Fazit 133

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Ich gebe ungern Interviews, weil ich Schwierigkeiten habe, mich an die LĂŒgen zu erinnern, die ich beim letzten Mal erzĂ€hlt habe.

Sir Roger George Moore, Schauspieler, 1927–2017

Anmerkungen zu Jan-Werner MĂŒllers Essay

Was ist Populismus? Von Michael BĂ€rnthaler

I

m Anfang ist das Wort: Populismus. Und wo ein Wort ist, wo Worte sind, da kann die philosophische Bewegung einsetzen, die fragt: »Was ist ...?« Was ist – eigentlich, wirklich – Populismus? Jan-Werner MĂŒller hat versucht, diese Frage zu beanworten. Er definiert den Populismus als eine politische Bewegung, die, im Rahmen der modernen liberalen reprĂ€sentativen Demokratie, einen moralischen Alleinvertretungsanspruch fĂŒr das Kollektivsubjekt des – wahren – Volkes erhebt & danach trachtet, diesen absoluten ReprĂ€-

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sentationsanspruch gegen korrupte Eliten durchzusetzen. Diese Konstellation, so MĂŒller, bildet den Kern des PhĂ€nomens Populismus. Man sieht, dass der Begriff des Volkes (lat. populus) hier eine zentrale Rolle spielt. Was ist das Volk? DrĂŒcken wir es etwas abstrakt aus: Ein Volk ist ein spezifisches Wir, eine bestimmte Wir-GrĂŒndung mit bestimmten Wir-BegrĂŒndungen (Abstammung, Sprache, Bekenntnis ...). Ein Volk ist damit auch etwas, dem einige Menschen angehören, und andere nicht. FĂŒr manche ist das Volk ein Wir-Abgrund. Jedenfalls spielt das Volk – welche genauere Definition auch immer seinen Begriff am besten zu fassen vermag – in der nationalstaatlich verfassten Demokratie eine herausragende Rolle: »Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.« Die demokratische Wahl ist jenes Instrument, mit dem der Wille des Volkes ermittelt und in politische ReprĂ€sentation ĂŒberfĂŒhrt wird. Weil die Geschichte der Menschheit verlaufen ist, wie sie verlaufen ist, wird Politik heute weltweit (noch?) primĂ€r im Rahmen des Nationalstaates nach europĂ€ischem Muster gemacht, fĂŒr welchen das kurz skizzierte VerhĂ€ltnis von Politik und Volk fundamental ist. MĂŒller spricht diesbezĂŒglich von einem »nicht zu beseitigende[n] Rest an historischem Zufall und [...] an historischer Ungerechtigkeit.« Sobald die historisch gewachsene Form des Nationalstaates mit Ungerechtigkeit in einen Zusammenhang gebracht wird, wohl weil sie notwendigerweise Menschen ein- und ausschließt, also begrenzend wirkt, ja

eben Grenzen hat, scheint es naheliegend, den Nationalstaat transzendieren zu wollen. Diese Bewegung weg vom Nationalstaat, hin zu supranationalen Formen politischer Organisation findet paradigmatisch etwa im Rahmen der EU statt. Fluchtpunkt dieser Bewegung kann nur so etwas wie ein Weltstaat sein. Doch zurĂŒck zum PhĂ€nomen des Populismus. Das Nachdenken ĂŒber den Populismus fĂŒhrt zwangslĂ€ufig auch zum Nachdenken ĂŒber die Demokratie. Nicht zufĂ€lligerweise behaupten ja dessen Vertreter auch immer wieder, sei seien nicht nur keine Anti-, sondern sogar die besseren Demokraten. Sie wollen fĂŒr das Volk sprechen, dessen Wille in der Demokratie ja maßgeblich ist oder sein sollte. Erreichen sie bei Wahlen jedoch keine Mehrheit, so scheinen die anderen Parteien eher den Willen des Volkes zu reprĂ€sentieren. Dieser zeigt sich ja in letztlich gĂŒltiger Form nur bei einer Wahl. Es bleibt dann den Populisten lediglich die Ausflucht, einen »wahren Willen des wahren Volkes« von dem zu trennen, was an Volkswillen bei Wahlen empirisch auffindbar ist. Die Flucht in derartige Vorstellungen, meint MĂŒller, sei letztlich die paradigmatische gedankliche Bewegung des Populismus. AnfĂ€lligkeit fĂŒr Verschwörungstheorien und radikale Kritik an der reprĂ€sentativen Demokratie resultiere auch aus diesem – so könnte man sagen – Trauma des sich nie realisierenden wahren Volkswillen. FĂŒr MĂŒller ist es wesentlich, dass Populisten tatsĂ€chlich – ĂŒber jede Pars-pro-toto-Rhetorik hinaus – behaupten, sie und nur sie seien das Volk bzw. sprĂ€chen fĂŒr das wahre Volk: »Vor allem: Wenn aus einem populistischen ‚Wir sind das Volk‘ so etwas wĂŒrde wie ein ‚Auch wir sind das Volk‘, dann wĂ€re dies ein völlig legitimer zivilgesellschaftlicher Anspruch derer, die sich vergessen fĂŒhlen oder die


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