LOST VOICES #8

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Und derjenige, der die Engel und Teufel nicht gesehen hat in den Wundern und Widerwärtigkeiten des Lebens, dessen Herz bleibt ohne Erkenntnis und dessen Seele ohne Verständnis.

- Khalil Gibran (1883 – 1931) US-libanesischer Dichter

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lost voices acht INHALT Prosa/Lyrik Breece D‘J Pancake Marcus Mohr Hilmar Reusch Urs Böke Ralf Benkard Ulrich Kersten

Ein Zimmer für die Ewigkeit Brotlose Kunst Ein Traum im Traum Rüstung 9 Fliegengleich Kehrseite

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Interviews Nick Flynn Willy Vlautin Roger Alan Wade Jupiter Jones John Rector

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LV‘s

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Alle Rechte der hier aufgeführten Werke liegen bei den jeweiligen Autoren, Fotografen/ Künstlern. Covershot by Gregory Crewdson Untitled 'Beneath the Roses‘, 2007 © the artist Courtesy White Cube

Verantwortlich für alles hier: Marc Mrosk, Kontakt: ElVau@gmx.de

All stories, poems and pictures in this magazine are owned by the writers and artist named in this issue.

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EIN ZIMMER FÜR DIE EWIGKEIT von Breece D‘J Pancake Weil Silvester ist, kriege ich das große Zimmer, das Acht-Dollar-Zimmer. Aber es kommt mir kleiner als früher vor, und während ich am Fenster sitze und auf den Regen und die Stadt schaue, fühle ich, wie das Warten wieder an mir nagt. Ich sollte nie in diesen kleinen Flußstädtchen aufkreuzen, bevor mein Kahn nicht eingelaufen ist – aber ich komme immer früh, warte, beobachte die Leute auf der Straße. Dort draußen flackern die Gaslampen violett, lassen ihr Licht vom Pflaster zurückwerfen, verändern alle Farben. Im Nieselregen gehen ein paar Leute vorbei, aber sie bleiben nicht stehen, um in die Schaufenster der billigen Läden zu blicken. Hinter den Straßen sehe ich zwischen den Häusern hindurch immer wieder den Fluss auftauchen, und nebliger Regen überzieht die schwarzen Teile des Flusses mit einem matten Film. Aber auf dem Fluss ist immer alles gleich. Morgen beginnt ein weiterer Monat auf dem Fluss, dann wieder ein Monat an Land – nur die Geschichten, die wir erzählen, werden andere sein, werden sich um andere Zeiten und Namen drehen. Doch auf der Delmar wird dieselbe Mannschaft sein, dieselben Pflichten für achtzehn Stunden am Tag, und schon bald wird es keine Geschichten mehr geben. Für den Moment warte ich, schaue zu, wie der Wind den Regen gegen die Scheiben peitscht und das Glas trübt. Ich drehe die Kochplatte hoch, um Kaffee zu machen, blättere durch die Zeitung, suche etwas, um mich zu beschäftigen, aber heute abend gibt es weder Wrestling noch Boxen, und selbst die Bowlingbahn ist an Silvester geschlossen. Ich könnte ja runter in eine Bar in der First Avenue gehen, mich mehr oder weniger volllaufen lassen, geht aber nicht, wenn ich ab morgen den Ratten auf dem Lastkahn zuschauen und an nassen Stahlkanten entlanggehen muss. Nein, ich bestelle lieber nur ein Pint, um mir rasch die nötige Bettschwere zu verschaffen. Ich verschwende lieber keinen Gedanken ans Ausgehen. Ich stürze meinen Kaffee zu schnell hinunter, verbrenne mir den Mund. Nie geschieht irgend etwas so, wie es sollte. Ich glaube, das ist mein Problem mit Silvester – gut, so geht es immer los –, ich erinnere mich nur an die Parties in der Navy und daran, wie wir alle Register gezogen haben in dem Jahr, als wir auf Kurzarbeit waren, und so fühle ich mich beschissen, hier zu sitzen und an Parties zu denken und an die Arbeit und an das junge Jahr und an das alte. Ich will meinen Arsch hier rausbewegen – ich bin schon zu lange dabei. Ich greife meine Jacke und meine Mütze, dann stelle ich mich vor die Tür und zünde eine Zigarette an. Im Korridor und im Treppenhaus brennt Licht, um die Huren und Penner fernzuhalten. Die Tür gegenüber geht auf, und die Transe guckt raus, zwinkert mir zu: »Frohes neues Jahr.« Der Typ macht leise die Tür wieder zu, und ich raste aus, trete gegen sie, beschmutze sie mit meinen Gummisohlen. Ich höre die Transe drinnen über mich lachen, lachen, weil ich alleine bin. Die ganzen Treppen hinunter kann ich sein Lachen hören. Er hat recht: Ich brauche eine Frau – nicht so eine blöde Schlampe – ich brauche das stille Herumliegen danach, wovon eine Schlampe noch nie was gehört hat. Als ich die Hotelhalle betrete, die voller fetter Frauen und alter Männer ist, denke ich, dass das jetzt mein einziges Zuhause ist. Vielleicht habe ich dieses Zimmer für die Ewigkeit gekauft – vielleicht brauche ich nach heute Nacht nicht noch eine andere Schlafstelle.

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Ich stehe unter dem Vordach, rauche, blicke zurück in die Halle auf das alte Gesindel. Ich denke daran, wie alt alle meine Pflegeeltern waren und dass die meisten von ihnen jetzt tot sind. Es ist schon besser, dass sie tot sind, sonst würde ich zurückgehen und sie besuchen und ihnen im Weg sein. Jetzt würde ich nicht mehr mit Geld von der Sozialhilfe kommen, und ich bin zu groß, um verdroschen zu werden. Ich werfe meine Zigarette auf den Boden, sehe zu, wie sie den Rinnstein entlang zappelt und im Gully verschwindet. Wahrscheinlich wird sie noch vor der Delmar im Mississippi sein. Neun Monate in diesen Städten zu hocken, hat mich verrückt gemacht; auf Lastkähnen herumzuturnen und im Hochwasser Kattbalken zu sichern, hat mich mit den anderen Ratten schließlich hierhergebracht. Jetzt tut mir der Mund weh von dem heißen Kaffee, und ich habe nicht mal Lust, mich vollzutanken. Ich gehe die Straße lang, schaue die Leute vor und neben mir an und denke, dass sogar die Schlampen in ihren langen Mänteln aus Vinyl so hatschen, als hätten sie einen Ort zum Bleiben. Ich denke, mir geht es ganz schön schlecht, wenn diese ollen Kühe anfangen, gut auszusehen. Ich laufe weiter, bis ich einen Penner sehe, eingeklemmt in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Sein Stoff wärmt ihn, er ist voll weggetreten. Ich bleibe stehen, um zuzusehen, wie dieser alte Suffkopf versucht, seine Zeitungen als Lager auszulegen, aber der Wind, der durch den Durchgang pfeift, weht sie immer wieder umher. So lustig – wie der Dreckskerl den Zeitungen hinterherjagt und seine alten Beine unter ihm fast zusammenklappen. Auf der Missionsstation lassen sie ihn in keinem Fall rein, weil er so dicht ist, also muss der blöde Penner heute Nacht seinen Zeitungen hinterherrennen. Ziemlich bald wird dieses ganze Herumgeturne dazu führen, dass er seinen Stoff rauskotzt, und ich bleibe stehen und grinse und warte, dass es passiert, mein Grinsen gefriert allerdings, als ich plötzlich sie in diesem Eingang stehen sehe. Sie ist noch ein Girl – vierzehn, fünfzehn –, aber sie starrt mich an, als wüsste sie, was ich denke, worauf ich bei diesem alten Penner warte, und sie schaut mich unentwegt an, als wäre sie der Zorn Gottes oder so. Meine Augen schmerzen, weil ich sie aus dem Augenwinkel beobachte, während mein Gesicht zum Penner zeigt, aber trotzdem beobachte ich sie. Ich sehe sofort, das ist keine Schlampe. Von vorne sieht sie eher wie ein Kind aus, das mal ein Zuhause hatte – Jeans, ein richtiger Regenmantel, einen Plastikschal um den Kopf. Und sie ist viel zu jung für diese Stadt – das Gesetz wird so junge Hühner an diesem Ort nicht dulden. Ich denke, sie ist wahrscheinlich abgehauen, aber aus dieser Sorte schlau zu werden, ist echt schwierig. Ich gehe an ihr vorbei, beachte sie nicht, und verschwinde dann in einem Donut-Laden. Prinz Albert sitzt an der Theke, führt Selbstgespräche und fährt sich mit rostroten Fingern durch seine Haare und seinen Bart. Seine Haut ist gelblich, weil er sein Hirn mit einer Vierzig-Volt-Anlage auf der Cramer weggebrannt hat. Er war ein guter Kabelträger, höre ich, aber jetzt ist er ein Sozialschmarotzer, und er ist dreckig und stinkt wie jede andere Schnapsnase auf der Straße. Ich esse meinen fetten Donut, schlürfe Kaffee und schaue aus dem Fenster. Der Verkehr nimmt zu, die Parties fangen bald an. Das Girl geht vorbei, schaut durch die Ladenfront auf mich, als wüsste sie genau, wann ich zwischen zwei schlingernden Lastkähnen hindurchfalle. Mir ist das nicht geheuer, und ich lasse meinen Kaffee stehen und mache mich auf, um einen Whiskey zu holen und mich dann aufs Ohr zu hauen. Aber als ich nach draußen trete, ist sie schon ein gutes Stück die Straße runter und geht auf die Shanty-Bars auf der First Avenue zu. Der Regen macht heulende Geräusche und peitscht Ströme von Wasser über die Gehsteige. Ich folge ihr, bis sie in irgendeinen Eingang tritt. Meine Mütze ist durchweicht, und das Wasser läuft mir jetzt das Gesicht und den Nacken hinunter, aber ich gehe zu ihrem Eingang, stehe im Regen und schaue sie an.

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»Du willst mich kaufen?«, sagt sie. Ich stehe eine ganze Weile da und frage mich, ob sie nur ein Lockvogel ist. »Hast du ein Zimmer?«, sage ich. Sie schüttelt den Kopf, blickt über die Straße, dann die Straße hinab und hinauf. »Wir nehmen meins, aber ich will was zum Saufen.« »In Ordnung, ich kenne einen Laden, wo es was zu kaufen gibt«, sagt sie. »Ich kenne einen besseren.« Ein alter Trick, klar. Ich lasse mich doch von ihrem Zuhälter nicht abziehen. Mich nervt das – ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Zuhälter kein Zimmer hat. Wenn sie alleine arbeitet, wird sie zwischen den Bullen und Zuhältern keine zwei Tage überleben. Wir gehen weiter die Straße runter zu einem Laden. Es ist gut, jemanden zu haben, der neben einem geht, aber sie sieht zu ernst aus, als würde sie nur an das Finanzielle am Ende der Sache denken. Ich kaufe eine Flasche Jack Daniel’s, versuche einen Witz. »Jack und ich sind schon lange Kumpels«, sage ich, aber sie tut so, als könne sie mich nicht hören. Als wir das Foyer des Hotels betreten, hören zwei alte Männer auf zu reden und schauen uns an. Ich denke, wie scharf sie auf sie sein müssen, wie sie mich beneiden, und ich bin froh, dass diese Scheißkerle uns beachten. An meiner Tür lasse ich mir Zeit mit dem Aufschließen und hoffe, die Transe streckt ihren Kopf heraus, aber der Kerl ist unterwegs, um es sich besorgen zu lassen. Wir gehen hinein, und ich schnappe uns ein Handtuch zum Abtrocknen, mache Kaffee für den Whiskey. »Hübsch hier«, sagt sie. »Ja. Sie reinigen es regelmäßig.« Zum ersten Mal lächelt sie, und ich denke, dass sie eigentlich losziehen müsste – zum Seilspringen oder so. »Ich bin nicht sehr gut darin«, sagte sie. »Die ersten Typen haben mir ziemlich weh getan, darum habe ich jetzt immer etwas Angst.« »Das liegt daran, dass du dafür nicht gemacht bist.« »Nein, ich brauche nur ein Zuhause. Ich muss dieses Herumziehen lassen, weißt du?« »Ja.« Im Fenster spiegeln wir uns wie Gespenster vor dem schwarzen Glanz des Glases. Sie legt ihren Arm um mich, und ich denke, dass wir beide das Finanzielle am Ende der Sache wohl nicht aus dem Kopf genommen haben. »Warum bist du zu mir gekommen?«, fragt sie. »Du hast mich so komisch angeschaut – als hättest du was Schreckliches gesehen, das mir passieren würde.« Sie lacht. »Na ja, das nicht. Ich habe dich gecheckt.« »Aha. Ich bin heute Nacht so nervös. Ich bin zweiter Maat auf einem Schlepper. Ziemlich gefährlich.« »Was macht ein zweiter Maat?« »Alles, was der Kapitän oder der erste Maat nicht tun wollen.Mit Leben hat das nicht viel zu tun.« »Warum kündigst du dann nicht einfach?« »Manche Sachen sind noch schlimmer. Kündigen ist keine Lösung.« »Vielleicht nicht.« Ihre Hand in meinem Nacken verleitet mich, über sie zu lächeln, sie zu mögen. »Warum hörst du nicht auf zu versuchen, so eine kleine Schlampe sein zu wollen? Du kannst das doch gar nicht. Du bist zu gut dafür.« 6 »Schön, dass du das denkst«, sagt sie.


Ich schaue sie an, denke, was sie sein könnte, wenn sie eine Auszeit nähme – oder zwei. Aber hier wird sie die nicht bekommen. Niemand hier bekommt eine Auszeit. Ich könnte ihr von meinen Pflegeeltern erzählen oder von den Tanten im Fürsorgeamt und davon, wie sie mich anschauten, wenn sie mich in einen Bus setzten, der in eine andere Stadt fuhr – doch das würde für sie keinen Sinn ergeben. Ich mache das Licht aus, und wir ziehen uns aus, gehen ins Bett. Die Dunkelheit ist das Beste. Kein Gesicht, kein Gespräch, nur warme Haut, etwas Nahes und Freundliches, etwas, in dem man verloren ist. Aber als ich sie nehme, weiß ich, was ich da habe – den Körper eines kleinen Mädchens, der sich nicht bewegt, keine Lust hat, ein Kind, das Hure spielt, und ich fühle mich übel mit ihr, wegen ihr. Ich tue ihr Gewalt an, wie alle anderen auch. Ich weiß, ich tue ihr weh, aber sie wird nie eine Auszeit bekommen. Sie wimmert, und mein Körper krümmt sich in Krämpfen, danach windet sie sich wie eine Kugel von mir weg, und ich berühre sie. Sie ist starr. »Du könntest diesen Monat hier bleiben«, sage ich. »Ich meine, wenn du willst, könnte ich die Miete bezahlen, und du könntest dir einen richtigen Job suchen und mir dann das Geld zurückzahlen.« Sie liegt nur da. »Vielleicht könntest du in der Stadt Arbeit bekommen, bei Sears oder Penny’s?« »Warum hältst du verdammt noch mal nicht die Klappe.« Sie steigt aus dem Bett. »Bezahl mich einfach, okay?« Ich stehe auf, suche nach meiner Hose, hole einen Zwanziger raus und gebe ihn ihr. Sie schaut den Geldschein gar nicht an, sondern schnappt ihren Mantel, rennt aus der Tür. Ich sitze auf dem Bett und zünde eine Zigarette an. Ich bekomme eine Gänsehaut, als ich daran denke, was diesem Mädchen passieren könnte; dann sage ich mir, dass das alles jetzt nur eine Zeit- und Geldverschwendung war. Ich erinnere mich an die High-School-Zeit, als ich Jane den Hof gemacht habe. Ihre Eltern hatten uns im Wohnzimmer allein gelassen, aber ihr Pudel besprang immer mein Bein. Da saßen wir und versuchten zu reden, und ihr Hund bumste einfach die ganze Zeit mein Bein. Ich denke, dass ich gerne ein Auto mieten und dorthin fahren und nach dem Hund sehen würde, aber so ist es immer – eine Zeit- und Geldverschwendung. Ich schnippe meine Zigarette auf den Boden, lege mich auf das Bett, das Licht ist noch an, und denke an Prinz Albert mit den Donutkrümeln im Bart und den Kaffeeflecken auf dem Hemd. Ich denke, dass es gewiss zehn von seiner Sorte in jeder Stadt bis hinunter zum Delta gibt und dass die Chancen, so zu enden wie er, ziemlich gering sind. Etwas kann schief laufen und man erwischt das falsche Kabel, oder man mach eine falsche Bewegung auf der Schleuse. Aber wenn nichts schief läuft, dann ist man einen Monat an Bord, einen Monat an Land, und wenn man Glück hat, kann man so für den Rest des Lebens leben. Ich ziehe mich an und gehe wieder hinaus. Es regnet immer noch, und auf dem kalten Pflaster schimmert neuer Frost. Zwischen den Gebäuden schlafen die Penner in dem Müll, den sie angehäuft haben, und ich denke an einen Spinner in Kalifornien, der den Alkis die Kehle durchschneidet, keine Ahnung, wie vielen schon. Die Penner sind wie Prinz Albert, sie haben kein Glück mehr, es geht mit ihnen bergab. Ich biege in die First Avenue ein, gehe langsam an der Reihe brechend voller Kneipen vorbei, blicke durch die Scheiben auf all die glücklichen Leute, die sich für Silvester in Stimmung bringen. Und dann sehe ich sie an einem Tisch in der Nähe der Hintertür sitzen. Ich gehe hinein, setze mich auf einen Hocker an der Bar, bestelle einen Whiskey, unverdünnt. Die Rauchwolke ist dicht, aber ich sehe ihr Bild im Spiegel hinter der Bar. Daran, wie ihr Mund schlaff herunterhängt, sehe ich, dass sie ziemlich betrunken ist. Ich schätze, sie weiß nicht, dass sie sich nicht aus allem 7 heraustrinken kann.


Ich schaue mich um. Alle diese Leute sind aus ihren Schlafkojen hergekommen, weil es für sie keine Parties gibt, auf die sie gehen könnten. Es sind Fremde, die ein bisschen Billard oder Flipper spielen, ein bisschen Alkohol trinken. Das ganze Jahr über beißen sie die Zähne zusammen – sie betanken Autos und kellnern, knallen Weiber und quälen Schwule, und nichts davon tun sie gerne, aber sie wissen, dass sie von Glück reden müssen, das zu haben. Ich suche sie im Spiegel, aber sie ist gegangen. Ich hätte sie sehen müssen, wenn sie durch die Vordertür hinausgegangen wäre, also steuere ich auf die Hintertür zu, um sie zu suchen. Sie sitzt im Regen, an ein Gebäude gelehnt, ohnmächtig und kalt. Als ich sie schüttle, sehe ich, dass sie sich beide Handgelenke bis zu den Pulsadern aufgeschnitten hat, aber der kalte Regen hat das Blut zum Gerinnen gebracht, so dass nur ein bisschen heraussickert, als ich sie bewege. Ich gehe zurück nach drinnen. »Da draußen hat ein Mädchen versucht, sich umzubringen.« Vier Kerle an der Bar rennen zu ihr hinaus, tragen sie herein. Der Barkeeper greift nach dem Telefon. »Kennst du sie?«, fragt er mich. Ich sage: »Nein. Bin nur zum Luftschnappen rausgegangen.« Ich gehe zur Tür raus. Der Barkeeper brüllt: »He, Mann, die Bullen wollen dich sicher sprechen; he, Mann …« Ich gehe die Avenue entlang und denke daran, wie Scheiße immer untergeht und wie alle diese Städte ihre Scheiße im Fluß abladen, damit der sie bis zum Delta trägt. Dann denke ich an das Mädchen, das in der Gasse in ihrem eigenen Sumpf sitzt, und schüttle den Kopf. So tief bin ich nicht gesunken. Ich bleibe vor der Bushaltestelle stehen, schaue auf die wartenden Leute und denke an alle die Orte, zu denen sie fahren. Aber ich weiß, dass sie nicht weglaufen können oder sich heraustrinken können oder sterben können, um ihr Ding loszuwerden. Es ist immer da, du schaust nur jemanden an, und schon kriegst du einen Blick der Marke Zorn Gottes. Ich biege ab zum Hafen, gehe hinunter, um nachzusehen, ob die Delmar vielleicht früher einläuft.

"Der Abdruck dieser Erzählung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von weissbooks.w. Dort sind die "Stories" von Breece D'J Pancake in diesem Jahr erschienen."

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Gregory Crewdson Untitled 9 2007 'Beneath the Roses‚ © the artist Courtesy White Cube


BROTLOSE KUNST von Marcus Mohr Der Regen pfeift und schlägt und tönt auf dem Wellblechdach des Fahrradschuppens wie in Fett brutzelnde Bratkartoffeln, und er fragt sich, warum die meisten Geschichten damit beginnen, vom Wetter zu erzählen. Er sitzt am Fenster, das auf kipp steht. Es ist recht mild für einen Herbsttag, und er trägt nur eine kurze Jogginghose und ein T-Shirt, das sehr knapp sitzt. Zwischen Hosenbund und T-Shirtsaum blinzt ein Stück weißer Bauch hervor, und ein sporadischer Haarwuchs. Er ascht in eine offene Wasserflasche, und wenn die Asche das am Boden stehende Restwasser trifft, zischt es kurz. Es ist Spätnachmittag, und er kann dabei zusehen, wie die Straßenlaternen der Reihe nach angeschaltet werden. Was ich nicht alles schreiben könnte, denkt er. Als Schreiber ist man der Gott seiner Welt, Schöpfer und Diktator zugleich. Ich könnte mich zu meinem eigenen Protagonisten machen, mich mit einem muskulösen Körper ausstatten, mir einen Ohrring verpassen und mir einen Job besorgen, sagen wir in einer Buchhandlung, die nur französische Literatur führt. Tagsüber würde ich arbeiten, und nachts würde ich durch die Bars ziehen, in jedem Arm eine schwül-erotische Schnepfe, mit Laufmaschen in ihren halterlosen Strümpfen und spachteldickem Rouge und fehlenden Vorderzähnen. Zu jedem Bier gäbe es einen Tequila. Zu jeder Zigarette einen Groschen für die Jukebox. Und wenn es morgens hell wird, werde ich alleine durch die Straßen nach Hause ziehen, pfeifend und steppend. Es würde immer regnen, jedenfalls in dieser Story, in dieser Novelle, in diesem Roman. Ich könnte aber auch über einen blaublütigen Kosaken schreiben, über japanische Walfänger mit Hang zur Melancholie, über eine OP an einen eingewachsenen Fußnagel, über Süßstoff und einen Päderasten im Kindergarten. Über einen überriechenden Kanalarbeiter, der nach Feierabend in der U-Bahn versehentlich auf eine dänische Dogge tritt, die ihm daraufhin die Beinarterie durchbeißt. Oder über einen Kautabak kauenden Viehdieb in Oregon, über schwule Pandabären und angegraute Tenöre, über eine Keksfabrik, Herzgegend des hiesigen Industrieparks, und die nachts Feuer fängt, weil ein Kurzschluss überschlägt, und der ganze Ostteil der Stadt wird nach Spekulatius und Kandis riechen. In Geschichten kann man jeden Tag saufen, ohne an einer Leberzirrhose einzugehen. Ich wäre der medizinische Leiter, und ich würde darüber bestimmen, wann wer stirbt oder mit einer aufgepumpten orangefarbenen Rettungsweste über eine Verkehrsinsel geht. Ich könnte Dörfer und Städte und Ödland errichten. Eine Stadt mit zehn Wahrzeichen, jedes obskurer als das andere. Ein Dorf mit eintausendzweihundertsechsundvierzig Einwohnern und dreiunddreißig Ortsvorstehern, wovon zwei Frauen sind, und eine von beiden ist über vier Ecken mit Hermann Göring verwandt. Ein Ödland in Kansas oder den Philippinen oder Westnigeria, wo es seit einem viertel Jahr nicht mehr geregnet hat. Oder eine Story über einen einbeinigen Kettenraucher, der sein Bein verlor, als es damit in das Mahlwerk einer Kornmühle fiel. Er wird Jimbo oder Erwin oder John-John heißen, und jeden Tag raucht er einhundert Zigaretten. Er wird wie ich am Fenster sitzen und nach draußen kucken, und er wird rauchen und Kaffee trinken und darüber sinnieren, wie viele Zigaretten er schon sein Leben lang geraucht hat. Und als er auf neunhunderttausendneunhundertachtundneunzig kommt, beschließt er, eine letzte Zigarette zu rauchen und hört dann tatsächlich auf, weil er der Überzeugung ist, sollte er bei einer Millionen angelangen, an Lungenkrebs zu sterben. Vielleicht schreibe ich aber auch eine schlüpfrige Story, über eine blank rasierte Walze, die über zweihundert Pfund auf die Waage bringt. Deren Oberschenkel aufgescheuert sind, weil diese beim Gehen immer aneinander reiben. Und die sich so gern vögeln lässt, der aber ihr Gewicht im Wege steht. Die den ganzen Tag durch die Kneipen pirscht, weil sie gehört hat, dass besoffene Männer sich oft 10 dreißig bis vierzig Kilogramm wegdenken, wenn ihre Eier kurz vorm Platzen sind. Enden wird die Geschichte in einem Stundenmotel, in dem


sich die dicke Frau von einem kleinwüchsigen Mann ficken lassen möchte, dessen Schwanz aber so klein ist, dass er bis zur Möse der Frau nicht durchkommt. Letztlich fickt er eine Bauchfalte ihrer Fettschürze, und die Frau ahmt einen Orgasmus nach, der so laut ist, dass im Nachbarzimmer ein herzkranker Oldtimer einen Infarkt bekommt und daran stirbt. Es regnet noch immer, und er beobachtet, wie der Niederschlag auf Pfützen und Schirme und Vordächer prasselt. Kaum jemand geht über die Straße, und die, die es doch wagen, verstecken sich hinter zeltgroßen Schirmen. Autos fahren mit eingeschaltetem Licht und hektischen Scheibenwischern. Er zündet sich eine Zigarette an und nimmt drei schnelle Züge. Er weiß nicht, wie lange er jetzt schon hier am Fenster sitzt und darüber nachdenkt, was er alles schreiben könnte. Zwei Stunden? Drei oder vier? Eigentlich sollte ich etwas essen, denkt er, aber dazu bräuchte es Hunger oder wenigstens Appetit. Er sieht sich in seiner Küche um und erkennt, dass er mehr Geschirr in der Spüle stehen hat als in den Schränken. Ich sollte den Abwasch machen, aber dazu fehlen mir Elan und Lust und Zeit. Zeit … die er eigentlich hätte, aber – jede Minute, die er für sinnfreien Kram verplempert, halten ihn von der Schreibmaschine fern. Vor drei Tagen ist er das letzte Mal im Sägewerk erschienen. Er meldete sich krank, sagte, er hätte da was am Magen, was ärztliche Klärung bedarf. Seitdem hockt er seine Zeit im zweiten Stock ab, schreibt und raucht und trinkt Kaffee, oft mit einem Schuss Wodka. Er mag das Trommelfeuer der Schreibmaschine, wenn er die Tasten bearbeitet. Und er hat sich an das hakende S gewöhnt. Die meisten Nachnamen beginnen mit S und M, und er glaubt, dass das auch für Hauptwörter gilt, für Städtenamen und Sachgegenstände und Krankheiten und Flugkörper. Er hat mal darüber gelesen, dass viele Schriftsteller Notizbücher führen, die sie immer mitnehmen, wenn sie unterwegs sind. Und wenn sie an der Kasse im Supermarkt stehen oder im Wartezimmer ihrer Steuerberaters oder in einem Waggon eines Riesenrads sitzen, dann zücken sie es, sofern sie eine zündende Idee überfällt, die gegebenenfalls als Schlusspunkt oder Eröffnung oder Ausstaffierung eines Charakters helfen mag. Einige verbringen Monate damit, ein Exposé anzufertigen. Erst wenn dieses in trockenen Tüchern ist, beginnen sie mit der Reinschrift. Und es soll sogar Schriftsteller geben, die, während sie an ihrem eigenen Werk arbeiten, keine anderen Autoren lesen, weil sie Angst haben, deren Stil könnte sich mit ihrem vermengen. Er fährt jäh auf, als das Telefon im Nebenzimmer klingelt. Sechs mal schellt es, bis der- oder diejenige am anderen Ende der Leitung davon ablässt. Er telefoniert nicht gerne. Es mag es nicht, mit Menschen ein Gespräch zu führen, ohne deren Gesichter zu sehen. Wenn er persönlich welche antrifft, dann verfolgt er interessiert deren Mimik und Gestik und den Farbklang ihrer Stimme, wenn sie reden. Er photographiert mit den Augen und zeichnet vollakustische Tonbänder auf und speichert alles ab, um später, wenn Bedarf besteht, aus seinem Input gare Kartoffeln zu schöpfen. Er schreibt in seinen Gedanken: „Sie hatte einen leichten Tick, während sie mit ihm sprach. Ihr linkes Auge zuckte immerzu unkontrolliert. Ihre Hände bewegten sich unaufhörlich, und er sah, dass unter ihren langen Fingernägeln angegrünter Dreck lag. Sie erzählte ihm von ihrer Schwester, die an ihrem Ehemann zerbrochen war, der, obwohl er nur schnell Zigaretten holen wollte, nie mehr zurückkehrte. Immer wenn sie das Wort ‚Schwester’ aussprach, legten sich ihre blutleeren Lippen schief, so als würde ihr das Wort schmerzen. Trotz dass sie noch sehr jung war, hatte sie Krähenfüße um die Augen, die ihn an eine Erderosion erinnern ließen.“ Das, was er da in seinen Gedanken schreibt, beruht auf eine wahre Begebenheit. Aber als Autor ist man freiheitsliebend, und man liebt die Autonomie, die Realität jederzeit umschreiben zu dürfen. Er schmeißt die Zigarette in die offene Wasserflasche, und es knistert kurz. Dann schreibt er seine Gedanken um: „Sie hatte einen leichten Tick, seitdem sie als junges Mädchen von ihrem Vater missbraucht worden war. Alle zehn Sekunden klimperte sie mit ihren Augen. Er saß ihr gegenüber, getrennt durch einen Pappkarton mit weißer Spitzendecke, der ihr als Couchtisch diente. Sie hatte alte Hände, runzelig und nervös, und ihre langen Fingernägel waren spröde und dreckig.

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Dauernd fuhr sie sich über die blutleeren Lippen, die leicht schief lagen, weil sie schon mit Ende Zwanzig einen genetisch bedingten Schlaganfall hatte. Ihre Schwester, die sehr früh von ihrem Ehemann verlassen wurde, starb vor zwei Jahren an einem stärkeren Schlaganfall. Wenn sie von ihr sprach, begann sie zu schluchzen. Ihr ganzer Körper bebte dann, und sie schniefte ihren Rotz in ein Stofftaschentuch. Um ihre Augen waren winzige ineinander geflochtene Narben, die aussahen wie Erderosionen.“ Schuhgröße achtunddreißig hat seine Bekannte, und sie trägt oft Sandalen. Sie könnte aber auch Clogs tragen. Oder Schnallenschuhe. Oder silberne Pumps mit Absätzen, die sie drei Köpfe größer machen. Der Regen hat an seiner Heftigkeit eingebüßt. Es nieselt nur noch. Lauter ist jetzt das Regenwasser, das in der Dachrinne gluckernd abfließt. Er steht auf und streckt sich. Sein Rücken knackt ungesund wie eine aufgebrochene Erdnuss. Er schnappt sich seine Zigaretten samt Feuerzeug und geht ins Nebenzimmer. Er schaltet das Licht ein, und die Energiesparbirnen, die in seinen Kronleuchter eingeschraubt sind, werden eine halbe Ewigkeit brauchen, bis sie das Zimmer taghell machen. Früher hat er morgens und mittags und nachmittags geschrieben, aber die Zeiten sind vorbei. Heute kann er nur noch abends schreiben. Tagsüber schreibt alleine sein Kopf die Zeilen vor, die später in der Abschrift seine Finger tippen. Und jetzt, da es Abend ist, geht er entschlossen auf seinen Sekretär zu, in dessen Mitte seine Schreibmaschine steht. Links daneben, auf dem Boden, türmt ein riesiger Stoß weißes Papier, das darauf wartet, von ihm gefüllt zu wurden. Wie ein Pianist mit Drall zur leichten Theatralik setzt er sich auf den Schemel davor. Er lässt seine Finger knacken, und dann beginnt er in die Tasten zu hämmern. Musik, denkt er. Ich schreibe Strophen und einen Refrain, so intensiv, dass man ihn sehen wird. Opern schreibe ich, ganze Symphonien. Und auch wenn er noch nie einen Cent mit seiner Schreibe verdient hat, weiß er, dass hier ist das, was mich über die Runden bringt, was mich nicht wahnsinnig werden lässt, was mich am Leben hält. Und seine Geschichte beginnt wie folgt: „Der Regen pfeift und schlägt und tönt auf dem Wellblechdach des Fahrradschuppens wie in Fett brutzelnde Bratkartoffeln, und er fragt sich, warum die meisten Geschichten damit beginnen, vom Wetter zu erzählen.“

EIN TRAUM IM TRAUM von Hilmar Reusch Blitze flimmerten durch die Wolkendecke. Entlang der Alpenwände grollte ein finsteres Lied. Peng! Das verhieß nichts als Ödland – dort oben in den Höhen, dort, wo es nur Spinner hinziehe, fragte man die Menschen in den Dörfern. Doch der Sehnsucht trunken machte sich die Hand voll Bauern an den Aufstieg. Ihre Hoffnung: dem Wahn der Fürsten talwärts zu entfliehen. Ihr Antrieb: Reiner Wille. Und keinen Gedanken, keine Minute, keine Sekunde verschwendeten sie daran, sich ein letztes Mal nach der alten Welt zu wenden. Wozu auch? Keiner von dort würde ihnen folgen. Ich fuhr den Rechner runter, kündigte. Bevor ich der Gesellschaft adé sagen würde, wollte ich ihr aber noch Gelegenheit dazu geben, es mir gleich zu tun. Da ihr Großteil bereits durch Tölpel-Clownerie und Doku-Soaps verblödet worden war, käme ein Aussteiger, der den Geist der Gruppe atmet, keinem suspekt vor. Schon gar nicht dort, wo Millionen von Holzköpfen tagein tagaus bei Spontankäufen die Seele baumeln lassen. Doch hinter ihrer Trödelei steckte System. Ja, die waren gewieft! Denn während sich der Westen, der Süden und alle Teile des Ostens 12 gegenseitig die Köpfe einschlugen, fragte sich keine Sau, was die im Norden ausbrüten – außer mir, versteht sich.


Es wird viel zu selten offen darüber geredet, in der Möbelszene hatten sie schon immer Pattex an den Fingern. Unweit ihres Tempels schloss daher ich mein Fahrrad ab. Die Besitztümer gesichert, strebte ich alsdann über den Parkplatz auf den Eingang zu. Gesäumt wurde mein Pfad von Verteilungskämpfen rund um die entweihten Gebeine Gaias und Demeters. Nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln gönnten die einander. Einige Meter vor ihrem gläsernen Foyer blieb ich stehen. Mit gespanntem Rückgrat vergegenwärtige ich mich des Vorsatzes, Gegner nie zu unterschätzen, und nahm einen tiefen Atemzug. Ein Mann in Uniform sprach mich von der Seite an. „Hey, kann ich dir helfen?“ „Kennen wir uns?“ „Wüsste nicht woher.“ „Warum duzen Sie mich dann!?“ Er schaute mich an wie’s Leiden Christi. Meine Anteilnahme hielt sich aber in Grenzen. Denn das zauberhafte Lied auf eine Welt, in der wir alle nur Gutes füreinander übrig haben, es ist der Sirenengesang aller Güte Schänder: Wo sie einem nicht das Du aufzwingen, retten sie mit Benzin den Regenwald oder schützen personenbezogene Daten sobald man sie ihnen überlässt. Mit Herz, Verstand und Prüfsiegel ihrer eigenen Institute und Stiftungen überfischen sie anderswo die Ozeane, eröffnen Talenten aus der Dritten Welt ungeahnte Möglichkeiten in der Ersten oder bändigten den demokratischen Rechtsstaat. Alles für die gute Sache ... also uns ... oder viel besser für sie als Teil von uns ... was auch immer uns ausmachen mag. So wird Gewissenlosigkeit zur Ehrenschuld, und die Bürde der Bestimmten ist nicht nur, unentwegt Scheiße zu schippen, nein, sie sollen sich auch noch darüber freuen. – Vorübergehend würde ich ihr Spiel aber mitmachen. „Oh, Verzeihung! Dort wo ich herkomme, gehen die Menschen nicht so offen miteinander um.“ Wie von seinen Chefs aus der Steueroase Curaçao angeordnet, brachte er volles Verständnis für meine Rückständigkeit auf. Ich erzählte ihm, ich stammte aus der unzivilisierten Welt, wo ich einem entmenschten Adelsgeschlecht angehöre, das die Landlosen seit Anbeginn der Zeiten mit Hexerei drangsaliere. Dafür brachte er weniger Verständnis auf. Weil er dennoch Beweise für meine Ausführungen einforderte, sah ich mich dazu gezwungen, meine finsteren Fertigkeiten zu demonstrieren. Er meinte: „Und keine Tricks, Pilger!“ In Windeseile entledigte ich mich der Jacke, krempelte die Ärmel hoch und drehte mich wie eine Spieluhrballerina. „Hier passiert nichts, was du nicht willst und das aus vollem Herzen.“ „Ja, gut!“ Ich lief auf die gläserne Schiebetür des Eingangs zu. Nach ein paar Schritten hielt ich inne, wand mich ein letztes Mal nach ihm. Entschlossen nickte ich ihm zu und setzte meinen Marsch fort. Kurz bevor ich an die Scheibe donnern würde, hörte ich es hinter mir aufjaulen – „Das können Sie doch nicht machen!“ – aber ich setzte einen weiteren Schritt nach vorn. Wie von Geisterhand öffnete sich die Türe. Im Foyer blieb ich stehen. Vor seinem Fischmaul glitt die Tür wieder zusammen. Als ich einen Schritt zurück auf ihn zu machte, ging sie auf ebenso mysteriöse Art und Weise wieder auf. Er kaum aus dem Staunen nicht mehr heraus. Im Nu fanden sich Schaulustige ein, für die ich die Vorstellung wiederholte – vorwärts, rückwärts, mit Purzelbaum und zu guter Letzt im Einkaufswagen. Sodann verkündete ich, ich habe die Schnauze voll von dieser Welt und gelobte, sie in ein besseres Morgen zu geleiten. Nachdem der Jubel verhallt war, erklärte mich ein Typ mit Jogginghose zu ihrem Häuptling. Entsprechend meines neuen Standes trugen sie mich anschließend auf einem Himmelbett durch die Möbelausstellung. Klatschte ich in die Hände, eilten niedere Gehilfen mit Köttbullar und labberigen Hotdogs herbei. Zum Trinken gab’s als Wodka getarnten Korn aus Sörens Naschkorb, gleich hinter den Kassen, beim Café Thorsten und 13 Svens Dönerbude. – „Schau doch bei Gelegenheit mal vorbei!“


Mein Handy klingelte. Der Anrufer gab sich für einen gewissen Dolf Kuhn aus. Er erwähnte beiläufig – eigentlich hatte er sich verwählt – er drücke bei irgendeinem Fußballclub die Bank. Wo genau täte nichts zur Sache. Er habe sich ja schließlich nur verwählt, und man müsse nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Das sag’ ich auch immer“, pflichtete ich bei. Wir verabschiedeten uns. Inzwischen waren wir in der gewaltigen Lagerhalle angelangt. Überall roch es nach Chemie und billigem Kaffee. Ich nahm einen Schluck Korn und dachte mir, eigentlich trinke ich so was gar nicht. Dann wurde mir aber ganz schwindelig – ist das nicht verrückt!? Eine junge Mitarbeiterin aus dem Kinderparadies fragte mich, ob das mein Freund gewesen sei. Ich sagte: „Nein, das war Dolf Kuhn, irgendein Fußballspieler aus einem Ort, der nichts zur Sache tut.“ „Wieso tut der Ort nichts zur Sache?“ „Weil die Welt ein einziger Ort ist.“ „Vielleicht ist Dolf ja eine ganz große Nummer bei Manchester oder Barcelona. Brauchst nicht zu glauben, ich wär’ blöd, bloß weil ich ’ne Frau bin. Die betätigen sich auch im Rahmen wohltätiger Zwecke. Find’ ich gut!“ „Wahrlich Gutes befördert dieses Spiel, ja. Natürlich tun sie das! Und weißt Du auch warum!? Damit du dich vor der Glotze als Wohltäter fühlst. Kann doch machen, was er will, der Dorf!“ „Tja, er ist eben ein Mann, der weiß, was er will, und ich bin eine Frau, die weiß, was sie will.“ „Was du nicht sagst, Zucker! So lange man dir sagt, es sei besonders schlau, etwas Bestimmtes zu glauben, kannst du offenbar gut damit leben, bestimmt zu sein. Aber mach’ dir nichts draus! Religiöses faszinierte schon die Roten und die Braunen.“ „Was für ein doofer Vergleich!“ „Glaubst du!“ „Was soll ich denn deiner Meinung nach machen?“ „Du sollst gar nichts machen! Du könntest aber alles sein, was dich einzigartig macht. Tu es nicht für mich, tu es für die Liebe!“ „Soll das heißen, ich soll dir ein Kind schenken, mein Häuptling?“ „NEIN! Das soll heißen, dass das Zerschlagen der Götzen in deinem Kopf der einzige Weg in ein besseres Morgen ist.“ „Hab’ Dank für die erleuchtenden Worte, mein Häuptling!“ „Du willst es nicht verstehen, was!?“ Sie schaute ungläubig drein. Ihrem dummen Geschwätz nach zu urteilen, war sie seit geraumer Zeit nicht unter Erwachsene gekommen. „Und hör’ auf mich zu duzen!“, sagte ich und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche. Zusammen mit den undefinierbaren Gerüchen in der Luft ging dieser umgehend in Kopfweh über. Der Geist, er wird unweigerlich von dem erfasst, was ihn umgibt. Ne sorry, echten kein’ Bock auf Sex! Das würde morgen erledigt. Dann aber gefälligst so wie es dam Massa gebührt. Der würde ich die großen Emotionen bescheren, die sie braucht. Miststück! Das Klingeln meines Handys hämmerte mir gegen die Schläfen. Es war nochmal Dolf. Er meinte: „Wir könnten uns ja mal auf’n Bier treffen.“ „Ich weiß doch nicht mal wo du wohnst. Und schwul bin ich auch nicht, Dorf.“ Genau wie er, behauptete er jedenfalls. Abgesehen davon hieße er Dolf und nicht Dorf. Wenn ihm aber etwas richtig auf die Nüsse ginge, dann die Forderung, sich zu outen, bloß weil er mit Männern duscht.

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Ich sagte: „Mhm ... ja ... ja“, woraufhin er vorschlug, eine entlegene Hütte am Fuße des Matterhorns zu beziehen, um fernab des sozialen Irrsinns, miteinander glücklich zu werden. – „Aha“ – Es erfreue ihn überdies sehr, in meiner Person ein derart hohes Maß an Verständnis vorzufinden. – „Ah-so“ – Weil ihm die Dinge aber schnell zu nahe gingen, zöge er es ab sofort vor, von sich selbst nur noch in der dritten Person zu reden. „Eben meintest du doch noch, du seist nicht schwul.“ „Dolf fragt sich, ob Männer nicht einfach nur Freunde sein können.“ „Nicht in einer entlegenen Hütte am Füße des Matterhorns. Lass mich in Ruh’!“ „Das verwirrt Dolf! Das Leben wird seinen Blutsbruder nicht zweimal bitten. Er verabschiedet sich.“ Das tat ich auch. Holy shit! Vor dem Hintergrund, dass in so einer Wodkapulle nicht mal ein Liter Korn ist, macht das Zeug ’n Kopp wie ’n Hauklotz. Dabei hatte ich gerade mal eine der drei Flaschen in meiner Hand getrunken. Die anderen musste mir jemand untergejubelt haben. Vermutlich der Typ mit Jogginghose. Solche albernen Scherze, wären ihm zuzutrauen gewesen. Aber sei’s drum! Mit vollem Karacho warf ich die Falschen hinter einen Informationsstand – meine Meinung war ihnen ja angeblich wichtig. „Ha-ha ... was sagt ihr nun!?“ – Der von mir eröffnete Dialog blieb aber im Raum stehen. Diese unsichtbare Interaktionsmacht kam einem offenbar nur dort entgegen, wo es um ihre eigenen Belange ging. Wie rüpelhaft, dachte ich mir. Die Kleine aus dem Kinderparadies platze hervor: „Warum duzen Sie Dolf?“ „Das ist Dolfs und meine Sache!“ Der Typ mit der Jogginghose brachte sich ein: „Sie verheimlichen uns wohl was.“ „Warum sollte ich Geheimnisse mit einem Spinner wie Dolf haben!?“ Sie schimpfte: „Dolf hat Ihnen nichts getan! Das ist nicht fair!“ „Na und!? Was diese Schweine mit Jesus gemacht haben, war auch nicht fair!“ Der Typ mit Jogginghose meinte, in einer aufgeklärten Welt sei es kein Problem, einen Schwulen zum Häuptling zu haben. Im Gegenteil, das wäre ein voll unnormales Manöver und deshalb megamäßig krass. „Blödsinn! Ein Schwuler ist ein Schwuler, sonst gar nichts! Mir fällt außerdem kein Despot ein, der ... na ... na ... der sich nicht auf die Fahne geschrieben hätte, den Menschen lediglich reinen Wein einzuschenken. Niemand ist aufgeklärt! Schon gar nicht Leute, die es von sich selbst behaupten.“ Sie glotzten mich entgeistert an, denn mit Kritik an ihrem Discount-Humanismus bricht für solche Spaten eine Welt aus Pressspan zusammen. Wo, wenn nicht in ihrer blauen Blechkiste, konnte man sich im Einheitsbrei so gewitzt, so distinguiert, ja avantgardistisch wähnen? Wo sonst war Sparen so teuer und Ramsch so erlesen? Hier hatte alles seine postfordistische Ordnung, und seine Einkäufe selbst zu scannen, ging heftiger ab als LSD auf dem Weihnachtsmarkt. Hatte man darüber hinaus eine Familienparty-Bonus-Sonderkarte, konnte man sich glücklich schätzen, mitsamt Anhang endlich im Zeitalter absoluter Austauschbarkeit angekommen zu sein. – Wir schwebten durch ein Koliedoskop aus Träumen in Träumen, man konnte sie lieben oder hassen. Ich nahm den Typ mit Jogginghose etwas genauer unter die Lupe. Seine Kunstlederjacke kam mir irgendwie bekannt vor. „Ey, wo hast’n du die Jacke her?“ „Gefunden.“ 15 „Ach, gefunden, was!? Zieh’ die sofort wieder aus!“


„Nö! Und hör ma’ auf mich zu duzen, ey! Bin ich hier der Neger oder was?“ Mit zwei Klatschern auf den Handrücken veranlasste ich, das Himmelbett abzusetzen. Wieder mit festem Boden unter den Füßen, bedrängte ich den Halunken. „Pass’ ma’ auf Freundchen, du rückst jetzt sofort die Jacke wieder raus!“ „Pfoten weg, sonst gibt’s hier echt was auf’s Maul!“ „Gib’ die wieder her!“ „Verpiss d’ch ma’, du Hoden!“ Unser Streit ging über in ein Handgemenge. Bald darauf glühte meine Birne in seinem Schwitzkasten. „Na!? Wem ist die Jacke jetzt, hä ... hä!?“ Mein Handy klingelte schon wieder. Ich dachte aber nicht im Traum dran, abzuheben. Abgesehen davon, hätte es »wessen Jacke« oder »wem gehört« heißen müssen. Diese Arschgeige darauf hinzuweisen, lag mir allerdings noch ferner. Und als Hoden hat der mich tituliert! Das muss man sich mal überlegen! Unerhört, so was! Man kann seine Mitmenschen doch nicht einfach als Hoden titulieren. Zum Glück konnte ich eine Pfeffermühle aus dem Sonderangebot fassen und ballerte ihm das Ding auf die Zwölf. Sein Griff löste sich. Wieder frei, schleuderte ich ihn in ein Knäckebrotregal, das unter der Last seines unerotischen Körpers zusammenbrach. Benommen blieb er liegen. Dolf hatte mir anscheinend etwas Wichtiges zu sagen. Mein Handy klingelte und klingelte und klingelte. Und diese Kopfschmerzen machten mich rasend. Ich musste dringend raus an die frische Luft, in die Freiheit. Deshalb zog ich dem Gespräch mit Dolf die Sicherstellung des Diebesgutes vor, ließ den schönen Worten endlich Taten folgen und ergriff die Flucht. Ausgelutscht wie ein Drops stolperte ich Richtung Ausgang. Kurz bevor ich die Türschwelle passieren würde, packte mich aber jemand von hinten und zerrte mich ins Kinderparadies. Dort wurde ich mit einem Feuerwehrauto bewusstlos geschlagen und im Ballbecken ersäuft. Zuletzt war mir, als hörte ich ein dumpfes Klingeln in der Ferne. Es klang so ähnlich wie »dolf! ... dolf!« Hoch oben in den Bergen, dort wo die Luft würzig und das Stroh manchmal knapp ist, dort lebt Dolf. Tagein tagaus schnitzt er im Extrembereich Pfeffermühlen, Garagentore und Einbauküchen – was man eben so braucht. Nach getaner Arbeit wäscht er seinen geilen Body an einem Wildbach, der sich hinab ins Tal windet – nach dort unten, dorthin wo die Spinner wohnen. Und manchmal, wenn er auf einem Ameisenhügel einnickt, träumt er von dem geheimnisvollen Fremden, der ihm wie ein verlorener Bruder schien – nur dass er kein Bier mit ihm trinken wollte. Ja, und dann träumt er so süß und schnarcht so genüsslich, dass aus dem Unterholz Hirschbullen, Frischlinge und Auerhähne heranschleichen, sich zu ihm kuscheln, und einfach nur glücklich sind. Mensch Dolf, du hast es gut!

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Gregory Crewdson Untitled 17 2006 'Beneath the Roses‚ © the artist Courtesy White Cube


RÜSTUNG 9 (Urs Böke) Die besten sind niemals am weitesten weg es ist keine Frage von Geographie es ist keine Antwort von Zukunft Es ist wie das Eintauchen in ein Aquarium den Kopf zuerst in Algen und Fisch Es ist keine Antwort von Herkunft wenn Land statisch kartographiert wird es ist keine Frage von Kämpfen es ist eine Hinrichtung irgendwo Es ist wie das Eintauchen in ein Aquarium das Herz zuerst in Blasen und Fisch Die besten sind niemals am weitesten weg denk dir Bedeutungslosigkeit und Verlust darin bin ich der König von Lydien mein Herz blutet immer Es ist wie das Eintauchen in ein Aquarium die Sensoren zuerst in Kälte und Fisch Es ist eine Hinrichtung irgendwo der letzte König von Lydien stirbt denk dir Bedeutungslosigkeit und Verlust wenn die besten im Grunde so nah sind.

FLIEGENGLEICH (Ralf Benkard) Fliegengleich gefangen im netz meiner träume verknüpfte hoffnungen die mich halten und lähmen klebrig gesponnen bleib ich gefangener meiner sehnsüchte

KEHRSEITE (Ulrich Kersten) Das Leben verließ ihn an einem warmen Dienstag im April, seine Zeit war abgelaufen, alle Farbe aus ihm gewichen und sein Bauch wölbte den schwarzen Samt. Nachdem er im Kühlfach verschwunden war fiel der leere Transportsack wieder in sich zusammen und die violette Kehrseite der Samtdecke hing träge über den Rand der Bahre. Sie leuchtete wie eine Blüte in der warmen Aprilsonne als wir die leere Bahre zurück über den Hof schoben und ich überlegte, mir wieder eine Uhr zuzulegen.

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ANOTHER NIGHT

WITH

NICK FLYNN

“Nick Flynn has worked as a ship's captain, an electrician, and as a case-worker with homeless adults.” That’s how one could describe Nick Flynns career with a few words before “Bullshit Nights” and “Ticking is the Bomb” came out. But the bomb has exploded and the aftermath is a great piece of art. Nick Flynn has worked his way up from the depths of bullshit nights through the bombings of his own spiritual wars…

in

SUCK CITY

LV: What helps you through „bullshit nights“? NF: Knowing they will pass. LV: Did the tragic events in your life created the writer in you? NF: Impossible to say…they certainly are a part of me. I imagined myself a writer before the tragedies manifest, though they were likely there all along.

“I can still surprise myself, so I don’t know if I know who I really am.” © Geordie Wood (2010)

LV: You spent your teenage years mostly as a drifter. What made you so restless? NF: I wasn’t really a drifter, just a drunk. I was drifting through the bad neighborhood of my mind, mostly, occasionally waking up in an unfamiliar city. By the time I reached twenty I had a desperate need to create a home for myself, but all the ways I tried were wildly tenuous, like living on a boat, or in a former strip joint. LV: What gives you the main inspiration for your writings? NF: Paying close attention to the world, which is how Simone Weill defined prayer.

LV: How much does “fear” effect your work? 19 NF: I think I carried a lot of fear inside until I was about thirty, and I think much of it has dissipated. I don’t think I could write anything in the grip of it.


LV: “Bullshit Night in Suck City” is about your part as a son of a struggling father while “The Ticking is the Bomb” is partly about you becoming a father who is very concerned about it. Would you say you had to go these two roads to know who you really are? NF: I can still surprise myself, so I don’t know if I know who I really am. LV: How is it being a father and a writer? NF: It’s a cliche to say that my daughter is teaching me everything I need to know to move forward, in both life and my writing, yet it seems true, at least today. LV: You write about torture and the struggle of the people in war zones or people who live on the streets. Do you feel somehow connected with their pain? NF: Aren’t we all connected to each other’s pain? I think a lot of the mental illness in the world is an attempt to deny that. LV: What makes a good poem? NF: For me, if I can read it a hundred times and still find corners of it that I’d never seen before. LV: What’s your favorite poem? NF: Depends on who I am that day. Since you’re german I’ll say Rilke’s elegies, knowing it will irritate my german friends. LV: What are you reading currently? NF: Rebecca Solnit, Annie Dillard, Kelle Groom. LV: Your last publication was a play called Alice Invents a Little Game and Alice Always Wins. Can you tell us a bit about it? NF: Actually that was three books ago. it opens with a man who locks himself out of his apartment, and spends the rest of the play trying to get back inside, but he never does. LV: “Bullshit Night in Suck City” is coming to the theaters next year, starring Robert de Niro, your wife Lili Taylor and Julianne Moore. Are you nervous about how the movie will do? NF: Not nervous, no. Should I be? LV: What are your plans for the coming months? NF: It is summer, and so I hope to swim as much as possible. Thanks, Nick! Bullshit Nights, Piper Taschenbuch, ISBN 978-3492247627 Das Ticken ist die Bombe, Arche Verlag, ISBN 978-3716026199

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LV VS WV PART II STARRING: WILLY VLAUTIN as Himself

“I know a lot of people say they have no regrets, but I have regrets. Sure I do. I’ve fucked up a lot of things.”

LV: Last time we talked it was in Spring 2010, so around one year ago. How was life treating you in the past 12 months? WV: Things have been pretty good. I’ve been working hard on a novel and my band, Richmond Fontaine, has just finished our new record, “The High Country”. I’m really pleased with how it came out. It’s wild and it has Deborah Kelly from a band called the Damnations on it. She’s one of my favourite singers and does four songs so I’m really proud of this one. It’s our most ambitious recording to date and very cinematic. We start touring in the fall for it*.

LV: Early this year, April ’11, you won two Oregon Book Awards for your novel “Lean on Pete”; the Ken Kesey Award for Fiction and a new Readers' Choice Award. How did you feel about it? WV: Well it’s the first time I’ve ever won anything besides a live turkey, and I was ten years old when I won that. The way I look at that sort of thing is that luck fell on me, and I’m grateful as hell that it did. But it is luck. But that luck will help Lean on Pete and that’s the main thing. It’ll keep Pete afloat a bit longer. LV: “Lean on Pete” is a tragic story about a young teenage boy who is struggling through life. Do you see similarities when you look back to your own adolescence? WV: I do, Charley Thompson is a lot like me except he’s tougher and more resilient. Plus I had a mom who was stable, who worked hard for us. But the thing she always taught us was that it doesn’t take much for a hard working family to fall apart. A job loss or medical bills and you could lose everything. I was raised to think that if you didn’t watch out you could end up on the street. Charley came out of that. 21 *Richmond Fontaine kommen im Herbst nach Deutschland. Genaue Termine stehen noch nicht fest. Mehr Infos unter www.richmondfontaine.com


LV: Are there a lot of things you regret when you look back? WV: I know a lot of people say they have no regrets, but I have regrets. Sure I do. I’ve fucked up a lot of things. I know it’s trap to always look back and beat yourself up or someone else up for the situation you find yourself in. There have been times in my life where I’ve tried hard and have been honourable, but there have been times when I’ve been weak and drunk and a bum. I wish could change those times, but then I can’t. So I just try and remind myself of my past mistakes in hopes I won’t do them again. Like I said looking back can be rough, it can be debilitating. But not looking back can be just as rough in a different way. LV: Did you do good in school? WV: I tried hard in school and I liked school quite a bit, but I wasn’t a good student. For as hard as I tried at it you’d think I’d have been the valedictorian, but in truth I was just average at best. But I enjoyed it. I liked the structure and learning, and I admired teachers. I liked the calmness of it and the stability of it. LV: What about college? WV: My mom told me I had to either join the army or go college or she’d kill herself. I believed her. It was up to me. I played football all through school and I was tired of guys yelling at me and being around violent men. I figured the army was just a continuation of that way of life. College seemed a lot easier, and it was. I just had a little job and spent my time in the library reading novels. Again I liked the school aspect of it, I liked studying and trying, but I’m embarrassed to say I barely got by and I spent 5 nights a week in the library. The problem with me is that I spent all my time reading novels. LV: Do you still remember most of the jobs you had before you became a well known author? WV: Sure I’ve had a lot jobs like anyone else. I’ve worked for trucking companies and warehouses mostly. But my break was when I became a house painter. It ain’t much of a job but it was the first time I had real money in my pocket. Plus later on, it was the first time I became my own boss. I still paint now, but not more than four jobs a year. I don’t want to lose my chops, ‘cause you never know when you’re going to have to go back. LV: I heard Hollywood is planing to turn “Motel Life” into a movie. How far is the post production? WV: You’re right they are making a movie! It’s very exciting. They were nice enough to let me come down and watch them shoot some of it. I even met Kris Kristofferson. It was really something. The good news is I really like the people making it so I have my fingers crossed for them, I hope it’s a good movie. LV: A lot of novels are turned into movies nowadays. Is that the big chance for writers to make a a nice stack of money after just one novel? WV: You’re right it does help things for the novelist. It’s hard to writing realist/literary fiction and make a living!! LV: What’s up next for you? Working on a new novel? WV: You’re right I am working on a novel about nursing. I’m four or five drafts in. It’s like a broken down car, I’ve almost got it started I just have to keep tweaking on it. Thanks, Willy!

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LIFE IS RAW There is music that turns a grey cold day in november into a bright shinny summer afternoon and there are songs that boys are singing after they just got off the phone with their beloved girlfriends. There is music that can only be described when you take one out and show him the ocean while the sun sets and there is this kind of music that makes the dogs run happily through the garden catching soap bubbles and there is this lovely tune playing on the radio while mother is out cutting roses next to the white picket fence and then there is Roger Alan Wade singing: I’d like to shoot you in the ass with a BB gun - lay there in the tall grass and laugh at what I done.

LV: You have a certain amount of serious country/blues songs with melancholic lyrics and on the other hand you having a lot of funny tunes. Is it hard to switch from one mood into the other sometimes or does it help? RAW: The mood swings have eased up since i got off moonshine & narcotics. LV: Would you call yourself a redneck? RAW: No, just plain white trash. LV: “If you’re gonna be dumb, you gotta be tough.” I think that a great phrase that should be shown in every classroom around the globe. How often did you have to use in your life? RAW: Twice a month. LV: You wrote songs for singers like Johnny Cash, Waylon Jennings, or Hank Williams Jr. Are there any songs you wished you would have wrote for them? RAW: Ryan Dunn and i wrote one called "Shrooms & Moonshine". I wish they would have done that one.

„There is a thin line between praying and the crazy man just talking to hisself.“ - RAW

23Photos by Rick Kosick, Shandy Dixon, and Winker Withaneye


LV: Where is the place that you call “home”? RAW: Sweet ol' Chattanooga, Tennessee. LV: There are some shows coming up in California, Tennessee and Georgia. Are there any plans coming over to Europe? RAW: As soon as possible, for sure. LV: What do you remember from your last trip to Europe? RAW: Two ol' whores from England. LV: What’s your favorite Jackass stunt? RAW: "Great Nutshots" LV: Was “Too Fat to Fly” the most relaxing album in the making after “Duguello Motel” was doing so well? RAW: Yes, we had a hell of a time making that one. LV: The greatest song to play when you are dunk is...? RAW: Jumpin' Jack Flash LV: How would you desribe your audiences in your shows? RAW: Big, big fun & very loyal. Awesome. LV: Someone who writes a lot might read a lot as well. How about you? Had some good reading lately? RAW: Balzac. LV: Any good advises for hangovers? RAW: Popsicles

„Deguello Motel“ und „Too Fat To Fly“ auf CD & Download im Internet. Mehr Musik von Roger & Infos unter www.myspace.com/rogeralanwade

LV: And we end this with one of them classic questions: how authentical are your lyrics? RAW: The lies they tell are true. LV: Thanks, Roger! RAW: Thank You, my friend. Thanks for keeping the music alive.

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DIE

Bären sind los! von Martin Beyer Jupiter Jones aus der Eifel sind nicht nur die Lyriker unter den Rockbands mit deutschen Texten. Mit Ihrem aktuellen Album „Jupiter Jones“ und ihrer Single „Still“ sind sie die bisher erfolgreichste Rock-Band in Deutschland im Jahr 2011. Ausverkaufte Konzerte, Chart-Erfolge und die wohl längste Tour in der Geschichte der Band. Die LV sprach mit Gitarrist Sascha Eigner und Sänger Nicholas Müller im Tour-Bus.

„Ich habe aufgehört, mir über Dinge Gedanken zu machen, die man sowieso nicht beeinflussen kann.“ - Sascha Eigner

LV: Ihr seid seit regelmäßig auf Tour. Zum ersten Mal in der Bandgeschichte von Jupiter Jones sind Tourtermine innerhalb weniger Tage ausverkauft. Woher kommt der „plötzliche Erfolg“? SE: Es ist, glaube ich, kein plötzlicher Erfolg. Es ist eine Mischung aus vielen Dingen. Wir haben das ganze acht Jahre lang in Eigeninitiative aufgebaut. Wir haben jetzt ne Plattenfirma, die viel mehr Geld hat, um Promo und Marketing zu machen, was wir vorher nicht hatten, weil wir alles selber gemacht haben und wir waren mit dem richtigen Song zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. „Still“ hat durch die vielen Radioeinsätze ganz viele Türen aufgemacht. LV: Eure Tour heißt „The finnish line Tour“. Auf dem Tour-Foto steht Ihr vor einer finnischen Sauna. Was hat Eure Tour mit Finnland am Hut? NM: Wir haben Fotos für die Tour gemacht, wo wir neben einer finnischen Sauna stehen und wir brauchten nen Tour-Titel. Da wir ganz große Freunde schlechter Wortspiele sind, sind wir zu dieser gnadenlos genialen unglaublich guten Idee gekommen, dass ganze „The finnisch Line“ zu nennen. 25 Der Titel lässt sich nicht wirklich erklären. Aber vielleicht macht das das Mysterium Jupiter Jones aus. (Lachen)


LV: Spielt Ihr auf der kommenden Tour nur Songs aus dem aktuellen Album oder auch älteres Material wie z.B. „Wir sind doch nicht Metallica oder „Momentaufnahme“? NM: Momentaufnahme leider nein. Den haben wir uns gespart. Den packen wir immer dann aus, wenn wir richtig nostalgisch werden. Es ist meist dann, wenn wir zu Hause spielen (Tip: JupitAir Singfest am 27.08.2011 in Trier) Wir haben für die Tour eine sehr ausgewogenen Mischung, finde ich, aus allen Alben gefunden. Wir wollen natürlich den Leuten, die nur das neue Album kennen, oder die tatsächlich nur „Still“ kennen, gerne zeigen, wie wir früher geklungen haben bzw. unseren Weg aufzeigen. Und wir hatten vorher schon viele Fans, die sehr treue Konzertgänger sind und die damit zu verprellen, dass wir uns die alten Songs sparen, nur weil das neue Album das erfolgreichste ist, wäre absolut falsch. LV: Auf Eurem neuen Album „Jupiter Jones“ sind bis auf wenige Ausnahmen in jedem Stück Synthies dabei. Ist das „Komplettpaket“ mit Bass, Gitarre, Schlagzeug, Gesang und Synthesizer der Grund für den Erfolg des Albums? SE: Wenn das so einfach wäre… Synthies dabei und zack… Erfolg. NM: …das wäre schön. Nein. Die Synthies haben wir tatsächlich aus großer eigener Überzeugung und eigenem Antrieb in die Band gebracht. Tatsächlich war es Sascha, der da eine große Affinität dazu hat. Wohl in der Musik, die er selber hört, als auch in der Musik, die er selber gerne machen wollte. Wenn das so einfach wäre, das man einfach die Summe der Teile zusammenschmeißt und damit ein Erfolgsrezept hat, dann hätten wir das schon früher gemacht und hätten uns viel Kummer und Ärger erspart. Ich glaube, das funktioniert jetzt so, weil wir tatsächlich endlich dahin gefunden haben, wo wir hin wollten. LV: Jetzt wo Ihr da seid, wo Ihr hin wolltet. Was erwartet Ihr von der Zukunft? Habt Ihr Angst davor, dass die Fans von Euch jetzt noch mehr Erfolg erwarten? NM: Ich nicht. Ich geb nicht viel auf Erwartungshaltungen, solange sie nicht von mir selbst ausgehen. Ich glaube, dass wir ne sehr loyale Hörerschaft haben, denen es im Endeffekt egal ist, wo wir in den Charts platziert sind. Die freuen sich, wenn wir es hoch schaffen. Aber die sehen das nicht als Qualitätsmerkmal, wenn wir weiter unten landen, was hoffentlich nicht passieren wird, aber was passieren kann. Es ist weiß Gott für einen Musiker nicht die Hauptsache beim Musizieren und sollte es nicht sein, dass so eine Charts-Plazierung möglichst gut aussieht. SE: Ich habe aufgehört, mir über Dinge Gedanken zu machen, die man sowieso nicht beeinflussen kann. Wir können einfach nur unser Bestes tun und die Musik machen, die aus unserem Herzen kommt und die wir am besten finden. Und was die Leute dann da draus machen, ob sie es gut finden oder schlecht finden, das können wir nicht beeinflussen. Ich glaube, wenn wir weiterhin auf dem Weg gehen, den wir bisher gegangen sind und unsere Musik so weiter entwickeln ohne uns da rein quatschen zu lassen wie wir es bisher gemacht haben, dann werden die Leute auch weiterhin mit uns mitgehen den Weg. Davon bin ich ganz fest überzeugt. Vielen Dank für das Interview und für diesen super Platz in diesem wunderbaren Bus…

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bâà |Ç à{x VÉÄw‹ VÉÄw‹ …there‘s a writer who takes us on a path of fear and destruction. John Rector‘s first novel „The Cold Kiss“ brings back the old dark supense tales we all know from the golden age of film noirs and they remind us how precious these days were. It‘s a pretty good read even tough you know it‘s gonna turn out bad. Here‘s Johnny! LV: How’s the weather up in Omaha, Nebraska? JR: Today it’s raining, but otherwise beautiful. LV: When came the idea for „The Cold Kiss“? JR: The idea for The Cold Kiss developed over the course of writing the book. When I sat down to write the book, I didn’t have anything. I wrote the line, ‘It was just starting to snow when we pulled off the highway and into the parking lot of the Red Oak Tavern.’ And the book went from there. Everything that came after that first line was new to me, and as the scenes developed, I was able to see where it wanted to go, and all I had to do was sit back let it do what it wanted. LV: When was the last time you found some money? JR: Laundry day. Usually no more than a buck or two, unfortunately. LV: How is the pre production of the movie going? JR: As far as I know, it’s going fine. It’s Hollywood, and I don’t ask, nor do I think about it. If something happens with the movie, great, free money. If it doesn’t, that’s fine, too. The decision has nothing to do with me.

“I think of myself more of a suspense writer, but if people want to call the books thrillers, that’s fine with me.”

LV: If you could cast “The Cold Kiss”, who would you choose for your main couple? JR: Since I’d never be asked for my opinion, I’ve never actually thought about it. My hope would be that they’d cast unknown actors in the main roles, but it doesn’t really matter to me since it’s not my project. I’d be curious, of course, and I’m a big fan of Ole Bornedal’s work, so I’d love to see his vision of my book on the screen, but in the end I’ll find a babysitter and go buy my ticket and sit in the theatre like everyone else.

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LV: Why did you choose to become an author? JR: Boredom, and the need for a creative outlet. I stuck with it because I was good at it. LV: Tell us a little bit about your book “The Grove”. JR: The Grove is the story of a mentally ill farmer named Dexter McCray who wakes from an alcoholic blackout to discover the body of a teenage girl in his cornfield. Since he has no memory of the previous night, and a history of violent blackouts, he’s worried he might be responsible for her death. So, instead of going to the sheriff, he decides to investigate the girl’s death on his own. He can’t talk to anyone about what he’s doing, and as he slips deeper into the investigation, the dead girl starts talking to him, influencing his decisions, and making a tough situation even worse. LV: Is the thriller genre definitely the one you want to focus on for your next books? JR: I think of myself more of a suspense writer, but if people want to call the books thrillers, that’s fine with me. I’ll write them and let readers and editors figure out what to call them. LV: Can you tell us about your upcoming novels? JR: The next book is called ALREADY GONE, and it’s going to be published by Thomas & Mercer on October 25th 2011 in the US, and on December 8th 2011 in the UK, published by Simon & Schuster. The book is about a college professor named Jake Reese who built a new life after moving on from a violent, and criminal past. But, after someone comes looking for him and his wife ends up missing, Jake is forced to turn back to that old, violent life and the scary people he left behind in order to survive. LV: Okay, I don’t wanna spoil anything but I gotta ask after leaving the last page of “The Cold Kiss”: so, John, is it gonna be black or red? JR: I’m a romantic at heart, so I like to think black, but I really don’t know. And if I did, I’d never tell.

„The Cold Kiss“ erschien in Deutschland Unter dem Titel „Frost“ im Rowohlt Verlag. ISBN: 978-3499254932, 288 Seiten. „The Grove“ ist nur auf Englisch erhältlich. Im AmazaonEncore Verlag, 294 Seiten. ISBN: 978-1935597131 „Already Gone“ erscheint demnächst auf Englisch (siehe Interview), 316 Seiten. ISBN: 978-1612180878

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LV‘ LV‘s Breece D’J Pancake wurde 1952 in Milton/West Virginia geboren. Nachdem er die Marshall Universität in Hurlington/West Virginia besucht hatte, unterrichtete er an zwei Militärschulen in Virginia Englisch. Danach nahm er am Programm für Kreatives Schreiben der Universität Virginia in Charlottesville teil. Der Autor starb 1979 in Charlottesville. Zu Lebzeiten wurden seine Kurzgeschichten hauptsächlich in The Atlantic veröffentlicht.

Baujahr 81, Mitherausgeber des Straßenfeger. Keine Bestseller, keine Preise, kein Intellektueller

Breece D‘J Pancake

Marcus Mohr

geb. 1980 in Hanau, machte kurz Halt in Seattle, Montana und Berlin. Jetzt lebt er in Frankfurt am Main. Er war DJ und Manager einiger House- und Technolabels. Mittlerweile quält er Kinder in der Schule mit Geographie und Englisch. Gern vertreibt er sich die Zeit mit Forschung rund um Multikulturalismus. Geschichten in diversen Magazinen. More info: http://www.hilmar-reusch.de.to

Hilmar Reusch

Lebt in essen. seit 1992 kontinuierlich veröffentlichungen von hauptsächlich lyrik in fanzines, zeitschriften, anthologien, tagespresse. mehrere einzelbände, u.a. DAS LAND GEFÄHRDEN sowie STÖRUNG MENSCH. von 1995 - 2006 hrsg. der zeitschrift ratriot sowie der einzeltitelreihe ratriot-medien. laut seinem verleger "der einzige richtige ruhrpott-rimbaud." ,)(.

Urs Böke

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Geboren 1971 in Prenzlau. Lebt seit 1989 in Erfurt. Tätigkeiten als Bibliotheksassistent, Galerieassistent, Ausstellungskoordinator, Bühnentechniker, Barist, Bestattungshelfer, Lagerist/Versand, Serienkomparse. Geboren 1962 in Gütersloh/NRW, erste Werke in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien. lebt und arbeitet in Beckum/NRW, zur Zeit entsteht der Lyrikband “Momente und Gedanken”. Gregory Crewdson wurde 1962 in New York geboren, wo er noch immer lebt und arbeitet. Ausstellungen u.a.: Fotomuseum Winterthur, Schweiz (2006), Kunstverein Hannover, Deutschland (2005) und SITE Santa Fe, USA (2001).

Ulrich Kersten

Ralf Benkard

Gregory Crewdson Holger Dauer

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www.myspace.com/ www.myspace.com/lostvoicesmagazine

Gregory Crewdson Untitled 30 2007 'Beneath the Roses‚ Š the artist Courtesy White Cube


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