Prospekt // Das Magazin der Deutschen Oper am Rhein // Heft 2

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„Maestro – bitte!“ Mit einer einladenden Geste schickt Volker Böhm den Dirigenten des Abends zum Applaus vor den Vorhang. Wir stehen nach dem „Rosenkavalier“ auf der Bühne, unsichtbar für das Publikum, hinter dem großen roten Samt, den zwei Techniker für eine schmale Gasse teilen, damit sich die Künstler auf der Vorbühne verbeugen können. „Durchtreten“ heißt das. Generalmusikdirektor Axel Kober hat seinen Auftritt nach den Solisten. Volker Böhm gibt die Kommandos, freundlich und bestimmt.

Das Publikum ahnt nicht, dass hinter den Künstlern, die glücklich Stück für Stück setzt Volker Böhm mit den Darstellern die Oper zuden Applaus genießen, reges Treiben herrscht: Requisite, Technik, sammen. Ein Schluck Wasser und Kaffee, ein kleiner Umbau, Duett Beleuchtung und Ton sind schon dabei, die massive Opernkulisse Feldmarschallin – Octavian. „Wenn Du singst, dass Du Dich erzürnst, ­ab­zubauen. Morgen ist Ballett, „Rosenkavalier“ erst wieder in zehn dann müssen wir das noch etwas mehr sehen“, sagt Böhm zu Linda Tagen. „Dankeschön“ ruft Volker Böhm laut, als das Klatschen im Zu- Watson. Er steht auf, rückt den Notenständer mit dem Regiebuch mitschauerraum verstummt. Es gibt noch einige Umarmungen, Küsschen ten in die Szene. Ganz nah ist er bei „seinen“ Sängerinnen. und weitere Dankeschöns – nach viereinhalb Stunden im Rampenlicht „Nach der ‚Zauberflöte‘ ist der ‚Rosenkavalier‘ meine absolute sind Solisten, Dirigent und Spielleiter glücklich, dass alles geklappt Lieblingsoper“, sagt Volker Böhm. „Ich bin mit Opern aufgewachsen – hat. Alles? – Fast. als ich 13 war, haben meine Schwester und ich zuhause die ‚RosenZehn Minuten zuvor: „Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“ überreichung‘ gesungen.“ Geboren und aufgewachsen in einer Kaufsingen Sophie (Anke Krabbe) und Octavian (Katarzyna Kuncio) im mannsfamilie in Salzburg, studierte Böhm zunächst Jura. „Meine Schlussduett. Einige Kollegen lauschen ergriffen neben der Inspizien- Eltern wollten, dass ich etwas Bodenständiges mache. Nach zwei Jahtin, der kleine Mohr wartet auf seinen Auftritt. „Mist“, zischt Volker ren habe ich ans Mozarteum gewechselt und Gesang studiert.“ Auf Böhm kaum hörbar, „warum ist seine Lampe nicht an?“ Beleuchtung der Hochschule entdeckte er sein Interesse für die Regie: Er wurde oder Requisite, wer ist verantwortlich? Der Mechanismus der alten Regieassistent, drei Jahre am Mozarteum, dann drei Jahre am SalzburLaterne klemmt. Böhm rennt von der Bühne und kommt kurz vor ger Landestheater und ab 1997 als „Chefassistent“ in Augsburg. 1999 dem Auftritt des Kleinen zurück. Das Licht ist an. Tür auf, Auftritt – kam Volker Böhm an den Rhein, heute ist er als „Erster Spielleiter“ vor alles ist gut. allem verantwortlich für Neueinstudierungen und Wieder­aufnahmen Vier Wochen vorher, Probebühne in Duisburg-Wanheimerort: älterer Inszenierungen. Hier verbringt der Spielleiter einen Großteil seiner Arbeitszeit. Lin„Von meiner Persönlichkeit her bin ich eher ein Bewahrer, dada Watson, Katarzyna Kuncio und Anke Krabbe arbeiten mit Vol- her liegt mir dieser Beruf so. Ich versuche zu verstehen, was der Reker Böhm am „Rosenkavalier“. Vor über 30 Jahren hat Otto Schenk gisseur wollte, versuche die Produktion vorher als Ganzes zu sehen, diese Oper am Rhein inszeniert, jetzt laufen die Proben für die Wie- Interviews zu lesen und auf dem Video auf Kleinigkeiten zu achten. deraufnahme nach einer siebenjährigen Pause. Vor sich das alte Re- Manchmal hört man die Stimmung der Figur daran, wie der Sänger sie giebuch, in dem sich die Seiten des Klavierauszugs mit weißen Blät- singt.“ Nach 15 Jahren an der Deutschen Oper am Rhein kennt er die tern abwechseln, auf denen sparsame Bleistiftzeichnungen das sze- meisten Produktionen sehr gut. „Wir machen Musiktheater. Die szeninische Geschehen zeigen, neben sich ein Stapel Notizen, beobachtet sche Qualität einer Aufführung ist ebenso wichtig wie die musikalische, Böhm hochkonzentriert das Terzett. Studienleiter Wolfgang Wiechert an beidem arbeiten wir jeden Tag. Es hilft mir, dass ich die meisten spielt auf dem Klavier den Orchesterpart, Sänger hier gut kenne – die, die eine Produk­ Ralf Lange, Axel Kobers Assistent, dirigiert. tion früher schon gesungen haben, und die, Volker Böhm hat sich intensiv mit der Inszedie sie heute machen. Darum wird die Arbeit nierung beschäftigt – neben dem Regiebuch an ‚Norma‘ besonders spannend.“ gibt es eine nicht sehr gute VideoaufzeichBei der Wiederaufnahme von Werner nung – er versucht, der Intention des RegisSchroeters „Norma“-Inszenierung aus dem seurs nahe zu kommen und zugleich mit den Jahr 2003 gibt Morenike Fadayomi ihr RolDamen ein lebendiges Spiel zu entwickeln, lendebüt in der Titelrolle. „Sie ist ein ganz an­ das den Charakteren der Protagonistinnen derer Typ als Alexandra von der Weth damals. entspricht. „Wie gut, dass wir gestern so viel Wir werden versuchen, den Geist der Inszeüber diese Szene gesprochen haben – jetzt nierung sichtbar zu machen, dabei wird Mosieht und spürt man das“, lobt er die drei renike ihren eigenen Stil finden.“ Für die NeuVOLKER BÖHM nach dem Terzett, das ja schon rein musikaeinstudierung gibt es nicht so viele Proben Im Herbst 2013 begleitete er den „Fliegenden lisch eine Herausforderung ist. Tatsächlich – wie für eine Premiere, darum wird Volker Holländer“ nach Hong Kong: Kulissen und bei der Wiederholung dieser Sequenz tritt Böhm auch bei „Norma“ versuchen, die Kostüme der Deutschen Oper am Rhein reisdie karge Ausstattung der Probebühne im technischen und künstlerischen Bestandteile ten per Schiff an, Volker Böhm studierte mit trockenen Arbeitslicht komplett in den Hinmöglichst effizient zusammenzusetzen. „Die internationalen Solisten und dem dortigen tergrund, Musik, Gesten und Mimik sind so Sänger arbeiten so hart wie Leistungssportler. Chor „unsere“ Produktion komplett neu ein. Ein Abenteuer und ein umjubelter Erfolg. —— präsent, dass man eine Gänsehaut bekommt. Ich bewundere sie.“ ——

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