Fazit 130

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Essay von Klaus Woltron

Offener Brief an die regierende Obrigkeit S

eit 1945 bin ich Bürger unseres Landes. Ich marschierte als Volksschüler mit russischen Soldaten zu Propagandafilmen Stalins. Später, als Gymnasiast, begeisterte ich mich für die Ideale des Sozialismus, an der Uni in Leoben für die grossen Erfinder und Entdecker. Als junger Ingenieur gehörte ich den »2000 Experten« Bruno Kreiskys an und arbeitete an dessen Programmen mit. Zurückkehrend aus Lehr – und Wanderjahren, die mich weltweit umtrieben, lernte ich aus nächster Nähe die Tücken und den Unterschleif der politischen Welt kennen, der mir in meiner jugendlichen Begeisterung bis dahin verborgen geblieben war. Große berufliche Verantwortung brachte mich in den klassischen Zielkonflikt industrieller Tätigkeit: Soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung. Ich entfernte mich von den ideologi-schen Wurzeln meiner Jugend und wurde zu einem unabhängigen Wechselwähler, der sich an der Glaubwürdigkeit der jeweiligen Kandidaten orientierte.

In den letzten Tagen wurde eine Reihe programmatischer Erklärungen zur künftigen Regierungspolitik veröffentlicht. Klaus Woltron sah sich veranlasst, einen geharnischten offenen Brief zu verfassen.

Immer aber blieb ich ein interessierter und engagierter, neugieriger Wanderer zwischen all den Welten, die ich kennenlernte. Keine konnte mich ganz vereinnahmen, und mein Stolz war es, wahrhaftig und verantwortungsbewusst alle meine Handlungen begründen zu können. Immer war ich ganz selbstverständlich und völlig unhinterfragt ein selbstbewusster, stolzer Bürger Österreichs. In den letzten Jahren ist diese Einstellung einer tief gehenden Skepsis und Frustration gewichen. Warum? Was haben Sie getan!

n Dass wir zu Befehlsempfängern eines immer mehr zentralistisch regierten, seine Grundsätze und Regeln prinzipienlos verratenden, korrupten Molochs in Brüssel wurden. n Dass Rentner und Pensionisten für ihr jahrzehntelang angespartes Kapital keinen angemessenen Gegenwert mehr erhalten, weil der Wert des Geldes planmäßig und absichtlich verdünnt wird. n Dass das Versprechen, unsere Währung und damit die Ersparnisse und Kapitalien der Österreicher sicher bleiben würden, durch Übertragung von Kompetenzen an die EZB und den dortigen himmelschreienden Missbrauch schamlos und ohne Konsequenzen gebrochen wird. n Dass sich viele Menschen in Großstädten abends nur mehr ungern auf die Straße getrauen. n Dass viele private Grundstücke mit Videokameras überwacht werden müssen …

… und vieles mehr, was weiter unten noch anzuführen sein wird. Allein gegenüber diesen enormen Schäden, die bereits angerichtet sind, ist alles, was Sie jetzt planen und lautstark veröffentlichen, eine Quantité négligeable.

So wende ich mich, nach siebzig Jahren eines intellektuell, spirituell, humanistisch und ökonomisch tätigen Lebens, in einer schicksalhaften Zeit unseres Landes, inmitten einer immer aggressiver und zersplitterter werdenden Menschheit, mit diesem Offenen Brief an Sie.

Foto: Privat

Sie, bzw. Ihre Vorgänger, haben zugelassen, dass vieles von dem, worauf man als Österreicher stolz sein konnte, verschwand:

Klaus Woltron, geboren 1945 in Wels, ist Unternehmer und Publizist. Er studierte Metallurgie an der Montanuniversität Leoben und war in den 1980er-Jahren an der Restrukturierung der verstaatlichten Industrie beteiligt. 1988 bis 1992 war er Generaldirektor der österreichischen ABB-Tochter. Er ist Vizepräsident des TÜV-Österreich und Mitglied weiterer Aufsichtsräte. Seit 1994 ist er selbständiger Unternehmer. woltron.com FAZIT MÄRZ 2017 /// 39


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