DBV Bericht 2012

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Zahlen und Fakten

Bericht zur Lage der Bibliotheken

2012


2 Liebe

Leserinnen, liebe Leser

W

as wollen Bibliothekskunden im digitalen Zeitalter? Welche neuen Aufgaben entstehen dadurch für die Bibliotheken? Ihre öffentliche Dienstleistung besteht darin, allen Bürgern - unabhängig von Einkommen, Status, Alter oder Geschlecht - den freien Zugang zu Informationen, Bildung und Kultur zu gewährleisten. Dazu stellen sie Medien in allen Formaten bereit. Durch ihre ausgeprägte Kompetenz in der Medien- und Informationsvermittlung fungieren Bibliothekarinnen und Bibliothekare dabei als Lotsen im Wissens-dschungel. Sie stehen allen Besucherinnen und Besuchern bei ihrer Suche nach Informationen beratend zur Seite. Zusätzlich wird die Bibliothek als öffentlicher Ort immer wichtiger. Gerade junge Menschen möchten ihren Austausch in virtuellen Welten mit realen Begegnungen ergänzen. Der vorliegende „Bericht zur Lage der Bibliotheken 2012“ präsentiert Ihnen erneut ausgewählte Fakten zu aktuellen Themen und Entwicklungen im Bibliotheksbereich. Er zeigt beispielsweise: Die elektronischen Bestände Öffentlicher Bibliotheken müssten dringend ausgebaut werden. Nur 20 Prozent von ihnen können derzeit virtuell Bücher, Zeitungen, Hörbücher und Musik zur Ausleihe anbieten. Auch bei so genannten verwaisten und vergriffenen Werken besteht dringender Handlungsbedarf. Bibliotheken dürfen diese Werke derzeit nicht digitalisieren und ihren Nutzern so zur Verfügung stellen. Für beide Kategorien müssen pragmatische rechtliche Lösungen gefunden und entsprechende zuverlässige Techniken zur Langzeitarchivierung entwickelt werden. Darüber hinaus sind für die Förderung von Aus- und Weiterbildung, Studium und Forschung rechtliche Sonderregelungen notwendig, um den digitalen Arbeitsweisen zu entsprechen. Was wir also dringend brauchen, ist eine Novelle des Urheberrechts, die den Bedürfnissen von Bildung, Wissenschaft und Forschung unter Berücksichtigung der Interessen aller beteiligten Akteure Rechnung trägt. Erneut hat der Deutsche Bibliotheksverband eine Mitgliederumfrage zur finanziellen Situation Öffentlicher Bibliotheken durchgeführt. Sie stehen immer noch unter starkem Druck. Die Lage hat sich zwar insgesamt etwas

Editorial

entspannt, in vielen Kommunen kann jedoch durch immer neue Sparzwänge keine Entwarnung gegeben werden – und das, obwohl Bibliotheken aller Kategorien in den vergangenen Jahren Nutzerzuwächse verzeichnen. Unsere im letzten Jahr durchgeführte Studie zur Nichtnutzung von Bibliotheken hat klar bewiesen, dass Menschen, die im Kindesalter Bibliotheken kennen lernen, diese in der Regel ihr Leben lang besuchen. Daher ist der zügige Ausbau von Kooperationen mit Kindergärten und Schulen ein wichtiger Schritt, um gerade die Kinder zu erreichen, für deren Elternhäuser ein Bibliotheksbesuch nicht selbstverständlich ist. Wie sich Bibliotheken auf den demografischen Wandel und die Versorgung der ländlichen Räume einstellen, zeigt unser Einblick in die mobilen Angebote mit Bücherbussen und Leserdiensten. Bibliotheken sind ein unentbehrlicher Bestandteil der Bildungsinfrastruktur. Daher ist ein flächendeckendes Netz von Bibliotheken unerlässlich. In Zukunft wird der Bedarf an neutraler, qualitätsgesicherter Information und kompetenter Beratung weiter steigen. In den Bibliotheken erwartet den Besucher heute eine attraktive Umgebung mit guten technischen Arbeitsbedingungen, Ecken zum konzentrierten Arbeiten, Lesen, Spielen und Entspannen. Dort gibt es Cafés, Veranstaltungsräume und viele andere Möglichkeiten, sich auszutauschen und Informationen zu sammeln. Damit dies überall und für alle Bürgerinnen und Bürger möglich wird, sind noch viele Investitionen nötig: in Gebäude, Personal und deren Weiterbildung und nicht zuletzt in Medien aller Art.

Monika Ziller dbv-Vorsitzende


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Urheberrecht

Politische

Weichenstellungen

„Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung veröffentlichter Werke für Zwecke des eigenen

wissenschaftlichen Gebrauchs und für Bildungszwecke an Schulen, Hochschulen und nicht-gewerblichen Einrichtungen der Aus-, Weiter- und Berufsbildung. … Satz 1 gilt … auch für … öffentlich finanzierte Bibliotheken, Archive, Dokumentationen und Museen. … Für die nach Abs. 1 zulässige Nutzung steht den Urhebern eine angemessene Vergütung zu.“ Formulierungsvorschlag des Aktionsbündnisses „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ zu einer Wissenschaftsschranke. Weiteres: www.urheberrechtsbuendnis.de

Das Urheberrecht muss aus Sicht der Bibliotheken dringend verbessert werden. Was Politiker dazu sagen. »Bibliotheken sind viel mehr als „nur“ ein wichtiger Bestandteil unserer Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Der hier gelebte, freie Zugang zu den Errungenschaften von Kunst und Wissenschaft muss eine Selbstverständlichkeit sein. Wir brauchen daher einen neuen Anlauf, um unser Urheberrecht an die Herausforderungen einer modernen Bildungs- und Wissensgesellschaft anzupassen.« Dr. Ernst-Dieter Rossmann, MdB, Sprecher der AG Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion

»Bibliotheken und Wissenschaft sind auf ein zeitgemäßes und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht angewiesen. Die Digitalisierung macht es mehr denn je nötig, eine einheitliche Wissenschaftsschranke im Urheberecht zu etablieren. Ich unterstütze gesetzliche Regelungen für Open-Access-Veröffentlichungen ebenso wie die Verankerung eines Zweitveröffentlichungsrechts für Autoren und eine Digitalisierung von (verwaisten) Werken im Urheberrecht.« Michael Kretschmer, MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

»Die Mündigkeit einer liberalen Bürgergesellschaft und die Qualität einer Bibliothekskultur gehen Hand in Hand. Bibliotheken sehen sich derzeit ganz besonderen Herausforderungen ausgesetzt: Fragen der Neuen Medien, der Digitalisierung der Bestände und der damit einhergehenden mangelnden Gewissheit über Urheberrechte. Es gilt, die Bibliotheken bei diesen Herausforderungen zu unterstützen und zu stärken, damit sie auch in Zukunft ihrem öffentlichen Bildungsauftrag gerecht werden können.« Patrick Meinhardt, MdB, Vorsitzender des Arbeitskreises Innovation, Gesellschaft, Kultur der FDP-Bundestagsfraktion

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Finanzlage

Chance

Eine wird verspielt

I

m europäischen Vergleich ist Deutschland in einem glücklichen Ausnahmezustand. Die konjunkturelle Entwicklung ist auch im Jahr 2012 positiv. Die Steuereinnahmen des Staates steigen. Dennoch stehen die Kommunen teilweise finanziell mit dem Rücken zur Wand. Wichtige Aufgaben können sie nicht erfüllen. Deshalb bleiben auch die Ausgaben für die Öffentlichen Bibliotheken ungenügend. Vielerorts gibt es für sie Haushaltssperren oder Sparkonzepte. Von der guten konjunkturellen Situation kommt bei den Bibliotheken nichts an. Ein kleiner Lichtblick zeichnet sich immerhin ab: Der Abwärtstrend, der sich seit Jahren bei der Finanzsituation zeigt, hat sich an einigen Stellen etwas verlangsamt.

Ist Ihre Bibliothek von

Sparmaßnahmen betroffen? Alle Bibliotheken Bibliotheken in Städten über 100.000 Einwohner

49,4 %

30 %

26 % 15,3 %

SparmaĂźnahmen umgesetzt Quelle: Mitglieder-Befragung dbv, 2012

SparmaĂźnahmen geplant

Das zeigt die aktuelle Umfrage des Deutschen Bibliotheksverbands unter den Öffentlichen Bibliotheken. Der dbv hat sie auch in diesem Jahr um eine Beurteilung ihrer finanziellen Situation gebeten. Mit einem Rücklauf von knapp 700 Antworten im Mai und Juni 2012 hat sich jede zweite Öffentliche Bibliothek, die Mitglied im Verband ist, daran beteiligt. Die Ergebnisse spiegeln also ein aktuelles flächendeckendes Bild der bundesweiten Bibliothekslandschaft. Mit knapp 500 Teilnehmern waren Bibliotheken in Städten unter 50.000 Einwohnern in der Befragung am stärksten vertreten. Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind demnach in 26 Prozent der befragten Öffentlichen Bibliotheken realisiert. In weiteren 15,3 Prozent werden sie geplant. Gegenüber dem Vorjahr ist das zwar ein leichter Rückgang. Damals waren noch 33 Prozent der Bibliotheken konkret betroffen und in 18 Prozent liefen entsprechende Planungen. Doch die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Grunddefizite bei den finanziellen Zuweisungen weiterhin bestehen: Im Jahr 2012 berichteten 21 Prozent der teilnehmenden Bibliotheken von einer Kürzung ihrer Zuweisungen. Besonders betroffen sind in diesem Jahr erneut Bibliotheken in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern. Hier muss sich jede zweite Bibliothek mit Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung abfinden. Bei weiteren 30 Prozent sind diese geplant. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Rückgänge hier zwar ebenfalls geringer. Doch beim Thema „globale Haushaltssperre oder ähnlich grundlegende Einschränkungen“ trifft es die Bibliotheken in den Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern sogar härter als im vergangenen Jahr. 56 statt 48 Prozent müssen damit jetzt zurechtkommen. In mehr als der Hälfte dieser Bibliotheken gibt es eine Wiederbesetzungssperre oder sie ist geplant. Welche Folgen hat diese Entwicklung für die Bibliotheksnutzer? Jede vierte Öffentliche Bibliothek muss derzeit ihr Veranstaltungsangebot reduzieren. 14,4 Prozent haben einen geringeren Etat für ihre Medien. 12 Prozent der befragten Bibliotheken müssen ihre Öffnungszeiten verringern.

Fazit

Die Finanzlage der Öffentlichen Bibliotheken bleibt unbefriedigend. Dass die Kürzungen nicht mehr ganz so stark sind wie im Jahr 2011 kann höchstens als Verschnaufpause gewertet werden. Ein Ausbau der Bestände oder des Personals sowie eine Erweiterung der Öffnungszeiten ist nur in wenigen Fällen in Sicht. Das Spardiktat hält flächendeckend an. Weder auf Landes- noch auf kommunaler Ebene wird damit der dringend notwendige Ausbau der Bibliotheken vorangetrieben.


5

Finanzlage

Z

Bibliotheken

uwendungen der Kommunen haben Konsequenzen: Die Ausgaben fĂĽr Ă–ffentliche Bibliotheken und die Entleihungen der BĂĽrger stehen in Korrelation zueinander.

zahlen sich aus

Entleihungen pro Einwohner (Medieneinheiten) Ausgaben pro Einwohner (Euro) 11,98 6,13

SchleswigHolstein

17,76

9,79 3,10

7,88

16,79 6,36

MecklenburgVorpommern

Hamburg

11,62

Bremen

5,80

8,78 3,96

10,25

Berlin

9,17

Niedersachsen

3,72

2,99 11,04

Brandenburg Sachsen-Anhalt

4,38 NordrheinWestfalen

3,16

2,82

5,74

5,42

9,56 8,32

3,44

Sachsen

ThĂĽringen

Hessen

Rheinland-Pfalz

1,63

5,26 11,25

Saarland

14,75 5,82

BadenWĂĽrttemberg

Quelle: Bibliotheksstatistik 2011, dbv

13,57

5,41 Bayern


6 BĂĽcher auf

G

Mobile Bibliotheken

Rädern

erade in ländlichen Regionen kann der Weg zur Bibliothek lang sein. Für manche Menschen ist er mitunter zu lang. Doch auf das Angebot der öffentlichen Einrichtungen müssen sie deshalb nicht verzichten. Bundesweit gibt es mehr als 100 Bücherbusse. Auf festen Touren beliefern sie Leserinnen und Leser mit Büchern, CDs oder Zeitschriften – und gewährleisten damit die Teilhabe an der Wissensgesellschaft. Die fahrenden Bibliotheken haben in der Regel mehrere tausend Medien an Bord. Darin können die Nutzer stöbern. Die Busse bringen aber auch Bestellungen mit, die sie zuvor bei ihrem letzten Stopp oder übers Internet erhalten haben. Ein erfreulicher Nebeneffekt: die Bücherbusse werden während ihrer Haltezeiten zu beliebten Treffpunkten der Nutzer. Das gemeinsame Interesse führt zum sozialen Kontakt. Die rollenden Zweigstellen sind aber nicht nur auf dem Land, sondern auch in Städten unterwegs. Dort gibt es ebenfalls viele Gegenden, die keine feste Öffentliche Bibliothek haben. Zudem steuern sie zahlreiche Schulen an - das ist einer der Gründe dafür, dass zum Beispiel in Heilbronn 80 Prozent der Grundschulkinder aktive Bibliotheksnutzer sind. Dass Bücherbusse auch der internationalen Verständigung dienen, zeigt das Beispiel Lörrach. An jedem ersten Freitag im Monat steht der Bücherbus aus der französischen Stadt Mulhouse auf dem Alten Marktplatz der Stadt. Zwei Stunden lang können dort die Leser, die einen Benutzerausweis der Stadtbibliothek Lörrach besitzen, kostenlos aktuelle französische Literatur ausleihen. In der nahegelegenen Stadt Freiburg hält ebenfalls ein französischer Bücherbus. Im Gegenzug fährt der Freiburger Bus der Stadtbibliothek mit deutschsprachigen Medien über die Grenze zu den französischen Nachbarn. Der PISA-Gewinner Finnland zeigt, wie eine gute Versorgung der Bevölkerung aussehen kann. Trotz der großen Entfer-

nungen werden die 5,3 Millionen Einwohner bestens durch die Öffentlichen Bibliotheken versorgt. In jeder der 312 Gemeinden gibt es eine Öffentliche Bibliothek. Diese haben 486 Zweigstellen. Zusätzlich fahren 154 Bücherbusse regelmäßig 12.378 Bücherbushaltestellen an. Das gute Angebot nutzen die Finnen. Im Jahr 2010 hatte durchschnittlich jeder Einwohner 10 Mal eine Bibliothek besucht und 18 Bücher und andere Medien entliehen. (Quelle: www.libraries.fi) Mitunter ist Menschen aber auch mit den Bücherbussen nicht geholfen, weil sie körperlich nicht dazu in der Lage sind, das Haus zu verlassen. Auch sie müssen nicht auf das Medienangebot der Öffentlichen Bibliotheken verzichten. Leserdienste, die meist ehrenamtlich organisiert werden, liefern in diesen Fällen Bücher, Zeitschriften, CDs und vieles mehr direkt nach Hause. Weitere Infos: www.fahrbibliothek.de

Rollende Riesen. Die Bücherbusse der Bibliothek Heilbronn (unten) und der Stadtbibliothek des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg (oben) bringen die Medien zu den Nutzern.


7 Der Märchenkönig multimedial Mobilangebote der Bibliotheken

R

atgeber zum Hören, Romane als E-Books, die aktuelle Ausgabe eines Nachrichtenmagazins wie der „Der Spiegel“ oder einer Wochenzeitung wie „Die Zeit“ – für dies und vieles mehr müssen Bibliotheksnutzer keine langen Wege gehen. Tausende Angebote stehen ihnen auf den Internet-Seiten der Bibliotheken zur Verfügung. Im Zeitalter der Digitalisierung verkehren sich die Wege und die Medien kommen zu den Lesern nach Hause. Die e-Ausleihe macht es mittlerweile an jeder zehnten Bibliothek möglich, Inhalte digital direkt auf den eigenen Computer zu laden. Das Internet eröffnet den Bibliotheken die Möglichkeit, eine Reihe interessanter neuer Dienstleistungen anzubieten. Neben der e-Ausleihe können Nutzer über den PC in den Bibliothekskatalogen nach Medien suchen, sie können sich Bücher, CDs oder DVDs bestellen, Ausleihfristen verlängern und vieles mehr. Smartphones und Tablet-PCs ermöglichen es zudem immer öfter, dieses Internet-Angebot der Bibliotheken mobil zu nutzen. Im Park, an der Bushaltestelle oder in der Bahn können zum Beispiel die Nutzer der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) in mehr als 70 Millionen gedruckten und digitalen Büchern, Zeitschriften und Aufsätzen recherchieren. Eine eigens erstellte Applikation, eine so genannte App, macht’s möglich. Die Entwicklung von speziellen Bibliotheks-Webseiten für Smartphones und von passenden Apps steht gerade erst am Anfang. Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) zeigt, wohin die digitale Reise gehen kann. Eine ihrer mittlerweile drei kostenlosen Apps wagt den Spagat zwischen Wissenschaft und touristischer Nutzung. Sie trägt den Titel „Ludwig II“ und ermöglicht es, multimedial auf den Spuren des Märchenkönigs zu wandeln. Auf dem Smartphone erscheinen Infos zu 140 Orten in Bayern und Europa mit Ludwig II.-Bezug. Die App bietet eine so genannte Augmented Reality. Dabei werden Livebilder des Smartphones mit Modellen von Bauwerken erweitert. Es gibt umfangreiche Bildergalerien mit mehr als 400 oft historischen Fotos, gesprochene Zeitzeugenzitate und vieles mehr.

Ebenso rasant wie sich die technischen Geräte entwickeln, entstehen neue Nutzungsmöglichkeiten – und die sind nicht nur unterwegs abrufbar: QR-Codes, die von Smartphones an Bücherregalen lesbar sind, können Bibliotheksnutzern beispielsweise wertvolle Zusatz-Infos zu den von ihnen gesuchten Werken bieten oder sie durch die Bibliotheken leiten. Gerade für jüngere User gehört das mobile Internet zum Alltag. Die Bibliotheken würden ihnen gern ein passendes Angebot machen. Das einzige, was fehlt, sind vielerorts die finanziellen Möglichkeiten. Unterstützung erhalten die Öffentlichen Bibliotheken deshalb auch vom Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM). Im Frühjahr 2012 forderte er, dass die kommunalen Bibliotheken besser mit elektronischen Medien ausgestattet werden müssen.


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D

ie Seiten sind zerfleddert, die Rücken gebrochen. Bücher, die benutzt werden, behalten Spuren. Mitunter sind sie auch schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. In schlimmen Fällen macht sich dann Schimmel nach Wasserschäden auf ihnen breit. Meistens aber ist es die Säure im Papier, die die Bestände in Mitleidenschaft zieht. Sie zersetzt das Material von innen heraus. „Gut 80 Millionen Bücher aus säurehaltigem Papier lagern derzeit in unseren Bibliothe-

Bestandserhaltung

ken“, sagt Dr. Ursula Hartwieg. „Sie müssen dringend geschützt werden.“ Mit zehn Millionen Euro jährlich könnten die drängendsten Aufgaben bewältigt werden. Doch von dieser Summe können Restauratoren hierzulande nur träumen. Ursula Hartwieg leitet die „Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts“. Die Koordinierungsstelle wurde auf Initiative von Kulturstaatsminister Neumann im August 2011 bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingerichtet und bei der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt. Die Einrichtung gilt als wichtiger Schritt für den Schutz der Bestände in Bibliotheken und Archiven. Die Koordinierungsstelle behandelt auf nationaler Ebene Fragen zur Sicherung des schriftlich überlieferten Kulturerbes. Zu ihren Hauptaufgaben zählen die Erstellung eines nationalen Bestandserhaltungskonzepts, die Evaluation bereits vorhandener Erkenntnisse, die Vernetzung bestehender Institutionen sowie die Unterstützung der Forschung. Einen Erkenntnisgewinn erhoffen sich die Initiatoren auch durch die Förderung von Modellprojekten. Zu diesem Zweck stehen seit 2010 für vorerst fünf Jahre jährlich 500.000 Euro aus dem Haushalt des Kulturstaatsministers zur Verfügung. Die Länder beteiligen sich über die Kulturstiftung der Länder mit weiteren 100.000 Euro pro Jahr. „Wir hoffen natürlich, dass die Koordinierungsstelle nach Ablauf der ersten fünf Jahre fortgeführt wird“, sagt Ursula Hartwieg. „Und dass wir dann eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung erhalten.“ Denn die Bewahrung von Büchern, Handschriften oder Landkarten sei für das kulturelle Gedächtnis genauso wichtig wie die Erhaltung von Baudenkmälern oder Kunstwerken. Die Digitalisierung alter Werke ist eine weitere Maßnahme zur Bestandserhaltung. Sie ersetzt zwar nicht die Restaurierung des Originals. Doch macht sie den Bibliotheksnutzern wertvolle Bestände auf neue Weise zugänglich. Auch bei der Digitalisierung sind aber Strategien für die Langzeitarchivierung gefragt. Denn die Speichermedien oder Programme, die wir heute nutzen, werden in wenigen Jahren technisch veraltet sein. Die digitalen Ressourcen benötigen deshalb kontinuierliche Pflege. Trotz digitaler Möglichkeiten bleibt die Problemlage also bestehen: Die Erhaltung unseres schriftlichen Kulturguts braucht dringend finanzielle Unterstützung.


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Urheberrecht

Vor dem Bildschirm

entzweien sich die Geister S

eit Jahren wird zwischen Politikern und Interessenverbänden um angemessene Rahmenbedingungen für die Nutzung digitaler Inhalte gestritten. Zwischenzeitlich schien es, als sei ein neues Urheberrecht, das insbesondere den Anforderungen von Bildung, Wissenschaft und Forschung genügt, in greifbare Nähe gerückt. Dies wäre aus Sicht des Deutschen Bibliotheksverbands auch dringend erforderlich: Die Interessen von Autoren müssen unter den neuen technischen Möglichkeiten ebenso berücksichtigt werden wie die von Lesern und Lernenden. Bibliotheken befinden sich in diesem Konfliktfeld seit jeher in einer Doppelrolle. Sie stehen zwischen Autoren und Rezipienten und berücksichtigen die Interessen beider. Auch bei digitalen Kopien achten sie darauf, dass es eine „angemessene Vergütung“ für Rechteinhaber gibt. Auf der anderen Seite erleben die Bibliothekare täglich, dass sich Information und Wissen in digitaler Form sehr viel leichter verbreiten lässt – und dass die Kunden dies wollen. E-Books aus dem Bibliotheksangebot zum Beispiel lassen sich technisch geschützt und für eine kurze „Leihfrist“ auf ein privates Gerät downloaden. Die Verlage müssen dazu allerdings entsprechende Lizenzen bereitstellen. In der Reform des Urheberrechts muss dies klar geregelt werden. Der Deutsche Bibliotheksverband schließt sich ganz ausdrücklich den Forderungen nach Sonderregelungen für die Bereiche Schule, Aus- und Weiterbildung, Studium und Forschung an. Der Gesetzgeber muss dringend klären, dass die Verwendung digitaler Kopien für einen klar umrissenen Teilnehmerkreis der „Veranschaulichung im Unterricht“ dient und somit weiterhin möglich ist – diese Regelung im Paragraphen 52a UrhG (Urheberrechtsgesetz) ist bis zum 31.12.2012 befristet. Der ersatzlose Wegfall hätte für die Informationsversorgung für Lernende und Forschende eine dramatische Verschlechterung zur Folge. Viele Unterrichtsformen und der Austausch von Texten in Forscherteams würden illegal! Dringender Verbesserungsbedarf besteht auch bei den Sonderregelungen für die „elektronischen Leseplätze“ in Bibliotheken. Der Paragraph 52b UrhG

gestattet es ihnen, Bücher, die sie physisch besitzen, zu digitalisieren und ihren Besuchern in den Räumlichkeiten der Bibliothek zugänglich zu machen. Völlig unbefriedigend dabei ist, dass Bibliotheken dazu verpflichtet sind, ihren Nutzern lediglich die (Bildschirm-) Ansicht der digitalisierten Werke zu ermöglichen. Sie müssen das Ausdrucken und Speichern der Dateien technisch unmöglich machen. Für digitale Kopien, die im Rahmen der Fernleihe zwischen den Bibliotheken verwendet werden, gibt es ebenfalls unangemessene Einschränkungen: Es ist den Bibliotheken untersagt, ihren Nutzern digitale Kopien ihrer Bestellungen zuzusenden. Wollen wir wirklich, dass Bibliotheksnutzer Bildschirminhalte heute wieder von Hand abschreiben müssen?

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10 FrĂĽh

A

Nichtnutzer-Studie

ĂĽbt sich

uf den ersten Blick ist die Zahl beeindruckend: 210 Millionen Besuche verzeichnen Öffentliche Bibliotheken jährlich. Sie sind damit die meistgenutzten Kulturund Bildungseinrichtungen Deutschlands. In der Altersgruppe ab 14 Jahren nutzt fast jeder dritte Bundesbürger dieses Angebot. Auf den zweiten Blick steckt hinter diesen Zahlen eine gewaltige Aufgabe. Denn sie zeigen auch, dass rund 70 Prozent der erwachsenen Menschen den Öffentlichen Bibliotheken fernbleiben. Als zentrale Bildungsakteure können sich Bibliotheken damit nicht zufrieden geben! Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Studie des Deutschen Bibliotheksverbands und des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen unter Förderung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Für die repräsentative telefonische Umfrage wurden Ende 2011 rund 1.300 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren interviewt. 28 Prozent der Befragten nutzen demnach aktiv Öffentliche Bibliotheken. 41 Prozent haben zwar früher eine genutzt, sie aber länger als 12 Monate nicht mehr besucht (ehemalige Nutzer). 28 Prozent gaben an, dass sie noch nie in einer Öffentlichen Bibliothek waren (Nichtnutzer). Was folgt daraus? 8 von 10 der ehemaligen Nutzer und Nichtnutzer kaufen sich ihre Medien lieber. Darauf können Bibliotheken nur bedingt reagieren. Viele potenzielle Besucher wünschen sich aber auch einen schnelleren Bezug der Medien übers Internet, ansprechendere Räumlichkeiten, ein attraktiveres Medienangebot und benutzerfreundliche Öffnungszeiten am Abend oder Wochenende. Darauf könnten Bibliotheken reagieren. Sie bräuchten nur die nötigen Mittel – für einen Ausbau der e-Ausleihe, der Internet-Arbeitsplätze und der Räumlichkeiten sowie für die Erweiterung des Medienbestands und der Personalressourcen. Die Studie zeigt auch, dass die Bibliothekssozialisation eine zentrale Rolle für das spätere Nutzerverhalten spielt. Unter den heutigen Aktiven haben 62 Prozent in ihrer Kindheit mit den Eltern eine Bibliothek besucht. Bei Nicht- und ehemaligen Nutzern sind dies nur 42 Prozent. Kooperationen mit Schulen und Kindergärten müssen deshalb zügig ausgebaut werden. Mit ihnen erreichen die Bibliotheken auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern.

Ehemalige Nutzer

Frage: Wann haben Sie das letzte Mal eine Stadtbibliothek oder Gemeindebücherei besucht? Während der Schulzeit

88 % Während der Ausbildung / des Studiums

58 % Nach der Ausbildung / dem Studium

43 % Quelle: Studie zur Nichtnutzung 2012, dbv

Im europäischen Vergleich zeigt sich, was durch entschlossenes Handeln erreicht werden könnte: Durchschnittlich liegt der Anteil der Bibliotheksnutzer auf unserem Kontinent bei 36 Prozent. Finnland, Schweden und Dänemark sind die Spitzenreiter. Zwei Drittel der Bevölkerung besuchen dort regelmäßig Bibliotheken. Für die deutschen Einrichtungen bleibt viel zu tun! Die Studie im Internet: www.bibliotheksverband.de/dbv/projekte/nichtnutzungsstudie.html

Nutzung

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72

Finnland

71

68

53

GroĂźbritannien

34

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11

Kooperationen

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it Schlafsack und Taschenlampe übernachten Grundschüler zwischen Bücherregalen, Schriftsteller kommen zu Lesungen und in Bücherkoffern stecken Überraschungen für Kindergartenkinder. Öffentliche Bibliotheken sind seit Jahrzehnten in der Sprach- und Leseförderung aktiv – und erfolgreich. In Bücherkinos und Vorlesestunden, bei Kinderbuchfestivals oder Klassenführungen können Kinder und Jugendliche das „Abenteuer Lesen“ erleben. Doch nicht nur die jungen Besucher gewinnen durch das Engagement der Bibliotheken. In vielen Städten gibt es Kooperationen, von denen alle Bibliotheksnutzer profitieren. Ein anschauliches Beispiel bietet die Stadt Duisburg. Dort finanzieren unter anderem die Philharmoniker Bibliothekstaschen, auf denen das Logo beider Einrichtungen zu finden ist. Mit Zoodirektor Achim den Einnahmen aus dem Verkauf der Winkler ist einer der Taschen werden neue Medien für die prominenten BuchpaBibliotheken gekauft. Zudem erhält ten Duisburgs. die Stadtbibliothek jede CD mit neuen Foto: Thomas Berns Einspielungen der Duisburger Philharmoniker kostenlos. Im Gegenzug werben die Bibliotheken für die Konzerte des Orchesters. Und das ist längst nicht alles: Wer in Duisburg einen neuen Bibliotheksausweis für ein Kind kauft, erhält einen kostenlosen Eintritt für den Zoo. Die Bibliothek wirbt unter anderem in ihren über das gesamte Stadtgebiet verteilten Zweigstellen für einen Jahresausweis des Zoos. Die Duisburger Bürgerstiftung Bibliothek hat zudem die Kampagne „Ich bin Buchpate. Werden Sie es auch!“ gestartet. Prominente Buchpaten werben für den Kauf von Büchern, die die Stadtbibliothek in einer Liste zusammengestellt hat. Wer eines oder mehrere spendet, kann seinen Namen im gekauften Buch und auf der Homepage der Stadtbibliothek wiederfinden und darf das Buch als erster ausleihen. Lesungen mit prominenten Autoren ebenso wie mit hoffnungsvollen Nachwuchstalenten runden die Kooperationsarbeit der Duisburger Stadtbibliothek ab. Sie werden vom Verein für Literatur und Kunst Duisburg finanziert, der 2012 sein 100-jähriges Bestehen feierte. In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 420 Freundes- und

Förderkreise, die die Öffentlichen ebenso wie die wissenschaftlichen Bibliotheken unterstützen. Das jüngste Beispiel für eine Kooperation ist eine Rahmenvereinbarung des Deutschen Bibliotheksverbands mit der Vereinigung der Deutsch-Französischen Gesellschaften. Sie wurde Anfang April 2012 in der Französischen Botschaft in Berlin unterzeichnet. Ihr Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Bibliotheken und der deutsch-französischen Gesellschaften zu intensivieren. In der Vereinbarung werden etwa die verstärkte Präsentation frankophoner Medien in den Bibliotheken oder die gemeinsame Ausrichtung von Veranstaltungen genannt. Doch bei allem Einsatz der Bibliothekare darf man nicht vergessen: Kooperationen können eine vielfältige, sinnvolle und attraktive Ergänzung des Angebots der Bibliotheken sein. Aus der Pflicht einer soliden Grundausstattung entlassen sie die Träger nicht.

Die häufigsten

Kooperationspartner Ă–ffentlicher Bibliotheken (Auswahl) Grundschule

97,5 % Kita / Kindergarten

95,7 % Volkshochschule

51,7 % Senioreneinrichtung

41,4 % Buchhandlung

31,6 % Migrantenorganisation

22,1 % Quelle: Mitglieder-Befragung dbv, 2012


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