DBU Bauband 3: Gewerbebauten in Lehm und Holz

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Gewerbebauten in Lehm und Holz

Deutsche Bundesstiftung Umwelt Bauband 3

Mehrwert durch Material


Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt Anne Isopp, Chefredakteurin Zuschnitt Eike Roswag-Klinge, ZRS Architekten

Thomas Auer und Hermann Kaufmann, TU München Marko Sauer, Architekt und Journalist Anne Niemann, Ahmad Saleem Nouman, Daniele Santucci, Sandra Schuster und Uta Stettner, TU München Heinz Pfefferkorn, gbd Holding Holger König, Ascona GbR

Alle Untersuchungen: Anne Niemann, Sandra Schuster, Daniele Santucci, David Selje, Ahmad Saleem Nouman und Uta Stettner, TU München

Marko Sauer, Architekt und Journalist


DBU Bauband 3

Gewerbebauten in Lehm und Holz Mehrwert durch Material Herausgegeben von Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt Thomas Auer, Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen Hermann Kaufmann, Professur für Entwerfen und Holzbau Fakultät für Architektur, Technische Universität München

Vorspann 7 Zukunftsfähiges Gewerbe 11 Gewerbebauten aus Holz 17 Lehm – der älteste Baustoff der Erde Einstieg 25 Forschungsgegenstand 27 Zwei Disziplinen, ein gemeinsamer Untersuchungsgegenstand 32 Methodik 34 Lehm in der tragenden Rolle 37 Methode der Lebenszyklusanalyse Untersuchungen 48 Isar-Würm-Lech IWL 66 Vitsœ-Headquarter 84 Alnatura-Hochregallager 102 Kommunikationshaus Gugler 1 18 Ricola-Kräuterzentrum 136 Alnatura-Arbeitswelt Resümee 157 Auf dem Boden der Realität 1 62 Autorinnen und Autoren 165 Dank 166 Impressum


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Nutzungszyklen im Gewerbebau Während für die Nachhaltigkeit im Bauwesen eine möglichst langfristige Nutzung entscheidend ist, wird gerade der Industrie- und Gewerbebau durch kurzfristigere Perspektiven geprägt. Veränderte Rahmenbedingungen erfordern rasche Anpassungsstrategien in der Produktion. Als Folge davon sind die Gebäudehüllen oft nur auf kurze Lebenszeiten kalkuliert. Eine denkbare Alternative wäre eine mitwachsende Gebäudehülle, bei der sich im Erweiterungsfall bestehende Bauteile zerstörungsfrei trennen, einfach versetzen und somit weiterhin nutzen lassen. Diese ressourceneffiziente Strategie bietet sich gerade im Holzbau mit komplex vorgefertigten Bauteilen an. Eine Chance zur Erprobung dieser auf Vorgängerprojekten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) aufbauenden Idee bot sich im Rahmen der Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Isar-Würm-Lech IWL in Landsberg. Eine stufenweise Erweiterungsmöglichkeit war Teil der Wettbewerbsidee. Warum denn nicht ganze Bauteile so konstruieren, dass sie im Erweiterungsfall versetzt und wiederverwendet werden können? Der Architekt setzte diese Forschungsidee von zerstörungsfrei lösbaren Verbindungen der vorgefertigten Bauteile bis hin zu versetzbaren Fertigteilfundamenten erfolgreich um. Die Vorteile im Sinne eines verminderten Ressourcenverbrauchs und einer gesteigerten Nutzungsflexibilität liegen auf der Hand. Doch es gab noch weitere interessante Forschungsansätze in Landsberg. Arbeitsbedingungen und Gebäudetechnik Im Gewerbebau sind spezifische klimatische Voraussetzungen zu erfüllen, weil niedrigere Raumtemperaturen ­erforderlich sind. Die Kosten-Nutzen-Rechnungen ergaben daher, dass sich der Mehraufwand einer passiv­haus­ tauglichen Wandkonstruktion rechnet, jedoch eine Dreifach-Verglasung im Lebenszyklus ihre Mehrkosten nicht einspielt. Sowohl die Produktion als auch die Serverkapazitäten erzeugen Abwärme, die im Bereich von Gewerbeund Bürobauten genutzt werden sollte. In Landsberg lag

hingegen die Nutzung von Holzabfällen aus der Produktion zur Wärmeerzeugung nahe. Im Zusammenspiel mit der gegen Süden ausgerichteten Photovoltaikanlage ergab sich ein CO2-neutraler Betrieb. Die Nordsheds sichern eine gute Tageslichtversorgung, eine an das Tageslicht an­ gepasste Beleuchtung ergänzt das natürliche Licht. ­Tageslicht hat eine konzentrationsfördernde Wirkung. Mit unterschiedlichen Lichtfarben und Beleuchtungsstärken, die über die Arbeitsstättenrichtlinie hinausgehen, konnte eine gesteigerte Konzentrationsfähigkeit nachgewiesen werden. Dies war gerade im Kontext einer Behindertenwerkstätte dem Bauherrn ein wichtiges Anliegen. Passive Klimatisierung Die Moderne hat mit ihren filigranen Stahl-Glas-Kon­ struktionen nicht nur einen neuen internationalen Stil ins Leben gerufen. Die Entwicklung der Gebäudetechnik hat zudem über Jahrhunderte gesammeltes Wissen zu passiven Klimatisierungsmethoden ersetzt. In einem relativ kurzen Zeitraum konnte sich die Architektur scheinbar losgelöst von ihren Klimatisierungsfunktionen entwickeln. Dies führte zu einer deutlichen Verschiebung der Aufwendungen für die Gebäudekonstruktion hin zu einem verstärkten Technikeinsatz. Ein von den Außentemperaturen losgelöstes Innenraumklima in einem normierten Rahmen wurde zum Erwartungshorizont. Erst steigende Energiepreise sowie hohe Wartungs- und Erneuerungskosten rückten den Preis für diese Gestaltungsfreiheit und die gestiegenen Komfortansprüche ins Bewusstsein. Theoretische Energieeinsparungen und Kom­ fortversprechen konnten dabei in der Praxis nicht immer erreicht werden. Daher drängt sich die Frage auf, ob eine Rückbesinnung auf passive Klimatisierungskonzepte, die natürliche Thermik über spezielle Geometrien und Baustoffe in ihrer Wärmeleitfähigkeit und Feuchtepufferung nutzen, in der heutigen Zeit einen relevanten Beitrag zur Gebäudeklimatisierung leisten können. Die begleitende Forschung zur Alnatura-Arbeitswelt behandelt daher die folgende Frage: Kann die gezielte Auswahl von Baustof-


fen im Zusammenhang mit einem optimierten Entwurf den Ein­satz von Gebäudetechnik auf ein Minimum beschränken? Es lag dabei auf der Hand, auch ein uraltes Material, den Lehm, in den Blick zu nehmen. Denn Lehm bringt aktivierbare Masse in ein Gebäude und puffert Wärmespitzen. Die eingelagerte Wärmeenergie kann phasenverschoben in kühleren Nachtzeiten wieder abgegeben werden. Ein mit dieser Funktionsweise zusammenarbeitendes Lüftungskonzept kann den Bauteilen über Nacht die Wärme wieder entziehen, um die Speicherwirkung für die nächste Hitzeperiode erneut zu nutzen. In ähnlicher Weise lässt sich auch eine erhöhte Raumluftfeuchte über die feuchtepuffernde Wirkung des Lehms ausgleichen. Ökobilanzielle Optimierung der Ressourcen Neben der natürlichen Klimatisierungsfunktion ist auch die Ökobilanz über den Lebenszyklus von Bedeutung. So sollte im neuen Hauptsitz von Alnatura der ökologische Rucksack, den jeder Baustoff mit sich führt, möglichst über den gesamten Lebensweg minimiert werden. Dazu gehören die Rahmenbedingungen der Rohstoffgewinnung, die Prozesse der Verarbeitung ebenso wie die Phase der Nutzung und Reparatur bis zum Abbruch und der möglichen Wiederverwendung. Die Vorteile nachwachsender Rohstoffe sind hier ebenso offenkundig wie die des natürlich vorkommenden Lehms. Während nachwachsende Rohstoffe weitere Umweltleistungen wie CO2Bindung, Sauerstoffproduktion und Staubfilterung, aber auch Erholungsfunktionen u. a. m. während der Aufwuchs­ phase erbringen, ist Lehm als Baustoff nahezu überall auf der Welt über den Aushub der Baugrube verfügbar. Nach der Nutzung kann der Baustoff wiederverwendet oder dem Boden zurückgegeben werden, ohne aufwendige Aufbereitungsprozesse durchlaufen zu müssen. Die dazu in modernen Bautechnologien notwendigen Standardisierungsmaßnahmen werden durch die DBU bereits seit der Erstellung der Lehmbauregeln bis hin zur Entwicklung von Lärmschutzwänden vorangetrieben.

Langfristige Nutzbarkeit und Flexibilität Die langfristige Nutzbarkeit von Gebäuden stellt ein zentrales Nachhaltigkeitskriterium dar. Neben dem Konzept der Erweiterbarkeit und der Wiederverwendung von ganzen Bauteilen sind noch weitergehende Strategien denkbar. Im Falle der Firmenzentrale von Vitsœ wurde eine größere Kubatur verwirklicht, die zusätzlich einer Tanzkompanie Raum für Proben und Aufführungen bietet. So wurden Raumreserven geschaffen, die bei Firmenwachstum ohne viel Aufwand zur Verfügung stehen. Diese wünschenswerte Mehrfachnutzung und Flexibilität von Gebäuden kann auch in Form einer neuen Gebäudeoder Quartiersstruktur gedacht werden. So sollten gewerbliche Strukturen möglichst im Geschoss geplant werden. Denn städtebauliche Dichte und Nutzungsmischung sind nicht umsonst ein entscheidender Beitrag zur Ressourceneffizienz. Verkehrsflüsse lassen sich über kurze Wege reduzieren, weniger Fläche wird überbaut und die zugehörige Infrastruktur wird effizienter genutzt. Als typologisches Beispiel sei hier das Werksviertel am Münchner Ostbahnhof genannt, ein ehemaliger Industriestandort, an dem heute ein mehrstöckiges Produktionsgebäude von über 50 unterschiedlichen Unternehmen genutzt wird. Nebenan Fitnesscenter, Hotel und Nachtleben: ein lebendiges Quartier von hoher Qualität. Ausblick Die Entwicklung neuer gemischter Gewerbe- und Quartiersstrukturen birgt große Potenziale, das Leitbild der verdichteten Stadt mit Vorbildern für eine lebenswerte Zukunft zu füllen. Je mehr der Gewerbebau durch seine räumlichen und gestalterischen Qualitäten zur Heimat wird, desto länger wird er genutzt und gepflegt und desto nachhaltiger ist seine Bilanz. Natürliche Materialien leisten hier nicht nur einen nachweisbaren ökologischen Beitrag, sondern überzeugen auch durch ihre behagliche Atmosphäre. Das Gebäude wird damit zum werbewirksamen Statement des Unternehmens.



Forschungsgegenstand Fragen und Inhalte Thomas Auer und Hermann Kaufmann

In Zusammenhang mit der aktuellen Klima- und Ressourcenfrage stehen wir im Bauwesen vor grundlegenden Veränderungen. Weltweit verursacht der Gebäudesektor einen signifikanten Anteil am Energieverbrauch für Bau und Betrieb sowie einen enormen Anteil am Abfall­ aufkommen. Alleine die Zementherstellung ist mit einer jährlichen Produktion von über 4 Mrd. Tonnen verantwortlich für bis zu 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Zusätzlich sehen wir eine zunehmende Verknappung von wichtigen Ressourcen wie Sand, Kupfer und anderen Stoffen. Diese globalen Zusammenhänge sind uns seit geraumer Zeit bekannt. Daher beschäftigen wir uns bereits seit den 1990er-Jahren mit der Frage, wie sich die gebaute Umwelt angesichts dieser Herausforderung verändern muss. Der Begriff der nachhaltigen Architektur gehört längst zum Standardrepertoire. Hinzu kamen Begriffe wie Cradle to Cradle, Kreislaufwirtschaft, regenerative Architektur, und viele weitere mehr. Trotz aller Bemühungen und ­Begrifflichkeiten beschleicht uns das Gefühl, dass die Herausforderungen nicht annähernd gelöst sind. Nicht wenige Expertinnen und Experten sind der Meinung, dass sich das Bauen disruptiv verändern müsse – ohne dass sie eine richtungweisende Antwort geben würden. Es ist jedoch evident, dass sich sowohl der Materialkanon als auch die konstruktiven Ansätze der letzten Jahrzehnte verändern müssen. Alleine aus der Betrachtung der zu erwartenden Lebenszeit unterschiedlicher Gewerke ist es offensichtlich, dass es keinen Sinn ergibt, einfach alles in Beton zu gießen. Dabei stellt sich die Frage, welche Potenziale natürliche bzw. nachwachsende Materialien wie Holz und Lehm haben.

Von der Natur erzeugte Baustoffe erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit. Neben der Sehnsucht nach „natürlichen“ Materialien für die Wohn- und Arbeitsumgebung erfahren diese Baustoffe auch über die Diskussion der Nachhaltigkeit einen spürbaren Aufwind. Wer die internationale Architekturentwicklung verfolgt, entdeckt eine zunehmende Beachtung: Der Anteil an herausragenden Architekturen aus Holz und/oder Lehm nimmt zu. Zudem beflügelt die steigende Nachfrage nach Vorfertigung den Einsatz von Holz. Die Verlagerung der Baustelle in die Werkhallen ermöglicht deutlich eine höhere Bauqualität – ebenso vereinfacht diese Tendenz den Rückbau und die Veränderbarkeit von Gebäuden. Nachhaltigkeitszertifikate wie dasjenige der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) bewerten den Energieaufwand für die Herstellung von Gebäuden, die Nutzungsphase sowie deren Rückbau und belegen sehr deutlich die Vorteile der natürlichen Materialien. Neben der Nachhaltigkeit spielen ästhetische Aspekte genauso eine Rolle wie Fragen der Aufenthaltsqualität. Holz und Lehm als Baustoffe versprechen eine angenehme Atmosphäre. Dabei geht es um subjektive Aspekte wie Haptik und Gerüche oder die warmen Farbtöne von Holz und Lehm, die ein gewisses Wohlgefühl vermitteln. Es geht aber auch um quantifizierbare Aspekte wie beispielsweise Temperatur- und Feuchteregulierung, die zu einer guten Aufenthaltsqualität beitragen. All die genannten Aspekte sollen im vorliegenden Buch betrachtet und auch hinterfragt werden. Hierfür wurden in den sechs ausgewählten Objekten Messungen durchgeführt, ergänzt durch subjektive Umfragen. Der Fokus gilt dabei für einmal nicht dem Wohn-, sondern dem


Prof. Dipl.-Ing. Thomas Auer

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Prof. DI Hermann Kaufmann

Handarbeit – was sich auch in den Kosten bemerkbar macht – und die Tatsache, dass es nur wenige Hersteller gibt. Die Firma Lehm Ton Erde von Martin Rauch versucht, den Herstellungsprozess zu rationalisieren. Sie produziert ganze Bauteile entweder vor Ort in einer Feld­ fabrik oder in angemieteten Hallen, um dann möglichst große Elemente auf der Baustelle zu versetzen. Diese Methode ist entscheidend, um im heutigen Baugeschehen sowohl terminlich als auch wirtschaftlich mithalten zu können.

Im Gewerbebau steht das Material Holz noch am Anfang. HK_ Technologisch nicht, die bereits ausgeführten Bauten zeigen einen hohen technischen Stand. Und trotzdem braucht es mehr Pioniere, die gestützt durch fachlich kompetente Ingenieure nachhaltige und behagliche Gebäude für die Bauherren konzipieren. Holzbauwissen ist in der Baubranche noch keine Selbstverständlichkeit. Deshalb scheuen sich noch die meisten Projektentwickler und Investoren, ein Entwicklungsrisiko einzugehen und beschreiten lieber den klassischen Weg.

Beim Holzbau ermöglichen die Prozesse den Einsatz in Dieses Risiko ist bei Lehm noch viel größer. Gibt es großen Dimensionen. Er wäre ohne Weiteres geeignet, in „Spielregeln“ im Umgang mit dem Material? Wann kann diesen Sektor vorzudringen. Wieso besteht dennoch erst es seine Eigenschaften – gestalterisch und materialtechein so geringer Teil der Gewerbebauten aus Holz? nisch – am besten ausspielen? HK_ Lange Zeit galt der Holzbau als ungeeignet für große TA_ Lehm hat eine hohe Wärmeleitfähigkeit und gleichBauten, während Stahl und Beton unvoreingenommen zeitig einen sehr guten Feuchtetransport – kombiniert mit angewendet wurden. Eine riesige und finanzstarke Mas- einer vorteilhaften sogenannten Sorptionsisotherme –, sivbauindustrie entwickelte sich, das kleinstrukturierte sodass sich massive Bauteile aus Lehm besonders eignen Holzgewerbe hatte dem nichts entgegenzusetzen. For- sowohl für ein robustes, ausgeglichenes thermisches als schung und Entwicklung für Holz stagnierten, ebenso auch für ein hygrisches Verhalten von Räumen. gab es für die Weiterentwicklung der Brandschutznormen Wie äußerte sich dies bei den untersuchten Objekten? keinen Bedarf. War dieser Einsatz von Lehm wesentlich? Und doch zieht die Verwendung von Holz momentan auf TA_ Bei Ricola gab es spezifische Anforderungen an die Raumluftfeuchte, sodass die Funktion des Lehms nicht breiter Basis an. HK_ Das ändert sich derzeit schlagartig durch die Klima- einfach durch andere Baustoffe eins zu eins hätte ersetzt diskussion. Nachwachsende Rohstoffe gelten als Teil der werden können. Die massiven, monolithischen AußenLösung zur Decarbonisierung des Bauwesens. Neue For- wände aus dem vor Ort gewonnen Lehm reduzieren sigschungen anhand von Pilotprojekten zeigen, dass die nifikant den Aufwand an technischer Gebäudeausrüstung Einwände bezüglich Feuersicherheit lediglich Vorurteile in Bau und Betrieb des Gebäudes. Der Aufwand wäre bei waren. Der Brandschutz lässt sich durch angepasste Stra- anderen Materialien höher – wie viel höher hängt wiede­ tegien ohne Mehraufwand lösen. Sogar Bauten über die rum vom Material ab. Zugleich war der rechnerische NachHochhausgrenze hinaus sind heute im Holzbau möglich. weis mittels Simulation relativ aufwendig und komplex. Und der Nachteil bezüglich des sommerlichen Wärmeschutzes lässt sich durch sinnvolle Materialkombinatio- Wie sieht dies bei einer Büronutzung aus? nen, also Holz mit Materialien hoher Speicherkapazität TA_ Bei der Alnatura-Arbeitswelt war die Situation eine wie Beton oder Lehm vermeiden oder zumindest teilweise andere. Es gibt über die Komfortbedingungen für die Mitarbeiter hinaus keine spezifischen Anforderungen an kompensieren.


die Raumluftfeuchte, dafür war eine monolithische Bauweise aufgrund der Anforderungen der Energieeinsparverordnung nicht möglich. Bei der Alnatura-Arbeitswelt sticht der Lehm auch bezüglich der Ökobilanz nicht besonders heraus. TA_ Das Grundmaterial wurde von der Stuttgart-21-Baustelle über eine Distanz von 170 Kilometern antransportiert. Die wissenschaftliche Begleitung hat gezeigt, dass aufgrund des Transports der energetische Aufwand für den Bau der mehrschichtigen Lehmwand größer war als bei einem alternativen Wandaufbau mit vergleichbaren Eigenschaften. Hätte man dieses Projekt also ebenso gut auch mit einem anderen Material umsetzen können? TA_ Die Entscheidung für die Lehmwände war mutig und richtig. Abgesehen von der Tatsache, dass das Material einen wesentlichen Beitrag zum Erscheinungsbild des Gebäudes leistet, muss man festhalten, dass die Literaturwerte ein gegenteiliges Bild zeichnen. Diese Erkenntnis resultiert aber nur daraus, dass diese mutige Entscheidung getroffen wurde und dass das Projekt – von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert – wissenschaftlich begleitet wurde. Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Beschäftigung mit dem Material Lehm gewonnen? TA_ Die Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Projekte haben Pilotcharakter und es braucht mutige Bauherren, Architekten und Ingenieure. Das Material hat sicherlich großes Potenzial, sollte aber für massive Bauteile vor Ort gewonnen werden. Eine Verbesserung des Raumklimas ist gegeben; der planerische Nachweis ist jedoch noch relativ komplex. Das Erscheinungsbild und die Haptik beeinflussen offensichtlich die subjektive Wahrnehmung der Aufenthaltsqualität. Bauten aus Lehm sind heute noch die Exoten. Auf der anderen Seite bietet der Lehm mit seiner Masse und seinen

hygroskopischen Eigenschaften beste Voraussetzungen für eine möglichst tiefe Mechanisierung des Gebäudes unter dem Stichwort Lowtech. Konnte der Lehm die Erwartungen in dieser Hinsicht erfüllen? TA_ Die Erwartungen hinsichtlich des Einflusses auf das Raumklima haben sich erfüllt. Das Kräuterzentrum von Ricola zeigt, dass die hygrischen Eigenschaften dazu führen, dass sich eine stabile Raumluftfeuchte einstellt – bei einem saisonal rein passiven Betrieb ohne maschinelle Lüftung. Auch bei Alnatura sehen wir ein ziemlich stabiles Raumklima, obwohl im ersten Betriebsjahr die Ge­ bäude­auto­mation nicht vollständig funktioniert hat und technische Systeme zeitweise nur bedingt zur Verfügung standen. Könnte dies eine Chance für den Lehmbau sein, auf breiterer Front zum Einsatz zu kommen? Wie kommt man aus der Ecke des Exotischen heraus? HK_ Für einen Einsatz in der Breite müsste der Grad an Rationalisierung dank der Vorfertigung weiter zunehmen. Zudem müssten lange Transportwege vermieden werden. Und die erforderliche Wandstärke zur Erzielung guter Wärmedämmeigenschaften müsste sich – zumindest für den Einsatz in einem urbanen Kontext – verringern. Außerdem müsste auch das Know-how des Lehmbaus auf breiter Front im Handwerk sowie in der Bauindustrie ankommen. Ob aber jemals eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Baumethode entstehen wird, kann derzeit nicht beantwortet werden. Die Rückkehr in den natürlichen Kreislauf ohne Rückstände ist ja eine wesentliche Stärke des Lehmbaus. Spielt dieser Vorteil keine Rolle? HK_ Der Rückbau eines Gebäudes ist derzeit nicht eingepreist, das heißt, die Herstellungskosten sind nach wie vor entscheidend. Es interessiert sich kaum ein Investor dafür, was mit dem Gebäude in 50 oder gar 100 Jahren passiert. Daher fällt dieses Hauptargument für den Lehmbau leider meist unter den Tisch.



Messungen und Analysen Interdisziplinarität in der Forschung Marko Sauer

Die interdisziplinäre Forschung zu Gebäuden birgt viele Herausforderungen. Wenn Fachleute aus Architektur und Gebäudetechnik sich zusammenschließen, um gemeinsam ein Projekt zu untersuchen, dann rücken sie diesem mit ihren jeweiligen Werkzeugen zu Leibe: Die Architektinnen und Architekten operieren mit Konstruktion, Raumqualität und Typologie, die Technikerinnen und Techniker mit Messungen, Befragungen und Konzepten zur Klimatisierung. Beide Wege objektivieren die jeweiligen Untersuchungen und Analysen und stellen die Resultate in den entsprechenden fachlichen Kontext. Die Fragen zu diesem Forschungsthema sind aber ebenso eine Folge von architektonischen Entscheidungen, wie sie von der technischen Ausrüstung eines Gebäudes beeinflusst werden. Und sie sind zudem abhängig von der Entscheidung für ein bestimmtes Material – in diesem Fall Holz oder Lehm. Diese vielschichtigen und sich ergänzenden Untersuchungen zeigen nicht nur die Komplexität der Fragestellung auf, sondern sie sind auch ein Beleg dafür, dass Architektur von allen Seiten her gedacht werden muss: Sie löst mehrere Ansprüche gleichzeitig in einem einzigen Werk. Vitruv – der berühmte römische Architekt, Ingenieur und Architekturtheoretiker – fasste

dies in seinem Dreiklang der Tugenden zusammen, die ein Gebäude erfüllen muss: Firmitas, Utilitas, Venustas – Beständigkeit, Nützlichkeit, Schönheit. Gute Architektur muss all diesen Anforderungen zugleich entsprechen. Dies führt dazu, dass die entscheidenden Fragestellungen sich genau an den Schnittstellen zwischen den Fachgebieten befinden und damit auch an den Berührungspunkten zwischen der Forschung der beiden Disziplinen. Deshalb braucht es für ein umfassendes Bild die Analyse von beiden Professionen. Hingegen bedarf die Schlussfolgerung daraus – welcher Faktor sich in welchem Ausmaß auf das Resultat ausgewirkt hat – bei jedem Projekt der Interpretation der aufmerksamen Leserin und des aufmerksamen Lesers. Maßgeblich an den Untersuchungen haben gearbeitet: Anne Niemann und Sandra Schuster von der Professur für Entwerfen und Holzbau von Prof. DI Hermann Kaufmann und am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen von Prof. Dipl.-Ing. Thomas Auer: Daniele Santucci, David Selje und Uta Stettner. Am selben Lehrstuhl waren folgende Personen mit dem Monitoring der sechs Gebäude beteiligt: Ahmad Saleem Nouman, Daniele Santucci, Uta Stettner.



Isar-Würm-Lech IWL – das Gebäude wächst mit seinen Aufgaben Beim Betriebsgebäude der IWL bestimmt der Städtebau die Konstruktionsweise: Auf der Parzelle sind über die Jahre mehrere Gebäude für die Produktion erstellt worden. In mehreren Etappen soll die Parzelle besser und klarer strukturiert werden. In einem ersten Schritt wurde die Schreinerei erstellt. Damit sie für die anstehenden Änderungen gewappnet ist, lassen sich das Tragwerk erweitern und die Außenwände verschieben. Diese Flexibilität geht nicht auf Kosten der architektonischen Qualität. Das Tragwerk aus Holz ist effizient – das Gebäude zeigt sich zudem innen wie außen elegant und materialgerecht.

Stand 2020

Erweiterung Halle

Konzept Leitbild der Firma IWL ist es, Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Die Betreiber berücksichtigten deshalb bei ihrer Bedarfsplanung sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeitenden als auch die ­dynamische Entwicklung des Betriebs – und sie machten den Planern konkrete Vorgaben für ein Endausbaukonzept. Im Rahmen der Auslobung forderten sie die Entwicklung eines erweiterbaren Bauwerks aus ressourcenschonendem Material und ein zukunftsorientiertes Energiekonzept. Ein Tages- und Kunstlichtkonzept, das sich an den Erkenntnissen über melanopisch wirksames Licht orientierte, kam während der weiteren Planung hinzu. Das Büro HK Architekten überzeugte im Wettbewerb für das Projekt mit einem ganzheitlichen Entwurfsansatz, der neben einem ressourcenschonenden Materialeinsatz auch eine zerstörungsfreie Erweiterung der Betriebsanlage im Entwurfskonzept vorsah. Der Lageplan (S. 52) zeigt das Wettbewerbsprojekt im Endausbau: Ziel ist es, eine Kommunikationszone im Sinne eines Dorfplatzes zu schaffen und die Personen- und Warenströme zu ordnen und zu entflechten.

Erweiterung Areal

Tragwerk/Konstruktion Der erste Bauabschnitt umfasst einen ein- und teilweise zweigeschossigen Neubau, in dem sich die Schreinerwerkstatt, eine Lackiererei, das Lager und eine Verkaufsfläche befinden. Dabei hebt sich das Gebäude durch seine Fassade aus Holz deutlich von den umliegenden Gewerbebauten ab. Die ursprüngliche Planung sah eine reine Holzkonstruktion vor, doch auf der massiven Bodenplatte stehen Betonstützen, auf denen im Bereich der Aufstockung ebenfalls eine Betondecke liegt. Die anfallenden hohen Lasten erforderten diesen teilweisen Einsatz von Stahlbeton. Bei den weiteren Geschossen findet hingegen wieder eine konsequente Anwendung des Materials Holz statt. Diese Umsetzungsstrategie ist auch für den im zweiten Bauabschnitt geplanten Mensa- und Verwaltungsbau auf der Ostseite vorgesehen. Ort Landsberg am Lech, DE Bauherrschaft IWL, Landsberg am Lech Architektur HK Architekten, Schwarzach Tragwerksplanung Merz Kley Partner, Dornbirn Energiekonzept Ingenieurbüro Hausladen, Kirchheim bei München 3lpi lichtplaner + beratende ingenieure, München Baujahr 2014 Besonderheit Modular erweiterbare Konstruktion mit melanopisch wirksamem Licht Heizen Feststofffeuerung, Gaskessel für Spitzenlasten, Deckenstrahlplatten Kühlen Nachtauskühlung über Sheds möglich Lüften Natürliche Lüftung über Fenster und Sheds


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Darstellung des (geplanten) Endausbaus

Die Skelettbauweise gewährleistet eine hohe Nutzungsflexibilität. Die Architekten strebten gemeinsam mit der ausführenden Firma einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad der Fassaden- und insbesondere der Dachelemente an. Bei der Umsetzung ist dies nicht in allen Bereichen gelungen, denn die für den Vorfertigungsprozess so wichtige und notwendige Vorlaufzeit zur rechtzeitigen Zusammenführung aller Teilgewerke war nicht gegeben. Das verwendete Holz ist sowohl im Innen- als auch im Außenbereich unbehandelt und nimmt den sichtbaren Verwitterungsprozess in Kauf. Der Schutz empfindlicher Bereiche wie beispielsweise der Fenster erfolgt durch konstruktiven Wetterschutz. Besondere Anforderungen Die Personengruppe, die in den Werkstätten arbeitet, reagiert sensibler auf atmosphärische und optische Einflüsse. Die Oberflächengestaltung des Innen- und des unmittelbaren Außenraums mit natürlichen, unbehandelten Materialien zeigt eine positive Wirkung: zum einen durch die Materialverwendung, zum anderen durch das Lichtkonzept. Im eingeschossigen Werkstattbau ist ein Sheddach ausgeführt, das eine natürliche Belichtung der LageplanGebäudetiefe mit Nordlicht gewährleistet und gesamten

IWL M 1:5000

Lageplan M 1:5.000

das der natürlichen Belüftung dient. Die Geometrie des Sheddachs und seine Anordnung in der Ebene der Fachwerkstreben des Haupttragwerks vereinen die hervor­ ragende Tageslichtnutzung mit einem energetischen Vorteil, weil Raumhöhe und Gebäudevolumen minimal ausfallen. Die Fassadenbauteile wurden so entwickelt, dass sie eine Erweiterbarkeit des Werkstattgebäudes auf der Süd- und Westseite ermöglichen. Dies bedingt eine Konstruktion der Fassadenbauteile, die zerstörungsfrei auch für eine Erweiterung wiederverwendet werden können. Erweiterung der Südfassade Die Erweiterung der vorwiegend aus einer PfostenRiegel­-Konstruktion bestehenden Südfassade stellte eine besondere Herausforderung dar. Eine Demontage der Fassade und deren Wiederaufbau hätten einen großen logistischen Aufwand bei einer geplanten Erweiterung bedeutet. Ziel war es deshalb, die Fassade als Gesamtkonstruktion zu versetzen. Mit Unterstützung eines Herstellers von Verglasungssystemen entwickelten die Planer zusammen mit dem ausführenden Holzbauunternehmen eine praktikable und möglichst einfache Lösung. Sie beruht auf der im


Vorfertigungsprozess bekannten Methode der Koppelung von Pfosten sowie dem Einsatz eines geteilten Aufsatzprofils, das bereits auf dem Markt verfügbar ist. Nach dem Rückbau des Vordachs kann über einen speziell gestalteten Anschluss eine Platte eingeschoben werden. Mit Hilfe dieser Holzplatte, die als Aussteifungselement dient, kann das gesamte Rahmenelement – inklusive Verglasung – nach oben gehoben werden und nach der Zwischenlagerung wieder auf die gleiche Weise in die Gebäudehülle integriert werden. Im Sockelbereich steht die gesamte Fassadenkonstruktion aus Gründen des Spritzwasserschutzes auf einer Betonaufkantung auf. Diese Aufkantung, die auf ein Streifenfundament montiert ist, wird als demontierbares Fertigteil konzipiert. Im Falle der Erweiterung wird eine neue Bodenplatte an die bestehende angeschlossen. Der Randabschluss, der wieder als Sockel für die versetzten Fassadenelemente dient, wird analog zur ursprünglichen Planung ausgeführt, der demontierte Fertigbetonsockel kann wiederverwendet werden.

Melanopisch wirksames Kunstlicht Neue Erkenntnisse über die nichtvisuelle bzw. melanopische Wirkung von Licht bildeten die Grundlage für die Entwicklung des Tages- und Kunstlichtkonzepts beim IWL. Zur Jahrtausendwende konnten Wissenschaftler einen weiteren Wirkkanal im menschlichen Auge nachweisen, der insbesondere auf die Blauanteile im (Tages-)Licht rea­giert. Dieses eher kühl wirkende Licht mit hoher Farbtemperatur wirkt sich, zur richtigen Tageszeit eingesetzt, nachweislich positiv auf die Physiologie eines Menschen aus. Der gezielte Einsatz von Tageslicht, in den Vormittagsstunden bei Bedarf durch Kunstlicht mit hohem Blauanteil ergänzt, unterstützt daher in der Werkstatt des IWL nicht nur den reinen Sehvorgang der Mitarbeiter. Die in der Werkstatt nachgewiesenen Effekte reichen von gesteigerter Aufmerksamkeit, Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit bis zu besserem Nachtschlaf. Darüber hinaus hilft das richtige Licht zur richtigen Zeit nach dem Stand des Wissens gegen das bekannte Wintertief und ist Vorsorge gegen Stoffwechsel- und HerzKreislauf-Erkrankungen.

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1

3

Die Elemente der südlichen Fassade lassen sich bei einer Erweiterung zerstörungsfrei ausbauen und neu versetzen. In Schritt 2 wird der Fensterteil mittels einer Holzplatte gestützt.


Vor den Fenstern der Ostfassade befinden sich Holzlamellen, die einerseits einen Sichtschutz bieten und für Beschattung sorgen, andererseits die natürliche Belichtung der Innenräume kaum einschränken und den Mitarbeitern eine gute Sicht nach draußen ermöglichen.


Kaufmann, Hermann, Hausladen, Florian, Veit, Martin: Konzeption eines mitwachsenden Werkstättengebäudes für eine Werkstätte für behinderte Menschen in Holzbauweise mit optimierter Energieeffizienz. Abschlussbericht gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, online unter www.dbu.de/ OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-29965-01.pdf, aufgerufen am 05.03.2020.

Monitoring Im Rahmen der Baumaßnahme wurde in Zusammenhang mit der Gebäudeleittechnik ein übergreifendes dauerhaftes Energiemonitoring installiert. Hierbei werden die Energieströme für Wärme- und elektrische Energie betrachtet. Für den Beitrag zum Bauband 3 wurden zusätzlich zwei IC-Meter im Gebäude der IWL installiert und die gemessenen Werte genauer betrachtet. Einer dieser beiden Messpunkte befindet sich in der Produktionshalle, ein weiterer in einem von der Halle abgeteilten, nach Süden orientierten Raum mit voll verglaster Fassade. Das h,x-Diagramm zeigt stündliche Messungen der Temperatur und Luftfeuchte und stellt diese den jeweiligen übermittelten Werten der Außenlufttemperatur gegenüber. In der heißen Sommerwoche verhalten sich die beiden Räume, wie erwartet, sehr unterschiedlich: Die Tem­peraturen in der Produktionshalle befinden sich aus­ schließlich im Komfortbereich, während der nach Süden orientierte, viel kleinere Raum weitaus höhere Temperaturen aufweist, die teilweise außerhalb der Komfortzone liegen. Der graue Bereich der Grafik (S. 62) zeigt die empfohlene Komfortzone nach DIN 1946-6. Die hier ersichtlichen Temperaturüberschreitungen im Sommer resultieren aus dem hohen solaren Eintrag durch die voll verglaste Fassade. Die Raumfeuchte bewegt sich trotz erhöhter Temperaturen innerhalb der Komfortgrenzen. Die Werte der kalten Winterwoche befinden sich nur leicht unterhalb des Komfortbereichs für Büroarbeitsplätze. Im voll verglasten kleineren Raum gibt es aufgrund der Ausrichtung außerdem einzelne hohe Temperaturwerte trotz niedriger Außenlufttemperaturen.

Auch die Diagramme zur Lufttemperatur zeigen unterschiedliche Werte für die beiden Messpunkte: Die Temperaturmessungen der Sommerwoche zeigen im verglasten Raum, wie erwartet, eine starke Abhängigkeit von der Solarstrahlung. Dieser Raum tendiert zur Überhitzung, auch wenn die Außenlufttemperatur unter 30°C liegt. Allerdings ist hier der Effekt der Nachtauskühlung klar sichtbar. In der Produktionshalle hingegen bleiben die Temperaturen im Sommer sehr konstant und überwiegend im Komfortbereich. Auch im Winter kann es aufgrund des solaren Eintrags in dem abgeteilten Raum zu Temperaturwerten bis über 28 °C bei einer Außenlufttemperatur von 0 bis 10 °C kommen. Während der Betriebszeiten wird hier allerdings mittels manueller Fensterlüftung frühzeitig für Abhilfe gesorgt, um ein angenehmes Arbeitsklima zu gewährleisten. Dagegen bleiben die Innenraumtemperaturen in der Halle auch im Winter trotz niedriger Außenlufttemperaturen äußerst konstant. Sie verändern sich weder nachts noch am Wochenende, wenn das Gebäude nicht genutzt wird. Die Messung der CO2-Konzentration in der großen Produktionshalle zeigt erstaunlich gute Werte unter 1.000 ppm im gesamten Betrachtungszeitraum. Es ist zwar keine mechanische Belüftung vorhanden, aber Absaugvorrichtungen für Späne, die meistens lange laufen. Hinsichtlich der Luftqualität und der Raumluftfeuchte ist der Effekt des Materials und des großen Raumvolumens besonders wirksam. Es zeigt sich, dass in dem großen Volumen des Produk­ tionsbereichs, in Kombination mit der thermisch wirksamen Masse der Konstruktion, ganzjährig komfortable Bedingungen erzielt werden. Wie oben beschrieben, bilden sich die Extremwerte der Außenluft – weder hinsichtlich der Lufttemperatur noch der Luftfeuchte – nicht im Inneren des Gebäudes ab. Da im gesamten Gebäude keine maschinelle Lüftung eingesetzt wird, kann dieser Effekt vollständig dem Material zugeschrieben werden.


Temperatur [°C] Sommer

Winter

außen

EG Produktion

EG Südausrichtung

wärmste Woche

kälteste Woche

40

30 26 Zeitlicher Verlauf

20

20

von Temperatur und Wasser­

10

gehalt der Luft 0

-10 22.07.

h,x-Diagramm

29.07.

27.10.2019

20.01.2020

27.01.

Sommer – Arbeitstag

Sommer 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %

Absolute Feuchte

28.10.

50 %

40 %

100 % 90 % 80 % 70 % 60 %

50 %

40 %

16

[g/kg]

30 %

30 %

20 %

20 %

10 %

10 %

77,1 % / 96,7 % im Komfortbereich

75,9 % / 97 % im Komfortbereich

14 12

Komfortbereich

10

nach DIN 1946-6

8 6 4 2 0 5

10

15

20

25

30

35

40

5

10

15

20

25

30

35

40

Raumlufttemperatur [°C]

Lufttemperatur Raumlufttemperatur [°C]

Sommer – Arbeitstag

Sommer

30 28 26

Behaglichkeits-

24

bereich nach

22

DIN EN 15251

20 18 16

563 Kh + / 9,4 Kh –

185 Kh + / 0 Kh –

26,8 Kh + / 0 Kh −

8 Kh + / 0 Kh −

14 -10

CO2-  Konzentration CO2 [ppm]

0

10

20

30

40

-10

0

10

20

30

40

Außenlufttemperatur [°C]

Sommer – Arbeitstag

Sommer

2.400 2.000

Kategorien IDA 1/2/3/4: Empfohlene CO2-Konzen­ tration nach DIN EN 13779

1.600

Kategorie 4

1.200

3 2

800

1

400 0 -10

0

10

20

30

40

-10

0

10

20

30

40

Außenlufttemperatur [°C]


Absolute Luftfeuchte in [g/kg]

Sommer

Winter

außen

wärmste Woche

EG Produktion

EG Südausrichtung

kälteste Woche 16 14 12

11,5

10 8 6 4,3

4 2 0

22.07.

29.07.

27.10.2019

Winter

28.10.

20.01.2020

27.01.

Winter – Arbeitstag 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %

50 %

40 %

100 % 90 % 80 % 70 % 60 %

50 %

40 % Absolute Feuchte

16 30 %

30 %

[g/kg]

14 12

20 %

20 %

10 8

10 %

10 %

6 4 2

57,4 % / 32,1 % im Komfortbereich

5

10

15

20

25

30

35

40

82,3 % / 52,9 % im Komfortbereich

5

10

15

20

25

30

35

0

40

Raumlufttemperatur [°C]

Winter

Winter – Arbeitstag 30

Raumlufttemperatur [°C]

28 26 24 22 20 18 141 Kh + / 217 Kh –

71,5 Kh + / 15 Kh –

0 Kh + / 540,3 Kh −

0 Kh + / 82,4 Kh −

16 14

-10

0

10

20

30

40

-10

0

10

20

30

40

Außenlufttemperatur [°C]

Winter

Winter – Arbeitstag 2.400 2.000

Kategorie 4

1.600

3

1.200

2

800

1

400 0 -10

0

10

20

30

40

-10

0

10

20

30

40

Außenlufttemperatur [°C]

CO2 [ppm]



Alnatura-Arbeitswelt – gedämmter Lehm für nachhaltiges Wirken Der Einsatz von gedämmten Bauteilen aus Stampflehm erlaubt es, die klimatischen Eigenschaften von Lehm zu nutzen und gleichzeitig zeitgemäße Dämmwerte zu erreichen. Die als Hypokausten genutz­ ten Außenwände und die hygrisch und thermisch aktive Oberfläche verbessern das Raumklima und binden Gerüche und Schadstoffe. Die Lehmwand zeigt auf ästhetisch ansprechende Weise, wie sich die Möglichkeiten einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Bauweise umsetzen lassen.

Konzept Auf einem früher von amerikanischen Streitkräften genutzten Gelände ist der neue Unternehmenssitz des BioLebensmittelhändlers Alnatura entstanden – mit Nutzund Schulgärten und einem öffentlichen Kindergarten, der auf naturnaher Waldorfpädagogik basiert. Herzstück des 55.000 m2 großen Areals ist die Alnatura-Arbeitswelt, ein dreigeschossiges Bürogebäude mit zweischalig ausgeführter Stampflehmfassade. Die Vorgabe an die Planer war, ein ressourcenschonendes Gebäude zu erschaffen, das eine symbiotische Verbindung mit der Natur und der Umgebung eingeht und die nachhaltige Nutzung vorhandener Ressourcen beinhaltet. Zudem sollten eine schlichte, naturnahe Ästhetik und eine hohe Arbeitsqualität für die rund 500 Mitarbeitenden zentrale Elemente sein. In einem DBU-geförderten Forschungsprojekt wurde dieser Frage intensiv nachgegangen. 1 Dem Leitgedanken „einfach Bauen“ folgend, suchte das interdisziplinäre Team nach robusten Konstruktionen, reduzierten und möglichst passiven Technikkonzepten und ressourcenschonenden Lösungen für Baustoffe und Bauteile. Entwurf Der schlichte ost-westlich ausgerichtete Baukörper mit offenem, asymmetrischem Dachfirst wirkt hell und ein-

ladend. Entsprechend dem Leitgedanken des Unternehmens vermittelt die Lehmfassade eine bodenständige, naturnahe Ästhetik. Die verglasten Querseiten und die zahlreichen Fensterflächen auf der Längsseite ermöglichen eine optimale natürliche Belichtung der 10.000 m2 umfassenden Bürofläche, die als Großraum organisiert ist. Über das große, nach Norden ausgerichtete Oberlicht fällt das Tageslicht tief in das mittig angeordnete Atrium. Den Wunsch des Bauherrn nach einem transparenten Open-Space-Büro mit Werkstattcharakter erfüllt das Gebäude hervorragend. 1 Im Erdgeschoss befindet sich neben Besprechungs- und Konferenzräumen auch ein vegetarisches Restaurant, das fast ausschließlich Bio-Lebensmittel verarbeitet und auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Die Arbeitsplätze sind verteilt auf das Erdgeschoss und die geschwungenen Galerien in den beiden Obergeschossen, die durch Stege und Treppen miteinander verbunden sind. Auf Einzelbüros und Trennwände wurde verzichtet, weil ein Großteil der Mitarbeitenden mit Desksharing arbeitet, also ohne festen Arbeitsplatz. Besprechungen können in den sich auf allen Ebenen befindlichen Teeküchen stattfinden oder in Bereichen, die sich durch akustisch wirksame Vorhänge abtrennen lassen. Die Vielfalt der Räume, die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten und die Offenheit tragen entscheidend zum besonderen Charakter des Hauses bei. Ort Darmstadt, DE Bauherr Campus 360, Darmstadt Architektur Haas Cook Zemmrich Studio 2050, Stuttgart Tragwerksplanung Knippers Helbig, Stuttgart Energiekonzept Transsolar Energietechnik, Stuttgart Lehmbau Lehm Ton Erde, Schlins Baujahr 2019 Besonderheit DGNB-Zertifizierung in Platin Heizen Wandheizung, Wärmepumpe, Erdkanal mit Vorkonditionierung durch Heizregister Kühlen Erdkanal Lüften Zuluftschächte, Quellluftauslässe, Atrium mit thermischem Auftrieb oder Lüfter


140 141

Lageplan M 1:5.000

Tragwerk/Konstruktion Um ein ressourcenschonendes Gebäude errichten zu können, verglich das Planungsteam in der frühen Entwurfsphase verschiedene Konstruktionsvarianten miteinander. Die ausgewählten Konstruktionen sollten möglichst wenig Energie für Transport, Herstellung und Demontage verbrauchen, wiederverwertbar sein und gleichzeitig die Einhaltung der Anforderungen an das Raumklima im Gebäudebetrieb garantieren. Da zudem der Wirtschaftlichkeit und der architektonischen Gestaltungsmöglichkeit Rechnung getragen wurde, fand sich mit der Auswahl der Baustoffe Stampflehm, Holz und Stahlbeton ein guter Kompromiss: Insbesondere unter Betrachtung der grauen Energie erwies sich die Außenwand aus Stampf­lehm als günstig gegenüber Varianten aus Voll- oder Dämmziegeln. Im Vergleich zu Beton- oder Lehmsteinkonstruktionen besitzt das Dachtragwerk aus Holz, einem nachwachsenden Baustoff, Vorteile in der ökologischen Bewertung. Nur die in der Gesamtbilanz positiver bewerteten Decken aus Stahl und Betonhohlkammerteilen tauschte der Bauherr aus Kostengründen gegen Ortbetonkonstruktionen aus. 2 Der Baustoff Lehm kommt in Form von 16 selbsttragenLageplan den Fassadenscheiben zum Einsatz, die je 12 Meter hoch

Alnatura Campus M 1:5000

und 69 cm stark sind. Im Wechsel mit verglasten Pfosten-Riegel-Konstruktionen bilden die Lehmscheiben die beiden fast 92 Meter langen Längswände im Norden und Süden. Durch die abwechslungsweise Anordnung von offenen und geschlossenen Wandelementen ließen sich aufwendig detaillierte Stürze vermeiden, zudem erleichtert diese klare Trennung den Einsatz von vorgefertigten Elementen. Die Geschossdecken und das Dach verankern die Lehmfassade und dienen zur Lastabtragung von Wind und Erdbeben. Um die Wärmeleitfähigkeit zu verringern, weisen die Lehmelemente einen zweischaligen Wandaufbau mit Kerndämmung aus Schaumglasschotter auf. Als Haupttragwerk dient ein Stahlbetonskelettbau mit aussteifenden Sanitär- und Treppenhauskernen. Das aussteifend wirkende Untergeschoss aus Stahlbeton trägt die horizontalen Lasten optimal in den Baugrund ab. Entsprechend der Belastung nimmt der Durchmesser der runden Stahlbetonstützen nach oben in jedem Stockwerk ab. Der auf die flexible Nutzung eines Büros ausgelegte Stützenraster folgt im mittleren Feld den geschwungen verlaufenden Geschossdecken, die beidseitig auskragen. Stützweiten zwischen 3,7 und 9,0 Metern erlaubten den Einsatz von Flachdecken mit einer wirtschaftlichen Dicke von 30 cm.3


Messpunkt 1

Schnitt und Grundriss EG M 1:500

Das durchlaufende Oberlicht teilt die Dachfläche in zwei Teile, die statisch unabhängig voneinander funktionieren. Diese konstruktive Herausforderung lösen Brettschichtholz-Träger, die auskragend auf jeweils zwei Stützen auflagern. Als Dacheindeckung dienen gedämmte, vorgefertigte Dachelemente, die dank der oberseitig schubfest verbundenen OSB-Platten als aussteifende Scheiben wirken.3 Akustik Trotz der offenen Raumstruktur erzielt der Bürobau eine erstaunlich gute Akustik. Die Eigenschaften des Baustoffs Lehm kommen hier optimal zum Einsatz: Die offenporige Struktur der Stampflehmwand wirkt sich positiv auf die Raumakustik aus. Da die Oberflächen im Innenraum hauptsächlich aus Beton bestehen, haben die Planer zusätzliche Maßnahmen ergriffen: Recycelbare Schaumbetonstreifen in den Stahlbetondecken der Obergeschosse dämpfen Geräusche, ohne die für die Raumklimatisierung benötigte Bauteilaktivierung zu behindern. Einen ähnlichen Effekt zur Schalldämpfung besitzt eine unterseitig in das Dach integrierte Holzlamellendecke ebenso wie die Laibungsverkleidungen aus massivem Eichenholz. Die feingelochte Oberfläche der Treppenhauskerne und die Einrichtung mit Teppichboden und Akustikvorhängen in den Besprechungsbereichen ergänzen das Konzept. Stampflehmfassade Die Fassade aus dem ökologischen Baustoff Lehm wirkt als Visitenkarte für das Unternehmen Alnatura, das Nachhaltigkeit als Grundprinzip vertritt. Zudem schafft der Lehm eine gute Akustik und ein angenehmes Raumklima, und besitzt ein wunderschönes Erscheinungsbild. Der Herstellungsprozess ist jedoch recht aufwendig und ergibt aus ökologischer Sicht vor allem dann Sinn, wenn Lehm wie in alter Tradition als regionales Material zum Einsatz kommt: Im Idealfall wird der Aushub der Baugrube – also das in der Natur häufig vorkommende Gemisch aus Lehm, Sand und Schotter – als Baumaterial benutzt. Am Ende des Lebenszyklus zerfällt das Gebilde und füllt die Baugrube wieder auf, als wäre nichts gewesen.

Messpunkt 2 s. S. 150


142 143

Deshalb beträgt die graue Energie bei Herstellung, Verarbeitung und Rückbau von Lehm praktisch null. Dieser Vorteil kann jedoch nur genutzt werden, wenn der schwere Lehm nicht von weit her transportiert werden muss und sortenrein verbaut wird bzw. sich die Zusätze am Ende wieder trennen lassen. Für die Alnatura-Arbeitswelt entwickelte der Vorarlberger Lehmbauspezialist Martin Rauch ein maßgeschneidertes Konzept, das hauptsächlich die Verwendung des Abbruchmaterials aus dem Tunnelaushub des Bahnprojekts Stuttgart 21 vorsah. Das bot sich aufgrund der schieren Menge an – laut Rauch hätte man damit „ganze Städte bauen“ können. Allerdings ist die Abbaustelle gut 170 km entfernt. So hat die Energie, die die Lkws für den Transport benötigt haben, die Ökobilanz des Projekts wesentlich verschlechtert. Die Technologie zur Vorfertigung der Stampflehmfassade erprobte Martin Rauch bereits am Kräuterlager für ­R icola in Laufen (vgl. Seite 118 – 135). Im Gegensatz dazu benötigte das Projekt für Alnatura eine zusätzliche Kerndämmung, die als 17 cm starke Schicht aus recyceltem Schaumglasschotter zwischen die Lehmschichten in die Schalung eingebracht und verdichtet wurde. In den Lehm eingemischter Lavaschotter reduziert den Lambdawert zusätzlich. 4 Horizontale Lagen aus Ton und Trasskalk in der äußeren Schicht verhindern Erosion sowie Algen- und Moosbildung. So kommt die später der Witterung ausgesetzte Lehmwand ohne weitere Oberflächenbehandlung aus. Zwar wird der Regen die oberste Lehmschicht mit der Zeit leicht auswaschen und die Oberfläche rauer und steiniger aussehen lassen, doch zeitgleich treten Salze aus, die an der Oberfläche mineralisieren und so den darunterliegenden Lehm imprägnieren und vor weiterer Erosion schützen. In die innere Schicht werden dünne Rohre für die geothermische Wandheizung eingelegt, was energetisch sinnvoll ist, allerdings die Recyclingfähigkeit erschwert. Ein Kaseinanstrich an der Innenseite verhindert Lehm­ staubabrieb.

Fassadenschnitt M 1:50

Fassadenschnitt 1:50 GSEducationalVersion


Nach der Aushärtung wurden die 384 fertigen Bausteine auf den vor Spritzwasser und aufsteigender Feuchte schützenden Betonsockel zu 12 Meter hohen Wänden gestapelt. Da dies technisch machbar war, aber nicht den Vorschriften entsprach, mussten die Planer eine Zustimmung im Einzelfall erwirken. Die Verbindung zwischen den Stampflehmelementen erfolgt mit Lehmmörtel, die Befestigung an den Geschossdecken besteht aus einbetonierten Stahlankern. Energiekonzept Das Ziel des Haustechnik- und Energiekonzepts ist ein hochleistungsfähiges Gebäude mit maximaler natürlicher Belüftung sowie optimiertem Innenkomfort und geringem Energieverbrauch. Dies soll möglichst unter Einsatz natürlicher Materialien und Rohstoffe erfolgen. Der Bürobereich des Gebäudes wird mit unterschiedlichen Lüftungsszenarien natürlich belüftet. Im kalten Winter oder heißen Sommer wird die Außenluft primär über ein Erdkanalsystem im UG des Gebäudes vorkonditioniert: Die kalte Außenluft wird im Winter erwärmt und im Hochsommer abgekühlt. Über Zuluftschächte wird die vorkonditionierte Luft im Gebäude verteilt und durch Quellluftauslässe an den Kernen in die Bürobereiche eingebracht.

Die Fenster lassen sich ganzjährig öffnen, um frische Außenluft in die Büros zu leiten. Sowohl bei der Lüftung über den Erdkanal als auch über die Fenster wird das Prinzip der Durchlüftung in das offene Atrium genutzt. Im Dach des Atriums sind Lüftungsflügel eingebaut. Thermischer Auftrieb und Winddruck unterstützen die natürliche Luftbewegung im Gebäude. Ist der natürliche Antrieb nicht ausreichend, kommt zusätzlich ein Lüfter zum Einsatz. In den Nutzungsbereichen zeigen CO2Sensoren die Luftqualität als Ampel. Sie informieren über ein Signal, wenn die Fenster geöffnet werden sollten, um den CO2-Gehalt der Luft wieder zu senken. Die in das Gebäude eintretende Luft lässt sich im Winter zusätzlich über ein Heizregister erwärmen. Die Dachöffnungen und die Lüftungsklappen im Erdkanal sind motorisch gesteuert, um die Durchlüftung zu kontrollieren. Dies ermöglicht neben der Option der Durchlüftung am Tag auch die Durchlüftung in den Nachtstunden als Nachtluftspülung. Die thermische Masse im Raum wird im Sommer mittels Nachtluftspülung abgekühlt und die Kälte tagsüber wieder abgegeben, um den Innenraumkomfort zu optimieren. Während der Bauphase sind die drei wichtigsten Elemente der Konstruktion gut zu sehen: Die Außenwände aus gedämmten, zweischaligen Lehmelementen; im Inneren eine thermisch aktive Stützen-Platten-Konstruktion aus Stahlbeton; das Holzdach aus Leimbindern. Die 384 Stampflehmblöcke wurden zu 12 Meter hohen selbsttragenden Wandscheiben geschichtet. Die Fertigung der Stampflehmfertigteile erfolgte in den ehemaligen Panzerhallen auf dem Gelände, was Transportwege einsparte.



Monitoring Die Entscheidung für die repräsentativen Messungen fiel auf das erste Obergeschoss. Im Gegensatz zum Erdgeschoss, in dem Sondernutzungen und geschlossene Räume für Konferenzen etc. vorherrschen, ist im Obergeschoss die offene Struktur des Gebäudes sehr gut analysierbar. Die Messungen erfolgen hier nahe der West- und Ostfassade. Aufgrund des solaren Eintrags lassen diese Bereiche die höchste Raumtemperatur erwarten. Das h,x-Diagramm (S. 150) zeigt die stündlichen Messungen während der Arbeitszeit und stellt diese den jeweils übermittelten Werten der Außenlufttemperatur gegenüber. In der heißesten Sommerwoche des Jahres lässt sich beobachten, dass nur ein sehr geringer Teil der Datenpunkte außerhalb der Komfortzone nach DIN 1946-6 liegt. Durch die teilweise vorhandene direkte Sonneneinstrahlung, die sich an dieser Messstelle nicht vermeiden ließ, gibt es einzelne Werte, die die Komfortanforderungen überschreiten. Die Raumluftfeuchte hingegen ist sehr konstant. Das Temperaturdiagramm im Bezug zur Außentemperatur zeigt Werte im Komfortbereich nach DIN EN 15251. Die Außenlufttemperatur liegt im Messzeitraum teils weit über 35 °C. Es zeigt sich, dass der Effekt der Nacht­ auskühlung in dem von uns betrachteten Zeitraum nicht sichtbar ist. Der Temperaturverlauf der Sommerwoche macht deutlich, dass die Option der Nachtauskühlung in der ersten Sommerperiode nicht wie geplant betrieben wurde. Die Innenraumtemperaturen überschreiten nachts die Außenlufttemperaturen und bleiben konstant, obwohl letztere sinken. Hier gibt es noch Potenzial, um die thermische Behaglichkeit für die Mitarbeitenden weiter zu verbessern. Dennoch bleiben die Temperaturen generell in einem komfortablen Bereich. Im Winter kommt es in dem untersuchten Innenraum zu Werten über 26 °C bei einer Außenlufttemperatur um den Gefrierpunkt. Dies lässt sich auf die kurzzeitigen solaren Erträge über die Fassade zurückführen. Insgesamt ist die winterliche Raumtemperatur tendenziell zu hoch. Die er-

höhten Raumtemperaturen im Winter sollten mit einer Optimierung der Heizungsregelung vermieden werden. Das Diagramm auf S. 150 zeigt anschaulich, wie sich der Feuchtegehalt der Luft im Innenraum während relativ feuchten oder trockenen Witterungsperioden im gewünschten Band bewegt. Mit einer winterlichen Raumtemperatur von 20 °C könnte eine relative Feuchte von unter 30 Prozent vermieden werden. Wie groß der Anteil der mechanischen Lüftung auf die sommerliche Entfeuchtung ist, lässt sich leider nicht sagen. Die Abbildung der CO2-Konzentration zeigt deutlich, dass die Menschen im Inneren des Gebäudes weitestgehend auf die gewünschte natürliche Fensterlüftung verzichten, sobald die Außenlufttemperaturen 15 °C unterschreiten. Sowohl im Sommer als auch im Winter ist die Luftqualität dennoch sehr gut. Die gemessenen Werte der CO2-Konzentration liegen eindeutig in der Kategorie 1 mit unter 1.000 ppm nach der DIN EN 13779.


Ökobilanz Das 2018 gebaute Objekt bietet Platz für die Verwaltung des Naturkostgroßhandels mit ca. 500 Arbeitsplätzen. Das Gebäude besteht aus einem rechteckigen Baukörper mit einem einfachen geneigten Dach. Es umfasst die in der folgenden Tabelle aufgelisteten Kubaturen und Flächen. Bruttorauminhalt

71.276 m3

Bruttorauminhalt beheizt

71.276 m3

152

Bruttogrundfläche

13.705 m2

153

Nettoraumfläche

12.146 m2

Nettoraumfläche beheizt

12.146 m2

Mit 13.705 m2 Bruttogeschossfläche (BGF) und 12.146 m2 Nettoraumfläche (NRF) ist das Bauwerk das flächenmäßig größte Objekt in dieser Buchauswahl. Die Konstruktionsfläche umfasst 1.559 m2 oder 11,4 Prozent der BGF – ein sehr günstiger Wert für ein Verwaltungsgebäude. Dies wird durch die offene Raumkonzeption in Verbindung mit dem großen Atrium erreicht. Die gesamte NRF wird beheizt. Die Tabelle listet den Endenergiebedarf für das reale Gebäude und das Referenzgebäude nach EnEV auf. Unterschieden werden dabei die verschiedenen Einsatzzwecke der Energie. Endenergiebedarf in kWh/m2a

Reales Gebäude

Beheizung

Referenzgebäude

34,0 66,4

Warmwasser 6,6 5,3 Hilfsenergie 9,2 7,0 * Die Summen

Beleuchtung

11,2

14,6

Lüftung

9,1 7,4

der Rundung der

Kühlung

0,4 2,7

Teilbeträge leicht

Summe* 70,5 103,4 Eigenstromerzeugung 7,0 0

können aufgrund

abweichen.

Im Vergleich der Endenergiewerte erreicht das reale Gebäude nur 70 Prozent des Referenzgebäudes. Das reale Gebäude wird über eine Mischung aus Gasbrennwert­ kessel und elektrischer Wärmepumpe beheizt. Im Gegensatz zu den Produktionsgebäuden wird das Gebäude umfangreich temperiert. Eine künstliche Kühlung ist nur für die Gastronomie und die Serverräume vorgesehen. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach produziert ca. 90.000 kWh/a und reduziert den Endenergieaufwand um ca. 10 Prozent.

Materialbilanz (nur Herstellung) Bei der Gebäudekonzeption wurde eine ungewöhnliche Mischkonstruktion verfolgt. Das Untergeschoss, die Innenstützen, die aussteifenden Kerne des Treppenhauses und der Aufzüge und die Decken wurden in Stahlbeton gebaut. Dies ergab sich aus der Notwendigkeit des Brandschutzes für die offene Atriumkonstruktion des gesamten Gebäudes. Die Außenwände an den beiden Traufseiten wurden in selbsttragender, zweischaliger Bauweise aus Stampflehm errichtet. Die beiden Giebelseiten wurden vor den tragenden Holzsäulen der Außenfassadenkon­ struktion großflächig verglast. Der größte Teil des eingesetzten Baumetalls entfällt auf den Bewehrungsstahl für die Stahlbetonbauteile. Das Gesamtgewicht des hergestellten Gebäudes beträgt 22.152 t, bezogen auf die Nettoraumfläche (NRF) beträgt das Verhältnis 1.82 4 kg/m2 NRF. Der Lehmanteil am Gesamtkonstruktionsgewicht beträgt 1.318 t bzw. 5,95 Prozent der Gesamtmasse. Die nachwachsenden Rohstoffe haben in der Primär- und Sekundärkonstruktion einen Anteil von 1,5 Prozent oder 332 t bzw. 37 kg/m2 NRF. Der nachwachsende Rohstoffanteil fällt entgegen der optischen Wahrnehmung der Gebäudeoberflächen gering aus, weil große Teile der Primärkonstruktion aus Stahlbeton bestehen. Der Kohlenstoffspeicher der nachwachsenden Rohstoffe beträgt 163 t bzw. 13,4 kg/m2 NRF. Umgerechnet in CO2Werte ergeben sich absolut 597 t. Die Aufteilung der Baustoffe auf die verschiedenen Materialklassen ergibt: Primärkonstruktion mineralisch

80,5 %

Primärkonstruktion nachwachsend

1,4 %

Primärkonstruktion Metall

3,2 %

Sekundärkonstruktion Lehm

5,9 %

Anteil der Ausbaumaterialien

9,0 %

Ökobilanz Die Ökobilanz unterscheidet zwischen dem Stoff- und Energieinput und den Wirkungen für die Umwelt, die dieser Aufwand bedeutet. Das Gebäude wird als Verwaltungsgebäude mit 50 Jahren Betrachtungszeitraum berechnet.


Lebenszyklus Umwelteinträge nach Phasen 100

(GWP) Global warming potential

Betrieblicher Energieeinsatz (B6)

(ODP) Ozone depleting potential

Entsorgung (C3 – C4)

(POCP) Photochemical ozone creation potential

80

(AP) Acidification potential

(EP) Eutrophication potential

Instandsetzung (B2, B4)   Herstellung (A1 – A3)

(PEnre) Primary energy non renewable (PEtot) Primary energy total

60

40

20

0

GWP

ODP

POCP

AP

EP

PEnre

PEtot

%

- 20

Phasenvergleich Der prozentuale Vergleich der verschiedenen Gebäudephasen zeigt bei diesem Verwaltungsgebäude den Einfluss des 50-jährigen Betrachtungszeitraums. Die Instandsetzungsphase (B2, B4 dunkelgrau) des Gebäudes tritt deutlich neben die Herstellungsphase. Die Entsorgungsphase (C3 – C4 lachsrot) des Gebäudes hat nur noch ­einen geringen Anteil an den Umwelteinträgen. Die Betriebsphase (B6 weiß, schwarz umrandet) erreicht nur bei allen Indikatoren ­einen Anteil von über 50 bis 80 Prozent. Die Betriebsbilanz wird durch die Stromeigenerzeugung verbessert.

Materialanteile 80,5  %

Mineralisches Baumaterial (ohne Glas und Metall)

5,9 %

Baustoff Lehm

4,9 %

Bodenbeläge, Estriche

3,2 %

Metall

2,2 %

Putz, Ausbauplatten, Fassaden-, Deckenbekleidung

1,4 %

Pflanzliches Baumaterial, NAWARO, Primärkonstruktion

0,6 %

Abdichtungen, Schutzschichten, Klebestoffe, Dachdeckungen,

-dichtungen

0,5 %

Transluzente Bauteile, Türrahmen, Türblätter, Fensterrahmen

DGNB-Einstufung Die Einstufung nach dem DGNB-Zertifizierungssystem für die DGNB-Kategorie Büro- und Verwaltungsbau (NBV-Typ 1 2018) ergibt einen Erfüllungsgrad von 87,3 Prozent und damit eine Tendenz zu einer Platin-Auszeichnung.

0,4 %

Dämmstoffe (Schall/Wärme/Kühle)

0,1 %

Technischer Ausbau – Materialien-Komponenten

0,1 %

Beschichtungen, Tapeten, Textilien

0,1 %

Kunststoffe, fossil

0,0 %

Maschinen, Betriebsmaterialien (Energiestoffe)

Primärenergieaufwand (vollständiger Lebenszyklus Phase A – C) Der Primärenergieaufwand für die vollständige Lebenszyklusbetrachtung verteilt sich bezogen auf die NRF (m2) und pro Jahr folgendermaßen:

Wirkungsbilanz (vollständiger Lebenszyklus Phase A – C) Die beiden Indikatoren der Wirkungsbilanz ergeben folgende Werte in Bezug auf die NRF (m²) und pro Jahr:

Primärenergie nicht erneuerbar: 86 MJ/m2a

Gebäude Betrieb 304 MJ/m2a Der Anteil des Betriebs steigt wegen des 50-jährigen Be­trachtungszeitraums auf 78 Prozent der gesamten nicht erneuerbaren Primärenergie. Der Einzelwert für das Gebäude liegt ca. 32 Prozent unter dem Referenzwert für Verwaltungsgebäude nach DGNB. Der Wert beim Betriebsbedarf (B6) liegt 36 Prozent unter dem Referenzwert.

Primärenergie erneuerbar:

Primärenergie gesamtenergetischer Anteil:

Klimagaspotenzial:

Versauerungspotenzial:

Gebäude 19 MJ/m²a Betrieb 88 MJ/m²a

Gebäude 88 MJ/m²a Betrieb 392 MJ/m²a

Gebäude 8,2 kg CO2/m²a Betrieb 21,7 kg CO2/m²a

Gebäude 0,022 kg SO2/m²a Betrieb 0,023 kg SO2/m²a

Auch bei diesem Indikator verteilt sich der Umwelteintrag zu 27 Prozent auf das Gebäude und zu 83 Prozent auf den Betrieb. Das Klimagaspotenzial liegt sowohl beim Gebäude als auch beim Betrieb unter dem Referenzwert nach DGNB.


Autorinnen und Autoren Sabine Djahanschah Geboren 1964, Leitung Projektgruppe „Bauen, Quartiersentwicklung, Kulturgüterschutz“, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Architekturstudium RWTH Aachen, 1993 – 1995 Mitarbeit gmp, 1996 staatliche Anerkennung Sachverständige für Schall- und Wärmeschutz. Seit 1996 Initiierung und Begleitung von Förderprojekten, Vortrags-, Jury- und Beiratstätigkeit. Mitglied seit 2003 Jury Deutscher Holzbaupreis, seit 2010 International Advisory Board TU Stuttgart, seit 2012 Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz BMUB, seit 2012 Stiftungsrat Bundesstiftung Baukultur und seit 2014 Kuratorium Fraunhofer IBP.

162 163

Thomas Auer Geboren 1965, Studium der Verfahrenstechnik an der Universität Stuttgart. Seit 1994 bei Transsolar Energietechnik GmbH und seit 2000 einer der geschäftsführenden Gesellschafter. Seit 2014 Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München. Verantwortlich für die Entwicklung von integralen Energie- und Komfortkonzepten für Gebäude und Stadtquartiere auf der ganzen Welt, die sich durch Energieeffizienz und Innovation auszeichnen und hierfür zahlreiche Preise erhalten haben.

Eike Roswag-Klinge Geboren 1969, einer der Initiatoren und Geschäftsführer von ZRS Architekten Ingenieure, Berlin. Leitung des Natural Building Lab der Technischen Universität Berlin. Seit 20 Jahren Lehre und Verwirklichung von klima- und ressourcenangepassten, menschlichen Architekturen in verschiedenen Klima­zonen. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf klima- und kulturadaptiver Architektur und Lowtech-Gebäude­systemen. Auszeichnungen u. a. Aga Khan Award 2007, KAIROS Europäischer Kulturpreis 2015, Holcim Award 2011 Gold in Asia Pacific. Heinz Pfefferkorn Geboren 1970, Matura an der Höheren Lehran­ stalt für Bautechnik – Tiefbau, Rankweil, und anschließend Studium des Bauingenieurwesens an der TU Wien, Studienzweig konstruktiver Ingenieurbau. Ziviltechnikerprüfung für das Fachgebiet Bauinge­n­ieur­wesen und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sach­ verständiger Statik, Stahlbetonbau, Metallkonstruktionen, Glas­bau, Glaskonstruktionen. Geschäftsführender Gesellschafter und Verwaltungsratspräsident in verschiedenen Unternehmen der gbd Holding.

Mitautorinnen und -autoren

Hermann Kaufmann Geboren 1955, Architektur­studium an der Technischen Hochschule Innsbruck und an der Technischen Universität Wien, seit 1983 eigenes Architekturbüro in Schwarzach in Vorarlberg. Hermann Kaufmann war in den 1990er-Jahren Dozent an der Liechtensteinischen Ingenieur­schule, Gastprofessor an der TU Graz und an der Universität Ljubljana. Seit 2002 hat er die Professur für Entwerfen und Holzbau an der TU München inne. Besonderer Schwerpunkt der Professur ist neben der Forschung im Holzbereich die Entwurfslehre sowie „design build“.

Lisa Nanz Geboren 1989, Studium in Chemieingenieurwesen und Energie- und Prozesstechnik. Anschließend Forschung am ZAE Bayern im Bereich Energie­speicherung in der Arbeitsgruppe Systementwicklung. 2016 – 2019 Wissenschaft­liche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen: Entwick­ lung urbaner Energiekonzepte in lokalen und internationalen Projekten. Projektleitung des Forschungsprojekts am ressourcen­ neutralen Neubau der Alnatura-Arbeitswelt. Seit Ende 2019 Planungs­ ingenieurin bei den Stadtwerken München.

Marko Sauer Geboren 1974, Studium der Pädagogik und Architek­ tur. Drei Jahre Projektarchitekt bei Staufer & Hasler, Frauenfeld. Anschließend Leiter Assistenz im Hochbauamt der Stadt St. Gallen und von 2013 bis 2016 Redaktor bei TEC21, 2018 bis 2020 Chefre­ dakteur von Modulør, NZZ Fachmedien. Daneben seit 2013 selbstständiger Publizist, Artikel in verschiedenen Fachzeitschriften und Tageszeitungen sowie diverse Buchprojekte. Lehrtätigkeit und Gastkritiken an verschiedenen Hochschulen, Engagements für die Vermittlung von Baukultur.

Anne Niemann Geboren 1976, Studium der Architektur in München und Madrid. Von 2002 bis 2014 selbständig tätig als Architektin. Seit 2008 in Forschung und Lehre an der Professur für Entwerfen und Holzbau bei Hermann Kaufmann beschäftigt, seit 2017 zusätz­ lich am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren bei Florian Nagler. Inhaltliche Schwerpunkte sind „Einfach Bauen“, Bauen mit Laubholz, Frauen in der Architektur.

Holger König Geboren 1951, Architekturstudium an der TU München, eigenes Planungsbüro, Mitgründer einer Massivholzschreinerei und eines Baustoffhandels für nachwachsende Rohstoffe, Projektleiter ökologisch orientierter Forschungsprojekte, gefördert von BMBF, FNR und DBU, Geschäftsführer LEGEP Software GmbH, 2004 – 2011 für ECOS akkreditiert in CEN TC 350 „Sustainability of construction works“, Mitarbeit in ausgewählten DBU-Projekten als Experte für Ökobilanz, Lebenszykluskosten und Risikostoffe. Zahlreiche Veröffentlichungen zum umweltverträglichen und gesundheitsfördenden Bauen. Anne Isopp Geboren 1972, Studium der Architektur an der TU Graz und TU Delft. Vier Jahre als angestellte Architektin und Projekt­ leiterin in Hamburg tätig. Anschließend Aufbaustudium Qualitäts­ journalismus an der Donau-Universität Krems. Seit 2005 als freiberufliche Architekturjournalistin und Publizistin in Wien tätig. Seit 2009 Chefredakteurin der Fachzeitschrift Zuschnitt. In dieser Funk­tion beobachtet und beschreibt sie die Entwicklung des modernen Holzbaus seit mehr als zehn Jahren.

Ahmad Saleem Nouman Geboren 1990, Elektroingenieur mit dem Master-Abschluss in ClimaDesign (2018) an der TU München. Derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ge­bäude­­­tech­no­logie und klimagerechtes Bauen von Prof. Thomas Auer. Schwerpunkt sind Projekte im Zusammenhang mit Mess-, Steue­ rungs- und Regelungs­technik sowie menschlichem Komfort im Außen- und Innenbereichen. Daniele Santucci Geboren 1977, Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen der TU München. Expertise im Bereich Umwelttechnik ressourcenschonenden Bauens. Schwerpunkte Energiemodellierung, leistungsorientierte Workflows und Sensorik im städtischen und architektonischen Maßstab. 2017/18 Gastforscher am Senseable City Lab des Massachusetts Institute of Technology. Neben seiner akademischen Tätigkeit berät er Architekturbüros, öffentliche Einrichtungen und private Unternehmen zu Umweltaspekten. 2020 Gründung Climateflux, ein Unternehmen, das Planer, Administrationen und Organisationen zum Thema Stadtklima berät. Er ist Autor und Mitautor mehrerer Bücher, Zeitschriften­ beiträge und wissenschaftlicher Artikel mit Peer Review.


Sandra Schuster Geboren 1970, Architekturstudium in Augsburg und München. Mehrjähriger Arbeitsaufenthalt in den Niederlanden. 2001 Büropartnerschaft mit Lutz Ring (RS.A), 2006 Gründung von SAS. Architekten und Projektleitung mehrgeschossiger Holzbauprojekte. Lehraufträge an der TU Delft, Akademie der Bildenden Künste München und den HS Nürnberg und Augsburg. Seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin (Forschung) an der Professur für Entwerfen und Holzbau von Hermann Kaufmann an der TU München und seit 2019 Geschäftsführerin des Forschungsverbunds TUM.wood. David Selje Geboren 1991, Studium der Architektur in Stuttgart und München. Seit 2007 tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München, am ­Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klima­ gerechtes Bauen bei Prof. Auer. Seit 2007 angestellter Architekt bei Allmann Sattler Wappner GmbH und Leupold Brown Goldbach Architekten GbR. Tätig im Bereich der Forschung und Lehre (akademisch) sowie der Entwurfs- und Ausführungsplanung(-praxis). Uta Stettner Geboren 1978, Studium der Architektur in München. Tätigkeit in verschiedenen Architekturbüros. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Haustechnik und Bauklimatik an der TU München. Organisation und Leitung des weiterbildenden Masterstudiengangs ClimaDesign. Seit 2013 am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, Prof. Thomas Auer. Tätig im Bereich der Forschung, Organisation, Verwaltung.

Mitarbeitende Cécile Bonnet Geboren 1981, Studium der Energie- und Umwelttechnik in Lyon, Frankreich und Wien. Tätigkeit an Forschungs­ instituten in Österreich und Spanien. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik im Bereich Stadt und Energie. Seit 2013 am Lehrstuhl für Gebäude­tech­ nologie und klimagerechtes Bauen, Prof. Thomas Auer. Tätig im Bereich der Forschung. Thomas Schmid Geboren 1978, Studium in Business Administration and Engineering an der Hochschule München sowie in Environmen­ tal Planning and Engineering Ecology an der Technischen Universität München. Vortätigkeit in verschiedenen Industrieunternehmen. Seit 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München am Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik, später am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, Prof. Thomas Auer. IT-Management und Projekte mit Schwerpunkt auf der Entwicklung von Konzepten im Bereich der Energienutzung und -visualisierung. Juliane Wiljotti Geboren 1973, Studium der Architektur an der HTWG Konstanz und UCE Birmingham. Tätigkeit als Architektin seit 1999, seit 2002 bei HK Architekten, Vorarlberg. 2013 – 2016 Lehrauftrag an der HTWG Konstanz. Mutter von zwei Kindern. Wissenschaftliche Hilfskräfte Daniel Renn, Andrea Eberle, Franziska Kulinski, Maximilian Jost

Lehrstühle Professur für Entwerfen und Holzbau beschäftigt sich mit der klassischen Baustoffkunde mit Schwerpunkt der modernen Entwicklungen der Werkstoffe und Fügungstechniken, eine Vermittlung der konstruktiven Möglichkeiten und Gesetzmäßigkeiten des Holzbaues, Prinzipien- und Detailwissen über neuzeitliche baustoffbezogene Hüllkonstruktionen unter Berücksichtigung des Wissens über ressourcenschonende Bauweisen ­sowie die Auseinandersetzung mit der baukulturellen Dimension des Holzbaus. Der zentrale Lehrinhalt aber ist der Entwurf, also das intensive Bemühen um gute Architektur und die Auseinandersetzung mit dem baulichen und sozialen Kontext unter der Maxime des umweltschonenden Handelns und der Schaffung gesunder Umgebungen. Dementsprechend werden die Forschungsthemen ausgewählt. Die zentrale Fragestellung aber ist, welchen Beitrag biogen basierte Baustoffe zu den Themen der Ressourcenoptimierung des Bauwesens sowie der Herstellung von gesun­den Lebensum­ gebungen mit hohen architektonisch-baukulturellen Qualitäten leisten können. Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen Der Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen ist Teil der Fakultät für Architektur der TU München. Ordinarius des Lehrstuhls ist Prof. Thomas Auer. Fachliche Schwerpunkte des Lehrstuhls sind energieoptimiertes und klimagerechtes Bauen, Aufenthaltsqualität, ganzheitliches Planen, passive Gebäudekonzepte, innovative Gebäudetechnik, Nachhaltigkeit sowie städtische Energiekonzepte im gesamtenergiewirtschaftlichen Kontext. Am Lehrstuhl beschäftigt sind ca. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtungen Architektur, Maschinenbau, Wirtschaftsinge­ nieurwesen und Umweltwissenschaften. Dieses, entsprechend dem ganzheitlichen Ansatz, äußerst interdisziplinäre Team verfügt über langjährige Forschungs­erfahrung, wobei die zahlreichen durchgeführten Projekte stets von großem Praxisbezug geprägt waren. Die in den letzten Jahren abgeschlossenen und laufenden Projekte umfassen sowohl Forschungsaufträge von Bundes- und Staats­ ministerien als auch Kooperationen mit großen Industrieunternehmen, Mittelständlern und Planungsbüros.


Impressum Die langfristig angelegte Buchreihe „Bauband“ gibt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) heraus in Zusammenarbeit mit universitären Lehr­ stühlen, wissenschaftlichen Forschungsstellen und verschiedenen Autoren über zukunftsfähiges Bauen und DBU-geförderte Modellprojekte. DBU Bauband 3 Gewerbebauten in Lehm und Holz – Mehrwert durch Material Sabine Djahanschah, Deutsche Bundes­stiftung Umwelt Thomas Auer, Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen Hermann Kaufmann, Professur für Entwerfen und Holzbau Fakultät für Architektur, Technische Universität München

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Herausgeberin: Sabine Djahanschah Autoren: Sabine Djahanschah, Thomas Auer, Hermann Kaufmann, Marko Sauer, Holger König, Anne Isopp, Eike Roswag-Klinge, Heinz Pfefferkorn Mitautorinnen und -autoren: Lisa Nanz, Anne Niemann, Ahmad Saleem Nouman, Daniele Santucci, Sandra Schuster, David Selje, Uta Stettner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Technischen Universität München: Cécile Bonnet, Thomas Schmid, Daniel Renn, Andrea Eberle, Franziska Kulinski, Maximilian Jost Mitarbeiterin Büro HK Architekten: Juliane Wiljotti Redaktion: Marko Sauer Gestaltung: Atelier Andrea Gassner, Andrea Gassner, Reinhard Gassner, Marcel Bachmann Planerstellung und Überarbeitung: Professur für Entwerfen und Holzbau, Juliane Wiljotti S. 51, 53, 69, © Ricola / Courtesy Herzog & de Meuron S. 118 – 135 Bilder: The Pk. Odessa Co. Simon Jüttner, Markus Lanz, Sebastian Schels, proHolz Austria S. 1 u., Norman Radon S. 5, Alnatura, Fotograf: Marc Doradzillo S. 4, 143, Silicya Roth S. 28 li., Martin Polt S. 28 re., gbd group S. 35, Cornelis Jetses S. 39 – 40, Matthias Kestel S. 58, Vitsœ S. 74 – 75, Konrad Merz S. 89, Martin Rauch S. 111, Markus Bühler S. 123 Lithografie, Druck: Eberl Print Bindung: Kösel Koordination im Verlag: Steffi Lenzen Lektorat: Esther Pirchner Das Copyright für die Texte liegt bei den Autoren. Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotografen bzw. Inhabern der Bildrechte. © 2020, erste Auflage DETAIL Business Information GmbH, München detail.de ISBN 978-3-95553-506-3  (Print) ISBN 978-3-95553-507-0 (E-Book) Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:  ⁄⁄dnb.d-nb.de abrufbar. Gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)


Als natürliche Baustoffe erfüllen Holz und Lehm viele Forderungen des nachhaltigen Bauens. Sie bieten eine hohe Aufenthaltsqualität und sie regulieren Temperatur und Feuchtigkeit in einem Gebäude, wodurch sich der Einsatz von Haustechnik verringert. Ein weiterer Vorteil ist ihre vollständige Einbindung in den Stoffkreislauf: Der Stampflehm wird wieder zum Boden, der er einst war, Holz kann ohne großen Aufwand weiterverwendet werden und ist am Ende der Nutzung biologisch abbaubar. Dennoch trifft man Holz und Lehm nur sehr selten bei Gewerbebauten an – dabei wäre das Potenzial groß, gerade in diesem Segment wesentlich zur Nachhaltigkeit im Bauwesen beizutragen. Das vorliegende Buch präsentiert sechs Bespiele in interdisziplinären Untersuchungen der Professur von Hermann Kaufmann (Entwerfen und Holzbau) und des Lehrstuhls von Thomas Auer (Gebäudetechnologie und klima­gerechtes Bauen) an der TU München. Je zwei innovative Lagerhallen, Werkstätten und Bürogebäude werden im Wechselspiel zwischen Material, Konstruktion und Konzept vorgestellt. Messungen, Befragungen und Ökobilanzen zu den einzelnen Bauten ergänzen den Band. Ein Nachschlagewerk und eine Inspirationsquelle für alle, die Gewerbebauten im Einklang mit der Natur planen und errichten möchten.


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