickenfox 17.3. Kung Fu Panda 3 17.3. Lee Scratch Perry’s Vision of Paradise 24.3. Lolo - Drei ist einer zu viel 17.3. Magical Girl 17.3. Mein Ein, mein Alles 24.3. Power to Change - die EnergieRebellion 17.3. Raum 17.3. Rock the Kasbah 24.3. Schellen-Ursli 24.3. Sex & Crime 24.3. Silent Heart 24.3. Der Spion und sein Bruder 10.3. Tomorrow is always too long 17.3. Voll auf die Nuss 18.2. We love to dance 24.3. Der Wert des Menschen 17.3.

Kinotipp

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chaMissos schatten

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heart of a Dog

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folge Meiner stiMMe

der katholischen Filmkritik

Der Wert Des Menschen

Ein intensives Drama um einen Mann (Vincent Lindon), der der Arbeitslosigkeit entrinnen will.

fernseh-tipps 56 Im Osterprogramm gibt es neben den obligatorischen Klassikern „Die zehn Gebote“ (25.3.) und „Ben Hur“ (27.3.) auch interessante neue Produktionen: „Die Braut des Grauens“, das Special der beliebten Krimi-Serie „Sherlock“, sowie die Spielfilme „Gravity“ von Alfonso Cuarón und „Prisoners“ von Denis Villeneuve feiern am 27.3. TV-Premiere.

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Fotos: TITEL: Splendid. S. 4/5: Temperclayfilm, Real Fiction, Movienet, Arsenal, Interzone, Barnsteiner, Twentieth Century Fox, Splendid, NFP, Sony

neu im Kino


06 | 2016 Die artikel inhalt Kino

aKteure

filmKunst

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Die Orientreisen des US-Kinos haben spätetens seit dem 11.9.2001 nicht mehr viel mit „1001 Nacht“-Romantik zu tun, sondern mit Terror, Krieg und der eigenen außenpolitischen Rolle. Eine Bestandsaufnahme anlässlich des Starts von „Rock the Kasbah“. Von Fritz Göttler

16 FlücHTliNgE im KiNo

Im Rahmen der 66. „Berlinale“ waren Menschen, die in und um Berlin in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, dazu eingeladen, sich zusammen mit „Paten“ Filme aus dem Festivalprogramm anzusehen. Eine der Patinnen war FILMDIENST-Autorin Silke Kettelhake. Ein Rückblick. Von Silke Kettelhake

18 sTépHANE BRizé

Der französische Regisseur liefert mit „Der Wert des Menschen“ das Porträt eines Mannes in den Mühlen ökonomischer Zwänge. Im Interview berichtet Brizé über die Entstehung des Films. Von Ralph Eue

Von Thomas Klein

In seinem Film „Silent Heart“ beschäftigt sich der dänische Filmemacher mit der Problematik selbstbestimmten Sterbens. Ein Gespräch über die Konfrontation mit dem Tod und wie sie Beziehungen verändert.

Um Ostern startet „Auferstanden“, ein Film über die Auferstehung Jesu und ihre Wahrnehmung durch die Zeitgenossen. Der Film ist nur eine von mehreren US-Produktionen mit biblischen Stoffen, die sich an ein christliches Publikum richten.

Von Margret Köhler

Von Franz Everschor

22 JuliE dElpy

Seit 2002 führt die französisch-amerikanische Schauspielerin auch Regie. Ihr neuester Film „Lolo“ ist eine Komödie, wie die meisten ihrer früherer Arbeiten. Im Interview erzählt Delpy, dass sie gerne auch mal einen Science-Fiction-Film inszenieren würde.

24 liTERATuR

28 FilmE möglicH mAcHEN

Der ehemalige WDR-Filmredakteur Joachim von Mengershausen wurde mit dem Ehrenpreis des Verbands der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Ein Rückblick aufs Lebenswerk eines unermüdlichen Filmermöglichers im Interview mit von Mengershausen & einer Laudatio von Wim Wenders. Von Jennifer Borrmann

Neue Filmbücher widmen sich dem Werk von Quentin Tarantino und nehmen die Filme von Dziga Vertov zum Anlass, digitale Filmanalyse-Tools zu testen.

32 „NAcHT uNd NEBEl“

Alain Resnais’ KZ-Film ist in Deutschland erstmals auf DVD erschienen.

Von Ulrich Kriest

Von Thomas Brandlmeier

S i eg f r

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kracauer S

Der autor sven von reden hat 2015 das siegfried-kracauer-stipendium gewonnen. Der filmDienst veröffentlicht texte, die er im rahmen dieses stipendiums verfasst. in dieser ausgabe: seine kritik zu „Der wert des menschen“ (s. 50). eine initiative zur förderung der filmkritik.

ed

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25 iN mEmoRiAm

Wir erinnern an den amerikanischen Schauspieler George Kennedy und andere Filmschaffende, die im Frühjahr 2016 verstorben sind.

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21 BillE AugusT

Von Michael Ranze

RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAy TV-TIPPS P.S. VORSCHAU / IMPRESSUM

e-Mail aus hollyWooD

endium

10 Hollywoods „wAR oN TERRoR“

julie Delpy

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„War on terror“

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Mit B ar r „13 Ho y Levinsons „ u R E n g a g e r s “ l a u fe n z w o c k t h e K a s b ei a m e nt d A n l a ss e r U SA F i l m e i n d e n h “ u n d M i c h a e f i K Region ür eine Bestan n den Länder inos, die sich l Bays n in den letzten dsaufnahme d des „Orient“ mit dem 15 Jahr b e en. Von r Hollywood efassen. -Bilder Fr i t z G ö der tt l e r

I n Wü sten n ichts Holly Neues wood s Blic den N k auf ahen u nd Mit Oste t leren n in Zeit des „ en War o n Te r ror“

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Der Nahe Osten, sagte der Filmemacher Stephen Gaghan im Jahr 2005, das ist ein Schwarzes Loch, das auf die ganze Welt ausstrahlt, die Zukunft unseres Planeten bestimmen wird. „Dieses schwarze Loch unglaublichen Reichtums, das die ölproduzierenden Nationen darstellen ... Sie schaffen so viel Geld und das schafft seine eigene Schwerkraft und Moralität und Psychologie, ein Auf und Ab, und Nord und Süd mutieren, wenn sie mit ihm in Kontakt kommen.“ Zehn Jahre später klingt diese magische Vision noch erschreckender und noch realistischer als damals. Die angesprochene Weltregion ist von größter Bedeutung – politisch und ökonomisch, ökologisch und machtpsychologisch –, ein Unruheherd, unberechenbar und explosiv, ein permanentes Element der Destabilisierung, gegen den die Balancen des alten Kalten Kriegs unbrauchbar geworden sind. Gewaltiger Ölreichtum, beflissene autokratische Regime und die Bedeutung der Religion, des Islam, der die Kritik am und die Feindschaft gegen den Westen motiviert, der streng und rigide ist, fanatisch werden und zum Terror führen kann. Eine neue Psychopathologie der Weltpolitik, die den berüchtigten „Krieg gegen den Terror“ provozierte, die immer fle-

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„Rock t he Kasb ah“

xibler werden muss und skrupelloser. Nach 9/11 ließ sie sich erst mal leiten und verführen von den alten Modellen des Imperialismus, die prominente Historiker empfahlen. Bernard Lewis versicherte Dick Cheney, in diesem Teil der Welt sei entschiedenes, kraftvolles Auftreten entscheidend. Ein Buch aus den Siebzigern von Raphael Patai wurde wieder aktuell, „The Arab Mind“, das erklärte, wie wichtig es sei, Stärke und Stolz zu demonstrieren und unter allen Umständen das Gesicht zu wahren.

Sand und Sprengstoff: Der Orient als unsicheres Terrain Wenn das klassische Hollywood des Studiosystems vom Orient erzählte, dann in fantastischen Genrefilmen: Alles war technicolorbunt und in Schwung, leichtfüßig und -fertig, das Bagdad von Tausendundeinenacht, bestückt mit Douglas Fairbanks oder Maureen O’Hara. Der Orient in den Filmen der letzten fünfzehn Jahre – die Kriegsschauplätze Afghanistan, Irak, Jemen, Jordanien oder Libyen – ist erdfarben, gelb und braun, monochrom und monoton, ein blasses Licht, als gäbe es gleich den nächsten Sandsturm. Völlig unsicheres Terrain, auch in den neusten Filmen, „Rock the Kas-

bah“ von Barry Levinson und „13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi“ von Michael Bay, der den heroischen Widerstand einer kleinen Gruppe erfahrener Kämpfer zeigt bei den Angriffen der Islamisten auf die USBotschaft in der libyschen Stadt Bengasi am 11. September 2012. Ein Kampf an zwei Fronten, gegen einen übermächtigen Feind – und gegen die kraftlose Bürokratie in Washington, das Versagen des Außenministeriums unter Hillary Clinton. Stephen Gaghan ist mit dem schwarzen Loch in Berührung gekommen, als er an seinem Film „Syriana“ (2005) arbeitete, der – basierend auf dem Insider-Buch „See No Evil“ des Ex-CIA-Manns Robert Baer – das vibrierende Wechselspiel von West und Nahost skizziert, dieses komplexe Gemenge von Interessen, Traditionen und Obsessionen, von überlieferten und überkommenen Prinzipien und neuen Loyalitäten, von Treue und Verrat, geheimen Operationen und brutalen Konflikten. Gaghan liebt die klassischen Politthriller der 1970er, „Die Unbestechlichen“, „Die drei Tage des Condor“ oder „Zeuge einer Verschwörung“, aber er hat deren erprobte Erzählstrukturen für „Syriana“ so gespannt, dass sie am Ende zersprangen. „Syriana“ markiert einen Wendepunkt im filmischen Erzählen Holly-


„WAR ON TERROR“ KINO

woods, so radikal wie es einst „Apocalypse Now“ fürs Erzählen vom Vietnamkrieg tat – Gut und Böse sind nicht mehr eindeutig zu lokalisieren, die Positionen der handelnden Figuren changieren, statt Dramaturgie gibt es Immersion, Versenkung ins Chaos. Die Gesetze der Identifikation sind ausgehebelt, nach denen in Hollywood so lange erzählt wurde, mit dem weißen Westler als Eroberer und Sieger. George Clooney wollte, als er das Drehbuch von „Syriana“ las, unbedingt den düsteren Helden spielen, den in Ungnade gefallenen CIA-Killer, der jeden schmutzigen Job annimmt und jede Folter durchsteht. Clooney begann damals damit, sich vom GlamourIdol zum Aushängeschild des liberalen Hollywood zu entwickeln – durch seine politischen Äußerungen, seine Unterstützung der Demokraten, sein Engagement in afrikanischen Krisenregionen wie Darfur, und eben durch die Lust, im Kino politische US-Geschichten zu erzählen. Clooney ist in „Syriana“ ein müder, eher unansehnlicher CIA-Kämpfer, der alles mitmacht, ein Dienstleister, der irgendwann anfängt, selbst zu denken. Clooney ließ sich einen Bart wachsen und legte einige Pfunde zu. Er machte sich gewissermaßen unkenntlich, unsichtbar. Der Star passte sich vollkom-

men der Umgebung an, wie Woody Allens Zelig. Das Starsystem nimmt sich selbst auseinander.

Realismus des Grotesken Clooney ist die Galionsfigur des neuen „Naher/Mittlerer-Osten“-Genres. Er spielt auch in Grant Heslovs absurder Satire „Männer, die auf Ziegen starren“ (2009) den er mitproduzierte, und war bereits im frühen Irakkriegsfilm „Three Kings“ (1999) von David O. Russell einer der Hauptdarsteller. „Three Kings“ ist der einzige Film des Genres, der vor dem 11. September 2001 in die Kinos kam, und hat eine hohe Stufe der Reflexivität, an der die folgenden Filme sich mehr oder weniger orientieren werden. „Are we shooting“, fragt eine Stimme gleich zu Beginn aus dem Off, „schießen wir“, aber auch: „drehen wir“? Clooney, Mark Wahlberg, Ice Cube und Spike Jonze nutzen das Chaos des zweiten Golfkriegs, um sich eine Ladung Gold, Saddams Gold, unter den Nagel zu reißen, geraten dann aber in die Wirren des Nachkriegs, die auch – noch einmal – moralische Wirren sind. Der Film wirkt satirisch, aber er ist, wie alle von David O. Russell, doch ziemlich realistisch, ein Realismus des Grotesken.

Dem Schwarzen Loch Naher Osten war die Bush-Ära nicht gewachsen, sie hat sich, an den alten Formen und Formeln klebend („Mission accomplished!“), selbst desavouiert und lächerlich gemacht. Die Filme, die in dieser Zeit vom Krieg gegen den Terror erzählen, sind voller Niederlagen und voller Verlierer – Verlierer, die aus ihren Niederlagen ein Geschäft machen. Und sie sind voller Selbsttäuschungen und Phantasmen, im militärischen wie politischen als auch geheimdienstlichen Feld. Von der Solidarität des Verlierens erzählt Ridley Scotts „Black Hawk Down“ (2001), nicht im Nahen Osten, sondern in Mogadischu angesiedelt, aber typisch fürs Genre. Es geht um eine knallhart und präzise durchchoreographierte Militäraktion, die Ermordung eines notorischen Warlords durch eine amerikanische Spezialeinheit – die scheitert: Ein Black-Hawk-Hubschrauber geht zu Bruch, sechzehn Soldaten werden beim Einsatz getötet, nicht alle toten Amerikaner können geborgen und zurückgebracht werden. Der Film kam wenige Wochen nach 9/11 in die Kinos und war dennoch ein großer Erfolg, auch bei den Militärs, die ihn bereitwillig unterstützt hatten. Ein ähnliches (und ähnlich erfolgloses) Unternehmen gegen einen Taliban-

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KINO „WAR ON TERROR

„Green Zone“

Führer in Afghanistan schildert Peter Berg in „Lone Survivor“ (2013) – nur Mark Wahlberg wird, als einsamer Überlebender, von den Leuten eines afghanischen Dorfes gerettet. Erfolgreich ist nur die Operation in Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ (2012), die entscheidende, gegen Osama Bin Laden. Die Operationen, denen diese Filme folgen, sind reinstes Hollywood-Actionkino, Präzisionsarbeit in Echtzeitkino, eine Dokumentation, die die Einheit von Raum und Zeit erhält. Ein Spannungsszenario, das vom realen Leben sozusagen parodiert wurde, als eine exklusive Zuschauerschar im Situation Room des Weißen Hauses – Obama, Hillary Clinton und ihr Stab – die CIA-Aktion gegen Osama Bin Laden gebannt beobachtete, vom Hausphotographen Pete Souza aufgenommen am 1. Mai 2011 um 16.06 Uhr. In „Zero Dark Thirty“ fand es seinen Weg zurück ins Kino. Kathryn Bigelows Aufarbeitung der Eliminierung Bin Ladens war ein ungelieb-

„Redac ted“

ter Film; die enge Kooperation, die er von Militär und CIA erfahren hat, wurde ebenso kritisiert wie die moralische Bedenkenlosigkeit, mit der die Foltermethoden der CIA in geheimen Lagern als erfolgreich dargestellt wurden. Tatsächlich wurde die Spur zu Osama Bin Ladens Rückzugsort Abbottabad durch ganz konventionelle Beschattungsaktionen gefunden. Allerdings ist „Thirty Dark Zero“ dann doch komplexer: eine pathologische Studie, wie es auch schon Kathryn Bigelows erfolgreicher Film „Tödliches Kommando“ („The Hurt Locker“) über ein Bombenentschärfungsteam in Afghanistan gewesen war. CIA-Filme haben immer schon vom „Dazugehören“ gehandelt, vom Mitspielen und vom Verlangen, Teil einer geheimen, verschworenen Gemeinschaft zu werden, die nach eigenen Regeln operiert. Jessica Chastain wird in „Zero Dark Thirty“ regelrecht besessen von der Suche nach Osama Bin Laden; sie steht an der Wand und beobachtet, wie ein Kollege einen Gefan-

genen foltert, als wäre das ein perverser erotischer Akt.

Politik als Spiel, das den Playern über den Kopf wächst Vom Mitspielen ausgeschlossen wird Naomi Watts als CIA-Agentin in „Fair Game“ (2010) von Doug Liman. Ihr Mann, ein Diplomat (Sean Penn) hat in einem Artikel bezweifelt, dass Saddam sich Uran aus Afrika für seine Massenvernichtungswaffen beschafft hat – so wie die Regierung es propagierte, um den Einmarsch in den Irak zu rechtfertigen. Watts wird als Vergeltung von ihrem Arbeitsgeber enttarnt; und auch ihre Informanten geraten in Gefahr. Das Spiel mit falschen Identitäten perfektioniert Ridley Scott in „Der Mann, der niemals lebte“ (2008), in dem Täuschung und Verrat fast als Selbstzweck erscheinen. Auch Leonardo DiCaprio, der als CIA-Agent im Irak tätig ist, will in diesem Film dazugehören,

DAS POLITISCHE FRISST DAS PRIVATE: „HOMELAND“ Eher ungewöhnlich fürs Spionage-Genre, in dem kompetente Agenten auf Weltrettungsmission gehen, ist es, wenn Kindern eine wichtige Rolle zugedacht wird. So geschieht es aber in „Homeland“ (Staffel 5 ab 3. April auf SAT.1) wiederholt, auch zu Beginn von Episode 5.01, die Hauptfigur Carrie Mathison, eine frühere CIA-Agentin, mit ihrer Tochter an ihrem neuen Einsatzort Berlin vorstellt. Blickt man in der Serienhistorie bis auf Staffel 1 zurück, so lässt sich am Motiv kindlicher Unschuld/ Unwissenheit erkennen, dass „Homeland“ politische Themen nicht nur strategisch verhandelt, sondern

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den traumatisierenden Einfluss der Epoche, die man „post 9/11“ oder „war on terror“ nennen mag, bis in die Keimzelle der modernen Gesellschaften, die (dysfunktionale) Familie, hinein verfolgt. Psychologisch motivierend treten die Kleinen schon in der Vorgeschichte der Saga auf den Plan: Alles wäre ganz anders gekommen, wäre Nicholas Brody im Irak nicht Zeuge des Todes eines Jungen durch einen fatalen US-Drohnenangriff geworden; sein für die Familie zunehmend erratisches Verhalten nach seiner Rückkehr in die USA wird besonders von seiner Tochter verstört wahrgenommen. In Staffel 3


Fotos: S. 10/11: Paramount. S. 12/13: Concorde, StudioCanal, Splendid. S. 14/15: Universal, StudioCanal, Warner, SAT.1

„Americ an Snip er“ entwickelt das pathologische Profil eines Spielers. Es ist die Form, die im Grunde alle Geheimdienstfilme prägt, nicht ihr mehr oder weniger politischer Inhalt. In Ben Afflecks „Argo“ (2012) wird dieses Spiel auf die Spitze getrieben, mit einem fingierten Filmprojekt werden Geiseln aus der kanadischen Botschaft in Teheran gerettet. Dass das Kino Politik macht, dass die Überlegenheit Amerikas durch die Chuzpe der Hollywood-Player bestätigt wird: das ist die boshafteste Variante des „geopolitischen Machismo“, wie der Historiker Pankaj Mishra Amerikas weltpolitische Attitüde nennt. Allerdings kann das Kino selbst diesen Machismo auch durchaus kritisch auseinandernehmen. Brian De Palma, immer noch sehr experimentierfreudig, präsentiert in „Redacted“ (2007) eine FoundFootage-Groteske, das Digital-Tagebuch eines Soldaten im Irakkrieg. Es geht um das Mahmudija-Massaker im März 2006, fünf US-Soldaten vergewaltigen und ermorden ein Mädchen, töten ihre Familie. Schaulust

und Gewalt provozieren sich wechselseitig, das ist inzwischen dank Internet und sozialer Medien ganz natürlich geworden. Und die Position des Erzählers hat ihre omnipotente Sicherheit verloren – mitten in einem Auftritt wird der Soldat vor laufenden Kamera von Islamisten geschnappt und umgehend vor ihrer eigenen Kamera enthauptet. Schmutzige Kriege, schmutziges Kino. Die Fronten sind aufgelöst, die Kämpfe abgezogen von den Schlachtfeldern, hineingetragen in die Städte und ins Leben der Menschen. Selbstmordattentäter, Schüsse von den Hausdächern, selbst Kinder sind nun verdächtig. Der „American Sniper“ (2014), der über dem Geschehen waltet im gleichnamigen Film von Clint Eastwood, verkörpert die neue Schizophrenie: Er beobachtet, folgert, entscheidet. Er ist allmächtig, aber die Allmacht wird ihm zur Qual. Der letzte Kampf vollzieht sich in einem Sandsturm, der die Sicht verhindert, ein Kampf im Irrealis, wie eine Erlösung. In den verschwörerischen Schattenkrie-

gen der CIA hat aber bis heute etwas von der Fantasy-Atmosphäre der klassischen Orientabenteuer Hollywoods überlebt. Im Film „Der Krieg des Charlie Wilson“ sind sie noch einmal ganz offen reaktiviert worden, mit umgekehrten Vorzeichen. Tom Hanks ist Charlie Wilson, Abgeordneter der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus, der sich mit allen parlamentarischen und außerparlamentarischen Tricks für Waffenlieferungen an die Mudschahedin in Afghanistan einsetzt – weil sie die Sowjetinvasion bekämpfen. Charlie Wilson, der Texaner par excellence, ist selbst ein Pascha, der Alkohol, Drogen und jungen Frauen zuspricht und im Whirlpool eine flotte Figur macht. Ein Rest von dieser orientalischen Üppigkeit steckt bis heute auch in den neuen blassen, staubigen Nahost-Filmen Hollywoods: Bill Murray hat in „Rock the Kasbah“ als amerikanisches Stehaufmännchen etwas vom alten Fairbanks, und die Kämpfer in den 13 Hours zeugen immer auch von Michael Bays naiver Transformers-Euphorie. •

ist es die unabsichtliche Tötung des klassischen ‚innocent bystander’, die Carries Kollegen Peter Quinn (wohltuend sparsam im Ausdruck, groß im stummen Leid: Rupert Friend) dazu verdammt, von seinen inneren Dämonen durch die Handlung getrieben zu werden – eine Selbstbestrafung ohne Hoffnung auf Erlösung ... Starke Szenen der Staffel 4 schildern die schwierige Adoleszenz des jungen pakistanischen Medizinstudenten Aayan, der - durch dauernden Krieg und stählerne familiäre Bande und Loyalitäten um eine freie Kindheit betrogen - sein Leben verliert, nicht ohne zuvor noch in der ‚Beziehung’ zu Carrie

eine veritable interkulturelle Konfusion zu erleben. Wieder verzehrt dabei das Politische das (utopische) Private. Anspruchsvolle Serien verfügen neben dem üblichen „Was bisher geschah …“ auch über ein markantes Intro, das als ästhetisch-thematische Visitenkarte fungiert. Jenes von „Homeland“, lange unverändert, reflektiert ein Update der geopolitischen Lage sowie der Herausforderungen für Carrie & Co. Dabei offenbart die Serie geradezu hellseherisches Gespür für die Themen des Tages, bedenkt man den planerischen Vorlauf für Konzeption und Drehbuch:

Ein Kommentar zu Angela Merkels Flüchtlingspolitik ersetzt den O-Ton Obamas, die in den Staffelverlauf verlinkten Konflikte reichen vom IS bis zu Charlie Hebdo, herbeizitierte Polit-Größen von Assad und Putin bis zu Edward Snowden. Insgesamt verlagert sich der Fokus vom „Homeland“ USA auf Europa und Nahost. Erschöpfend kann auch „Homeland“ die Probleme der modernen Weltordnung nicht verhandeln, dennoch überzeugt die Hinwendung der Serie zu informationspolitischen Fragestellungen von Sicherheit und Freiheit sowie zu den menschlichen Auswirkungen ferner Krisenherde. Karsten Essen •

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In „Hail, Caesar!“ haben die Coen-Brüder gerade ironisch die Bibelfilm-Welle der 1950erJahre herbeizitiert. Derweil feiert das Genre im zeitgenössischen Hollywood ein kleines Revival: Filme um Bibelthemen, Wunder und Glauben wie derzeit Kevin Reynolds’ „Auferstanden“ setzen darauf, dass diejenigen, die eifrig die Kirchen füllen, auch für volle Kinokassen sorgen werden. Von Franz Everschor

made in Hollywood: die auferstehung Christi, at zu „Aufers tanden“. Plak dem Joseph Fiennes auf eine Audienz Star der te uch Zum Kinostar t bes Bild rechts). bei Papst Franziskus (siehe

Fotos: Sony

FilmkUnSt E-Mail aus Hollywood

Au f e r s

die fastenzeit ist da und somit für die 200 Mio. Amerikaner, die sich als bekennende Christen bezeichnen, die erwartung des Auferstehungsfestes. Seit ein paar Jahren ist das auch die Zeit, zu der US-amerikanische Kinos Filme wie „Den Himmel gibt’s echt“ und „Son of God“ spielen. Der Kollisionskurs, auf dem sich Religion und Hollywood häufig befinden, weicht dann der kommerziellen Einsicht, dass sich mit billig produzierten Bibel- und Bekenntnisfilmen wieder Geld verdienen lässt. Zum Beispiel, indem man aus dem NahtodErlebnis eines zwölfjährigen Mädchens ein tränenreiches Wunder macht, wie in dem „christlichen Film“ (Werbung) „Miracles from Heaven“, der in Deutschland – etwas verspätet – im Juni unter dem Titel „Himmelskind“ anlaufen wird. Oder in „The Young Messiah“ nach dem Roman „Christ the Lord: Out of Egypt“ der vornehmlich durch ihre VampirBücher bekannten Anne Rice (in deutschen Kinos ab dem 12. Mai als „Der junge Messias“). Aktuell gehört auch „Risen“ („Auferstanden“) dazu, ein Film, der zehn

Franz Everschor berichtet für FILMDIENST seit 1990 aus Hollywood.

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Jahre in der Entwicklung war und letztlich bei dem Sony-Ableger Affirm Films gelandet ist, einer Produktionsfirma, die sich auf „Filme für Kirchgänger“ spezialisiert hat.

Zuschauer empfinden den Film nicht wie eine Predigt Ungewöhnlich an „Auferstanden“ ist, dass er die Perspektive verschiebt, aus der die Geschichte der Kreuzigung und Auferstehung Jesu erzählt wird. Die Hersteller versprechen sich viel davon, das biblische Geschehen nicht aus dem Blickwinkel eines Gläubigen, sondern aus dem eines Ungläubigen zu präsentieren. Clavius, ein römischer Centurio, wird von Pontius Pilatus mit „einer Menschenjagd beauftragt, die den Lauf der Geschichte verändert hat“, wie es auf dem amerikanischen Filmplakat heißt. Gemeint ist damit, dass Clavius den Leichnam des auferstandenen Jesus finden soll. Zum Kummer des Pilatus wird aus dem kampfgestählten Centurio aber ein Gläubiger, nachdem er auf Jesus und die Apostel gestoßen ist und ein paar Wundertaten beigewohnt hat. In Frage steht, ob sich die Anstrengung gelohnt hat, eine Mischung aus Bibeltreue und freier Fantasie zu kreieren. Die Antwort der Hersteller ist einfach genug: Viermal haben sie den Film vor großem Publikum getestet


E-Mail aus Hollywood FilmkUnSt

Neu auf DVD: „der Jesus Code“

tA n d e n und nach Aussage des Produzenten nichts als Begeisterung geerntet. „Was wir sogar von Nicht-Christen und Menschen, die nicht regelmäßig in die Kirche gehen, zu hören bekamen, ist vor allem, dass sie den Film nicht wie eine Predigt empfinden.“ Der Regisseur Kevin Reynolds wurde bekannt mit Filmen wie „Robin Hood: König der Diebe“ oder „Waterworld“ und er hat sich alle Mühe gegeben, „Auferstanden“ von übertriebener Ehrfurcht und Sentimentalität frei zu halten. Nachdem die Kreuzigungsgeschichte im Gegensatz zu Mel Gibsons Kassenerfolg „The Passion of the Christ“ ohne allzuviel Blutvergießen abgehakt ist, spult sich die Handlung eher wie ein in die Historie versetzter Fernsehkrimi ab: „Game of Thrones“ trifft „CSI – Crime Scene Investigation“.

Sony und Universal an Bord eines „christlichen Films“ Der in letzter Zeit unterbeschäftigte Joseph Fiennes, der einst schon Martin Luther spielen durfte, vermeidet das Heldengebaren ähnlicher Figuren und entledigt sich seiner Aufgabe, eine schwer zu vermittelnde

Wandlung glaubhaft zu machen, mit Respekt heischender Zurückhaltung. Ein guter Film ist aus „Auferstanden“ deshalb aber auch nicht geworden. Wohl aber einer, der wenigstens nicht die anbiedernde Gefühlsklaviatur bedient, die man sonst von den hauptsächlich für evangelikale Gemeinden im amerikanischen Hinterland produzierten Filmen gewohnt ist. Dem anvisierten Publikum hat der Verleih vorab eigens auf sie zugeschnittenes Werbematerial geschickt und verbilligte Eintrittskarten angeboten. Empfehlende Worte aus Pastorenmund tun ebenfalls wieder ihre Wirkung: An den ersten drei Tagen seines Kinoeinsatzes spielte der für 20 Mio. Dollar produzierte Film schon 12 Mio. ein. Das Genre scheint sich in den USA zu etablieren. Waren es zunächst nur kleine unabhängige Herstellerfirmen, die sich auf solche „christlichen Filme“ einließen, so kamen inzwischen sogar Hollywood-Studios wie Sony und Universal an Bord. •

Films to come… „Auferstanden“ (Kinostart: 17.3., Kritik in dieser Ausgabe) „Der junge Messias“ (Kinostart: 12.5.) „Himmelskind“ (Kinostart: 9.6.)

»Der Kollisionskurs, auf dem sich Religion und Hollywood häufig befinden, weicht der kommerziellen Einsicht, dass sich mit billig produzierten Bibel- und Bekenntnisfilmen wieder Geld verdienen lässt.«

„Jesus finding. Faith, Fact, Forgery“ heißt die sechsteilige Cnn-Serie im original, die mit naturwissenschaftlichen methoden Wahrheiten über Jesus und die Bibel enthüllen will. das klingt nach werner Kellers betagtem Besteller „und die Bibel hat doch recht“ aus dem Jahr 1955, den Harald Reinl unter gleichem Titel für die leinwand adaptierte. Von „Forgery“, also Fälschung, war damals noch nicht die Rede, und auch der jüngste anlauf ist eher an der alliteration als an investigativen Erkenntnissen interessiert. der aufmerksamkeitsheischende Titel passt allerdings zur Machart der doku-serie, die mit boulevardesker unbedenklichkeit archäologische Funde, fromme Bekenntnisse, dramatische Re-enactments und kriminalistisches storytelling mischt. den auftakt macht die suche nach spuren des historischen Jesus, die sich auf das Turiner Grabtuch kapriziert und eine stattliche Zahl von Experten durchaus plausible Überlegungen vortragen lässt, warum es sich hierbei um das „echte“ Grabtuch Jesus handele. der aufdringliche soundtrack und die klischeetriefenden Nachstellungen der Evangelien haben mit „Facts“ allerdings rein gar nichts zu tun. Richtiggehend hanebüchen wird es, wenn im zweiten drittel plötzlich die altersdatierung des Grabtuches nachgetragen wird, das aus dem 13. Jahrhundert stammt. Eine „Erkenntnis“, die seit 1988 bekannt ist. statt vor scham zu vergehen, das Publikum absichtlich auf falsche Fährten gelockt zu haben, wird eine nicht weniger haarsträubende Theorie präsentiert, wie die Fälschung entstanden sei: nämlich mit einer art Camera obscura. Manipulativ geht es auch in den anderen Folgen um Johannes den Täufer, Judas, die Geschwister von Jesus, das Kreuz von Golgotha und Maria Magdalena zu. Viel lärm und filmischer Tand für Nichtigkeiten aus der welt bibelfrommer spintisiererei. jol

dER JEsus CodE. usa 2015. FsK: ab 12. dVd-anbieter: Rough Trade. n-tv zeigt die serie vom 12.-27.3. als doppelfolgen meist zur Prime-Zeit.

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kritiken neue Filme

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Rock the Kasbah Bill Murray rockt den „Afghan Star“ Es gäbe keine Kasbahs in Kabul, klärt Richies kleine Tochter ihren Vater vor seiner Abreise auf. Er soll einfach nur heil zurückkommen. Prompt wird seine Ankunft in Kabul von einer explodierenden Bombe begleitet. Der Anschlag ist allerdings nur „Deko“ eines Tummelplatzes voller Söldner, Kriegsgewinnler, Dörfler und Warlords, in das sich neben Richie und Ronnie bald zwei weitere Underdogs mischen: Die verschleierte Salima und als „Gegenstück“ die amerikanische Prostituierte Merci, die in einem Wohnmobil hinter Stacheldraht und Wachmännern ihre Dienste anbietet. In den Straßen von Kabul inszenieren sich die Militärs in ihren gepanzerten Wagen mit KidRock-Klängen. Im Cabrio der Waffenhändler läuft Hip-Hop, und Richie singt beim Abendessen im Paschtunen-Dorf „Smoke on the Water“. Bis zum Auftritt der überambitionierten Prostituierten nimmt der Film die richtigen Abzweigungen, dank denen Richies Mission wie eine Nachfolge von „Der Krieg des Charlie Wilson“ aussieht. Murray ist ein eher abgeklärtes denn naiv „verschlimmbesserndes“ Pendant zu der in

Mike Nichols` Satire von Tom Hanks gespielten Figur. Ein Eindringling, der nicht Waffen für die Mudschaheddin, sondern Gleichberechtigung für alle und einen großen Gewinn für sich einfordert, dabei aber erst einmal Chaos anrichtet – in einem Land, das durch den Westen ohnehin schon vielfach destabilisiert wurde. „Der Krieg des Charlie Wilson“ war Satire. „Rock the Kasbah“ aber ist eine Komödie, die sich am tatsächlichen „Afghan Star“-Auftritt einer Paschtunin orientiert und ihre Erzählung von Amerikanern, die den Afghanen die Gleichberechtigung (bei)bringen wollen, durchaus ernst meint. Auch wenn der Film beide Seiten, Afghanen wie Amerikaner, überzeichnet, findet er für die zu belehrenden „Fremden“ allerdings keine anderen Bilder als die der finster dreinblickenden, stolzen Kämpfer mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Den eigenen missionarischen Gestus auf den Prüfstand zu hieven, gelingt auf diese Weise nicht. Im Vergleich zu älteren Levinson-Filmen wie „Good Morning, Vietnam“ oder „Wag the Dog“ verwundert die mangelnde Selbstreflexion,

erinnert aber zugleich an den anprangernden Verve von The Clash: „Die Kasbah rocken“, diesmal weniger im Schatten der Bohrtürme als vielmehr unter dem blind geschwenkten Banner von Kultur und Gleichberechtigung. Kathrin Häger BeweRtung DeR FiLmKommission

Ein erfolgloser US-Musikproduzent erhofft sich von einer Tournee nach Afghanistan neue Einnahmequellen. Als sich seine Sängerin aber aus dem Staub macht, stürzt er sich in einem Paschtunen-Dorf auf ein Gesangstalent, das in einer afghanischen CastingShow durchstarten will. Mit Hilfe einer Prostituierten will er alle Widerstände aus dem Weg räumen. Die etwas blauäugige Komödie findet dank ihres zerknautschten Hauptdarstellers zu absurden Szenen, entwickelt aber zu wenig Bewusstsein für die Fallstricke der eigenen Position. Während die Afghanen ziemlich klischeehaft gezeichnet werden, lassen die westlichen Heilsbringer jede distanzierende Brechung vermissen. – Ab 14.

ROCK THE KASBAH. USA 2015 Regie: Barry Levinson Darsteller: Bill Murray (Richie), Zooey Deschanel (Ronnie), Bruce Willis (Bombay Brian), Kate Hudson (Merci) Länge: 100 Min. | Kinostart: 24.3.2016 Verleih: Splendid | FD-Kritik: 43 755

Fotos S. 36-51: Jeweilige Filmverleihe

Im Musikvideo zu „Rock the Casbah“ sieht man die PunkBand The Clash 1982 im Schatten einer gigantisch Erdölpumpe spielen. Im Hinblick auf das Tanzverbots im Iran singt Joe Strummer von Muslimen, die trotz ihres erzürnten Königs und dessen Kampfjets die über der Stadt thronende Kasbah „rocken“. Gleichzeitig landen ein jüdischer Cabrio-Fahrer und ein arabischer Anhalter vor einem Burger King, während sich ein Gürteltier durch Beine und Straßenzüge wuselt. In seinen besten Momenten besitzt Barry Levinsons „Rock the Kasbah“ einen ähnlich wahnwitzigen Ton wie der Clip der britischen Punker. Dasselbe lässt sich auch von Bill Murray in Bezug auf das ver(w) irrte Gürteltier sagen. Murray mimt in typisch zerknautschter Stoik einen Amerikaner, der sich in Kabul verirrt. Mit der jungen Sängerin Ronnie will der von ihm gespielte Musikmanager Richie in Afghanistan den großen Reibach machen. Bislang gaunerte der Mann, der angeblich Madonna entdeckt hat, dank der Casting-Träume der Marginalisierten in Kalifornien durchs Leben. Jetzt kann er seine Integrität in der Fremde zwischen SelbstmordAttentaten, Waffenlieferungen und Mohnanbau wiederfinden. Nachdem sich seine Elevin Ronnie mit allem Geld und den Papieren aus dem Staub gemacht hat, stößt er in einem Paschtunen-Dorf auf das junge Gesangstalent Salima. Versteckt in einer Höhle singt und träumt die Tochter des Dorfchefs von ihrer Teilnahme an „Afghan Star“ – einer Art „Afghanistan sucht den Superstar“; allerdings muss der Superstar ein Mann sein, keine Frau aus dem Stamm der Paschtunen. Genau das will Richie ändern, im Zeichen der Gleichberechtigung und natürlich des Profits.


neue Filme kritiken Irgendwann zeichnet Tony mit Tränen in den Augen eine horizontale Linie in die Luft: So möchte sie leben, nicht immer dieses ewige Auf und Ab. Ihr große Liebe Giorgio malt daraufhin imaginäre Zickzacklinien, vergleicht das Leben mit einem Elektrokardiogramm und sagt: „Wenn es eine Linie ist, ist man tot.“ „Mein Ein, mein Alles“ erzählt in Rückblenden die leidenschaftliche, zunehmend aber auch destruktive Liebesgeschichte zwischen der warmherzigen Anwältin Tony und dem charismatischen Restaurantbesitzer Giorgio. Zu Beginn stürzt sich Tony beim Skifahren in die Tiefe. Schwarze Blende, dann Aufenthalt in der Rehaklinik: Das vordere Kreuzband ist gerissen, Tony zu wochenlanger Unbeweglichkeit verbannt. Und damit gewissermaßen zu der Ruhe, nach der sie sich sehnte. In dieser Situation erinnert sich Tony an den Beginn ihrer Liebesgeschichte mit Giorgio, das Kennenlernen in einer Disco, das erste Date, die Leidenschaft, die beide verbindet, Hochzeit und Geburt des gemeinsamen Sohnes, die zunehmenden Streitereien, Unsicherheiten und Demütigungen, den Trennungsschmerz, der immer wieder mit neuer Nähe und dem Wiederaufflammen der Gefühle wechselt. Regisseurin Maïwenn erzählt mit großem Drive, vorwärts drängend und gefühlsgewaltig, was den Charakter der intensiven „Amour fou“ zwischen Tony und Giorgio sehr gut trifft. Dennoch ist „Mein Ein, mein Alles“ im Kern ein Film, wie man ihn keinesfalls zum ersten Mal sieht: eine (selbst-)zerstörerische Love-Story, die aus denselben Gründen, aus denen sie begann, scheitern muss. Es sind ja gerade Giorgios Unernst, seine mangelnde Reife und seine Gier nach Abenteuer und Spaß, die

mein ein, mein Alles Drama einer zerstörerischen Liebe Tony zu ihm hinziehen, die ihn zu ihrem „König“ machen. Doch irgendwann kann sie die damit verbundene Sprunghaftigkeit nicht mehr ertragen. Die Rollenzuschreibungen des Liebesdramas funktionieren nicht ganz nach dem Mann-Frau-Klischee, männlicher Hallodri hier, weibliches Sicherheitsbedürfnis dort – schließlich hat auch Tony etwas Spielerisch-Ausgelassenes, und Giorgio ist derjenige, der sich sehr bald ein gemeinsames Kind wünscht. Dennoch ist der Film nicht frei von Stereotypen. Die Schwächen in der Figurenzeichnung werden jedoch weitgehend durch das herausragende Spiel von Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel aufgefangen. Cassel fügt seinem Rollenrepertoire mit dem charismatisch schillernden, gelegentlich fast dämonischen Verführer zwar keine neue Facette hinzu, spielt aber auf überzeugende, „verführerisch“temperamentvolle Weise. Bercot wiederum, die wie die Regisseurin Maïwenn sowohl Schauspielerin als auch Regis-

seurin ist, gibt Tony mit großer emotionaler Durchlässigkeit als jung gebliebene Frau in den Vierzigern, die ihr Glück kaum fassen kann, als sich der Traummann für sie entscheidet. Und die dann ebenso transparent und ohne Rücksicht auf Eitelkeiten leidet, als Giorgio auf Abstand geht; in ihrer Pein grandios ist jene Sequenz, in der sie ihm bei einer Gartenparty stockbesoffen eine Szene macht. Die Beziehung, die Giorgio und Tony aneinanderbindet, entfaltet der Film zwingend und mit großer emotionaler Wucht. Neben den Darstellern tragen dazu die klugen und präzise geschriebenen Dialoge viel bei, aber auch die feinfühlige, vor allem den weiblichen Blickwinkel einnehmende Regie, die es versteht, die Kraft der Emotionen ebenso mitreißend wie stimmig zu vermitteln. Doch aus den Szenen im RehaZentrum, mit denen die langen Rückblenden immer wieder unterbrochen werden, holt der Film überraschend wenig heraus. Welches Gegengewicht die länglichen Sequenzen, in denen

Tony mit einer Gruppe junger Rekonvaleszenten abhängt, zur Liebesgeschichte bilden soll, bleibt nebulös. Auch hätte der Film die Anmerkung, die das verletzte Knie allzu plump mit dem Schmerz der Vergangenheit in Verbindung bringen möchte – schließlich lässt sich ein Kniegelenk nur nach hinten beugen –, gar nicht nötig. Generell hätten dem Drama, das sich im letzten Drittel nach dem x-ten Gefühls-Auf-und-Ab im Kreis zu drehen beginnt und darüber an Intensität einbüßt, ein paar beherzte Kürzungen gut getan. Nichtsdestotrotz ist „Mein Ein, mein Alles“ ein großer, emotional packender Schauspielerfilm. Katharina Zeckau BeweRtung DeR FiLmKommission

In Rückblenden erzählte „amour fou“ zwischen einer warmherzigen Anwältin und einem charismatischen Restaurantbesitzer. Mit brillant-sprühenden Dialogen und einer vorwärtsdrängenden, zugleich aber auch feinfühligen Inszenierung vermögen die herausragenden Hauptdarsteller dem bekannten Sujet einer zunehmend (selbst-)zerstörerischen Liebesgeschichte Momente von großer emotionaler Wucht zu entlocken. Dadurch werden auch dramaturgische Schwächen und die Stereotypen in der Figurenzeichnung weitgehend aufgefangen. Im letzten Drittel büßt das großartige Schauspieler-Drama durch längliche Szenen allerdings an Intensität ein. – Ab 14.

MON ROI. Scope. Frankreich 2015 Regie: Maïwenn Darsteller: Vincent Cassel (Georgio), Emmanuelle Bercot (Tony), Louis Garrel (Solal), Isild Le Besco (Babath), Chrystèle Saint-Louis Augustin (Agnès) Länge: 126 Min. | Kinostart: 24.3.2016 Verleih: StudioCanal | FsK: ab 12; f FD-Kritik: 43 756

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KrITIKEN FeRnSeH-TiPPS

SA

SAMSTAG 19. MärZ

20.15-22.10 Servus TV Broken Flowers R: Jim Jarmusch Antriebsschwacher Mann sucht Mutter seines Sohns USA/Frankreich 2005 Ab 16

19. März, ab 20.15

zdf_neo

Spinnen-Filme

20.15-22.20 SAT.1 Spieglein Spieglein Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen R: Tarsem Singh Bildgewaltige Neuinterpretation mit starker Heldin USA 2011 Ab 6 20.15-22.05 zdf_neo Spider-Man R: Sam Raimi Ambitionierte Comic-Adaption um Peter Parker USA 2002 Ab 12 21.45-23.35 einsfestival In einer besseren Welt R: Susanne Bier Spannendes Melo als Gewalt-Diskurs Dän./Schw. 2010 Sehenswert ab 16 23.55-01.15 rbb Fernsehen Giulias Verschwinden R: Christoph Schaub Frau lässt Geburtstagsgäste warten Schweiz 2009 Ab 14 01.15-03.15 rbb Fernsehen Staub der Zeit R: Theo Angelopoulos Mäandernde Hommage aufs Kino Griechenland 2008 Ab 16

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Die Angst vor den Achtbeinern ist völlig irrational, aber trotzdem weit verbreitet. Ist die Arachnophobie, so der Fachausdruck, angeborenes oder erlerntes Verhalten? Die Wissenschaft ist da uneins. So oder so: das Kino trägt das seine dazu bei, die Spinnenangst immer mal wieder durch entsprechende Horrorfilme zu schüren. Zwei davon präsentiert zdf_neo im Rahmen eines kleinen SpinnenSchwerpunkts. Während im Klassiker „Tarantula“ (1955) von Jack Arnold ein durch die Experimente eines „mad scientist“ auf Hochhausgröße gewachsenes Krabbeltier Amok läuft, zeigt Frank Marshalls Genrevariante von 1990, dass auch kleine Spinnen ziemlich oho sein können, wenn es darum geht, Angst und Schrecken zu verbreiten. Dabei sind die Tiere doch eigentlich so nützlich! Dem zollt wenigstens „Spider-Man“ Respekt, in dem der Gen-Input einer Spinne aus dem nerdigen Jugendlichen Peter Parker einen höchst agilen Superhelden macht. 20.15-22.05 Spider-Man 22.05-23.45 Arachnophobia 03.15-04.35 Tarantula

19. März, 01.15-03.15

rbb Fernsehen

Staub der Zeit Durch den tragischen Tod von Theo Angelopoulos (1935-2012) ist seine ambitionierte Trilogie über das 20. Jahrhundert ein ziemlicher Torso geblieben. In dem nach „Eleni - Die Erde weint“ (2004) zweiten Teil kämpft ein amerikanischer Filmemacher griechischer Abstammung (Willem Dafoe) mit Zweifeln und vielen Anfechtungen, während er die Geschichte seiner Eltern in den römischen Cinecittà-Studios auf die Leinwand zu bannen versucht. Die Dreharbeiten bilden die Gegenwartsebene, von der aus der Erzählstrom durch die Zeiten mäandert, von 1953 bis zum letzten Tag des Milleniums, mit einer Vielzahl an Figuren, orten und Themen. Unschwer ist dabei zu erkennen, dass sich der melancholische Grundzug im Schaffen des griechischen Regisseurs in eine bedrohliche Düsternis gesteigert hat. Den beiden alt gewordenen Protagonisten Jacob und Spyros ist von ihren Hoffnungen und Träumen nichts als Enttäuschungen und Schmerzen geblieben. „Wir träumten von einer anderen Welt – wo ist das alles hin? Was haben wir von dem Jahrhundert mitgekriegt?“, fragt Jacob. Worauf Spyros sanft lächelnd erwidert: „Wir haben zumindest ein paar Zigaretten geraucht...“

SoNNTAG 20. MärZ

14.30-16.35 ZDF Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia R: Andrew Adamson Fantasy-Abenteuer nach C.S. Lewis USA 2005 Ab 10

20.15-22.20 arte Marnie R: Alfred Hitchcock Verleger heiratet Kleptomanin USA 1964 Ab 16 20.15-21.35 zdf.kultur Puppe, Icke & der Dicke R: Felix Stienz Skurriles Road Movie um Außenseiter Deutschland 2011 Ab 12 21.45-23.30 3sat Extrablatt R: Billy Wilder Reporter-Komödie mit Jack Lemmon & Walter Matthau USA 1974 Ab 16 23.10-00.55 Servus TV Die Höhle der vergessenen Träume R: Werner Herzog Herzog auf Höhlentour Fr./Kanada 2010 Sehenswert ab 14 23.15-01.00 BR FERNSEHEN Die Nonne R: Guillaume Nicloux Präzise Abrechnung mit autoritären Strukturen Frankreich 2013 Sehenswert ab 16 00.10-01.43 Das Erste Gold R: Thomas Arslan Western als existenzielle Grenzerfahrung Dt./Kanada 2013 Sehenswert ab 16 01.30-03.00 hr fernsehen Bottled Life R: Urs Schnell Über aggressive Strategien des Wasserhandels Schweiz/Dt. 2011 Ab 14

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

SA


FeRnSeH-TiPPS KrITIKEN

MO

MoNTAG 21. MärZ

20.15-21.50 Unternehmen Petticoat R: Blake Edwards Turbulente U-Boot-Komödie USA 1959

Ab 20. März, 20.15

ZDF

Ku’damm 56 Berlin, 1956. Elf Jahre sind seit dem Krieg vergangen. An die braune Diktatur und ihre Gräuel will niemand mehr erinnert werden. Die Welt hat sich verändert, ist bunt, laut und heraufordernd geworden, auch wenn ein Sprung durch die Stadt geht, mitten durch Europa. In der Tanzschule „Galant“ der Familie Schöllack will man von Politik aber weniger wissen. Hier schmeißt die Chefin (Claudia Michelsen) den Laden, die auch über ihre drei Töchter wacht und sie möglichst gut unter die Haube bringen will. Das dreiteilige Familiendrama von Sven Bohse taucht in die Atmosphäre jener Jahre ein, als das Wirtschaftswunder in Fahrt kam, Petticoat und amerikanische Straßenflitzer für Aufsehen sorgten und der Rock’n’Roll wie eine Naturgewalt die Verhältnisse ins Tanzen brachte. Im Mittelpunkt stehen drei sehr unterschiedliche junge Frauen, die sich auf ihre Weise am biederen Frauenbild reiben und um ihre eigenen Wege und Identitäten kämpfen. Das ZDF zeigt die drei Teile am 20., 21. und 23. März jeweils um 20.15 Uhr. Im Anschluss an den ersten Teil geht „Ku’damm 56 – Die Dokumentation“ (20.3., 21.45-22.30) von Heike NelsenMinkenberg den Vorbildern und Einflüssen jener Jahre nach.

20. März, 20.15-21.45

Das Erste

Tatort: Der Zorn Gottes Im „Tatort“ steht schon wieder Wachwechsel an. Nachdem sich Anfang März mit den Kommissarinnen Karin Gorniak und Henni Sieland bereits erfolgreich ein neues Ermittlerteam in Dresden vorstellen konnte („Tatort – Auf einen Schlag“), bekommt nun in Norddeutschland Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) eine weibliche Verstärkung. Den Hamburger Polizisten verschlägt es zunächst nach HannoverLangenhagen, wo eine Leiche einfach vom Himmel fällt. Der Tote ist Jordanier, Geschäftsmann und höchstwahrscheinlich nur zur falschen Zeit am falschen ort gewesen. So wie offensichtlich auch Falke, der am dortigen Provinzflughafen undercover das Sicherheitspersonal checkt und prompt als „Terrorist“ festgesetzt wird – ausgerechnet von seiner neuen Kollegin in spe, Polizeioberkommissarin Julia Grosz (Franziska Weisz). Zusammen müssen sie (unter der Regie von Özgür Yildirim) den aktuellen Todesfall aufklären, der eng mit dem Schicksal eines SyrienHeimkehrers und potentiell wirklichen Terroristen verstrickt ist. Trotz der widrigen Umstände ihres Kennenlernens dürfte das neue Team aus schnoddrigem „Straßenbullen“ und tougher Systematikerin das „Tatort“-Einerlei bereichern.

22.25-23.50 Francesco und der Papst R: Ciro Cappellari Doku über einen römischen Sängerknaben Deutschland 2010

arte

Ab 12 3sat ErSTAUSSTrAHLUNG: 21. März, 23.15-01.00 NDr fernsehen Ab 8

22.50-00.45 arte Easy Money I – Spür die Angst R: Daniél Espinosa Komplexe Film-noir-Variante Schweden 2010 Ab 16 23.15-01.00 NDR fernsehen A Girl Walks Home Alone at Night R: Ana Lily Amirpour Hintersinniger Vampirfilm in Schwarz-weiß USA 2014 Ab 16 23.20-01.35 WDR Fernsehen Die Prinzessin von Montpensier R: Bertrand Tavernier Packender Historienfilm Frankreich 2010 Sehenswert ab 14 00.10-01.30 ZDF Wholetrain R: Florian Gaag Drama um junge Graffiti-Sprayer Deutschland 2006 Ab 16

A Girl Walks Home Alone at Night Vampire sind längst nicht mehr nur Genre-Monster, sondern haben das Arthousekino erobert, das die vampirische Existenz gerne in allerlei metaphorische Zusammenhänge bringt. Eine höchst sehenswerte Variante liefert basierend auf ihrer eigenen Graphic Novel Ana Lily Amirpour in „A Girl Walks Home Alone at Night“: In einer Metropole namens Bad City sitzt einem jungen Mann ein Drogenboss im Nacken, dem eines Nachts eine geheimnisvolle junge Frau im Tschador und mit Reißzähnen das Blut aussaugt, woraufhin sich zwischen dem Mann und seiner „Befreierin“ eine Freundschaft entspinnt. Schwarz-weiß gestalteter, zitatenreicher Vampirfilm, der souverän mit Stilelementen verschiedener Genres und Epochen arbeitet und dabei seine melancholische, hintersinnige Geschichte ebenso spannend wie formal beeindruckend umsetzt.

21. März, 23.20-01.35

WDr Fernsehen

Die Prinzessin von Montpensier Frankreich in den religionswirren des späten 16. Jahrhunderts. Katholiken und Hugenotten bekriegen sich. Mittendrin eine junge Adelige (Mélanie Thierry) und ihre kriegsmüder Hauslehrer (Lambert Wilson), der sie lesen und schreiben lehrt. Der komplizierte Plot um Liebe, politische Intrigen, Machtpolitik und Poesie geht auf die gleichnamige Kurzgeschichte der Madame de La Fayette zurück, die in der souveränen Inszenierung von Bertrand Tavernier als ungeschönter Historienfilm funkelt. Der Widerstreit zwischen den Sehnsüchten der jungen Frau und dem Arrangement, das sie mit der Welt treffen muss, mutet zwar etwas überkommen an, findet in der glänzenden Umsetzung aber zu zeitlos-historischer Schönheit. Ein packendes Porträt aus einer Zeit, in der Frauen kaum Handlungsspielräume zugestanden wurden.

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