Fazit 173

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Essay von Birgit Kelle

Wenn Glaube politisch wird öglicherweise war man in der Katholischen Kirche nie näher an der offenen Unterscheidung zwischen Glaube und Kirche, als heute. Heute, am 10. Mai treten inzwischen über 100 Gemeinden offen zu einer Segnungsaktion für homosexuelle Paare an und stellen sich damit demonstrativ gegen die noch druckfrische Antwort der Glaubenskongregation des Vatikans auf die deutsche Anfrage, ob man homosexuelle Paare vielleicht doch mit kirchlichem Segen versehen könne, die mit einem sehr klaren und durchaus auch erwartbaren Nein beantwortet wurde. Das will man nun bei Gottes deutschem Bodenpersonal nicht so stehen lassen, Papst hin oder her, und probt den Aufstand. Denn auch wenn die Initiatoren der Segnungsfeiern selbst beteuern, es sei keine Protestaktion gegen Rom, so ist sie es faktisch und inhaltlich schon, manche Kirchenrechtler reden gar von einem drohenden Schisma, dennoch lädt man nun unter den Hashtags #mutwilligsegnen und #liebegewinnt zu öffentlichkeitswirksamen Segnungsgottesdiensten »für alle Liebenden« ein. Die Presse ist auch geladen, die Kameras stehen bereit. Die Frage des Umgangs mit Homosexuellen Kein Themenkomplex spaltet alle christlichen Kirchen seit Jahren mehr als die Frage des Umgangs mit Homosexuellen, jetzt auch mit weiteren geschlechtlichen Identitäten. Es mischen sich aber auch weitere Protestthemen zusammen in einen gemeinsamen Diskurs, die aber alle im weitesten Sinne mit Geschlecht und Sexualität zusammenhängen. Dieselben, die heute die Segnung »aller Liebenden«, wer auch immer und wie viele sie sein mögen, fordern, sind nicht selten auch vorne mit dabei, wenn es um die Forderungen nach Frauenpriestertum und Abschaffung des Zölibats geht. Man könnte auch formulieren: Die LGBT-Szene und der intersektionale Feminismus sind jetzt in die Kirche einmarschiert. Gerade erst verkündete das sogenannte Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) mit dem Anspruch, die zentrale Laienvertretung der gut 22 Millionen deutschen Katholiken zu sein, ihre eigenen Offenbarungen nur noch in gendergerechter Sternchenschreibweise zu verkünden, weil man alle Geschlechter und sexuelle Identitäten fortan in Gottes vielfältiger Schöpfung berücksichtigen wolle, auch wenn er nachweislich nur deren Zwei geschaffen hat. Nichts dokumentiert besser den Bruch zwischen einer katholischen Funktionärskaste aus rund 230 Menschen und dem millionenfach stillen Glaubensvolk, das nicht gefragt wurde, ob es das goutiert, sondern nur noch belehrt wird, was es neuerdings als Katholik zu unterstützen habe. Der Gutmensch findet in der Kirche sein Pendant im Gutchrist. Nicht nur das Private ist bekanntlich politisch, das Geglaubte ist es jetzt auch. Die Evangelische Amtskirche ist schon weiter In der Evangelischen Amtskirche (EKD) hat sich dieser Prozess bereits vor Jahren vollzogen. Nicht nur die Segnung homosexueller Paare ist dort möglich und erwünscht, man hat längst schwule und lesbische Pfarrhäuser und auch das eigene Genderzentrum in Hannover für die weitere Erforschung der Gendertheologie im Namen der »Gött*in«. Jetzt steht die Debatte akut in der katholischen Kirche an, auch befeuert und forciert durch jene, die im Namen des innerkirchlichen Reformprozesses des sogenannten »Synodalen Weges« seit Monaten in Arbeitsgruppen eine neue Machtverteilung zwischen Klerikern und Laien, zwischen Männern und Frauen, aber auch eine Gleichstellung aller sexuellen Spielarten fordern. Neben Ehe für Alle (Segnung Homosexueller Paare), soll hier analog das Amt für Alle (Priesterweihe auch für Frauen), und auch Sex für Alle (Abschaffung des Zölibats) auf der Agenda stehen. Sex Meets Church. Nun bin ich keine Theologin, sondern einfache Gläubige, was schon schwer genug ist und ich kenne keinen Christen, der nicht schon mit seiner Kirche, ihren Grundsätzen und ihren hohen ethischen und moralischen Ansprüchen an den Menschen in Konflikt und ins ganz persönliche Scheitern geraten ist. Auch ich habe schon mehrfach versucht, mit Gott eine gut begründete Ausnahmeregelung für mich auszuhandeln, wir haben hart

Aktuell debattiert die katholische Kirche, ob homosexuelle Paare gesegnet werden sollen. Ein Thema, das viele Gemüter erregt. Birgit Kelle zeigt auf, was passiert, wenn politische Debatten auf das System Kirche prallen.

Foto: Kerstin Pukall

M

Birgit Kelle, geboren 1975 in Siebenbürgen, Rumänien ist freie Journalistin und Autorin. Sie ist Mutter von vier Kindern und in zahlreichen Frauen- und Familienverbänden engagiert und trat in verschiedenen Landtagen und vor dem Familienausschuss des deutschen Bundestages als Sachverständige für die Interessen von Müttern und Familie, sowie als Expertin im Themenkomplex Gender auf. Sie ist Mitglied der CDU. Kelle ist Autorin zahlreicher Bücher. Im vergangenen Jahr erschien ihr Buch: »Noch Normal? Das lässt sich gendern! Gender-Politik ist das Problem, nicht die Lösung«. vollekelle.de FAZIT JUNI 2021 /// 39


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