Wir müssen die Gemeinden aus der Zwangsjacke des Proporzes befreien. Landesrat Christopher Drexler zur Grazer Wahl
Fotos: Fazit, KPÖ
Steirische ÖVP: Schützenhöfer tritt noch einmal an Mit seiner Ankündigung, beim ÖVP-Parteitag noch einmal als Parteichef zu kandidieren, schafft Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer Fakten – auch was seine Nachfolge anlangt. Denn nun ist davon auszugehen, dass Schützenhöfer auch bei der Landtagswahl 2020 als Spitzenkandidat antreten wird, um erst nach weiteren zwei Jahren Platz für seinen Nachfolger zu machen. Im Jahr 2022 schaut ein Generationenwechsel jedoch anders aus als heute. Denn Siegfried Nagl wäre dann 59 Jahre alt, Reinhold Lopatka 62 und Gesundheitslandesrat Christopher Drexler wäre 51. Bis dahin sind wahrscheinlich auch die Schmerzen der Gesundheitsreform vergessen. Die würden nämlich wie auch der nachhaltige Erfolg eines reformierten Gesundheitswesens Christopher Drexler zugeschrieben werden. Schützenhöfers neuerliche Kandidatur am ÖVP-Parteitag ist daher auch als sein indirektes Bekenntnis zu Christopher Drexler als Wunschnachfolger zu werten.
Graz-Wahl: Nagl räumt ab Der Sieg der Grazer ÖVP trägt eindeutig die Handschrift von Bürgermeister Siegfried Nagl. Während die Halbwertszeit in der Politik kürzer und kürzer wird und sich die Kommentatoren eigentlich darin einig waren, dass mit Erwin Pröll und Michael Häupl die letzten Langzeitpolitiker gerade dabei sind, das Feld zu räumen, beweist Nagl, dass ein Politiker die persönliche Abnützungsphase überwinden kann, wenn es ihm nur gelingt, den Wählern Aufrichtigkeit, Kompetenz und Sympathie zu vermitteln. Denn nachdem er bei der Gemeinderatswahl im Jahr 2012 mehrere Prozentpunkte eingebüßt hatte, schien auch für Nagl die Phase der persönlichen Götterdämmerung eingeläutet. Dass er nun beinahe an sein Rekordergebnis von 2012 anschließen konnte, ist auch das Ergebnis einer inhaltlichen Weiterentwicklung. Nagl schaffte es, sein Profil vom biederen bürgerlichen Herren-
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gassenkaufmann, der offenbar Probleme damit hatte, schwulen und lesbischen Paaren seinen Segen zu geben, sowohl nach links als auch nach rechts zu erweitern. Inzwischen gilt Nagl als weltoffener Großstädter, der sich den Herausforderungen eines wachsenden Ballungsraumes, zu denen auch die Zuwanderung aus kaum kompatiblen Kulturkreisen gehört, erfolgreich stellt. Nagl hat von überall her dazugewonnen. Mit seinem Bekenntnis zur Integration fordert und fördert er die Zuwanderer gleichermaßen. Als Katalysator seines Wahlerfolgs hat sich übrigens die tragische Amokfahrt von vor zwei Jahren erwiesen. Nagl ging einer traumatisierten Grazer Bevölkerung mit viel Mitgefühl voran. Anstelle Hass zu säen – schließlich handelte es sich beim Amokfahrer um einen moslemischen bosnischen Migranten – gelang es ihm, die Wunden, die in der Gesellschaft aufgerissen wurden, zum Heilen zu bringen. Vor diesem Hintergrund haben die Grazerinnen und Grazer richtig gewählt. Sie haben ihr Vertrauen jemanden gegeben, der
Die Grazer KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr hat einmal mehr ihre unglaubliche WahlkampfPerformance unter Beweis gestellt.
gezeigt hat, dass er das Miteinander lebt und wohl tatsächlich die Menschen mag.
Graz-Wahl: Die guten Karten des Mario Eustacchio So sehr der Wahlsieg der geschundenen Volkspartei gut getan hat, so wenig dürfte sich dadurch die Position der Grazer ÖVP optimiert haben. Nagls eigentliches Wahlziel war es nämlich, seine Optionen für Zweierkoalitionen deutlich zu verbessern. Am liebsten hätte er sich seinen Regierungspartner aus SPÖ, FPÖ und Grünen ausgesucht. Die Kommunisten hatte er ja von vornherein als Koalitionspartner ausgeschlossen. Doch ausgerechnet die KPÖ hat der ÖVP einen Strich durch die Rechnung gemacht. Anstatt die potenziellen Partner in den Koalitionsverhandlungen gegeneinander ausspielen zu können und bei ihren Forderungen nach unten zu lizitieren, ist Nagl nun nur die ungeliebte FPÖ als Partner für eine Zweierkoalition übrig geblieben. Daher könnte Mario Eustacchio, obwohl er mit der Grazer FPÖ meilenweit von den Ergebnissen der Blauen bei Nationalrats- oder Landtagswahlen entfernt ist, als eigentlicher Gewinner aus der Gemeinderatswahl hervorgehen. Die FPÖ wird von Nagl eine massive Änderung bei der Integrationspolitik fordern – etwa was die Vergabe von Gemeindewohnungen an Migranten betrifft. Was hingegen die Bekämpfung der Ausländerkriminalität – etwa bei Bandendelikten oder dem Drogenhandel – anlangt, wird sich die FPÖ rasch mit der ÖVP einig werden. Und bezüglich der Ressortaufteilung wird die Volkspartei wohl bereit sein, Eustacchio zum Vizebürgermeister zu machen. Der FPÖ-Chef hat übrigens schon seinen Wunsch auf das Wohnungsressort angemeldet. Bürgermeister Nagl versucht zwar, neben Schwarzblau auch Schwarzgrünrot als Option auszuloten, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass die inhaltliche Schnittmenge zwischen ÖVP und Grünen wohl nicht ausreichen dürfte. Außerdem hat Michael Schickhofer dem Grazer SPÖ-