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Voll auf dem E-Go Trip

TEXT: CHRISTOPH BRANDT München – wo Selbstüberschätzung wichtiger ist als Sicherheit und wo es augenscheinlich mehr Stau fördernde Baustellen als befahrbare Straßen gibt – hat sich im Sommer letzten Jahres eine weitere Plage eingehandelt: den gemeinen Elektro-Scooter.

Ich für meinen Teil fand die Dinger schon räudig, als sie zwar keinen Motor, dafür drei Räder besaßen und man sie mit einem spackigen Knauf steuerte. Die sogenannten Kickboards waren ein klassisches 1:0 für die natürliche Selektion. Und ich dachte, es existieren bereits Segway-Touren, um von Weitem herauszufinden, wer die Schwachmaten der Gesellschaft sind.

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Das ist wohl auch der Grund, weshalb ein Großteil der E-Scooter-Nutzer sich vor der Fahrt hemmungslos die Kante gibt. Schließlich kann nur so die soziale Schmach überwunden werden, sich mit dem peinlichen Vehikel in der Öffentlichkeit blicken zu lassen. Oft steht man mindestens zu dritt auf einem Gefährt, weil der schnapsselige Flachlandtiroler am Lenker seinen Führerschein auf dem Nintendo abgelegt hat und ergo mutmaßt, dass sich sein beachtlicher Promillewert auf mehrere Mitfahrer verteilen lässt. Die hiesigen Herren in Blau haben ob der süßesten Versuchung, seit es Nullchecker gibt, bis dato sage und schreibe knapp 2000 Lappen einkassiert.

Von wegen „Letzte Meile“, das kannste einem erzählen, der die Hose hinten zumacht. Obwohl in München derzeit ca. zehn Anbieter mitmischen, werden die Leihroller in den Randgebieten eher selten gesichtet. Was ein Jammer, denn dort, wo die Haltestellen sehr weit auseinander liegen, würden die Scooter ja sogar einigermaßen Sinn machen. Je näher man sich aber Richtung Marienplatz bewegt, desto häufiger begegnet man unbedarften Kamikaze-Winzlingen oder vitalen Teilzeit-Adoleszenten auf ihren Spritztour-Spaßmobilen. Als ob die Teilnahme am Straßenverkehr auf den zu schmalen Radschutzstreifen für Normalsterbliche wie mich nicht schon abenteuerlich genug wäre.

In Sekundenbruchteilen konvertiert ein flinker Hipster zu einem Gravitationsopfer namens Gipster. Total im Beastmode trifft der Proll-Pumper (10.000 Volt in den Armen, aber im Kopf leuchtet das Birnchen nicht) auf die fast lautlos vor sich hin surrende Rollmops-Prinzessin Zeppelin. Mit der Aerodynamik eines Mehrfamilienhauses deployt sie rasch die Kinnbremse, aber da hilft auch kein NaturNeopren, Specki Buletti knallt direkt aufs Oblatengesicht. Dazwischen flucht ein flanierender Renter „Deutsche Panzer rollen wieder!“ und rettet sich durch einen beherzten Köpper in die Botanik. Ich plädiere daher für die Helmpflicht fürs Fußvolk. Dazu wird jeder verunfallte E-Tretrollerfahrer ohne Wenn und Aber zum Organspender und was von ihm übrig bleibt, pumpt man vorsorglich gehörig mit Anti-Idiotika voll. Bei der Vorstellung, dass sich demnächst neue Rockerbanden wie die „Rolls Angels“ formieren, schießt mir echt die Milch ein.

Dann sind da noch die Juicer, die mit ihren Diesel-Feinstaubschleudern halbleere E-Scooter einsammeln und jene für ein paar Kröten bei sich daheim in Hinterdupfing mit Strom beladen. Weil dies jedoch Nacht für Nacht geschieht, sieht kaum einer, was der geschäftstüchtige Saftspender zur Ökobilanz beiträgt, nämlich CO2 in Hülle und Fülle.

In punkto Nachhaltigkeit ist das trendige Fortbewegungsmittel derzeit genauso überflüssig wie ein Furz im Käseladen. Dafür ist deren Qualität viel zu schäbig, die Haltbarkeit gleicht einer Eintagsfliege und die Entsorgung in der Isar trägt wenig zur Verschönerung des Stadtbilds bei. Es tangiert mich rektal, dass sich allerorten von Hunden vollgepinkelte Rollerhalden auftürmen. Selbst frierende Penner auf dem Bürgersteig müssen sich inzwischen gegen ihren Willen mit Überresten aus Trittbrettern und Lenkstangen zudecken. Last but not least stellt sich mir die zentrale Frage: Wenn die Elektro-Flitzer ständig auf den ganzen Fahrradwegen herumstehen, wo soll dann bitte die „Fridays for Hubraum“-Schickeria zukünftig ihre SUVs parken? ▪

DER WEINBRANDT RÄT

TEXT: CHRISTOPH BRANDT

INGWER NARRISCH!

Nachdem der weinbrandt seinen leidigen Leber-Case und die ärztlich angeordnete Alk-Askese mit Bravour überstanden hat, lebt er von nun an prophylaktisch. In letzter Konsequenz will er ehestens in ferner Zukunft möglichst vital ins Gras beißen.

Wer steht lukullisch hoch im Kurs, ist scharf wie Nachbars Lumpi und Best Buddy von Fonsie Schuhbeck? Fast richtig! Der weinbrandt mag zwar die schärfste Chili am Strauch sein, aber diesmal geht es de facto um Zingiber officinale, angeberisch für Ingwer. Unser Gewürz-Guru vom Platzl hat seiner Lieblingsingrediens buchstäblich die Freistaatsangehörigkeit verliehen. Es ist null übertrieben und mitnichten eine G’schicht’n aus’m Paulanergarten, dass die exotische Speise jede Menge Vitamin C, Magnesium und Eisen enthält. Ist dem weinbrandt blümerant, schützt die Knolle vor Erbrechen und trägt mit ihrer antibakteriellen Wirkung zu einer gesunden Darmflora bei. Lediglich an der seifigen Note scheiden sich so manche Geister. Was liegt daher näher, als die eigentümliche Wunder-Wurzel mit einem vollmundigen Allheilmittel zu vermählen: Bayerischem Flüssigbrot.

2018 hatten Alex und Sigi in ihrer Giesinger WG-Küche exakt dieselbe geniale Eingebung. Rasch wurde der Entsafter angeschmissen und sich solange am Forschungsdrang berauscht, bis die stimmigste Formel gefunden war: 84% hopfiges Märzen aus Rosenheim, addiert mit 16% feurigem Bio-Ingwer-Sirup aus Holzkirchen, ergeben ein süffiges Biermixgetränk mit gehörig Bums drin. Der Markenname ist übrigens einem ganz bestimmten Ausruf entlehnt. Als Hans Krankl 1978 bei der „Schmach von Córdoba” das Siegtor gegen Deutschland erzielte, brüllte der österreichische Kommentator Edi Finger völlig ballaballa ins Mikro: „Ingwer Narrisch!!!”

40 Jahre später gibt es endlich das adäquate Getränk zum berühmt berüchtigten Gejohle. Obacht, es geht potentiell schon in Richtung Radler, ist jedoch durch das ungleiche Mischverhältnis relativ kräftig. Trotz der ausgeprägten Zitrusnoten, bleibt das Bierempfinden stets smooth im Vordergrund. Keinesfalls darf man Ingwer Narrisch mit Ginger Beer verwechseln. Denn Ersteres verfügt über zünftige 4,6 Volumenprozent. Und Letzteres ist tatsächlich eine alkoholfreie Limo und eignet sich vorrangig für Cocktails wie den ominösen Munich Mule.

Präventiv bevorzugt der weinbrandt weiterhin die Desinfektion von innen. Wenn die Virenhemmer noch naturbelassen, nach dem Reinheitsgebot und mit ein paar Umdrehungen daherkommen, vorsorgt er für sein Leben gern.

Der weinbrandt rät:

Ein bisschen scharf muss sein, dann ist die Welt voll Sonnenschein! Sollten sich Trübstoffe am Flaschenboden absetzen, ist das natürliche Stärke und Teil des Geschmacks. Also immer dran denken, erst einmal sanft schwenken! Verkaufsstellen findet ihr unter ►ingwer-narrisch.de

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