Die Presse 18-10-2023 Seite: Green9 Land: Österreich Region: Überregional
Auflage: 74.383 Reichweite: 302000 Artikelfläche: 109336 mm² Skalierung: 57%
Neue Spielregeln für Unternehmen Im Gespräch. Das Hinweisgeberlnnenschutzgesetz erfordert rasches Handeln: Nach den großen Unternehmen sind jetzt KMU gefragt, sagt Stefan Adametz, Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte. Was waren Compliance-rechtlich für Österreichs Unternehmen die bedeutendsten Neuerungen in diesem Jahr?
Umsetzungsfrist danach beträgt maximal zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie.
Zentrale Neuerungen und Handlungsfelder für österreichische Unternehmen waren sicherlich einerseits das Hinweisgeberlnnenschutzgesetz ("HSchG") und andererseits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ("LkSG"), welches seit dem 1. Jänner 2023 gilt und mittelbare Auswirkungen auf österreichische Unternehmen entfaltet. Hinzu kommt, dass auf europäischer Ebene an der Richtlinie "über Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit" gearbeitet wird.
Welche Unternehmen wird das treffen? Der genaue sogenannte persönliche Geltungsbereich der Richtlinie, also die Vorgaben, für welche Unternehmen die Bestimmungen anzuwenden sein werden, ist noch nicht abschließend geklärt. Hier bestehen eklatante Unterschiede zwischen den Vorschlägen von Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission. Gemeinsam ist diesen Vorschlägen, dass die Verpflichtungen grundsätzlich nur größere Unternehmen ab 250 beziehungsweise 500 Mitarbeitern und entsprechenden hohen Nettoumsätzen treffen sollen. Neben Unternehmen mit Sitz in Europa sollen auch Unternehmen, welche in Europa Umsätze machen, in den Geltungsbereich fallen. Unabhängig davon werden natürlich auch kleine Unternehmen, welche in der Lieferkette eines größeren Unternehmens angesiedelt sind, mittelbar von den Maßnahmen und Sorgfaltspflichten betroffen sein. Da die Auswirkungen und Strafen sowie die zivilrechtlichen Haftungen zum Teil sehr massiv sein können, empfehle ich Unternehmen, sich bereits jetzt mit der Lieferkettenrichtlinie und allfälligen Risiken auseinanderzusetzen und rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.
Sie haben das Hinweisgeberlnnenschutzgesetz als zentrale Neuerung bezeichnet. Was kommt auf die Unternehmen zu? Ziel des HSchG ist es, Personen, die
Informationen über Missstände in ihrem beruflichen Umfeld aufdecken, vor Vergeltungsmaßnahmen und anderen negativen Konsequenzen zu schützen. Dies soll durch die Einrichtung interner Meldekanäle erreicht werden, um Hinweisgebern die Möglichkeit zu bieten, Verdachtsmomente über Verstöße vertraulich zu melden. Zusätzlich sollen Maßnahmen umgesetztwerden, um Hinweisgeber beziehungsweise deren Identität besonders zu schützen. Seit Ende August müssen größere Unternehmen in Österreichdie Vorgaben des HSchG umgesetzt haben. Kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten haben dafür hingegen noch bis 17. Dezember 2023 Zeit. Dennoch ist auch bei diesen rasches Handeln gefragt.
Und was sollten die Unternehmen Ihrer Empfehlung nach tun? Zunächst müssen Unternehmer natürlich abklären, ob sie in den Anwendungsbereich des HSchG fallen. Danach ist zu eruieren,welches Meldesystem für das jeweilige Unternehmen infrage kommt. Die Einrichtung eines physischen Postkastens ist genauso zulässig wie eine elektronische Softwarelösung. Zusätzlich ist zu entscheiden, ob auch anonyme Meldungen zugelassen werden sollen; dies ist jedoch gesetzlich nicht verpflichtend. Ist der Meldekanal eingerichtet, müssen Unternehmen entscheiden, welchen Anwendungsbereich sie festlegen wollen. Neben den gesetzlich festgelegten Bereichen, wie zum Beispiel öffentliches Auftragswesen, Verbraucherschutz, Produktsicherheit, Verhinderung von Geldwäsche und Korruption, haben die Unternehmen auch die Möglichkeit, das Meldesystem auf andere Themenbereiche
auszudehnen. Gleichzeitig müssen auch interne Vorgaben und Richtlinien ausgearbeitet werden so muss geklärt werden, welche Oiganisationseinheiten das Meldewesen betreuen sollen, welche internen und externen Experten beigezogen werden können, wer Meldungen bearbeiten wird beziehungsweise wer rechtskonform prüfen soll. Die Mitarbeiter müssen leicht zugänglich und verständlich über die Meldekanäle, das Meldesystem sowie die Meldeprozesse informiert (etwa über Newsletter)und geschult werden. Zusätzlich sind auch arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Vorkehrungen zu treffen. Auch wenn das HSchG keine Sanktionen vorsieht, falls Meldekanäle nicht (zeitgerecht) eingerichtet werden, bietet eine Implementierung eine Möglichkeit, interne Verstöße -
Stefan Adametz,Fellner Wratzfeld & PartnerRechtsanwälte,warnt Unternehmen: Auch bei Lieferkettensorgfaltspflichten ändern sich die Rahmenbedingungen spürbar. [ Caio Kauffmann|
Wie kann man sich bereits jetzt auf die Richtlinievorbereiten? Da die genauen Vorgaben der Richt-
möglichst rasch zu erkennen und welche nicht in Deutschland mit scher Ebene in Sachen Lieferketten linie noch nicht fixiert sind und zwischen den jeweiligen Vorschlägen entsprechende Maßnahmen zur einer Zweigniederlassung ansässig geplant? Schadensbegrenzung und -Vermei- sind, kann sich unabhängig von der Auf europäischer Ebene wird aktu- zum Teil erhebliche Unterschiede dung zu setzen. Ohne Meldekanal Arbeitnehmeranzahl eine mittelbare ell an der sogenannten EU-Lieferbestehen, können sich Unterneherhöht sich auch das Risiko, dass Geltung des Gesetzesergeben. Denn kettenrichtlinie gearbeitet. Durch men derzeit nur sehr allgemein vorWhistleblower sich an externe Mel- die direkt verpflichteten deutschen diese Richtlinie soll Unternehmen bereiten. Fest steht allerdings, dass dekanäle wenden und so potenzielle Unternehmen müssen die Einhal- im Hinblick auf die tatsächlichen die Richtlinie für Unternehmen vor Missstände oder heikle Informatio- tung der gesetzlichen Pflichten in und potenziellen Auswirkungen in allem Anpassungs- und Aktualisienen öffentlich werden. ihrer gesamten Lieferkette sicher- ihrer geschäftlichen Tätigkeit die rungsbedarf in den Bereichen Comstellen. Dies erfolgt in der Praxis ak- Einhaltung bestimmter Sorgfalts- pliance sowie Einkauf und VertragsSie haben gesagt, dass in Deutsch- tuell über vertragliche Verpflichtun- pflichten betreffend Menschen- gestaltung mit sich bringen wird. So land nun das Lieferkettensorg- gen des jeweiligen Vertragspartners, rechte und Umweltschutz auferlegt empfiehlt es sich aus meiner Sicht, faltspflichtgesetz gilt. Was ist das? so werden von österreichischen Zu- werden. Kernstück der Richtlinie interne Compliance-ManagementDas LkSG zielt darauf ab, Unterneh- lieferern beispielsweise Schad- und sind vorgegebene Maßnahmen zur systeme aufzubauen beziehungsmen zur Beachtung und Einhaltung Klagloshaltungen, Haftungsüber- Erfüllung der Sorgfaltspflichten im weise bestehende Systeme und Abvon Menschenrechten und umweit- nahmen oder die Einhaltung von Bereich Menschenrechte und Um- läufe anzupassen. Dazu gehört auch bezogener PflichC omp lian ce Vorg ab e n weltschutz. Insbesondere sollen die Einrichtung von Kontroll-, Präten entlang globaler Hier emp- die Sorgfaltspflichten in die Unter- ventiv- und Fehlererkennungsmeder EU gefordert. Lieferketten zu verfiehlt es sich jeden- nehmenspolitik einbezogen wer- chanismen zur Prüfung der Einhalpflichten. Um dieses Lieferkettenrichtfalls, juristischen Bei- den. Es müssen die tatsächlichen tungvon Sorgfaltspflichten. Ziel umzusetzen, linie sind Maßnah- stand zu suchen, um oder potenziell negativen AuswirAuch können Unternehmen beverpflichtet das Ge- men zur Erfüllung Risiken abzuklären. kungen ermittelt werden. Negative reits jetzt beginnen, (potenzielle) setz in Deutschland Zusätzlich werden zu- Auswirkungen sollen vermieden be- menschenrechtliche und umweltansässige Unterneh- der Sorgfalts pflich- meist bestimmte Aus- ziehungsweise abgeschwächt und in gefährdende Risiken zu identifiziemen zur Umsetzung ten bei Menschen- kunftspflichten festge- weiterer Folge behoben ren und Prozesse zur von Sorgfaltspflich- rechten und Umschrieben und es kann werden. Unterstützt "Beim HinweisgeRisikoanalyse einzuten. Zunächst sind die Einhaltung eines werden soll dies durch berlnnenschutzrichten. Dazu gehört unmittelbar nur gro- weltschutz." auch die Einrichtung "Verhaltenskodex" ein Beschwerderecht ße Unternehmen mit oder die Erstellung von von betroffenen Perso- gesetz sind auch eines Screenings und Monitorings mindestens 3000 Nachhaltigke its strate nen, Gewerkschaften arbeitsrechtliche Arbeitnehmern erfasst. Ab dem 1. gien gefordert sein. Daneben wer- und bestimmten NGOs. und datenschutzvon Zulieferern und Jänner 2024 gilt das LkSG auch für den österreichische Unternehmen Geplant ist auch eine zium rechtliche Vorkeh- Sublieferanten, Unternehmen mit zumindest 1000 auch mit erhöhtem Verwaltungsaufvilrechtliche UnternehRisiken zu evaluieArbeitnehmern in Deutschland. Das wand- zum Beispiel Anschreiben menshaftung für (welt- rungen zu treffen." ren dazu können LkSG verpflichtet Unternehmen und Fragebögen konfrontiert. bereits jetzt Audits, weite) negative AuswirDie in Deutschland aktuell nach kungen. Vor-Ort-Besuche dazu, die festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen dem LkSG von NGOs eingereichten und Kontrollen vorgesehen werden. Sorgfaltspflichten zu beachten und Beschwerden beispielsweise gegen Was schätzen Sie, wann wird die Es empfiehlt sich auch, einen Verdas Risiko von Verletzungen zu mi- drei große deutsche Autohersteller, Richtlinie in Kraft treten oder in haltenskodex zu erstellen. Wichtig nimieren oder sie zu beenden. Die die es angeblich "versäumt" hätten, Österreich umgesetztwerden? ist es auch, frühzeitig HaftungstheSorgfaltspflichten beinhalten bei- "angemessene Maßnahmen zu er- Neben der Europäischen Kommis- men sowie die Einhaltung von Sorgspielsweise die Einrichtung eines greifen, um die erheblichen Risiken sion haben auch der Rat und das faltspflichten und Kontrollen bei Risikomanagements, laufende Risi- der Zwangsarbeit durch die Gruppe Europäische Parlament Vorschläge (bestehenden und potenziellen) Gekoanalysen, Ergreifung von Abhilfe- der Uiguren in ihrer chinesischen erstellt, die zum Teil erheblich von- schäftspartnern anzusprechen und maßnahmen, Einrichtung eines Be- Produktionskette zu erkennen und einander abweichen. Daher werden Verträge und AGBs entsprechend schwerdesystems und so weiter. Die zu bekämpfen", wiederum zeigen derzeit zur Lösung der unterschiedanzupassen. Anforderungen an die Unternehmen einen kleinen Vorgeschmack, wel- lichen Positionen sogenannteTrilogerstrecken sich dabei auf die gesam- che Auswirkungen eine europäische Verhandlungen geführt, um einen INFORMATION te Lieferkette. Lieferkettensorgfaltsregelung haben einheitlichen Rechtstext zu schafkann. fen. Wenngleich eine Einigung bis zu Diese Seite wurde finanziert von Fellner Wratzfeld & Partner Ist das LkSG auch für österreichiden Europawahlen 2024 angestrebt Rechtsanwälte GmbH. sche Unternehmen relevant? Nachdem Sie es gerade angespro- ist, ist aktuell offen, ob sich diese Für österreichische Unternehmen, chen haben was ist auf europäi- verwirklichen lässt. Die nationale -
"Kernstück
-
-
-
-
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
1/1