Fazit 117

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Österreich muss zurück in die Champions League und weg aus der Regionalliga Ost. Finanzminister Hans-Jörg Schelling bei seiner Budgetrede

Fotos: ÖVP-Online, SPÖ Presse und Kommunikation

Finanzminister Hans-Jörg Schelling schimpfte bei seiner Budgetrede auf die Regierung, der er selbst angehört. Er habe das Gefühl, dass Österreich wesentlich erfolgreicher sein könne.

Schelling als Teil des Stillstands? Wenn Finanzminister Hans-Jörg Schelling eine Rede hält, wird einem zumindest nicht langweilig. Im Normalfall garniert er seine Vorträge mit gut gelungenen Pointen. Er analysiert genau und zeigt Wege auf, wie Probleme gelöst werden können. Wenn er nicht schon Teil der Regierung wäre, könnte er das Gefühl vermitteln, dass alles besser, großartiger und viel einfacher wäre, wenn er endlich auch etwas zu entscheiden hätte, in unserem Land. Und so kann die Budgetrede, die Schelling vor wenigen Tagen im Parlament hielt, nur als umfassende Entschuldigung dafür interpretiert werden, dass er nun seit über einem Jahr Finanzminister ist und nicht viel mehr als ein »Steuerreförmchen« zusammengebracht hat, das statt über Einsparungen beinahe zur Gänze von der Wirtschaft gegenfinanziert wird. Dennoch hatte Schelling in seiner Rede die Chuzpe, eine deutliche Entbürokratisierung, Einschnitte in das Pensionssystem und wieder einmal die Abschaffung der »kalten Progression«, ja sogar eine Lohnnebenkosten-Senkung zu fordern. Der Finanzminister sprach davon, dass den Menschen die Wahrheit zumutbar sei und wie die hohe Steuerlast die Wirtschaft schädige. Österreich müsse weg von der Regionalliga Ost zurück in die »Champi12 /// FAZIT NOVEMBER 2015

ons League«. Als gelernter Unternehmer habe er sich viel schnellere Reformen gewünscht, in dieser Regierung bewege sich alles aber alles nur recht langsam. Obwohl die Neuverschuldung 3,2 Milliarden Euro beträgt, spricht Schelling davon, dass das strukturelle Nulldefizit halten werde. Gleichzeitig gebe es Unsicherheiten durch die explodierenden Kosten für die Flüchtlinge und den schwachen Arbeitsmarkt. Bis Ende 2016, sollen – so Schelling – die Hälfte der Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform umgesetzt sein. Das werde schon im nächsten Jahr Einsparungen von 500 Millionen Euro bringen. Zusätzlich sollen 200 Millionen bei Subventionen gespart werden. Da der Finanzminister weder zu den Verwaltungs- noch zu den Subventionskürzungen irgendwelche Umsetzungsideen bekanntgeben konnte, weiß der gelernte Schelling-Zuhörer, dass diese Aussagen wohl nur als Ankündigungen ohne großen Inhalt zu verstehen sind. Was sollen die Österreicher nur von einem Finanzminister halten, der den Eindruck vermittelt, dass er zwar will, aber gleichzeitig betont, dass er nicht kann? Schelling ist damit Teil jenes Problems geworden, das darin besteht, dass die ideologischen Schnittmengen zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP längst nicht mehr ausreichen,

um den Stillstand zu überwinden. Doch inzwischen fällt Österreich bei sämtlichen maßgeblichen Standort- und Wettbewerbsrankings immer weiter zurück. Und auch die heurigen Landtagswahlergebnisse tragen nichts dazu bei, dass sich die Regierung bald selbst erlöst und in Neuwahlen flüchtet. Sämtliche Umfragen zur Nationalratswahl sehen die FPÖ mit deutlichem Abstand auf dem ersten Platz. Die Regierung wird daher aushalten bis zum letztmöglichen Wahltermin im Jahr 2018 – mit allen negativen Konsequenzen für die österreichische Bevölkerung und die österreichischen Unternehmen.

Registrierkassenpflicht: Leitl scheitert beim Finanzministerium. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl forderte, die Registrierkassenpflicht von 1. Jänner 2016 auf 31. Dezember 2016 zu verschieben. Beim Finanzministerium biss er damit jedoch auf Granit. Der Finanzminister erwartet sich durch die Registrierkassenpflicht nämlich zusätzliche Einnahmen von 900 Millionen Euro jährlich. Daher ist er für eine Terminverschiebung nicht zu haben. Leitls Forderung war das Ergebnis der Herbstklausur des oberösterreichischen Wirtschaftsbundes und wurde mit dem großen organisatorischen Aufwand der Registrierkassenpflicht begründet, der für die Betriebe bis zum Jahreswechsel nicht mehr zu schaffen sei. Obwohl die Umsetzung pressiert, liegt jedoch noch keine Verordnung zur Einführung der Registrierkassen vor.

Wienwahl: FPÖ gewinnt, SPÖ hält sich einigermaßen Der politische Marketinggag des Jahres war zweifellos die Idee der Wiener SPÖ, die Gemeinderatswahl 2015 zum Duell um den Bürgermeistersessel zwischen Michael Häupl und Heinz-Christian Strache zuzuspitzen. Der FPÖ gefiel diese Strategie ebenfalls. Zum einen sahen die Blauen vor dem Hintergrund des Flüchtlingsthemas tatsächlich die Chance, den ersten Platz zu erobern. Zum anderen vervielfachte die


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