Menschengesichter - von Ursula Kampmann, MoneyMuseum

Page 1

Ursula Kampmann

Menschengesichter Götter, Herrscher, Ideale – das Antlitz des Menschen im Münzbild


Ursula Kampmann · Menschengesichter


Ursula Kampmann

Menschengesichter Götter, Herrscher, Ideale – das Antlitz des Menschen im Münzbild


Alle Rechte vorbehalten Nachdruck in jeder Form sowie die Wiedergabe durch Fernsehen, Rundfunk, Film, Bild- und Tonträger, die Speicherung und Verbreitung in elektronischen Medien oder Benutzung für Vorträge, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags 1. Auflage März 2005 © by Sunflower Foundation/MoneyMuseum Verena Conzett-Strasse 7 8036 Zürich www.moneymuseum.com Auslieferung für den Buchhandel durch: Oesch Verlag Jungholzstrasse 28 8050 Zürich E-Mail: info@oeschverlag.ch www.oeschverlag.ch www.conzettverlag.ch Fotos: Studio Lübke & Wiedemann, Stuttgart Druck und Bindung: Freiburger Graphische Betriebe, Freiburg i. Br. Printed in Germany ISBN 3-0350-9002-5


Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Kopf oder Zahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Im Namen der Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Göttervater Zeus in Olympia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Athena und Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Quellnymphe Arethusa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philipp II. als Hegemon Griechenlands . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Griechische Kunst – keltische Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die 30 Silberlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 14 16 18 20 22 24

Wie der Mensch ins Münzbild kam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Alexander der Grosse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ein Leichnam wird entführt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Der Kampf Makedoniens gegen Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Im Angesicht des Feindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die Iden des März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Augustus, Friedenskaiser oder Massenmörder? . . . . . . . . . . . 13. Der einzige aussenpolitische Erfolg des Nero . . . . . . . . . . . . 14. Weltbürger Hadrianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Ein rauschgiftsüchtiger Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Der Brudermord des Caracalla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Wer soll was bezahlen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Ein Bild von einem Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Der Heilige der Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Eine antike Power-Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Wo ist Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60

Das Abbild der göttlichen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Das Kind aus Apulien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Der Beginn der Rosenkriege oder der untätige König . . . . . . 24. Eine Frau als Herrin von Zürich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Der Heilige von Halberstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Viva il popolo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 68 70 72 74 76

Der Fürst und sein Gesicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27. Stupor Mundi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Ein Kampf um Sizilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29. Der Doge, machtloser Herrscher eines mächtigen Reichs . .

79 82 84 86


30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44.

Der Hercules von Ferrara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Condottieri, Gewinner in jedem Krieg . . . . . . . . . . . . . . . Mord in Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Il Moro und Leonardo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der «schreckliche» Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Mädchen sucht sich einen Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging . . . . . . Franz I. und die «Ungläubigen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinrich VIII. und die zweite seiner sechs Frauen . . . . . . . . . Wie viel kostet die Macht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Königin der Piraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Augsburg im Dreissigjährigen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Herzog von Friedland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der sparsame Sonnenkönig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Flucht nach Varennes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116

Neue Köpfe für eine neue Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45. Die Geburt der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46. «Rufst du, mein Vaterland» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47. Das frivole Vreneli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48. Simón Bolivar, der Freiheitsheld von Südamerika . . . . . . . . . 49. Hindenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50. Ein Dichter für Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 124 126 128 130 132 134

Statt eines Literaturverzeichnisses … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142


Vorwort

M

enschengesichter auf Münzen – welch wechselvolle Geschichte! Denn immer wieder ändern sich im Laufe der Zeit Stellenwert und Darstellung von Köpfen auf Münzen. Die ersten Wesen mit einem menschlichen Antlitz auf Münzbildern sind antike Götter. Ihnen folgen Porträts von Herrschern, die sich entweder als idealisierter Halbgott inszenieren oder als stiernackiger Macho – bis sie ihren Kopf schliesslich gar nicht mehr fürs Geld hinhalten und Personifikationen moderner Ideale Platz machen. Doch stets bleibt das Münzbild Spiegel für Machtverhältnisse und Weltanschauungen, für den Stand und manchmal die ureigene Physiognomie einer Person. Den Anstoss zu dieser Studie der Historikerin Ursula Kampmann über die Geschichte des menschlichen Antlitzes auf Münzen gab die Münzsammlung des MoneyMuseums. Ihre Strahlkraft und ihre geheimen Botschaften möchte ich mit anderen teilen und sie einem Laien- wie Fachpublikum immer wieder unter einem anderen Blickwinkel zeigen. Dass Sie dabei besonders aussagekräftigen und schönen Münzen begegnen, ist dem kenntnisreichen und scharfen Blick unserer Kuratorin Marie-Alix Roesle zu verdanken, die in grosser Arbeit und bei unzähligen Auktionen die interessantesten und schönsten Münzen ausgesucht und erstanden hat. Dankend erinnern wollen wir uns auch an (den verstorbenen) Dr. Leo Mildenberg, den herausragenden Numismatiker, der uns mit seinem weisen Rat zu mancher numismatischen Kostbarkeit aus der Antike verholfen hat. Apropos Kostbarkeit: Nicht der höchste Preis, das teuerste Stück bestimmt die Auswahl des MoneyMuseums, was zählt, sind Aussagekraft und künstlerische Ausstrahlung einer Münze.

Jürg Conzett «Direktor» MoneyMuseum

7


Kopf oder Zahl?

E

s ist eine altbekannte Situation: Zwei Menschen können sich nicht entscheiden, wer von ihnen eine bestimmte Aufgabe ausführen muss. Kopf oder Zahl?, heisst es dann, eine Münze wird geworfen, und der Zufall entscheidet, ob ihre Bild- oder ihre Wertseite oben liegt. Dies, obwohl längst nicht mehr auf allen Bildseiten Köpfe dargestellt sind. Im Gegenteil, unser ikonographisches Selbstverständnis ändert sich, weg vom menschlichen Angesicht auf Münzen, hin zu Blumen, Bauten oder Symbolen. Bei den Euromünzen – 2002 eingeführt und damit jüngstes Studienobjekt – sind lediglich auf weniger als einem Drittel aller Bildseiten Köpfe zu sehen. Unsere modernen Demokratien scheinen im eindeutig identifizierbaren Mensch kein Identität stiftendes Symbol mehr zu sehen. Gerade in Zeiten der Veränderung, in denen jeder das Alte noch kennt und das Neue schon gesehen hat, ist der beste Moment, nach dem Warum zu fragen. Warum also galt uns der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert?

9



Im Namen der Götter

A

ls die Münze in unserem heutigen Sinne irgendwann gegen Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. in Kleinasien, vielleicht in Lydien, erfunden wurde, dachte noch niemand daran, auf ihr ein menschliches Antlitz darzustellen. Die Prägeherren schmückten die Vorderseiten ihrer Münzen mit dem, was wir heute als Wappen bezeichnen würden: mit Symbolen, die ein Benutzer mit der Familie des Prägeherrn oder der prägenden Stadt in Verbindung brachte. Zweck dieser frühen Darstellungen war es, mit dem Bild den exakten Wert des abgewogenen Stückes Metall quasi zu garantieren. Die Bilder änderten sich erst, als im Verlauf der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. die griechischen Städte die Münze für sich entdeckten. Erst in dieser zweiten Phase gewann das kleine, abgewogene Stückchen Metall seine epochale Bedeutung: Es wurde nicht mehr als eine genormte und garantierte, wertvolle Handelsware benutzt, sondern als ein Massstab, mit dem jeder Gegenstand und jede Tätigkeit hinsichtlich des Wertes gemessen werden konnte. Damit veränderte sich die Welt drastisch. Arbeitsteilung und Kleinhandel entstanden. Die Demokratie in ihrem klassischen Sinn wurde vorbereitet. Die Münze gehörte zu den städtisch geregelten Angelegenheiten. Sie galt – wie die Gesetze oder die Längen- und Hohlmasse – für die gesamte Stadt, und mit ihr identifizierte sich auch die ganze Stadt. Somit musste das Münzbild ebenfalls etwas sein, in dem sich alle Bürger einer Stadt wiederfanden. Zumeist bezogen sich die Darstellungen auf das besondere Verhältnis, das eine Stadt zu bestimmten göttlichen Mächten hatte. Jede Stadt besass ihr eigenes Pantheon, überall wurde eine andere Auswahl von Göttern, Naturmächten und Heroen verehrt. Die wichtigste Gottheit einer Stadt musste nicht unbedingt mit Zeus zusammenfallen, den wir als den Obersten der griechischen Götter kennen. Im Gegenteil, jede göttliche Macht konnte zur wichtigsten aufsteigen, wenn sie durch ihr als real empfundenes, im lokalen Mythos überliefertes Eingreifen gezeigt hatte, dass sie bereit war, für das Wohlergehen der Bürger Verantwortung zu übernehmen. Das konnte sich ausdrücken durch ein «Geschenk» an die Stadt oder durch Hilfe in Gefahr. Durch ihren einmal gewährten Beistand schloss die Gottheit mit allen Bürgern der Stadt einen ganz besonderen Bund, der ihr die Verehrung der Polis ein-

Samos (Ionische Insel). Elektronhekte, 600–570 v. Chr. Löwenkopf von vorne in einem Kranz (?). Rs. Unregelmässig vertieftes Quadratum incusum um Mittelpunkt.

11


brachte, wofür sie sich mit ihrer fortdauernden Unterstützung bedankte. Deshalb sind auf den archaischen Münzen häufig Symbole der wichtigsten Götter einer Stadt zu sehen. So bedeutete eine Ähre für den Bewohner Metaponts eben nicht nur eine Ähre, sondern den komplizierten Vorgang des Säens, Wachsens und Erntens, den die Göttin Demeter beschützte, die Metapont durch reiche Ernten besonders beschenkte. Die Bürger von Gela dagegen, deren Stadt an der Mündung eines Flusses lag, wussten genau, dass sie ihren Wohlstand dem ruhig und gleichmässig fliessenden Gewässer verdankten, dem sie den gleichen Namen gegeben hatten wie ihrer ganzen Stadt. Brachte der aus dem Gebirge kommende Fluss auch im Hochsommer noch genug Wasser, um die Felder zu versorgen? Stieg im Frühjahr der Pegel nur auf das gewohnte Mass? Oder überfluteten die Wassermassen, die durch das Flussbett nicht mehr gezähmt werden konnten, die bewohnten Gebiete? Solche Sorgen und Fragen waren es, die dem Flussgott die besondere Verehrung der Stadtgemeinschaft von Gela eintrugen. Und ihn wählte sie, um sich als Ganzes im Münzbild darzustellen. Sie gab ihm dabei keine reale Gestalt, sondern versuchte, im Bild des Stieres die doppelte Wirkungsweise des Gottes einzufangen: Inbegriff der Fruchtbarkeit und furchtbar in seiner ungezähmt dahin stürmenden Gewalt. In Akragas dagegen wurde Zeus verehrt. Ihm baute man einen prachtvollen Tempel, dessen Ruinen Besucher der Stadt Agrigento heute noch bestaunen. Ihm reservierten die Bürger von Agrigento auch eine der beiden Seiten ihrer Münzen. Sie stellten Zeus in seiner Wirkungsweise dar: Er, der Oberste aller Götter, war es, der das menschliche Schicksal in den Händen hielt. Er konnte das Dasein jederzeit ohne Vorwarnung zerstören, genauso wie der Adler jederzeit aus den Höhen des Himmels hinabstossen konnte, um die sich auf einem Felsen sonnende Schlange zu packen und sie zu töten. Zeus war mächtig in dieser Zeit ohne Notfallmedizin und Genfer Konvention. Das Schicksal der Stadt Akragas ist dafür ein gutes Beispiel: Kurz nachdem die hier gezeigte Goldmünze geprägt wurde, eroberten die Karthager die Stadt und zerstörten sie. Zeus war aber nicht nur der Zerstörer, der Vernichter, er konnte auch auf andere Art und Weise wirken. Er schenkte zum Beispiel 12

Metapont (Lukanien). Stater, um 520 v. Chr. Ähre mit langen Grannenhaaren. Rs. Ähre inkus.

Gela (Sizilien). Didrachmon, 490–480 v. Chr. Nackter Reiter n. r. galoppierend. Rs. Das Vorderteil des Flussgottes Gelas als menschengesichtiger, bärtiger Stier n. r. gelagert.

Akragas (Sizilien). Notprägung einer Tetradrachme in Gold, 406 v. Chr. Adler n. l., in seinen Krallen eine Schlange haltend, im Begriff, mit dem Schnabel auf die sich noch windende Schlange einzuhacken. Rs. Krabbe.


den Sieg im Wettspiel oder im ernsthaften Kampf und machte damit aller Welt klar, wer in seiner Gunst stand. Aber langsam, über Jahrhunderte hinweg, veränderte sich das Weltbild der Griechen. Wobei die Entwicklung nicht stetig dahinfloss, sondern sich die verschiedenen Vorstellungen – und natürlich auch die unterschiedlichen Bilder auf Münzen – generationenlang nebeneinander hielten. Zunächst waren es nur einige wenige, die erkannten, dass nicht die Götter das menschliche Schicksal bestimmten, sondern dass es jedem einzelnen gegeben war, sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Zwar anerkannte jeder die Macht, die als Schicksal, oberste Gottheit, olympische Götter oder wie immer man sie nennen wollte, ins irdische Dasein eingreifen konnte, zwar praktizierten die Bürger noch jahrhundertelang die überlieferten städtischen Rituale, und trotzdem wandelte sich das Bild der Götter, sie wurden menschlicher. Ausdruck davon sind die seit dem letzten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. auf den Münzen zunehmend als Menschen erscheinenden Gottheiten: Apollon als junger, attraktiver Mann mit langem, wallendem Haar, Dionysos als etwas verweichlichter Geselle, dem man seine Freude an jeder Form von Gelage anzusehen glaubt, Artemis als kurz geschürzte Jägerin mit Pfeil und Bogen, Athena als gewappnete Kriegerin, Hera als erhabene, reife Frau, Aphrodite als der Inbegriff des reizenden Mädchens und Zeus als weiser Mann in den besten Jahren, alleine geeignet, um das Schicksal der Welt zu regieren. Damit hatte das menschliche Antlitz das Münzbild erobert.

Syrakus (Sizilien). Tetradrachmon, um 466 v. Chr. Siegreiches Viergespann mit Wagenlenker im Schritt n. r., darüber fliegende Nike, die Pferde bekränzend, darunter Löwe. Rs. Kopf der Quellnymphe Arethusa im Lorbeerkranz n. r., darum vier Delphine.

13


1. Göttervater Zeus in Olympia

Olympia. Münze der Hüter des Heiligtums, der Eleer (Peloponnes). Stater, um 360 v. Chr. Kopf des bärtigen Zeus von Olympia mit Lorbeerkranz n. l. Rs. Adler n. r. sitzend.

H

eute denken wir bei Olympia sofort an die Olympischen Spiele. Im Geiste sehen wir edle Jünglinge um die Wette laufen oder sich im Ringkampf messen, und doch fing es einst ganz anders an. Apollon und Herakles sollen in mythischer Vorzeit dem Zeus in Olympia ein Heiligtum eingerichtet haben, in dem ein Sohn des Apollon aus den Flammen des Opferfeuers die Zukunft weissagte. Die Nachkommen dieses ersten Priesters von Olympia begleiteten in historischer Zeit als eine Art Feldgeistliche griechische Heere und Siedler in die ganze damals bekannte Welt. Wir wissen zum Beispiel, dass die Auswanderer, die in Syrakus eine neue Heimat finden sollten, von einem olympischen Priester begleitet wurden, und dass vor der Schlacht von Plataiai, wo im Jahre 479 v. Chr. die vereinten griechischen Streitkräfte die Perser besiegten, ein Priester aus Olympia den Willen der Götter erkundet hatte. Viele politische Gemeinschaften verdankten dem Zeus von Olympia, der durch seine Priester wirkte und half, ihr Bestehen. Und natürlich revanchierten sie sich. Sie sandten dem Gott reiche Weihgeschenke und schickten anlässlich des alle vier Jahre stattfindenden grossen Festes zu seinen Ehren eine Festgesandtschaft. Und da zu jedem ordentlichen griechischen Fest Wettspiele gehörten, waren in den Wettkämpfen von Olympia natürlich die besten Sportler jeder Stadt vertreten. Das war der Ursprung der 14

Berühmtheit der Olympischen Spiele, die die besten Sportler aus allen von Griechen besiedelten Weltgegenden anzogen. Das Bild von Zeus, der uns hier als bärtiger Mann in seinen besten Jahren entgegentritt, ist beeinflusst durch die berühmte Darstellung des Zeus, die Phidias Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. für den Tempel von Olympia schuf. Diese Gold-Elfenbein-Statue, die übrigens nie ein verehrtes Kultbild, sondern lediglich eine kostbare Weihegabe an den olympischen Zeus war, zählte in der Antike zu den sieben Weltwundern. Unzählige Griechen sahen sie. Sie alle waren von ihr so beeindruckt, dass sich bald niemand mehr in Griechenland Zeus anders vorstellen konnte, als ihn die Statue des Phidias zeigte.



2. Athena und Athen

Athen. Tetradrachmon, um 450 v. Chr. Kopf der Göttin Athena mit Helm n. r., auf dem Helmkessel Palmette und drei schmückende Blätter vom Olivenbaum. Rs. Eule n. r. sitzend, dahinter Zweig vom Olivenbaum mit Blättern und Frucht sowie Mondsichel.

E

in in der Antike weithin bekannter Mythos erzählt, wie Athena zur Beschützerin von Athen wurde: Einst stritten sich die Götter Poseidon und Athena, wer Attika besitzen solle. In bester griechischer Tradition beschlossen sie, durch einen Zweikampf zu entscheiden, wer in Zukunft die dort wohnenden Menschen schützen dürfe und dafür von ihnen Opfer bekommen sollte. Wer den Athenern das bessere Geschenk machen könne, der würde Schutzgottheit Attikas sein. Poseidon stiess seinen Dreizack in den felsigen Grund und liess eine Quelle aufsprudeln, Athena aber schenkte den Olivenbaum, in der Antike eines der wichtigsten Kulturgewächse überhaupt. Aus seinen Früchten wurde das Öl gepresst, mit dem die Griechen ihre Speisen kochten, den Körper pflegten und die Nacht erhellten. So fiel die Entscheidung leicht: Athena wurde die wichtigste Schützerin Athens. Was – zumindest nach antiker Vorstellung – auch der Göttin Vorteile brachte. Denn Athen war eine reiche Stadt, die über die Mittel verfügte, ihre Stadtgottheit durch prächtige Weihegeschenke, reiche Opfergaben und grosse Prozessionen zu ehren. Das Verhältnis zwischen Stadt und Schutzgottheit wurde damals nämlich als eine Art Vertrag verstanden, bei der die Gottheit nur so lange verpflichtet war, ihre Hilfe zu gewähren, wie sie von den ihr anvertrauten Bürgern die ihr zustehende Verehrung erhielt.

16

So ist Athena auf dieser Münze dargestellt als die Göttin, die durch ihr Geschenk den Athenern in der Vergangenheit eine grosse Wohltat erwiesen hatte und dies in Zukunft weiterhin tun würde. Ihr Helm ist geschmückt mit den Blättern des von ihr geschenkten Baumes, auf der Rückseite finden wir über der Eule, dem heiligen Tier der Athena, einen kleinen Olivenzweig. Diese Wohltaten der Göttin darzustellen, war wichtig, denn erst dadurch wurde Athena, die in den meisten Städten Griechenlands verehrt wurde, als die besondere Schutzgottheit Athens charakterisiert. Ob es nun die Hilfe Athenas war oder das Silber, das in den attischen Bergwerken bei Laurion gefunden wurde, oder die kompromisslose Machtpolitik der athenischen Demokratie, die Eulen, wie man in der Antike die Prägungen der Stadt nannte, waren Ende des 5. und Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. die wichtigste Handelswährung im gesamten Mittelmeerraum. Und Athen wurde vor der selbstzerstörerischen Auseinandersetzung mit Sparta im Peloponnesischen Krieg so reich, dass ein heute noch bekanntes geflügeltes Wort entstehen konnte: «Eulen nach Athen tragen».



3. Die Quellnymphe Arethusa

Syrakus (Sizilien). Dekadrachmon, 400–395 v. Chr. Werk des Stempelschneiders Euainetos. Quadriga in einem Wagenrennen n. l. fahrend; der Lenker treibt mit einem Stab seine Pferde zur höchsten Geschwindigkeit an; auch die Götter sind dem Gespann wohlgesinnt, denn sie senden die geflügelte Nike, die dem Wagenlenker den Kranz bringt; in dem durch die Bodenlinie abgetrennten Abschnitt Waffengruppe. Rs. Kopf der Arethusa n. l., das Haar bekränzt mit Schilfblättern; um sie herum vier Delphine, unter dem Delphin am Halsabschnitt Signatur des Künstlers.

P

ausanias überliefert in seinem Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten Griechenlands, dass Arethusa einst eine Jägerin gewesen sei, die sich von Alpheios verfolgt sah. Doch ehe der junge Mann das Mädchen vergewaltigen konnte, verwandelten sie die Götter in eine Quelle. In ihrer neuen Gestalt gelangte Arethusa bis zur Insel Ortygia, dem befestigten Zentrum der Stadt Syrakus. Alpheios aber wurde zu einem Fluss und folgte der Entflohenen. Er soll noch heute seine Wasser mit denen der Arethusa mischen und damit reich sprudelndes Süsswasser auf einer ansonsten vom Meerwasser umschlossenen Insel liefern. Soweit der Mythos, der in historischer Zeit an einen viel älteren Kult anknüpfte. Denn die Verehrung einer Naturgottheit, verkörpert in der Quelle Arethusa, war in Syrakus wesentlich älter. Das Erlebnis, auf einer steinigen Insel, umgeben vom nicht geniessbaren Salzwasser des Mittelmeeres, eine Süsswasserquelle zu finden, die noch dazu ausreichte, um eine kleine Stadt zu versorgen, dies empfanden die Menschen in der Antike als einen göttlichen Gnadenerweis. So wurde Arethusa, die Gottheit, die in der Quelle gegenwärtig war und ihre sprudelnden Wasser den durstigen Menschen schenkte, von Syrakus als eine Staatsgottheit verehrt. Den Bürgern der Polis war 18

sie so wichtig, dass sie die Quellnymphe praktisch von Anfang an auf den Münzen der Stadt abbildeten. Schon bald wurden Arethusa als Attribut vier um sie herumschwimmende Delphine beigegeben. Diese Tiere waren nicht willkürlich gewählt. Der Delphin galt in der Antike als das Tier, das – von Apoll gesandt – dem Schiff sichere Überfahrt signalisierte. Wichtig für das Gelingen einer weiten Schifffahrt über das Mittelmeer waren vor allem die Häfen, die ein von Stürmen bedrängtes Schiff anlaufen konnte. Und die Götter hatten die Stadt Syrakus wahrlich gesegnet: Gleich zwei Häfen, ein grosser und ein kleiner, boten je nach Windrichtung Schutz vor den Unbilden des Wetters. Im Jahre 734 v. Chr. soll eine Gruppe von korinthischen Kolonisten diesen idealen Platz für eine Siedlung entdeckt und okkupiert haben. Es war also in erster Linie die geografische Lage, durch die Syrakus in sehr kurzer Zeit zu einer der grössten und bedeutendsten Handelsstädte der antiken Welt wurde. Und dies empfanden seine Bewohner als Gottesgeschenk. Sie stellten auf der Rückseite ihrer Münzen eigentlich ein Abbild ihrer Stadt aus der Vogelsicht dar: Die Quelle Orthygia in der Mitte, umgeben von den ringsum flutenden Wassern des Mittelmeeres.



4. Philipp II. als Hegemon Griechenlands

Alexander III., König der Makedonen (336–323 v. Chr.). Goldstater vom Typus der unter seinem Vater Philipp II. (359–336 v. Chr.) eingeführten Goldstatere, Kolophon (Ionien), 324 v. Chr. Kopf des Apollon mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Zweigespann, getrieben vom Wagenlenker n. r. galoppierend, unter den Vorderbeinen der Pferde Münzstättenzeichen: Dreifuss.

D

elphi, wo der Gott Apollon den Menschen durch die Pythia den Willen der Götter verkündete, war eines der reichsten Heiligtümer Griechenlands. Unzählige Städte hatten dort wertvolle Weihegaben deponiert. Dieser Reichtum verlockte im Jahre 355 v. Chr. die Phoker, das Heiligtum zu erobern. Bis dahin hatte eine Vielzahl von Städten, zusammengefasst in der so genannten Delphischen Amphiktyonie, über das Schicksal des Orakels bestimmt. Sie erklärte den Phokern den «Heiligen Krieg». Doch da die neuen Herren Delphis über die schier unbegrenzten Mittel des Tempelschatzes verfügten, konnten sie ein riesiges Söldnerheer bezahlen, an dem die Streitkräfte ihrer Gegner immer wieder scheiterten. Erst das Eingreifen Philipps II., König der Makedonen in den Jahren 359 bis 336 v. Chr., brachte die Wende. Auf der Seite der Amphiktyonen trat er in den Kampf ein und zwang die Phoker im Jahre 346 v. Chr. zu kapitulieren. Natürlich nutzte der ehrgeizige König seinen Sieg. Nicht nur, dass er die strategisch wichtigen Festungen der Phoker mit seinen eigenen Soldaten besetzte und für sich selbst gleich eine Vielzahl an Stimmen im Rat der Amphiktyonen reservierte, was ihm einen enormen Zuwachs an Einfluss brachte. Er nutzte seinen Sieg auch propagandistisch. Hortfunde bestätigen, dass Philipp kurz nach seinem Sieg wohl schon im Jahre 345 v. Chr. einen neuen Münztyp einführte, der auf der Vorderseite das Bild des Herren von Delphi 20

zeigte: Apollon. Bereits im Jahre 357 v. Chr. hatte Philipp die Herrschaft über das Pangeiongebirge im Norden Griechenlands gewonnen, wo ergiebige Goldlagerstätten ausgebeutet wurden. Die Gewinne aus dem Bergbau galt es nun auszumünzen, um mit deren Hilfe die Anhänger der Makedonen in Griechenland zu stärken, und natürlich, um Söldner anzuwerben. Als Münztyp für die Vorderseite wählte Philipp nicht Zeus, der als besonderer Schutzgott der Makedonen galt, oder Herakles, den Stammvater der Argeaden, zu deren Geschlecht Philipp gehörte. Er entschied sich für Apollon, dessen Kopf allen Griechen verkündete, dass Philipp gegen die frevelnden Phoker in den Kampf gezogen war und dass die Götter ihm und der gerechten Sache zum Sieg verholfen hatten. Dieser Münztyp wurde in der ganzen antiken Welt so beliebt, dass auch der Nachfolger und Sohn Philipps, Alexander der Grosse, ihn weiter prägte. Ja, als Lohn keltischer Söldner gelangten einzelne Stücke sogar bis weit ins Innere Europas, wo zahlreiche keltische Prägungen die Münzen Philipps imitieren.



5. Griechische Kunst – keltische Kunst

Parisii (keltischer Stamm in Frankreich, in der Gegend des heutigen Paris). Goldstater, Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Stilisierter Kopf n. r., davor Volute, unter dem Kinn Keule (?). Rs. Stilisiertes Pferd n. l., darüber dreieckiges Netz aus Rauten mit Mittelpunkt, darunter Rosette.

A

uf den ersten Blick haben sie nicht viel miteinander gemeinsam, die Münze mit dem Antlitz des Gottes Apollon auf der Vorderseite, die wir bei Münztext 4 abgebildet haben, und dieser Goldstater der Parisii, der mehr als ein Jahrhundert später geprägt wurde. Und doch hat sich das an ein abstraktes Kunstwerk erinnernde, schwungvolle Münzbild der Kelten aus den Stateren nach dem von Philipp II. eingeführten Typus entwickelt. Kennen gelernt haben die Kelten die Münzen durch den Dienst, den sie als Söldner leisteten. Sie waren bekannt als tüchtige Krieger, abgehärtet und zäh, denen der Kampf Freude bereitete. Und so war es für beide Seiten ein guter Handel, wenn Philipp II. oder Alexander der Grosse oder einer seiner Nachfolger einen Trupp dieser geschulten Kämpfer engagierte. Lange vorbei war die Zeit, in der ein griechisches Heer aus dem Aufgebot der waffenfähigen Bürger einer Stadt bestand. Im Soldatenhandwerk hatte eine Spezialisierung eingesetzt und so fanden viele Kelten Sold und Brot in griechischen Diensten. Und sie trugen – zumindest, wenn sie den Feldzug überlebten – ihren Lohn und damit das Wissen um die Münze überall hin, wo sie zuhause waren. Und bald begann eine eigene Prägung. Wir wissen nicht viel darüber. Wir können nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob einzelne Stämme für bestimmte Stücke verantwortlich zeichneten oder ob Privatpersonen aus uns unbekannten Gründen ihr 22

Gold in Münzen umprägen liessen. Unser Stück wird dem Stamm der Parisii zugeschrieben, weil ein Grossteil der bekannten Exemplare auf dem Gebiet gefunden wurde, wo die Parisii zur Zeit Caesars lebten. Ausserdem ist es doch eine schöne Vorstellung, dass ein Zentrum der Kunst, wie es Paris ist, schon vor mehr als 2000 Jahren eines der bedeutendsten Kunstwerke der keltischen Numismatik hervorbrachte. Was sich der Stempelschneider aber beim kreativen Akt dachte, warum er die geordnete Haartracht des griechischen Gottes zu einer wilden Lockenpracht umformte, weshalb er in einer Art Horror Vacui jede noch so kleine Fläche des Münzbildes mit Schmuckelementen ausfüllte, wir wissen es nicht – auch wenn natürlich jede Menge Hypothesen darüber umlaufen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Münze als ein Kunstwerk zu betrachten, dessen Botschaft uns heute verloren ist, dessen Schönheit nach über 2000 Jahren aber immer noch zu uns spricht.



6. Die 30 Silberlinge

Tyros (Phönikien). Tetradrachmon, 106 v. Chr. Kopf des Melkarth mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Adler auf Schiffsbug n. l. stehend, über seiner Schulter Palmzweig.

Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohepriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreissig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern. Mt. 26,14–16

N

atürlich können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die 30 Münzen aussahen, die Judas für die Auslieferung Christi erhielt. Die Wahrscheinlichkeit aber spricht dafür, dass es sich um Münzen aus Tyros handelte; mit diesen Münzen nämlich wurde die jüdische Tempelsteuer jahrhundertelang bezahlt. Melkarth, der auf der Vorderseite unserer Münze abgebildet ist, war die wichtigste Gottheit der phönikischen Stadt Tyros. Er besass einen bedeutenden Tempel dort und erhielt von seinen Gläubigen all die Ehren, die das jüdische Volk als Götzendienst empfand. Ursprünglich war Melkarth ein Sonnengott, der gleichzeitig über die Unterwelt und die Fruchtbarkeit wachte. Die Griechen setzten ihn mit Zeus gleich, oder – fast noch häufiger – mit Herakles. Auf jeden Fall war auch Melkarth ein «Baal», denn diesen Namen, der eigentlich nichts anderes als «Herr» bedeutet, pflegten die Phönikier all ihren Göttern beizulegen. Und mit dem Baal hatten die Juden ja ihre ganz eigenen Erfahrungen, wie uns im Buch der Könige die Geschichte von Jezabel und Elias berichtet. 24

Trotzdem bestanden die Verantwortlichen im Tempel zu Jerusalem darauf, für die Tempelsteuer nichts anderes als tyrische Münzen anzunehmen, und dies aus einem einfachen Grund: Der Silbergehalt der Stücke schwankte praktisch nicht. Ihr Wert war trotz der langen Prägedauer gleich bleibend und damit leicht kalkulierbar. So musste jeder Jude, der die Tempelsteuer in Höhe einer tyrischen Didrachme entrichten wollte, im Hof des Tempels sein Geld in tyrische Währung wechseln, ein Vorgang, der einen Mann namens Jesus so aufbringen sollte, dass er gewalttätig wurde gegen die allgegenwärtigen Geldwechsler. Als die Stadt Tyros aufhörte, ihre Münzen herauszugeben, geriet die Finanzverwaltung des Tempels in arge Verlegenheit. Herodes der Grosse, dem die spätere Überlieferung den Kindermord von Bethlehem zuschreiben sollte, war es, der von Rom für die jüdischen Autoritäten das Recht erwirkte, nun selbst Schekel nach tyrischem Vorbild zu prägen. Bis zum Beginn des ersten jüdischen Krieges, bis 66 n. Chr., entstanden also Münzen mit dem Bild eines Baal im gelobten Land des Volkes Israel.



Wie der Mensch ins Münzbild kam

I

m Jahre 546 v. Chr. eroberten die Perser das lydische Reich des Königs Kroisos, wo zum Zeitpunkt der Eroberung schon ein funktionierendes Münzsystem existierte. Auch wenn die persische Wirtschaft nicht auf die Münze als Hilfsmittel zum Warenaustausch angewiesen war, so erkannten die Verantwortlichen doch, was für ein nützliches Werkzeug Münzen waren. Mit ihnen konnte man ohne allzu grosse eigene Belastung Politik betreiben: Man konnte griechische Söldner bezahlen, die im Auftrag des persischen Reiches Kriege führten, man konnte aber auch direkt Einfluss nehmen auf die Politik der zerstrittenen Städte in Griechenland. Und indem der persische Hof der in einem Kampf gerade unterlegenen Stadt die Geldmittel zur Verfügung stellte, um neue Söldner, neue Schiffe zu bezahlen, war er in der Lage, jede Auseinandersetzung bis zur völligen Erschöpfung beider Kontrahenten zu verlängern. Die Münzen, mit denen die Perser Griechenland unterwanderten, sahen allerdings ganz anders aus als alles, was man damals in der griechischen Welt kannte. Auf ihnen war kein Gott dargestellt, sondern der persische König – nicht als Person mit individuellen Zügen, sondern als Grosskönig schlechthin, mit all den Eigenschaften versehen, die nach persischer Überzeugung ein Grosskönig besitzen sollte. Als «Gebieter des Bogens» – wie einer seiner offiziellen Titel lautete – bereitet sich der König im Münzbild im schnellen Lauf darauf vor, im Kampf zunächst seinen Speer zu schleudern, um dann einen Pfeil aus seinem Köcher zu ziehen und ihn auf den Feind abzuschiessen. Ein Porträt darf man diese Darstellung freilich noch nicht nennen. Die realistische Darstellung eines lebenden Menschen war nicht vereinbar mit den persischen Vorstellungen.

Persisches Reich. Siklos, zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Persischer Grosskönig mit Bogen, Köcher und Speer in schneller Bewegung n. r. laufend. Rs. Unregelmässig vertieftes Quadratum incusum.

In Kleinasien, wo sich die Perser durch ihre kluge Politik trotz der Niederlagen bei Marathon und Salamis durchgesetzt hatten, blühten die Poleis unter der Herrschaft der vom Grosskönig eingesetzten Satrapen. Hier war es, wo die griechische Entdeckung des Individuums mit der persischen Auffassung von der Machtverteilung innerhalb einer politischen Gemeinschaft zusammentraf. Die Griechen verstanden ihre Polis als eine Gemeinschaft aller Bürger, deren Geld mit einem Motiv versehen wurde, in dem sich alle wiederfinden konnten. Das persische Reich dagegen verkörperte sich in seinem Grosskönig, der – wie wir gesehen haben – in idealtypi27


scher Form im Münzbild bereits seit mehr als einem Jahrhundert gegenwärtig war. Seine Macht färbte ab auf seine Vertreter, die Satrapen, die deshalb nichts dabei fanden, das von ihnen herausgegebene Geld mit ihrem eigenen Bild zu kennzeichnen. Inwieweit diese Bilder bereits Porträts in unserem heutigen Sinne sind, darüber wird von klassischen Archäologen noch debattiert. Einige behaupten, dass es den ersten Stempelschneidern mehr darum ging, die typischen Kennzeichen des «Persers» im Münzbild festzuhalten, als die persönlichen Züge des Porträtierten zu erfassen. Namensbeischriften machen es aber eindeutig, dass – typisiert oder realistisch – der Kopf eines lebenden Menschen auf diesen Münzen dargestellt ist. Bereits 412/11 v. Chr. liess Tissaphernes, der als entscheidende Persönlichkeit im Peloponnesischen Krieg auf persischer Seite wirkte, Münzen prägen, die sein Porträt zeigen. Er war damit der erste Mensch, den wir kennen, dessen Antlitz auf einer Münze erschien. Andere Satrapen und die so genannten Dynasten in Lykien folgten seinem Beispiel. Am Schnittpunkt zwischen Ost und West, Persern und Griechen gab es also bereits vor dem Alexanderzug eine reiche Tradition von Porträts im Münzbild. Wir zeigen hier ein relativ spätes Exemplar. Spithridates, der Satrap von Lydien und Ionien, liess sich zu einem uns unbekannten Zeitpunkt von einem griechischen Stempelschneider porträtieren. Wir erkennen deutlich die Tiara, Kopfbedeckung der Perser, die aus einem spitz zulaufenden Ledersack bestand, der in seinem oberen Drittel nach vorne umklappte und zum Vorbild werden sollte für die so genannte phrygische Mütze. Spithridates war einer der wichtigsten Gegner Alexanders des Grossen, der sich ihm mit seiner Streitmacht am Granikos entgegenstellte. Der Ausgang der Schlacht ist bekannt: Alexander siegte, Spithridates verlor sein Leben. Alexander eroberte das persische Reich. Elf Jahre dauerte sein Feldzug durch den Osten, wo seine Soldaten und ihre Anführer Dinge kennen lernten, von denen sie in ihren heimatlichen Bergen nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Natürlich veränderte dieser Feldzug die Menschen, die an ihm teilgenommen hatten, natürlich drangen auf diesem Wege Vorstellungen in die Köpfe der Soldaten ein, wie sie noch vor einer Generation in Griechenland undenkbar gewesen wären. 28

Spithridates, persischer Satrap von Lydien und Ionien († 334 v. Chr. in der Schlacht am Granikos). Bronzemünze. Kopf des Spithridates mit Tiara n. r. Rs. Pferdevorderteil n. r.


Es lag nach dem Tode Alexanders im fernen Babylon am 13. Juni 323 v. Chr. nahe, dass dieser junge Mann mehr als nur ein gewöhnlicher Sterblicher gewesen sein musste. Wie sonst hätte er solch ein grosses Reich erobern können? Und dass man Menschen nach ihrem Tode als göttliche Wesen, als Heroen verehrte, war weder neu noch merkwürdig in Griechenland. Bereits in archaischer Zeit wählten einige Städte Heroen, um auf ihren Münzen die Gemeinschaft zu vertreten. Welches andere Motiv, wenn nicht das Porträt Alexanders, war also geeignet, um es auf eine Münze zu setzen, die im grossen, neuen Reich des Alexander zirkulieren sollte? Jeder Soldat, der mit so einer Münze bezahlte, identifizierte sich mit seinem Feldherrn. Sie alle hatten unter ihm gekämpft, wussten um seine besonderen Eigenschaften, sie liebten ihn und würden demjenigen folgen, der am ehesten versprach, wie ein neuer Alexander zu sein. So wurde das Bild Alexanders zu einem propagandistischen Mittel, das die verschiedenen Heerführer, die um die Macht im herrscherlos gewordenen Reich kämpften, gerne benutzten. Natürlich stellten sie Alexander dabei nicht als Mensch dar, sondern als Gott. Lysimachos zum Beispiel, der 323 v. Chr. die Verwaltung von Thrakien übernommen hatte, zeigte Alexander auf seinen Münzen als Sohn des Zeus-Ammon. Er griff damit auf ein Ereignis zurück, das uns bei Strabon 17, 1, 43 überliefert ist: Anfang des Jahres 331 v. Chr. besuchte Alexander auf seinem Feldzug durch Ägypten die Oase Siwa, wo sich ein bedeutendes Orakel befand. Die Priester begrüssten den siegreichen Feldherrn als Sohn des Ammon, den die Ägypter Amun nannten und die Griechen Zeus. Was auf uns heute wie Opportunismus wirken mag, war tief in der ägyptischen Seele verankert: Jeder Pharao galt als Sohn des Amun. Der Gott selbst – so berichtet ein ägyptischer Mythos – stieg stets aufs neue herab zur Königin, um mit ihr den Pharao zu zeugen.

Lysimachos, Nachfolger des Alexander und König (305–281 v. Chr.). Tetradrachmon, Magnesia, 297 v. Chr. Kopf des vergöttlichten Alexander mit Ammonshorn n. r. Rs. Athena mit Helm, Schild und Speer n. l. sitzend, auf ihrer rechten Hand eine Nike tragend, die den Namen des Lysimachos bekränzt.

Wie Alexander zu sein, sich also an der Spitze eines Heeres sein eigenes Reich zu erobern, das sollte fortan höchstes Ideal all der Machtmenschen sein, die nach dem Tod der letzten Angehörigen des makedonischen Königshauses um die Herrschaft über das riesige Reich kämpften. Die Erfahrung der schier unbegrenzten Macht, die ein zum widerspruchslosen Gehorsam verpflichtetes Söldnerheer verlieh, veränderte die Weltsicht von Befehlsgebern, Befehlsempfängern 29


und Opfern. In Athen zum Beispiel sangen die Bürger der Stadt anlässlich des Festes, das sie zu Ehren des «Gottes» Demetrios Poliorketes abhielten, folgenden Hymnus: «Oh Sohn des allmächtigen Gottes Poseidon und der Aphrodite, heil dir! Denn andere Götter sind entweder weit fort oder sie haben kein Gehör oder es gibt sie gar nicht oder sie beachten uns überhaupt nicht, dich aber können wir sehen in voller Gegenwart, nicht in Holz und nicht in Stein, sondern in Wahrheit. Und so preisen wir dich.» Wenn sie nun schon wie Götter verehrt wurden und sich gleichzeitig als Rechtsnachfolger der persischen Satrapen fühlen durften, deren Porträtmünzen schon lange im persischen Reich zirkuliert hatten, was sollte die mächtigsten der Heerführer davon abhalten, ihr eigenes Porträt auf die Münze zu setzen? Um die Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. jedenfalls erscheinen die Köpfe von Ptolemaios, Seleukos und Demetrios Poliorketes auf den von ihnen herausgegebenen Münzen fast gleichzeitig. Demetrios, der den Beinamen «Poliorketes», also «Städtezertrümmerer» trug, war ein typischer Vertreter der Alexandernachfolger. Wir sehen hier sein Porträt, das stark an den idealisierten Alexanderdarstellungen orientiert ist. Ein einfaches Stoffband, das Diadem, Zeichen des absoluten Herrschers, ist um seinen Kopf gewunden. Er reklamiert für sich im Münzbild die Abstammung von einem Gott, von Poseidon, um genau zu sein. Ein Stierhorn wächst aus seinem Kopf. Poseidon galt als Herr der Stiere, und ein Stierhorn auf Münzen hatte seit Jahrhunderten die Flussgötter charakterisiert, die ein Grieche als Abkömmlinge von Poseidon empfand. Hatten sich die Porträtierten der ersten Generation noch als Götter «verkleiden» müssen, verzichteten die meisten ihrer Nachfolger auf göttliche Attribute. Das Diadem als Zeichen der Macht genügte völlig, um den absoluten Herrscher zu charakterisieren, der das Recht besass, sein Bild auf eine Münze zu setzen. Bald waren es nicht nur die Nachfolger Alexanders des Grossen, die Münzen mit ihrem Porträt kennzeichneten, auch im griechischen Mutterland und in Sizilien stellten sich diejenigen, die über vergleichbare Macht verfügten, im Münzbild dar. Und nicht nur sich selbst. Auch Angehörige wie Ehefrau, Ahnen oder Thronfolger wurden im Münzbild präsentiert, um den Benutzern des Geldes die eigenen dynastischen Pläne schmackhaft zu machen.

30

Demetrios Poliorketes, Nachfolger des Alexander und König (305–284 v. Chr.). Tetradrachmon, Chalkis, um 297–280 v. Chr. Kopf des Demetrios mit Stierhorn und Diadem n. r. Rs. Poseidon mit Dreizack n. l. stehend, das linke Bein auf einen Felsen gestützt.


Wir sehen hier ein Beispiel aus Sizilien. Auf der Vorderseite der Prägung ist ein Mann abgebildet, der nie zur Herrschaft gelangen sollte: Gelon II. von Syrakus, dessen Vater Hieron II. 60 Jahre lang regierte. Als dieser Hieron im Jahre 275 v. Chr. in Syrakus die Herrschaft übernahm, waren weniger als 50 Jahre seit dem Tode Alexanders verstrichen. Und doch hatte sich das Porträt im Münzbild, das noch eine Generation zuvor den Griechen als Frevel galt, in eine Selbstverständlichkeit verwandelt.

Gelon II., Thronfolger in Syrakus. 4 Litren, geprägt unter seinem Vater Hieron II., 218–214 v. Chr. Kopf des Gelon mit Diadem n. l. Rs. Adler auf einem Blitz n. r. stehend.

31


7. Alexander der Grosse

Alexander III., König der Makedonen (336–323 v. Chr.). Drachme, Sardeis, 333–323 v. Chr. Kopf des Herakles mit Löwenskalp n. r. Rs. Zeus n. l. thronend, auf der ausgestreckten rechten Hand Adler; im Feld links Münzzeichen Kantharos.

A

ls Alexander, den man später den Grossen nennen sollte, aufbrach, um das Reich der Perser zu erobern, standen den 70 Talenten Silber in seiner Schatzkammer 200 Talente Schulden gegenüber. Er hatte mit diesem Geld Vorräte für sein Heer beschafft. 30 Tage würden sie reichen, eine knappe Zeitspanne, um ein Weltreich zu erobern! Alexander war also zum Erfolg verdammt. Und tatsächlich verschaffte ihm sein Sieg beim Granikos im Mai 334 v. Chr. die Mittel, um seinen Feldzug fortan mit Hilfe der Beute problemlos zu finanzieren. Dieser erste Sieg ermöglichte Alexander den Zugriff auf die reichen Städte des bisher von den Persern kontrollierten Kleinasien. Nach der Eroberung von Sardeis und Tarsos im Jahre 333 v. Chr. dürfte es gewesen sein, dass Alexander ein eigenes Bild für seine Silbermünzen einführte und damit eine Münzprägung initiierte, die alles bisher Gewesene in den Schatten stellte. Er wählte für die Vorderseite Herakles, den Stammvater seines Geschlechts, der als Vorkämpfer des Guten gegen das Böse galt und von Alexander persönlich verehrt wurde. Alexander sollte noch mehr als genug Silber für seine Münzen erbeuten: Susa brachte 50 000, Persepolis 120 000 und Ekbatana 180 000 Talente Silber. Hätte Alexander allein den letzten Betrag ausgemünzt, so hätte er damit – ein Talent zu 6000 Drachmen gerechnet – 1080 Millionen Drachmen wie die hier abgebildete oder 270 Millionen Tetradrachmen 32

prägen können. Stellen wir diesen Summen die Kosten gegenüber, die heutige Forscher für den Feldzug berechnen: Man schätzt, das Heer Alexanders habe am Tag 20 Talente Silber benötigt, also aufs Jahr gerechnet 7500 Talente. Die Kosten des gesamten Feldzuges gegen die Perser schätzt man auf 80 000 Talente. Mit Alexanders Soldaten verteilten sich seine Münzen in der ganzen damals bekannten Welt. Ihr Bekanntheitsgrad und ihr gleich bleibendes Gewicht machten sie zu einem beliebten Zahlungsmittel im Fernhandel. Bald gaben «freie» Städte solche Münzen sogar ohne königlichen Auftrag im Namen Alexanders heraus. Bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. prägte man Münzen nach dem Vorbild der Tetradrachmen und Drachmen Alexanders. Das heisst, Stempelschneider schnitten neue Stempel zu einer Zeit, als sich bereits niemand mehr vorstellen konnte, dass ein Herrscher nicht sein Porträt auf eine Münze setzen wollte. Und so statteten viele Künstler den Herakles mit den Zügen Alexanders aus. Damit entstand die paradoxe Situation, dass Münzen, die zu Alexanders Lebzeiten herausgegeben wurden, nicht sein Porträt zeigen, während spätere Stücke zum Teil Porträtähnlichkeit aufweisen.



8. Ein Leichnam wird entführt

Ptolemaios I., Satrap von Ägypten (323–318 v. Chr.). Tetradrachmon, Alexandria, um 320 v. Chr. Kopf Alexanders des Grossen mit Königsbinde und Ammonshorn, auf dem Kopf Elefantenhaube, unter dem Kinn die verknotete Aigis (siehe Text). Rs. Zeus n. l. thronend, auf der ausgestreckten rechten Hand Adler.

N

ach dem Tode Alexanders im Jahre 323 v. Chr. erhielt Ptolemaios, erfahrener Truppenführer und Mitglied der persönlichen Leibwache Alexanders, die Satrapie Ägypten zugesprochen. Das bedeutete nicht, dass Ptolemaios nun nach eigenem Willen in Ägypten schalten und walten durfte. Denn er blieb dem Reichsverweser Perdikkas offiziell unterstellt, anerkannte damit also die Rechte der Erben Alexanders. Nur zwei Jahre später verzeichnete Ptolemaios seinen grössten Erfolg. Es gelang ihm im Jahre 321 v. Chr., den Leichnam des grossen Makedonen zu entführen. Dabei nutzte er den Umstand, dass jeder neue Herrscher über Makedonien seinem Vorgänger traditionell die Totenehre erwies. Zu diesem Zweck sollte Alexander ins heimatliche Aigai überführt werden. Um den Transport eines Welteroberers würdig auszustatten, waren jedoch lange Vorbereitungen nötig. Erst gegen Ende des Jahres 322 v. Chr. konnte der Leichenzug aufbrechen. Aber statt den nächsten Weg zu wählen und von einem syrischen Hafen direkt nach Makedonien überzusetzen, brachte sein Anführer die feierliche Prozession nach Ägypten und kassierte dort die immense Bestechungssumme, die Ptolemaios ihm dafür ausgesetzt hatte. Offiziell verkündete der Satrap von Ägypten, Alexander habe auf seinem Sterbebett verlangt, in der von ihm gegründeten Stadt Alexandria begraben zu sein.

34

Die Annektion der Reliquie in Gestalt des königlichen Leichnams mag schliesslich der Anlass gewesen sein für die erste Münzprägung, die der Nachwelt die realistischen Gesichtszüge des Alexander überliefert. Ptolemaios liess Alexander als Gott mit dem Widderhorn des Zeus-Ammon darstellen. Dazu trägt er die Aigis um den Hals geschlungen, eine magisch wirkende, schildartige Wunderwaffe, die sich die Griechen wie eine Ziegenhaut vorstellten, da sie das Wort «Aigis» – zu Unrecht – von «aix» (griech. Ziege) ableiteten. Eigentlich galt die Aigis als Eigentum des Zeus. Der war aber dafür bekannt, dass er sie gelegentlich auslieh, und so verwunderte es wohl keinen Betrachter, dass Alexander als Sohn des Zeus über sie verfügte. Die Elefantenhaube, die Alexander auf seinem Kopf trägt, symbolisiert die Eroberungen, die der jugendliche Feldherr in Indien gemacht hatte. Diese übermenschlich scheinende Leistung bewies antiker Überzeugung nach, dass Alexander gleich wie der Zeussohn Dionysos, der dem Mythos nach als Erster bis Indien gelangt war, wahrlich vom Göttervater selbst abstammte.



9. Der Kampf Makedoniens gegen Rom

Philipp V., König der Makedonen (221–179 v. Chr.). Didrachmon, 188/87–179 v. Chr. Kopf des Königs mit Diadem n. r. Rs. Keule in Eichenkranz.

K

urz nach der für die Römer vernichtenden Niederlage bei Cannae traf Philipp V. mit Hannibal, dem vermeintlich zukünftigen Beherrscher der italienischen Halbinsel, ein Abkommen. Anliegen Philipps war dabei nicht, wie von den Römern vermutet, die Söhne der Wölfin von der Erde zu fegen. Es ging dem König vielmehr um Sicherheit vor der eigenen Haustür. Illyrien, die Ostküste der Adria, sollte von feindlichen Truppen freigehalten werden. Unglücklicherweise wurde der Vertrag in Rom bekannt. Und die Römer schworen diesem fremden König Rache, der sich in ihrer bittersten Stunde mit dem Feind verbündet hatte. Sie bedienten sich der Aitoler, einem Stamm im Südwesten Griechenlands, um genug Unfrieden zu stiften, sodass sich ein Anlass zum Eingreifen bieten konnte – und natürlich auch bot. Er wurde von Rom genutzt. Doch die Aitoler erwiesen sich nicht als so willig wie geplant, und Scipio wollte nach Karthago übersetzen. Deshalb schlossen die Römer erst einmal Frieden mit Makedonien. Sobald die Punier besiegt waren, konnte man sich ja wieder Philipp zuwenden. Der hatte inzwischen das damalige Recht jedes hellenistischen Königs genutzt, sein Reich auf Kosten der Schwächeren zu vergrössern. Und einige Verbündete Roms hatten sich über ihn beim Senat beschwert: nicht die Schwachen übrigens, die Philipp zum Opfer zu fallen drohten, sondern die Herrscher und Städte, die selbst hofften, die Schwachen für sich zu gewin36

nen. Rom reagierte sofort, der Hilferuf kam gelegen. Ohne auf Verhandlungen einzugehen, stellten römische Gesandte Philipp unerfüllbare Ultimaten – und dann zog Rom in den Krieg. Die Legionen zerschlugen das in Generationen gewachsene makedonische Reich und beschränkten es auf die Grenzen, die es zur Zeit Philipps II. hatte. Die letzten Jahre des Königs, in denen das hier abgebildete Didrachmon geprägt wurde, waren gekennzeichnet von römischer Willkür. Wer immer einen Streit mit Makedonien hatte, brauchte sich nur an den Senat zu wenden, der Philipp daraufhin befahl, klein beizugeben. Und Philipp tat das Menschenmögliche, um die Römer zufrieden zu stellen. So gelang es ihm immerhin noch, sein Reich seinem Sohn Perseus zu hinterlassen, dem die Römer 171 v. Chr. völlig grundlos den Krieg erklärten. Alle Versuche des Perseus zu verhandeln, lehnte man ab. 168 v. Chr. wurde Makedonien zerschlagen, das Königtum abgeschafft und das Land in vier Regionen aufgeteilt, denen jeder Kontakt untereinander verboten war. Eine harte Strafe für einen zur Unzeit geschlossenen Vertrag!



10. Im Angesicht des Feindes

Römische Republik. Denar, geprägt unter der Aufsicht des Münzmeisters L. Hostilius Saserna, 48 v. Chr. Kopf eines Galliers n. r., dahinter gallischer Schild. Rs. Keltischer Streitwagen n. r. jagend, auf dem Wagengestell keltischer Krieger in voller Bewaffnung.

D

rei Provinzen erhielt C. Iulius Caesar im Jahre 59 v. Chr. zugesprochen, als er nach Ende seines Konsulats ein neues Wirkungsfeld suchte. Sie alle waren sorgfältig nach einem einzigen Gesichtspunkt ausgewählt: Sie mussten ausreichendes Konfliktpotential bieten, um einen Krieg zu legitimieren. Denn Caesar lebte in einer Zeit, in der politische Macht nur noch über Eroberungen zu erreichen war. Und Macht in Rom, das war es, was Caesar wollte. Zufällig brach der Konflikt in einem Gebiet aus, das entfernt etwas mit einer seiner Provinzen, der Gallia Narbonensis (d. h. Südfrankreich), zu tun hatte. Die Helvetier wollten aus ihrem Land, das ihnen nicht genug Nahrung bot, in ein anderes Gebiet ziehen. Ihr Weg führte durch die Narbonensis. Damit hatte Caesar den Anlass, und er brach einen Krieg vom Zaun, der innerhalb weniger Jahre alle Bewohner Galliens in Mitleidenschaft zog. Im Dominosystem löste eine Auseinandersetzung die nächste aus. Die meisten keltischen Stammesoberen reagierten hilflos, versuchten vergebens, das Problem im Alleingang zu lösen. Erst im Jahre 52 v. Chr. gelang es Vercingetorix, die Stämme des mittleren Galliens zu sammeln und zu einer konzertierten Aktion zu bewegen. Der Ausgang seiner Bemühungen ist bekannt: Bei der Belagerung von Alesia opferte er sich für seine Mitkämpfer. Er lieferte sich Caesar aus, um ihnen wenigstens den Tod zu ersparen. Sechs Jahre lang hielt ihn der römische Feldherr 38

gefangen, ehe er ihn im Jahre 46 v. Chr. im Triumphzug mitschleppte und ihn danach hinrichten liess. 1,2 Millionen Kelten sollen bei der Eroberung Galliens umgekommen sein. 1,2 Millionen Menschen, geopfert für die politischen Ziele eines einzigen Mannes. Hatte es sich wenigstens gelohnt für Caesar? Der hatte gehofft, sich in Rom durch seine Siege so viel politische Achtung zu erwerben, dass er künftig die entscheidende Rolle in der Politik spielen würde. Aber selbst den bestimmt nicht zimperlichen Senatoren waren die Methoden Caesars suspekt. Sie planten, ihn anzuklagen. Zu Beginn des Jahres 49 v. Chr. kam es zum Bruch. Caesar überschritt den Rubico und setzte eine Propagandamaschinerie in Gang, die seine Verdienste ins rechte Licht setzten sollte. Dazu gehörte natürlich auch die Eroberung Galliens. Sie wurde den Bewohnern der Stadt auf Münzen vor Augen geführt, von denen die hier gezeigte nur ein Beispiel ist. Am 9. August 48 v. Chr., in dem Jahr, in dem unser Stück wohl geprägt wurde, besiegte Caesar das Heer des Senats und machte sich zum faktischen Alleinherrscher des Römischen Reiches.



11. Die Iden des März

Römische Republik. Denar, geprägt unter der Aufsicht des Münzmeisters P. Sepullius Macer, 44 v. Chr. Kopf Caesars n. r., er trägt die etruskische Goldkrone. Rs. Venus Genetrix mit Szepter n. l. stehend, sie hält auf ihrer ausgestreckten rechten Hand eine Victoria, die n. l. eilt, um jemanden mit dem Kranz zu bekränzen, den sie in ihren Händen hält.

Z

u Beginn des Jahres 44 v. Chr. verlieh der Senat von Rom Caesar eine ganze Reihe von Rechten, wie sie ein Römer nie zuvor besessen hatte. Caesar wurde zum Dictator auf Lebenszeit ernannt, durfte die Tracht des Triumphators tragen, so oft es ihm beliebte, und ausserdem das eigene Bildnis wie ein hellenistischer Herrscher auf Münzen setzen. Wollte Caesar König werden? Diese Frage stellten sich damals alle Römer und heute viele Historiker. Sie ist noch immer nicht abschliessend beantwortet. Und doch gibt Caesar selbst auf seinen Münzen einen deutlichen Hinweis darauf, wie er sich sah. Wenn wir den Kranz betrachten, den er auf seinen Münzen trägt, dann fällt auf, dass es sich nicht um den Lorbeerkranz handelt, den wir von späteren Kaisern kennen. Der Kopfschmuck besteht aus kleinen Blättchen und Kugeln. Wir kennen solche Kränze aus der Archäologie. Sie wurden von kunstfertigen Handwerkern aus Gold hergestellt und sind auf etruskischen Malereien und aus Grabfunden im Original überliefert. Von den Etruskern hatten ihn die Römer übernommen. Ihn trug der siegreiche Feldherr an dem einen Tag, an dem er in einer prächtigen Prozession sein Opfer dem Iuppiter darbrachte. Mit ihm war der Beamte geschmückt, unter dessen Aufsicht Spiele eröffnet wurden. Die goldene Krone war also dem römischen Bürger ein vertrautes Symbol. Sie erinnerte ihn an Sieg, an Leistung für den Staat, an Verantwor40

tung und viele andere Tugenden, die er von seinen Politikern erwarten durfte. Und in der Tat setzte Caesar gleich nach seiner Machtübernahme ein Reformwerk in Gang, so schnell, so effektiv – noch nie hatten Römer Vergleichbares gesehen. Dass er dabei auf die Meinungen und Interessen jedes einzelnen der inzwischen 900 Senatoren keine Rücksicht mehr nehmen konnte, ist verständlich, wurde ihm aber von den ehemaligen Herren der Welt trotzdem sehr übel genommen. Cicero stellte resigniert fest: «Wir sassen früher im Heck am Steuerruder [des Staatsschiffes], heute ist für uns kaum noch Platz im Bodenwasser.» Denn was für einen Sinn machte es noch, sich um ein Amt zu bewerben, wenn einem der Weg zu tatsächlichem Einfluss versperrt blieb? Es war also nicht die Freiheit für alle, die die Verschwörer mit der Ermordung Caesars erkämpfen wollten, sondern ihr Recht auf das bisherige Spiel um Macht und Einfluss. Mit dem Mord traten sie allerdings einen Bürgerkrieg los, der mindestens so viele Menschenleben kostete, wie Caesars Eroberung Galliens. Nur war es diesmal römisches Blut, das floss, und nicht fremdes.



12. Augustus, Friedenskaiser oder Massenmörder?

Römische Kaiserzeit. Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.). Denar, Köln, 19 v. Chr. Kopf des Augustus in idealisierter Gestalt n. r. Rs. Clupeus Virtutis (siehe Text), links davon Adler, rechts davon Feldzeichen.

W

ir kennen Augustus als Erben Caesars, der nach langen und beschwerlichen Kämpfen den Bürgerkrieg beendete. Seine Zeitgenossen sahen ihn ganz anders. Für sie war er der Schlächter der Republik, der in Zusammenarbeit mit Marcus Antonius die Proskriptionen ausheckte. Ihnen fielen die bedeutendsten römischen Politiker – darunter auch Cicero – zum Opfer. Augustus vertrieb Tausende von Bauern aus Italien, um auf ihrem Grund seine Veteranen anzusiedeln. Er verlängerte den Bürgerkrieg um viele Jahre, nur um die Alleinherrschaft zu gewinnen. Mit dem Sieg über Marcus Antonius gelang ihm dies. Fortan war er der Mächtigste in Rom; nun war es Zeit, das Image zu wechseln. Und dies tat Augustus mit bewundernswerter Gründlichkeit. Jedes öffentliche Gebäude, jede Statue, jede Münze feierte allein seine Tugenden. Sein Gehorsam gegenüber dem Althergebrachten, seine militärische Tüchtigkeit, seine Freigebigkeit und die Tatsache, dass die Götter ihn liebten und schützten, wurde gepriesen. Unter anderem auf der hier abgebildeten Münze. Augustus stilisierte sich zum Übermenschen. Im Bild alterte er nicht. Auf Münzen, die zur Zeit seiner Alleinherrschaft geprägt wurden, ähnelt sein Porträt den klassischen Büsten des Gottes Apoll. Auf der Münzrückseite sehen wir den Clupeus Virtutis, einen goldenen Schild, der dem Augustus vom Senat wegen der kaiserlichen Virtus verliehen wurde. Unter «virtus» verstand ein Römer all die 42

Eigenschaften, die ein Mann (lat. vir) besitzen musste, um den Göttern wohlgefällig zu sein. Dazu gehörte Pietas, die Bereitschaft, alle überlieferten Gesetze und Gebräuche zu achten und einzuhalten, sowie militärische Tapferkeit. Verfügte ein Mann darüber, dann war er ein Liebling der Götter, das heisst, er hatte Erfolg. Umgekehrt galt der Schluss: Wer Erfolg hatte, musste über Virtus verfügen, sonst hätten ihm die Götter nicht den Sieg geschenkt. Und genau diesen Inhalt vermittelt die Münze: Sie verbindet den grössten aussenpolitischen Erfolg des Augustus, die Wiedergewinnung der von Crassus an die Parther verlorenen Feldzeichen, mit der kaiserlichen Virtus. Die Aussage der Münze lautete für die Zeitgenossen: «Weil unser Kaiser im Übermass über Virtus verfügt, haben ihm die Götter den Sieg geschenkt, und die kaiserliche Virtus garantiert weiterhin den göttlichen Schutz.» Augustus hatte das Glück, dass er die meisten Augenzeugen des Bürgerkriegs überlebte. So kannten ihn deren Nachkommen nur noch als das, was er ihnen jahrzehntelang eingehämmert hatte: als den grossen Friedenskaiser.



13. Der einzige aussenpolitische Erfolg des Nero

Römische Kaiserzeit. Nero (54–68). Sesterz, Lugdunum, um 65. Büste des Nero mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Tempel des Ianus mit geschlossener Pforte, darum die Umschrift (in Übersetzung) «Friede zu Lande und zu Wasser. Er schloss die Tür des Ianus».

I

m Sommer des Jahres 66 erlebten die Bürger Roms ein einzigartiges Schauspiel: Tiridates, der Bruder des Königs der Parther, warf sich dem römischen Kaiser Nero zu Füssen, um von ihm das Diadem der Herrschaft über Armenien entgegenzunehmen. Damit hatte Nero das erreicht, was den grössten Feldherren der Republik nicht vergönnt gewesen war: einen Frieden mit den Parthern zu schliessen. Nur Augustus war Ähnliches gelungen. Wie konnte es dazu kommen, dass ausgerechnet der Künstler auf dem Kaiserthron zum «Partherbezwinger» wurde? Vorausgegangen waren einige wenig ruhmreiche Militäraktionen der römischen Legionen in Armenien. Der häufige Wechsel des Oberkommandierenden, erzwungen durch das wachsende Misstrauen Neros gegen erfolgreiche Feldherren, hatte eine kontinuierliche Kriegführung unmöglich gemacht. Eigentlich kontrollierten also die Parther den umstrittenen Pufferstaat, aber der parthische König war ein vernünftiger Mann. Er wusste, dass es ihn viel Energie kosten würde, die römischen Angriffe weiterhin abzuwehren. So lag ihm an einer dauerhaften Lösung. Er offerierte Nero einen Kompromiss: Ein Mitglied des parthischen Königshauses, Tiridates, sollte in Armenien herrschen, aber Rom sollte das Einverständnis dazu geben. Die Anfrage des Parthers war für Nero ein Geschenk der Götter. Gerade hatte er die Pisonische Ver44

schwörung niederschlagen müssen, in die eine ganze Reihe von hochrangigen Senatoren verwickelt war. Sein Image hatte stark darunter gelitten. Er musste dringend etwas tun, um seinen Ruf aufzubessern. Und das römische Einverständnis zur Herrschaft des Tiridates konnte man als ein prächtiges Spektakel inszenieren. Schon die Schliessung des Ianustempels wurde von Nero prächtig begangen. Damit informierte er alle römischen Bürger über den Frieden mit den Parthern. Anschliessend machte er diese Tatsache durch ein Münzbild im ganzen Römischen Reich bekannt. Und Tiridates machte sich auf den Weg. 800 000 Sesterze soll seine Reise am Tag verschlungen haben. Neun Monate dauerte sie. Die Provinzen mussten insgesamt 216 Millionen Sesterze aufbringen, um den kaiserlichen Propagandaakt zu finanzieren. Aber für Nero lohnte es sich. Selbst seine Feinde gaben zu, dass Rom noch nie so mächtig geschienen habe als an dem Tag, an dem sich der Parther Nero demütig näherte. Die innenpolitische Situation entspannte sich und Nero konnte nun das tun, wovon er schon immer geträumt hatte: nach Griechenland gehen, um dort im Wettstreit mit den besten Künstlern zu siegen.



14. Weltbürger Hadrianus

Römische Kaiserzeit. Hadrianus (117–138). Aureus, 128. Kopf des Hadrianus mit Lorbeerkranz n. r., leichte Drapierung an seiner linken Schulter. Rs. Der Kaiser als Feldherr auf einem sich aufbäumenden Pferd n. r. reitend.

A

ls Traianus seinem Grossneffen Hadrianus die militärische Macht im Osten anvertraute und ihn damit praktisch zu seinem Nachfolger machte, war dies eine der Sternstunden des Römischen Reiches. Traianus hätte niemanden finden können, der besser ausgebildet war, mehr Provinzen aus eigener Ansicht kannte und eine grössere Bereitschaft mitbrachte, seine Kenntnisse ständig zu erweitern. Die römischen Senatoren dagegen waren gar nicht so begeistert von ihrem neuen Kaiser. Zunächst erbitterte es sie, dass Hadrianus Eroberungen seines Adoptivvaters aufgab, von denen allerdings schon feststand, dass sie militärisch nur unter hohem Aufwand zu verteidigen wären. Dieser Kaiser vertrat eben nicht die altrömischen Tugenden eines gnadenlosen Eroberers. Und er machte sich – so das Empfinden der Senatoren – noch lustig über sie alle, indem er sich über ihre Ansichten von Schicklichkeit hinwegsetzte: Hadrianus trug einen Bart, sichtbares Zeichen für seine Ablehnung der senatorischen Vorstellungen von einem würdig auftretenden Römer. Und tatsächlich verhielt sich dieser neue Kaiser nicht wie seine Vorgänger. Er behandelte – unglaublich, aber wahr – die Bewohner der Provinzen als Gleichgestellte. Er widmete ihnen und ihren Anliegen auf seinen Reisen mehr Zeit als den Senatoren in Rom. Dass Hadrianus damit die Grundlage für das lange Fortbestehen des Römischen Reiches schuf, lag jenseits des Horizonts eines stadtrömischen Senators. 46

Für uns aber macht dieser Weitblick Hadrianus zum grössten Kaiser, den das Römische Reich je hatte. Seiner Tatkraft, seiner schöpferischen Vorstellung und seinem Elan verdankten es die Provinzen, dass sie fast zwei Generationen lang in Frieden und Wohlstand leben durften. Hadrianus träumte den Traum von einer Gemeinschaft aller Bürger des Römischen Reichs – verbunden durch die römischen Gesetze, erlassen von einem wohlmeinenden, patriarchalisch herrschenden Kaiser – mit gleichen Chancen, aber auch gleichen Pflichten für alle, denen das Römische Reich Schutz gewährte. Wo gleiche Chancen herrschen, müssen einige auf ihre Privilegien verzichten. Kurz gesagt, die Senatoren hassten Hadrianus für seine weltoffene Politik. Und sie wollten es ihn büssen lassen, als der Kaiser im Juli 138 starb. Sie beantragten im Senat seine Damnatio Memoriae. Erst als Antoninus Pius, der von Hadrianus adoptierte Nachfolger, ihnen drohte, zurückzutreten und damit im Römischen Reich einen Bürgerkrieg auszulösen, gaben die Senatoren klein bei und erklärten Hadrianus zum Gott.



15. Ein rauschgiftsüchtiger Kaiser

Römische Kaiserzeit. Marcus Aurelius (161–180). As, 177. Kopf des Marcus Aurelius mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Schiff n. r. fahrend.

A

ls Hadrianus im Jahre 138 den Antoninus Pius als Nachfolger adoptierte, legte er auch fest, wer nach Antoninus Kaiser sein sollte. Die Wahl fiel auf Marcus Aurelius, den späteren Adoptivsohn des Antoninus, der damals gerade 17 Jahre alt war. Von beiden Nachfolgern stand fest, dass sie niemals freiwillig Krieg führen würden. Dies war die Absicht des Hadrianus: Er wollte dem Römischen Reich endlich Frieden schenken. Allerdings hatte der weitsichtige Mann übersehen, dass seinen beiden Nachfolgern Tatkraft und Energie abgingen. Antoninus Pius war Bürokrat, und er erzog auch seinen Adoptivsohn als Bürokraten. Noch bei seiner Thronbesteigung konnte sich Marcus Aurelius damit brüsten, dass er nie eine Nacht ausserhalb des väterlichen Hauses verbracht hatte. So ging dem Kaiser jegliche militärische Erfahrung ab, als er im Jahre 161 den Thron bestieg. Dafür beherrschte er die Redekunst perfekt und kannte die Lehren aller Philosophen. Aber das genügte nicht, um sein Reich zu verteidigen. Die Parther bedrohten nämlich die Grenzen. Statt selbst an die Front zu eilen, blieb Marcus Aurelius im sicheren Rom und schickte seinen schwer kranken Mitherrscher, Lucius Verus. Erst als dieser bei einem weiteren Feldzug gegen die Markomannen starb, war Marcus Aurelius gezwungen, selbst den Oberbefehl zu übernehmen. Er tat dies widerwillig. Viel lieber wäre er in seinem Palast in Rom geblieben, hätte über 48

ein mässiges Leben und die Tugenden philosophiert. Nun musste er an der Grenze seinen Dienst leisten. Er tröstete sich mit der Niederschrift seiner vor Selbstmitleid triefenden «Gedanken an mich selbst» und einem täglichen Schlaftrunk, in den sein Arzt jede Menge Opium mischte. Abgesehen vom Opiatmissbrauch tat er damit, was viele Bürger taten. Denn die Stoa hatte das Denken der Menschen erobert. Sie feierte das Sichbescheiden in eine Situation, das standhafte Ausharren in der Pflicht, ohne Lebensfreude, ohne Begeisterung. Einen Marcus Aurelius konnten die Menschen folglich verstehen. Sie alle hassten ja die Mühsal, die ihnen die Abwehr der andrängenden riesigen Völkerwanderungsstämme auferlegte. Auch die christlichen Kirchenväter hatten die stoischen Ideale übernommen und fanden bei Marcus Aurelius vieles, was ihrem Ideal der Weltentsagung entsprach. So wurde das kaiserliche Tagebuch, dem nicht einmal heutige Verehrer von Marcus Aurelius Originalität zu unterstellen wagen, überliefert. Die Renaissance übernahm das Urteil der Kirchenväter und machte aus dem Versager auf dem Kaiserthron das christliche Muster eines vorbildlichen Herrschers.



16. Der Brudermord des Caracalla

Römische Kaiserzeit. Caracalla (198–217). As, 215. Gepanzerte Büste des Caracalla mit Lorbeerkranz n. r., den Feldherrenmantel übergeworfen. Rs. Asklepios von Pergamon mit Schlangenstab frontal stehend, links Telesphoros (griech. der das Ende bringt), Begleiter des Asklepios, und Omphalos.

W

ir schreiben das Jahr 212. Gerade ist Septimius Severus gestorben und hat die Herrschaft seinen beiden Söhnen Caracalla und Geta hinterlassen. Caracalla, so ist es bestimmt, soll das Reich regieren, Geta ihm helfen. Doch Geta will sich nicht fügen. Er sammelt Verbündete, will seinen Bruder entthronen. Das Komplott platzt. Caracalla hält ein blutiges Strafgericht. 20 000 Verschwörer richtet er hin. Seinen Bruder bringt er selbst um, mit dem eigenen Schwert, im Schoss der gemeinsamen Mutter, in den sich der Aufrührer geflüchtet hat. Der grausame Brudermord belastete Caracalla sein Leben lang. Er hatte Alpträume und litt unter psychosomatischen Beschwerden. Einen kranken Kaiser aber, das konnte Rom zu Beginn des 3. Jahrhunderts nicht brauchen. Die Völkerwanderung war in vollem Gange. Im Osten versuchten die Parther wieder einmal, ein Stück vom Römischen Reich zu erobern. So waren Feldzüge die hauptsächliche Beschäftigung des geplagten Kaisers – Feldzüge und der Besuch bei den damaligen Spezialisten für seelische Verletzungen, der Besuch in den Heiligtümern der Heilgötter. Zwar war vor allem die Behandlung von Wunden und Zivilisationsbeschwerden in der römischen Zeit weit entwickelt, aber es gab immer noch unzählige Krankheiten, bei denen die Ärzte ihren Patienten keine wirksame Kur verschreiben konnten. Diese Kranken flüchteten sich in die heiligen Haine von 50

Aesculap bzw. Asklepios, von Apollon oder Amphiareios. Dort verkündeten ihnen die Priester, dass Krankheit daraus resultieren könne, dass der Mensch nicht im Einklang mit dem göttlichen Recht gelebt habe, dass die Götter die Krankheit geschickt hätten, um ihnen dies mitzuteilen, und dass es nun darum gehe, wieder die Eintracht mit Gott und der Welt herzustellen. Im Heilschlaf traten die Kranken in Verbindung mit den Überirdischen, und im Traum wurden ihnen Mittel und Wege zur Linderung gewiesen. Caracalla hatte seinen befreienden Traum in Pergamon. Wir wissen nicht, wie ihm die dortigen Priester halfen, seinen Frieden mit den Göttern zu machen. Jedenfalls blieb der Kaiser dem Gott Asklepios zeit seines Lebens dankbar. Abgesehen von grossen Spenden und Privilegien für Pergamon und sein Heiligtum, ehrte er den Gott, indem er ihn in einer grossen und ausgedehnten Münzemission im ganzen Reich bekannt machte, und zwar in genau der Art der Darstellung, in der er in Pergamon verehrt wurde: mit Telesphoros, dem kleinen Helfer des Asklepios, der das Ende der Krankheit – im Guten oder im Bösen – brachte, und mit Omphalos.



17. Wer soll was bezahlen?

Römische Kaiserzeit. Diocletianus (284–305). Follis (oder Nummus), Ticinum, 297. Kopf des Diocletianus mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Genius des römischen Volkes, in der rechten Hand Patera, aus der er ein Opfer für die Götter giesst, im linken Arm Füllhorn.

D

as Ende der (römischen) Welt scheint gekommen. An den Grenzen stehen kriegerische Stämme, die begehrlich auf den römischen Reichtum schielen. Im Land herrscht Inflation. Die kaiserliche Steuer frisst die Familienvermögen auf. Die Götter – so scheint es – haben Rom verlassen. Und da kommt auf einmal Diocletianus, ein Mann aus Dalmatien, ein simpler Soldat aus einfachsten Verhältnissen, und schafft etwas, was Generationen überdauern wird: Er legt den Grundstein für ein neues Rom. Als Erstes sichert der Kaiser die Grenzen. Kein leichtes Unterfangen, aber mit einer Armee von ca. 500 000 Soldaten möglich. Er holt sich Helfer – drei Unterkaiser, jeder verantwortlich für ein Viertel des Reiches – und verhindert damit den Kampf mit Usurpatoren, der bis dahin die römische Zentralmacht so viel Energie gekostet hat. Danach lässt der Kaiser ausrechnen, was sein Staat ihn kostet, sein Heer, die vier kaiserlichen Haushalte und die Verwaltung – dann stellt Diocletianus das erste Staatsbudget der Weltgeschichte auf. Er beziffert die Ausgaben und sorgt dafür, dass die Steuereinnahmen die Staatsausgaben decken. Das war nicht einfach. Nur durch eine gerechte Verteilung der Kosten konnte die Verteidigung der Grenzen finanziert werden. Die Steuer wurde mittlerweile nicht mehr ausschliesslich in Geld an den Staat abgeführt, sondern vor allem in Feldfrüchten. Die mussten transportiert, gelagert und verwaltet werden. 52

Diocletianus hätte es daher vorgezogen, sich mit Münzen einer stabilen Währung bezahlen zu lassen. So reformierte er die Währung: Er liess Goldmünzen prägen, die einen gleich bleibenden Feingehalt und ein festgelegtes Gewicht besassen, Silbermünzen, die tatsächlich aus Silber bestanden, und eine Scheidemünze, von der wir nicht wissen, wie sie eigentlich hiess, die wir aber Follis nennen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Das, was wir heute als Volkswirtschaft bezeichnen, lag damals noch in den Anfängen. Diocletianus übersah, dass der Geldumlauf sich mit dem Warenumlauf decken muss. Und im Römischen Reich gab es mehr Scheidemünzen als Ware. Die Folge war eine Inflation des Kleingeldes. Diocletianus wollte das verhindern und erliess ein neues Gesetz, das den Wert der Scheidemünzen verdoppelte. Gleichzeitig setzte er in einem Edikt die Höchstpreise für alle möglichen Waren und Dienstleistungen fest. Das konnte nicht funktionieren. Es blieb für das nächste knappe Jahrtausend beim Tauschhandel, und das Höchstpreisedikt wurde bei Diocletianus’ Rücktritt ohne grosses Aufhebens unter den Tisch fallen gelassen.



18. Ein Bild von einem Kaiser

Römische Kaiserzeit. Constantinus I. (307–337). Solidus, Trier, 314. Kopf des Constantinus mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Constantinus, rechts stehend, als Feldherr gekleidet, hält gemeinsam mit der links von ihm sitzenden Göttin Roma mit Helm, Schild und Speer den Weltenball in der Hand.

W

oher wissen wir eigentlich, wie ein Mensch vor 2000 Jahren war? Ob er gut war oder schlecht, fromm oder gottlos, sparsam oder verschwenderisch? Selbst heute tun wir uns schwer, das Wesen eines Zeitgenossen zu ergründen, und doch scheinen wir das Innenleben mancher römischer Kaiser besser zu kennen als die Gefühle unserer Mitmenschen. Constantinus, genannt der Grosse, ist so ein Fall. Wir glauben zu wissen, dass er fromm war, dass er sich als Werkzeug des einzigen, christlichen Gottes fühlte und dass er besessen war von dem Wunsch, den Christen den Weg an die Macht zu ebnen. Aber wissen wir das wirklich? Wir besitzen zur Person des Constantinus unzählige Zeugnisse von antiken Historikern. Doch diese Historiker waren Christen und die interpretierten die Geschichte ganz in ihrem Sinne: Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft würde das Reich Gottes kommen, und einen Menschen musste man danach beurteilen, inwieweit er dies gefördert oder verhindert hatte. Gut war, wer förderte, schlecht, wer hinderte. Wer gut war, war durch und durch gut, der Schlechte durch und durch schlecht. So schrieben die Geschichtsschreiber zum Beispiel die Gleichstellung des Christentums mit den anderen Religionen Constantinus zu. Sie erfanden zu diesem Zweck das Mailänder Toleranzedikt, das heute noch durch unsere Schulbücher geistert. Tatsächlich aber 54

hatte der Mitkaiser von Constantinus, Galerius, bereits 311 die Christenverfolgungen beendet und den Christen die Gleichstellung gewährt. Oder das Gerücht, Constantinus habe sich nach der gewonnenen Schlacht an der Milvischen Brücke zum Christentum bekannt, weil ihm davor in einem Traum ein christliches Kreuz erschienen sei. Erstens überliefern andere Geschichtsschreiber auch von Gegnern des Constantinus christliche Träume, ohne sie deswegen gleich zu Christen zu stempeln. Und zweitens: Wenn der Kaiser ein Christ war, dann wohl der merkwürdigste der ganzen Gemeinde. Er liess sich auf seinen Münzen nämlich auch noch nach dem denkwürdigen Traum mit seinem persönlichen Schutzgott, der unbesiegten Sonne, darstellen. Ja, wir kennen aus dieser Zeit sogar eine Inschrift, in der er einer Stadt erlaubte, ihn selbst als Gott zu verehren. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie vorsichtig wir sein müssen, wenn wir die Urteile von antiken und modernen Geschichtsschreibern übernehmen. Viele Autoren verfolgen eine eigene Absicht und interpretieren deshalb die Taten eines Menschen so, dass es in ihr eigenes Weltbild passt. Jede Epoche schreibt ihre Geschichte wieder neu.



19. Der Heilige der Heiden

Römische Kaiserzeit. Iulianus II., genannt Apostata (lat. der Abtrünnige), (360–363). Bronzemünze, Sirmium, 361. Gepanzerte Büste des Iulianus mit Perlendiadem und Feldherrenmantel n. r. Rs. Stier n. r. stehend, darüber zwei Sterne.

E

ine leichte Jugend hatte Iulianus nicht. Mit fünf Jahren entkam er dem Blutbad, das praktisch all seine Angehörigen auslöschte. Christliche Lehrer, vom Kaiser engagiert, unterrichteten den Heranwachsenden abgeschlossen von der Welt. Erst mit 19 gewann Iulianus ein wenig Freiraum. Er nutzte ihn, um bei den bekanntesten Philosophen seiner Zeit zu lernen. Wen wird es wundern, dass das Christentum für Iulianus zu einem Symbol der Gefangenschaft, die Philosophie zur Lehre der Freiheit wurde? Nur natürlich also, dass Iulianus versuchte, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, als er überraschend die Alleinherrschaft gewann. Nein, er verfolgte die Christen nicht, er beabsichtigte, eine wirkliche Gleichberechtigung der Religionen durchzusetzen. Dies aber erschien den Erfolg gewohnten christlichen Kirchenoberen schon als Verfolgung. Schliesslich bestand Iulianus darauf, dass der Besitz, den sie sich aus ihrer Position der Stärke heraus angeeignet hatten, wieder herausgegeben wurde. Dazu führte Iulianus eine staatliche Kontrolle für Lehrer ein mit der Begründung, derjenige, der nicht an die alten Götter glaube, wäre nicht geeignet, Altgläubige zu unterrichten. Auch wenn die Nachfolger des Iulianus, natürlich zutiefst überzeugte Christen, fast alle Beschlüsse ihres Vorgängers umstiessen – dieses Edikt blieb. Es wurde ein nützliches Werkzeug, mit dem die Machthaber auf die Bildung der nächsten Generationen Einfluss nehmen konnten. 56

Iulianus begnügte sich jedoch nicht damit, die Christen zurückzudrängen. Er wollte ihren Idealen ein moralisch erstarktes Heidentum entgegenstellen und gleich das Vorbild dafür liefern: Mässigkeit im Lebenswandel – das kaiserliche Zeremoniell wurde auf ein schäbiges Minimum begrenzt –, Enthaltsamkeit – aus Überzeugung zeugte Iulianus keine Kinder – und Grosszügigkeit gegenüber den Göttern – schon die Zeitgenossen spotteten über die Herden von Stieren, die auf den Altären des Iuppiter ihr Leben aushauchten. Kurz gesagt, Iulianus war ein Kaiser, den sein Volk nicht verstehen konnte. Die in Philosophie geschulten Intellektuellen freilich jubelten – bis zu dem Moment, in dem ein verirrter Pfeil dem Leben Iulianus’im Jahre 363 ein vorschnelles Ende bereitete. Sein Nachfolger beeilte sich, das Christentum wieder in seine alte Stellung einzusetzen. So endeten viele hochfliegende Hoffnungen. Den Verehrern des Iulianus blieb nur noch, jedes kleine bisschen Überlieferung zu sammeln und zu erhalten, sodass wir über keinen Kaiser der Antike besser informiert sind als über den «Abtrünnigen».



20. Eine antike Power-Frau

Römische Kaiserzeit. Galla Placidia (* um 390, † 450). Tremissis, Rom oder Ravenna, 425. Drapierte Büste der Galla Placidia mit Perlendiadem n. r. Rs. Kreuz in Kranz.

G

alla Placidia war Tochter eines Kaisers, Schwester von zwei Kaisern, Gemahlin und Mutter eines Kaisers – und darüber hinaus eine Frau, die nach einer turbulenten Jugend ihr Schicksal selbst in die Hand nahm. Ihr Vater, Theodosius I., hatte sein Reich zwischen seinen Söhnen Arcadius und Honorius aufgeteilt. Während Arcadius im Osten gut zurechtkam, wurde der Westen unter Honorius im Jahre 410 von einer Goteninvasion heimgesucht, die zahlreiche Opfer forderte. Prominentestes Opfer: Galla Placidia. Sie wurde entführt und gezwungen, im Jahre 414 den gotischen Anführer Athawulf zu heiraten. Schon ein Jahr später war Athawulf tot, ermordet. Sein Nachfolger wusste mit Galla Placidia nicht viel anzufangen. Er tauschte sie gegen 600 000 Scheffel Getreide, die ihm Constantius, der Heermeister des Westreichs, für sie anbot. Noch im gleichen Jahr musste Placidia auf Befehl ihres Bruders ihren Befreier heiraten, denn Honorius, selbst kein grosser Feldherr, wollte den mächtigen Militär enger an sich binden. Wenig später machte er den unentbehrlichen Feldherrn sogar zum Mitherrscher. Acht Monate konnte sich Constantius der neuen Würde freuen, dann starb er. 421 stand also die mittlerweile 32-jährige Galla Placidia wieder als Witwe da und musste damit rechnen, dass ihr Bruder sie an den nächsten wichtigen Militär verheiraten könnte. Doch diesmal meldete die energische Frau im Namen ihres Sohnes selbst Ansprüche auf die Herrschaft an. Es 58

kam zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und seiner Schwester. Galla Placidia musste mit ihren Kindern ins Ostreich fliehen. Das Exil dauerte allerdings nicht lange. Schon ein Jahr später starb Honorius, und Galla Placidia machte sich daran, die Herrschaft über den Westen für ihren Sohn Valentinianus zu erobern. Dies gelang. 425 wurde der Sechsjährige zum Augustus des Westens erhoben. Doch bis zu seinem 18. Lebensjahr übernahm seine Mutter die Regentschaft. Erst 437 zog sich Galla Placidia aus der Regierung zurück. Sie muss eine starke Frau gewesen sein, diese Galla Placidia, denn nicht einmal, als sie sah, dass ihr Sohn seiner Aufgabe nicht gewachsen war und andere immer mehr Einfluss auf ihn gewannen, versuchte sie, sich und ihren Rat dem Sohn aufzudrängen. Galla Placidia starb 13 Jahre nach ihrem Rückzug von der Macht am 27. November 450. Und das war gut so, denn so musste sie nicht mehr miterleben, dass ihr Sohn einem Rachemord zum Opfer fiel.



21. Wo ist Gott?

Byzantinische Zeit. Iustinianus II., 2. Regierung (705–711). Solidus, Konstantinopolis. Bildnis Christi mit Nimbus, die rechte Hand im Segensgestus erhoben, in der linken Hand das Evangelium. Rs. Büste des Iustinianus von vorne, auf dem Kopf Krone, in der rechten Hand Kreuz auf drei Stufen, in der linken Hand Weltkugel, darauf «PAX» (lat. Friede).

I

ustinianus II. bestieg im Jahre 685 den Thron des Byzantinischen Reiches – und sah sich als 16Jähriger schier unlösbaren Problemen gegenüber: im Osten die Araber, im Norden die Bulgaren, zuhause die Intrigen seiner Beamten. Wie sollte der machtlose Kaiser sich da grössere Autorität verschaffen? Er berief sich auf eine höhere Instanz und feierte sich als den Mann, der von Gott zur Herrschaft auserwählt worden war. Iustinianus fand ein ideales Symbol dafür: Er bildete – als Erster – Gottes Sohn auf Erden, den Christus, auf seinen Münzen ab. Er bediente sich dafür einer Ikone, die alle Bewohner von Konstantinopolis kannten: den segnenden Christus vom grossen Stadttor. Doch mit göttlicher Hilfe allein war es nicht getan. Im Jahre 695 rebellierte der Oberbefehlshaber von Griechenland, Leontius. Er hatte Erfolg und schickte Iustinianus mit aufgeschlitzter Nase und Zunge ins Exil. Aber auch Leontius blieb der Erfolg versagt und ein anderer Kaiser ergriff die Macht. Iustinianus war inzwischen die Flucht aus seinem Exil gelungen. Er verbündete sich mit den früheren Feinden, den Bulgaren, und gewann mit ihrer Hilfe ein zweites Mal die Herrschaft, doch nur für sechs Jahre. 711 wurde der Kaiser erneut abgesetzt und zusammen mit seinem Sohn umgebracht. Mit Iustinianus war auch sein Münzbild in Ungnade gefallen. Das Christusbild verschwand von den Münzen. Einige sahen in der Darstellung des Gött60

lichen sogar einen Frevel. Der Kampf gegen die Araber forderte eine Auseinandersetzung mit deren Lehren, und so bekam die Forderung «Du sollst dir kein Gottesbild machen» (Ex. 20, 4) wieder Gewicht. Die Missachtung dieses Gebots wurde von vielen als Grund angesehen, warum Gott sein Reich nicht mehr schützte. Als auch noch ein Vulkan auf Kreta ausbrach, nahm Kaiser Leo III. dies zum Anlass, um seine eigenen Überzeugungen in politische Aktion umzusetzen: Die Christusikone am Stadttor,Vorbild für die Münzen des Iustinianus, wurde durch ein Kreuz ersetzt. Damit löste Leo den so genannten Bilderstreit aus, der jahrhundertelang im Osten toben sollte. Er drehte sich um Fragen wie: Weist das Abbild des Heiligen über sich selbst hinaus? Oder: Ist es ein Verbrechen, das Heilige in ein Bild zu zwingen? Erst Mitte des 9. Jahrhunderts endete der Streit. Die Ikone trat ihren Siegeszug in der orthodoxen Kirche an, und das Christusbild kehrte auf die byzantinischen Münzen zurück.



Das Abbild der göttlichen Ordnung

D

ie Völkerwanderung brachte für die Bewohner des Römischen Reiches scheinbar das Ende der Welt. Nirgendwo war mehr Sicherheit, selbst die Stadt Rom wurde erobert, der römische Kaiser auf ein kleines Landgut in Rente geschickt. Mit dem Kaiser ging im Westen gleichzeitig die Macht unter, die bisher den Wert der Münzen mit ihrem Bildnis garantiert hatte. Neue Autoritäten traten an die Stelle der alten. Und die Anführer der verschiedenen, an der Völkerwanderung beteiligten Stämme mussten auf einmal die Aufgaben eines Münzherrn übernehmen. Sie taten dies, aber nicht in der gleichen Art und Weise wie die römischen oder die byzantinischen Kaiser. Sie beschäftigten sich zum Beispiel nicht mit dem Kleingeld. Der Bedarf an Scheidemünzen war durch das Zunehmen des Tauschhandels und der Fähigkeit der kleinen und grossen Bauerngehöfte zur Selbstversorgung sowieso zurückgegangen. Kleingeld – also die Münze, mit der man sich ein Glas Wein, ein Mittagessen kaufen konnte – das sollte es im Westen für die nächsten knapp 1000 Jahre nicht mehr geben. Was aber weiter gebraucht wurde, das war die Goldmünze, die der Reiche, der Mächtige in seinen Schatz legen konnte, um damit irgendwann ein wertvolles Gut anzuschaffen oder seine treuen Anhänger zu belohnen. Goldmünzen mussten die Machthaber also schon aus eigenem Interesse weiterprägen, wenn die Versorgung mit ihnen anderweitig nicht zu gewährleisten war. Allerdings setzten sie nicht ihr eigenes Bild als Wertgarantie auf diese Münzen. Sie imitierten lieber die Motive der bekannten und gerne in Zahlung genommenen Goldmünzen des Byzantinischen Reiches. Kann man aber diese Münzen überhaupt noch eine Imitation nennen? Künstlerisch gesehen, sind die abstrakten Meisterwerke der Stempelschneider des Frühmittelalters etwas ganz anderes als ihre Vorbilder. Mit wenigen charakterisierenden Linien geben sie das Wesentliche, nicht mehr das Individuelle des Menschen wieder. Auf der hier dargestellten Münze wird zum Beispiel der Körper des Kaisers zu einer trapezförmigen Punktlinie, in die ein grosses Kreuz als Zeichen für die Gnade Gottes einbeschrieben ist, die den Kaiser geleitet und schützt. Das Perlendiadem ist auf zwei Striche reduziert und die Tatsache, dass es sich bei diesem Menschenbild um den Kaiser Iustinianus handeln soll, verrät dem Betrachter nur noch die Umschrift.

Zeit der Völkerwanderung. Chlodwig I., König der Merowinger (481–511). Imitation des Münzbildes des byzantinischen Kaisers Anastasius (491–518). Solidus. Gepanzerte Büste des Anastasius mit Helm, Schild und Speer von vorne, um den Kopf das Perlendiadem. Rs. Victoria Augusta in der rechten Hand ein Kreuz haltend, im Feld rechts Stern.

Zeit der Völkerwanderung. Visigoten, Stamm auf der spanischen Halbinsel. Imitation des Münzbildes des byzantinischen Kaisers Iustinianus I. (527–565). Tremissis. Büste des Iustinianus n. r., auf der Brust grosses Kreuz. Rs. Geflügelte Victoria mit Kranz und einem weiteren Gegenstand (Palme? Keule?) n. r. eilend.

63


Hier fassen wir also einen anderen Kunstbegriff als den der römischen Antike. Nicht mehr die Realität will der Künstler abbilden, sondern das, was sich hinter ihr verbirgt. Nicht mehr der Kaiser Iustinianus als Person soll den Wert der Münze garantieren, sondern der Kaiser schlechthin in seiner Funktion. Das Individuum tritt zurück hinter seine Aufgabe, seine Rolle, seinen Stand. Dies war eine zentrale Vorstellung des Früh- und Hochmittelalters. Der einzelne Mensch ist nichts, erst im Zusammenhang mit seinem Amt und seiner Funktion, seinen Vorgängern und seinen Nachfolgern, seinem Geschlecht und seiner sozialen Gruppe erhält das Individuum Sinn. Deshalb sehen alle Könige, alle Bischöfe, alle Herzöge und alle Äbte auf ihren Münzen so gleich aus. Das individuelle Gesicht war nebensächlich im Vergleich zu dem, was man von einem Vertreter eines bestimmten Standes erwartete. Ein König war mächtig, ein König war stark, ein König trug seine Krone mit Anmut und galt als die Zierde aller Männer in der Blüte der Jahre. So ist es auf den Münzen des 11. Jahrhunderts gleichgültig, welcher König dargestellt ist, ob Heinrich oder Konrad, ob jung oder alt. Im Münzbild – wie in jedem anderen Kunstwerk – werden alle Herrscher mit den Eigenschaften und Attributen geschildert, die man von seinem König erwartete. «Hier auf Erden beten die einen, andere kämpfen und noch andere arbeiten», so schrieb Adalbero von Reims gegen Ende des 10. Jahrhunderts. Und: «Seit Anbeginn der Welt war das Menschengeschlecht in drei geteilt, die Männer des Gebets, die Bauern und die Krieger», lesen wir bei Gerhard von Cambrai knapp 30 Jahre später. Mitte des 11. Jahrhunderts hatte sich diese Lehre von den drei Ständen in ganz Europa verbreitet, war Allgemeingut. Sie ordnete den Einzelnen ein in eine göttliche Ordnung, in der jeder Mensch seinen Platz hatte, den er so gut wie möglich ausfüllen musste. Sie mag tröstlich gewesen sein, diese göttliche Ordnung, denn sie gab dem Individuum Stütze und Halt in dem Gedanken, dass sein Schicksal nicht von irgendwelchen Zufällen abhing, sondern von einem wohl durchdachten Plan Gottes, der jedem nur so viel Elend schickte, wie der ertragen mochte. Tatsächlich war der Mensch natürlich nicht nur einem der drei Stände zugeordnet; viele soziale Gruppen, die das Individuum hielten und in die Gemeinschaft einbanden, machten die hochmit64

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Heinrich II., genannt der Heilige, König (1002–1024), Kaiser (ab 1014). Pfennig. Drapierte Büste des bärtigen Königs mit seiner Krone n. r., dahinter Kreuz. Rs. Kreuz, darum Schrift.

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Konrad II., König (1024–1039), Kaiser (ab 1027). Pfennig. Gepanzerte und drapierte Büste des bärtigen Königs n. r. Rs. Kreuz, darum Schrift.


telalterliche Gesellschaft aus. Da war zunächst die Familie, in der jeder Einzelne seinen Platz einnahm. Der gute Ruf, den sich die Vorfahren erarbeitet hatten, half dem Lebenden, sich seinen Platz in der Welt zu erobern. Er verpflichtete ihn aber auch, diesen guten Ruf zu erhalten und zu vergrössern, denn auf ihm lag die Zukunft des gesamten Geschlechts. Die nächste Generation würde es ihm, dem toten Ahnen, danken, dass auch er den Ruhm des Geschlechts gemehrt hatte. Die praktizierte Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten – für uns heute fast unvorstellbar – wird deutlich auf dem abgebildeten Pfennig, den der Fürsterzbischof von Mainz, Heinrich I. von Harburg, in der Münzstätte Erfurt prägen liess. Auf den ersten Blick scheint es, als sähen wir den Bischof mit seinen Insignien, der Mitra und dem Bischofsstab, gleich zweimal: einmal über, einmal unterhalb des trennenden Bogenfeldes; doch wer die Münzprägung von Mainz kennt, weiss, dass in dieser Stadt die Vorderseite der Münze für den Stadtheiligen, den heiligen Martin von Tours, reserviert blieb. Die Bewohner von Mainz empfanden sich als eine Solidargemeinschaft, die unter dem Schutz dieses Heiligen stand. So stellte sich der Bischof hier zum einen in die Gemeinschaft all derer, die sich dem Stadtheiligen verpflichtet sahen. Er nahm den Heiligen aber noch viel direkter in Anspruch, sozusagen von Kirchenmann zu Kirchenmann: Der lebende Bischof beanspruchte die Unterstützung des toten, heiligen und damit mächtigen Standesgenossen, weil auch die Gemeinschaft des Standes verband und den mittelalterlichen Menschen zur gegenseitigen Hilfe verpflichtete.

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Fürsterzbistum Mainz. Heinrich I. von Harburg, Fürsterzbischof (1142–1153). Pfennig, Münzstätte Erfurt. Der heilige Martin von Tours in seinem Amt als Bischof mit Mitra, langem Kreuz und Bischofsstab, unter ihm durch eine Bogengalerie getrennt der Bischof von Mainz mit Mitra, die Hände flehend zum Heiligen erhoben.

An der Spitze derjenigen, deren Aufgabe es nach dem Willen der kirchlichen Theoretiker war, Gottes Reich zu schützen, stand der Kaiser. Auf ihn lief die Lehnspyramide zu, die alle umfasste, die ein Land im Auftrag eines anderen beherrschten und ihm deshalb Gefolgschaft schuldeten. Der König selbst verlieh die grössten und bedeutendsten Ländereien im Reich an seine treuen Anhänger. Sie verpflichteten sich, das ihnen gegebene Lehen zu schützen. Zu diesem Zweck traten sie an die Stelle des Kaisers und vergaben selbst Lehen an ihre Gefolgsleute, die ihnen im Gegenzug dafür versprachen, sie gewappnet im Krieg zu unterstützen. Jeder Lehnsnehmer musste sein Heer aufbieten, wenn es der Lehnsgeber befahl. So konnte der Kaiser – zumindest theoretisch – damit 65


rechnen, dass alle Lehnsnehmer seiner eigenen Lehnsnehmer zusammenkommen würden, um die Anliegen des Reiches im Kampf zu verteidigen, wenn er seine Getreuen im Heerbann zusammenrief. Und genau in dieser Rolle als Anführer des kaiserlichen Heerbanns ist Friedrich II. auf unserer Prägung dargestellt: auf dem Kopf die Krone, die ihn als deutschen König kennzeichnet, in der rechten Hand das Banner, unter dem er seine Mannen versammelt, am linken Arm den Schild mit dem Adler des Staufers. Dass die Praxis von der Theorie stark abwich und sich immer wieder Reichsfürsten, also eigentlich Lehnsmänner des Kaisers, ihre Hilfe durch grosszügige Privilegien entlohnen liessen, fand keinen Eingang in die am Ideal ausgerichtete Münzprägung der Zeit. Direkt unter dem Kaiser standen die bedeutenden Lehnsmänner, die Herzöge und die Grafen. Einer von ihnen war Albrecht, der sich den Ehrennamen «der Bär» erworben hatte, und den wir auf dieser Münze sehen. Albrecht war im Jahre 1134 von König Lothar mit der schlesischen Nordmark belehnt worden, und so liess er sich in seiner Funktion als Markgraf darstellen: Er trägt die Rüstung des stets zum Streit gepanzerten Kämpfers, der keine Minute aufhört, seine Kraft für das Reich und Gott einzusetzen. In der rechten Hand hält er das Schwert, Zeichen der Gewalt des Richters, die er in seinen Landen auszuüben berechtigt ist. In der linken Hand sehen wir das Banner, unter dem sich seine Ritter genauso zusammenfanden wie die Herzöge und Grafen des Heiligen Römischen Reiches unter dem Banner des Kaisers. Umgeben ist Albrecht von den Türmen einer Burg, wo er als Lehnsherr residiert und die Grenze des Reiches vor Überfällen schützt. Wer allerdings auf den drei eben gezeigten Münzen Heinrich von Harburg, Friedrich II. oder Albrecht als Individuum suchte, der würde nicht fündig. Er sieht nur den Fürsterzbischof, den Kaiser und den Markgraf. Der Mensch steht auf mittelalterlichen Prägungen völlig im Hintergrund zugunsten des Amtes, das er ausübt. Aber wo, so möchte man fragen, wo blieb der so genannte dritte Stand auf den mittelalterlichen Münzen? Kurz gesagt, er spielte keine Rolle; und dies so lange, bis eine verschwindend kleine, neue Gruppe dieses Standes begann, auf die Politik und die Wirtschaft des Reiches Einfluss zu gewinnen. 66

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Friedrich II., König von Deutschland (1212–1250), Kaiser (ab 1220). Pfennig, Münzstätte Mühlhausen. Der König als Ritter mit Wappenschild und Banner auf einem gepanzerten Pferd n. l. reitend.

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Anhaltische Grafschaften. Markgraf Albrecht der Bär (1122–1170). Pfennig. Markgraf mit Helm, Rüstung und Mantel, in der rechten Hand das Schwert, in der linken Hand die Lehnsfahne; er sitzt in einer Burg.


Nachdem nämlich gegen Ende des 10. Jahrhunderts die Grenzen des deutschen Reiches wenigstens einigermassen wieder den Schutz boten, den man sich von Grenzen erhofft, fing in der neuen Sicherheit der Handelswege die Wirtschaft zu blühen an. Die Kreuzzüge brachten wenig später das Bedürfnis nach den im Orient kennen gelernten Luxusgütern und bildeten damit die Grundlage für den Fernhandel des 12. und 13. Jahrhunderts, der einer neuen Schicht sagenhaften Reichtum bescherte: den Kaufleuten. Diese reichen und deshalb mächtigen Unternehmer sassen in Städten, wo sich bald das gesamte Wirtschaftsleben konzentrierte. Sie bildeten eine neue Gruppe selbstbewusster Bürger, die sich den Rittern und Adligen des Römischen Reiches gleichrangig fühlten. Besonders Italien, das seit Generationen nicht eigentlich eingesehen hatte, warum es einem Kaiser unterstellt sein sollte, war führend in der städtischen Organisation der neuen bürgerlichrepublikanischen Stadtstaaten. Und diese selbstbewussten Bürgerschaften brauchten neue Symbole für ihre Münzen. In den meisten Fällen wählten die Verantwortlichen den Stadtheiligen, mit dem sich alle Bürger gleichermassen identifizieren konnten; im Falle von Florenz, das etwa gleichzeitig mit Genua im Jahre 1252 die erste ausgedehnte Goldprägung der europäischen Neuzeit einführte, war das der heilige Johannes. Oder man wählte ein «redendes» Wappen: die Linde für Lindau oder die Blume (ital. fiore) für Florenz (ital. Fiorentina). Aber mit diesem neuen Selbstverständnis der Kaufleute, das sich in den spätmittelalterlichen Städten entwickelte, sind wir eigentlich schon in einer ganz neuen Zeit angelangt, in der der Mensch seine Standesgrenzen abzustreifen begann und sich wieder als Individuum fühlte.

Ungarn. Ludwig I. (1342–1382). Goldgulden, der den von Florenz eingeführten Fiorino d’oro imitiert. Lilie. Rs. Heiliger Johannes im härenen Gewand mit Nimbus, in der linken Hand Kreuzstab, die rechte Hand segnend erhoben.

67


22. Das Kind aus Apulien

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Friedrich II. von Hohenstaufen, König von Sizilien (1197–1250), Kaiser (ab 1220). Pfennig, königliche Münzstätte Ulm. Königsbüste mit Krone und Szepter von vorne, links davon Blütenzweig, rechts Turm.

W

ir schreiben das Jahr 1212. Die Stadt Konstanz erwartet ihren Kaiser. Otto IV., der gebannte Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, lagert mit seinen Begleitern in Überlingen, um sich auf seinen feierlichen Einzug in der Stadt vorzubereiten. Aber was ist das? Da zieht eine bewaffnete Schar heran und begehrt Einlass. «Wer seid Ihr?», so mögen die Wächter gefragt haben. «Der Kaiser mit seinem Gefolge!», so mögen die Angekommenen geantwortet haben. Die Wächter öffnen die Tore und der junge Friedrich II., vor wenigen Wochen zum Gegenkaiser gewählt, zieht in Konstanz ein. Otto IV., der drei Stunden später vor der Stadt erscheint, hat das Nachsehen. Er muss hungrig abziehen, während Friedrich und seine Begleiter sich das Festmahl schmecken lassen, das die Bürger von Konstanz für ihren Kaiser bereitet haben. Natürlich war das Heilige Römische Reich damit für Friedrich noch nicht gewonnen, aber dem Kind aus Apulien, wie seine Gegner den damals kaum 18-Jährigen nannten, war das Glück treu. Das konnte er auch brauchen, denn mit den 300 Rittern, die ihn begleiteten auf seinem Zug ins deutsche Reich, war er nicht in der Lage, Otto militärisch zu besiegen. Friedrich griff deshalb zu anderen Mitteln: zu Diplomatie, Überredung und Verführung. Er packte die Herzöge und Grafen, die Städte und Kirchenfürsten dort, wo sie am leichtesten zu beeindrucken waren: am Geldbeutel. Friedrich verschenkte immense Mengen von Silber. 68

Als er am 5. Dezember 1212 zum römisch deutschen Kaiser gewählt wurde, verteilte er unter seine Anhänger die unglaubliche Summe von 20 000 Silbermark. Und bald standen alle Stände des Reiches einmütig hinter ihrem neuen Kaiser. Die äusseren Feinde, die sich Otto gemacht hatte, erledigten den Rest. In der Schlacht von Bouvines besiegte Philippe Auguste, der französische König, den Gegner Friedrichs. Zum Zeichen, dass damit auch Friedrich gesiegt hatte, liess Philippe Auguste seinem Verbündeten die zerfetzte kaiserliche Standarte Ottos überreichen. Im Juli 1215 konnte sich Friedrich in Aachen zum deutschen König krönen lassen. Otto musste als Pilger verkleidet aus dem benachbarten Köln vor ihm fliehen. Drei Jahre später, am 19. Mai 1218, starb der geschlagene Kaiser auf seinen Besitzungen in Braunschweig. Er soll sich auf seinem Totenbett von Priestern geisseln lassen haben, um die Vergebung Gottes zu erwirken. Mit dem jämmerlichen Tod des einst grossen Otto war der Weg für das Kind von Apulien frei. Es konnte zum Stupor Mundi, zum Staunen der Welt werden (siehe auch Münztext 28).



23. Der Beginn der Rosenkriege oder der untätige König

Heinrich VI., König von England (1422–1461 und 1470/71). Groat (4 Pence), Calais. Kopf des Königs mit Krone von vorne, alles umgeben von Vielpass und Umschriftkreis. Rs. Kreuz über zwei Umschriftkreisen.

A

ls Heinrich V. aus dem Hause Lancaster im Jahre 1422 starb, hinterliess er ein fast erobertes Frankreich und einen Sohn, der gerade ein Jahr alt war. Der kleine Heinrich VI. wurde zum König von England gekrönt, die Herrschaft allerdings befand sich in den Händen mächtiger Magnaten – und dies weit über sein Kindesalter hinaus. Die Macht zu besitzen, das war ein verführerisches Ziel, das alle Grossen Englands mit Hingabe anstrebten. Man schreckte dabei vor keiner Gewalttat zurück. Der König tat nichts dagegen. Er beobachtete hilflos, wie die Parteien gegeneinander kämpften, wie sein Kanzler ermordet, dessen Gemahlin als Hexe verbrannt, der Bischof von Chichester gelyncht wurde. Er reagierte nicht einmal, als Richard von York eigene Ansprüche auf einen Thron anmeldete, den ein unfähiger Herrscher besetzte. Dieser Richard war tatsächlich ein klein wenig näher mit den inzwischen ausgestorbenen Plantagenets verwandt, als es Heinrich VI. war. Und er konnte die Unzufriedenheit im Lande nutzen. Unter Richards Kommando besiegten die Unzufriedenen in der Schlacht von St. Albans diejenigen, die als Hofpartei dem König die Politik vorschrieben. York konnte den König sogar gefangen nehmen, der das Kampfgeschehen als unbeteiligter Zuschauer beobachtet hatte. Fünf Jahre lang schleppte York Heinrich als Pfand herum, ehe er auf dessen Thron Anspruch erhob. 70

Begeistert waren die Lords und Commons nicht von dieser Forderung. Schliesslich konnte man sich aber darauf einigen, nicht den König abzusetzen, sondern dessen Sohn zu enterben und Richard als Nachfolger auszurufen. Damit rief Richard einen entschlosseneren Feind auf den Plan, als es Heinrich gewesen war. Denn die Königin verteidigte die Rechte ihres Sohnes mit aller Energie. Es gelang ihr, die Aufständischen zu schlagen und den König zu befreien, nachdem Richard von York 1460 in einem Scharmützel gefallen war. Doch nur ein Jahr konnte sie sich des Erfolges freuen. Dann vernichtete der Sohn Richards, inzwischen selbst zum König ausgerufen, das Heer der Königin. Die königliche Familie musste fliehen. Heinrich hielt sich fünf Jahre lang in einer unwirtlichen Gegend Schottlands versteckt, ehe man ihn 1465 ergriff und im Tower einkerkerte. Noch einmal befreiten seine Anhänger den untätigen König, noch einmal wurden die für Heinrich kämpfenden Truppen geschlagen, noch einmal der König gefangen und endlich, im Mai 1471, hingerichtet. So hatte König Heinrich VI. durch seine Untätigkeit die Rosenkriege ausgelöst und damit mehr Bürgern das Leben gekostet als viele Tyrannen vor und nach ihm.



24. Eine Frau als Herrin von Zürich

Zürich. Abtei Fraumünster. Pfennig, Anfang des 14. Jahrhunderts. Umschrift «ZVRICH», Kopf der Äbtissin von Fraumünster mit Haube von vorne.

L

udwig der Deutsche richtete 853 in Zürich eine neue klösterliche Gemeinschaft von Frauen ein, der seine Tochter Hildegard vorstehen sollte. Die Gründung von Konventen zur Versorgung unverheirateter Frauen der Herrscherfamilien war ein beliebtes Mittel der Zeit, um den königlichen Jungfrauen ein standesgemässes Leben zu ermöglichen und gleichzeitig mittels eines Familienmitgliedes die direkte Herrschaft über strategisch bedeutende Gebiete auszuüben. Natürlich ritt Hildegard nicht selbst über ihre Ländereien, natürlich führte sie ihren Heerbann nicht in eigener Person. Dafür hatte sie ihre Ministerialen. Aber die waren nur der hohen Frau verantwortlich. So beherrschten Hildegard und nach ihr viele Äbtissinnen ein Gebiet, das zu den bedeutendsten des Reiches gehörte. So war die Äbtissin von Fraumünster eine Macht, mit der man rechnen musste. Ihre Treue war wichtig für den deutschen Kaiser, der das Recht besass, sie in ihr Amt einzusetzen. Heinrich III. zum Beispiel, gleichzeitig Herzog von Schwaben und als solcher häufig in Zürich, sah in der Äbtissin von Fraumünster eine wertvolle Verbündete, die er zur Stadtherrin von Zürich machte, indem er ihr das Zoll-, Markt- und Münzrecht verlieh. Doch schon unter seinem Sohn Heinrich IV. geriet das kaiserliche Recht der Investitur in die Diskussion, und gegen Ende des 12. Jahrhunderts hatte der Konvent die Wahl der Äbtissin an sich gerissen. Damit 72

wurde es noch wichtiger für den Kaiser, sich durch die Verleihung von Privilegien eine treue Verbündete in der mächtigen Frau zu schaffen. Friedrich II. zum Beispiel, der auf seinem Zug von Italien nach Deutschland den Weg über Zürich benutzte und bei dieser Gelegenheit vielleicht in der Stadt selbst weilte, erkaufte sich die Unterstützung der Abtei durch die Verleihung der Reichsunmittelbarkeit: Das bedeutete, dass seit dem Jahr 1218 nur noch der Kaiser selbst der Äbtissin Befehle erteilen durfte. So war die Äbtissin nun eine der Grossen des Reiches, stolz auf ihre Stellung, und genau so – als Äbtissin des Fraumünsters – liess sie sich seit Beginn des 14. Jahrhunderts auf ihren Münzen darstellen. Welche der Äbtissinnen es allerdings war, die die abgebildete Münze prägen liess, werden wir nie wissen. Wieder tritt die Person hinter ihren Stand zurück. Wichtig ist nicht der Mensch, sondern das Amt und die Macht, die er ausübt. Wobei übrigens diese Art der Selbstdarstellung der Äbtissin genau in der Zeit zum ersten Mal auftauchte, als die reale Macht der Klosterfrau bereits wieder im Sinken begriffen war.



25. Der Heilige von Halberstadt

Bistum Halberstadt. Gero von Schermbke, Bischof (1160–1177). Pfennig. Kopf des heiligen Stephanus von vorne, links von ihm die drei Steine seines Martyriums, rechts achtstrahliger Stern.

L

udwig der Fromme gründete im Jahre 814 das Bistum Halberstadt, um von dort aus die Mission der Sachsen voranzutreiben. Man unterstand dem Erzbistum Mainz, hatte sich in seiner Lage mehr oder weniger eingerichtet, bis, ja bis Otto der Grosse auf einmal beschloss, im nahen Magdeburg ein eigenes Erzbistum zu gründen. Dies bedeutete sowohl für Mainz als auch für Halberstadt einen erheblichen Verlust an Macht und Einkommen. Natürlich wehrten sich die Bistümer. Der Erzbischof von Mainz drohte, er werde sein Amt niederlegen und sich als Missionar von den Heiden umbringen lassen, sollte der Papst einer so ungeheuren Rechtsverletzung zustimmen. Der greise Bischof von Halberstadt bannte den Kaiser und erntete damit hauptsächlich Gelächter. Genützt hat letztendlich alles nichts. 967 verkündete der Papst die Einrichtung der neuen Erzdiözese Magdeburg mit den neuen Bistümern Merseburg, Zeitz und Meissen. Der Bischof von Halberstadt verlor damit einen grossen Teil seiner Gebiete, die dazu dienten, den Unterhalt der neuen Bistümer angemessen zu gewährleisten. Doch schon im Jahre 973 verstarb Otto. Seinem Sohn, Otto II., blieb nichts anderes übrig als einzusehen, dass das verfügbare Land gar nicht in der Lage war, so viele prächtige Bischofssitze zu ernähren und auszustatten. Der Kaiser musste zumindest ein Bistum auflösen. Und sofort begann der Kampf der Bischöfe um das Überleben ihres Bistums. 74

Ein wesentliches Argument für die Bedeutung einer Kirche war in den Augen eines mittelalterlichen Menschen der Schatz an Reliquien, über den sie verfügte. Deshalb hatte Otto I. den Leichnam des heiligen Mauritius nach Magdeburg geholt. Er hatte damit vollendete Tatsachen geschaffen, denn eine Stadt, in der ein so bedeutender Heiliger ruhte, musste zu einem kirchlichen Zentrum werden. Auch der Bischof von Halberstadt versuchte, die eigene Bedeutung durch die Erwerbung einer Reliquie zu erhöhen. Der Bischof von Metz, so hörte man, benötigte Geld. Und Metz besass angesehene Reliquien des heiligen Stephanus. Halberstadt wiederum verfügte über Geld, und so erwarb der dortige Bischof in Metz wichtige Reliquien. Der Plan ging auf. Als Otto 981 entschied, welches Bistum aufgelöst werden sollte, fiel die Wahl auf Merseburg. Den Bürgern schien es in der Folge, als habe der heilige Stephanus Halberstadt gerettet. Und als es daran ging, für die Münzen, die man seit dem Jahr 989 prägen durfte, ein Bild zu finden, da war es keine Frage, dass die Wahl mit nur wenigen Ausnahmen auf diesen Heiligen fiel.



26.Viva il popolo

Florenz, Republik (1189–1532). Fiorino d’argento, vor 1260. Büste des heiligen Johannes des Täufers. Rs. Lilie.

Z

wei Parteien kennt das mittelalterliche Italien: Guelfen und Ghibellinen, die dem Papst und die dem Kaiser Getreuen. Hinter diesen Schlagwörtern verstecken sich lokale Gruppierungen, die im Namen Fremder für ihre eigenen Ziele kämpften. In Florenz zum Beispiel fühlte sich die nicht an der Regierung beteiligte Schicht der reichen Kaufleute und Gewerbetreibenden eher dem Papst verbunden, während die Adeligen den Kaiser unterstützten. Als der Papst im Jahre 1245 Kaiser Friedrich II. (siehe auch Münztexte 22 und 27) für abgesetzt erklärte, kam es in der Stadt zu Strassenschlachten. Die Miliz unter dem Kommando des adeligen Kommandanten kämpfte gegen den «popolo», nicht das einfache Volk, wie man meinen könnte, sondern die durchaus wohlhabenden Nicht-Adligen und ihre Anhänger. Die kaiserlich Gesinnten siegten, und zwei Jahre lang beherrschte ein unehelicher Sohn Friedrichs II. die Stadt als Vikar seines Vaters. Doch im Verlauf dieser beiden Jahre änderte sich die politische Situation: Friedrich und seine Anhänger verloren an Boden. Und nach einer Niederlage der Kaiserlichen vor den Toren der Stadt gelang es den in der Stadt verbliebenen Bürgern, mit dem Ruf «Viva il popolo» eine Republik einzurichten. Am 20. Oktober 1250 gab sich Florenz eine Verfassung. Sie sah eine doppelte Führungsspitze vor, den Capitano und den Podestà. Der eine gab die Befehle, der andere führte sie aus. Die Vereidigung 76

dieser beiden hohen Beamten fand im Beisein des ganzen Volkes im Baptisterium von Florenz statt. Das Baptisterium war Johannes dem Täufer gewidmet, dem Urbild des Kämpfers gegen Tyrannen. Schliesslich hatte Johannes Herodes den Grossen und dessen Frau unerschrocken angeklagt, bis Salome durch ihren Tanz seine Enthauptung bewirkte. So war es ein deutliches Zeichen, als die Bürgerschaft in den Jahren zwischen 1250 und 1252 diesen Heiligen wählte, um sie auf ihren neuen Münzen zu vertreten. Ziel der neuen Regierung war es nämlich, der führenden Kaufmannsschicht alle Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten. Und dafür war ein stabiles Münzsystem wichtig, zu dem seit 1252 Goldmünzen gehörten. Damit usurpierte Florenz als erste Stadt das kaiserliche Recht, Goldmünzen herauszugeben. Doch schon bald war es mit der «Volksherrschaft» wieder vorbei. 1260 erlitt der Popolo eine vernichtende Niederlage. Die Ghibellinen kehrten zurück. Aber auch das war nicht endgültig. Es kostete allerdings noch viel Leid, viel Blut, bis in Florenz eine stabile Republik installiert sein sollte.



Der Fürst und sein Gesicht

W

ie, das blieb die entscheidende Frage für viele Menschen des 14. Jahrhunderts, wie kann jeder Einzelne seinen Weg zu Gott finden? Die Theologen des Hochmittelalters hatten darauf bestanden, dass die Erkenntnis des Höchsten nur über den Verstand zu erreichen sei. Thomas von Aquin versuchte sogar, die Existenz Gottes unwiderlegbar zu beweisen. Doch diese veralteten Vorstellungen der Scholastik lehnten die Theologen des 14. Jahrhunderts ab. Wilhelm von Ockham zum Beispiel lehrte, dass der Weg zu Gott nicht über den Verstand, sondern über die Liebe führe. Damit öffnete er für all die Schwachen, Ungelehrten, für das niedere Volk, ja auch für die Frauen, einen direkten Zugang zu Gott, der nicht mehr des Umwegs über den Priester bedurfte. Dies alles ist für unser Thema deshalb von Bedeutung, weil Wilhelm von Ockham und all seine gelehrten Nachfolger mit der Abkehr von der wissenschaftlichen Durchdringung des Unerklärbaren gleichzeitig den Weg frei machten für das Studium der Welt mit Hilfe des Verstandes und der Beobachtung. Und von der aufmerksamen Betrachtung des Menschen zu der Wiedergabe des menschlichen Antlitzes seitens der Künstler war es nur noch ein kleiner Schritt. Wo genau dieser Schritt vollzogen wurde, ist nicht bekannt. Zu viele Bildwerke des Mittelalters sind uns verloren. Welche Graboder Stifterfigur ein Künstler als Erste mit den realistischen Gesichtszügen seines Auftragsgebers ausstattete, ist nicht mehr rekonstruierbar. Eindeutig dagegen wissen wir, wo sich das menschliche Porträt auf Medaille und Münze zuerst durchsetzte. Hier waren die Renaissancefürsten Italiens die Vorreiter. Italien war im 13. und 14. Jahrhundert das Land Europas, in dem die Wirtschaft boomte. Handel und Handwerk hatten den Bürgern der vielen Städte einen Wohlstand beschert, der mit dem so manches Monarchen im Norden Europas konkurrieren konnte. Viele altadelige Familien dagegen waren verarmt. Wer sich nicht an die neuen Wirtschaftsformen gewöhnen konnte, der war dazu verdammt, in Bedeutungslosigkeit zu versinken. So war Italien damals eine Region, in der die soziale Mobilität unglaublich hoch war. Jeder Einzelne hatte die Möglichkeit, durch Geschick, Können und eine Portion Unverschämtheit seinen Weg zu machen. Gleichzeitig war Italien ein Land, in dem sich die Grenzen ständig verschoben. Der Papst – nicht nur Oberhirte der Christen79


heit, sondern gleichzeitig wichtigster Territorialfürst des Landes – hatte, gezwungen vom französischen König, Rom im Jahre 1309 verlassen, um sich in Avignon anzusiedeln. Damit entstand in der Mitte der italienischen Halbinsel ein Machtvakuum, das gefüllt werden wollte. Bis weit in die frühe Neuzeit hinein wurde Italien verheert: Erst kämpfte man um das Erbe des Papstes, später um die Rückgewinnung des päpstlichen Staates, zuletzt um die Konkursmasse der durch den Kampf erschöpften Stadtstaaten. Auch dieser nicht enden wollende Krieg förderte die soziale Mobilität. Er gab Männern die Chance aufzusteigen, die von ganz unten kamen. Söhne von kleinen Adligen, ja gar von Schafhirten, wurden reich und mächtig. Die einen von ihnen hielten sich und konnten ihren Nachkommen Besitz und Titel vererben, die anderen verschwanden in der Versenkung. Umso wichtiger wurde es für diejenigen, die sich gerade am Höhepunkt ihrer Macht befanden, der Nachwelt den eigenen Ruhm zu überliefern. Dafür gab es viele Möglichkeiten. Schliesslich hatte der drohende Untergang des Byzantinischen Reiches zahlreiche Intellektuelle nach Italien gebracht, die ihren dortigen Kollegen wieder das antike Erbe nahe brachten. Eine neue geistige Kultur blühte auf, die wir heute als Renaissance bezeichnen. Ihre Vertreter hatten nicht mehr eine sich ewig gleich bleibende göttliche Ordnung vor Augen, wenn sie ihre Werke schrieben, sondern sie sahen sich als neuen Höhepunkt einer geschichtlichen Entwicklung. Auf die Ideen dieser Denker konnte ein Fürst zurückgreifen, wenn er sich und seine Leistungen der Nachwelt überliefern wollte. Er konnte sich als ihr Mäzen betätigen, wenn sie ihn dafür in ihren Werken verewigten. Er konnte bauen, die Ideen, Pläne und Träume seiner Künstler in die Realität umsetzen und sich so endlosen Ruhm erwerben. Und natürlich konnte ein Herrscher auch Feste feiern, ganz in ritterlicher Tradition. Obwohl diese Feste für uns heute spurlos vergangen sind und uns deshalb unwichtig scheinen, waren sie zur Zeit der frühen Renaissance die zentrale Form der Selbstdarstellung. Ein Fürst engagierte nur die besten Künstler, damit sie ihm Festzüge und allegorische Szenen ausrichteten. In diesen Aufführungen spielte der Fürst die zentrale Rolle, sass zum Beispiel auf seinem Thron und war von Personifikationen der Klugheit, der Stärke oder vielleicht doch eher der Besonnenheit und Mässigung, manchmal gar der Frömmigkeit, umgeben – ganz so, wie der Fürst sich der Öffentlichkeit präsentieren wollte. 80


In diesem Klima entstand die Porträtmedaille, die auf der Vorderseite die realistischen Züge des Abgebildeten zeigt, auf der Rückseite eine charakterisierende Allegorie. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts eroberten diese für die Medaillen gedachten Darstellungen auch das Münzbild. Unser Beispiel wurde von Alfonso I. d’Este, dem Markgrafen von Ferrara, in Auftrag gegeben. Alfonso war eigentlich ein friedlicher Mann, der versuchte, seine Gebiete aus den Streitigkeiten der Zeit herauszuhalten. Doch fortwährende Attacken seitens des Papstes brachten ihn dazu, eine Artillerie aufzubauen, wie sie Italien noch nicht gekannt hatte, und damit sein Land erfolgreich zu verteidigen. Auch wenn wir dies alles nicht wüssten, wir könnten das Wesen und die Ideale des Alfonso noch heute aus seinem Münzbild lesen. Auf der Rückseite des Testone, wie die frühen italienischen Porträtmünzen heute genannt werden (testa = ital. Kopf), finden wir einen wohl gerüsteten Krieger, dem zum Zeichen seiner Klugheit eine Schlange beigegeben ist, die sich um einen Baumstamm windet. Dieser Mann hält in seiner Hand ein abgeschlagenes Löwenhaupt, aus dem Bienen fliegen. Dies war in der Renaissance ein gerne benutztes Bild. Es stand dafür, dass ein siegreich beendeter Krieg (der abgeschlagene Löwenkopf) süsse Früchte trägt (den Honig, den die Bienen erzeugten, die sich im Löwenkopf entwickeln konnten – so zumindest die Überzeugung der Zeit). Alfonso liess sich also als einen Mann schildern, der zwar ungern den Panzer des Feldherrn überstreifte, dies aber doch tat, um für sich und seine Länder den Frieden zu sichern. Von Italien aus verbreitete sich die Idee, das eigene Bild auf Münzen und Medaillen zu setzen, unter allen Herrschern Europas. Jeder Fürst – ob weltlich oder geistlich, war gleichgültig, solange er nur das Recht besass, Münzen zu prägen – wollte sein Gesicht auf Talern und Dukaten sehen. Bald sollten es nur noch die wenigen Republiken und reichsunmittelbaren Städte sein, die darauf verzichteten, auf ihren Prägungen einen lebenden Menschen abzubilden. Das Münzbild des Herrschers wurde zum Inbegriff seiner Macht. Fortan sollten jedem Untertan die Züge seines Königs so vertraut sein, dass er ihn jederzeit und immer erkannte, was im Übrigen Ludwig XVI. zum Verhängnis wurde …

Ferrara (Italien). Alfonso I. d’Este (1505–1534). Testone. Gepanzerte Büste des Herzogs n. l. Rs. Ein Krieger in antiker Rüstung hält in seiner linken Hand das abgeschlagene Haupt eines Löwen, aus dessen Maul Bienen fliegen; zu Füssen des Mannes eine Schlange, die sich um einen Baumstumpf windet.

Fürstbistum Salzburg. Leonhard von Keutschach, Fürstbischof (1495–1519). Goldmedaille im Wert von 3 Dukaten. Büste des Fürstbischofs n. l. Rs. Wappen des Fürstbischofs.

81


27. Stupor Mundi

Friedrich II., König von Sizilien (1197–1250), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (ab 1220). Halber Augustalis. Büste des Friedrich im römischen Stil mit Drapierung über der Schulter und Lorbeerkranz. Rs. Adler mit ausgebreiteten Flügeln n. l. stehend, den Kopf zurückgewandt.

F

riedrich II., König von Sizilien, wuchs in Palermo auf, einer Stadt, in der damals Händler aus aller Herren Länder verkehrten. Auch wenn der Knabe aus Apulien sich nicht, wie feindliche Historiker es berichten, auf den Strassen herumtrieb, hatte er doch die Möglichkeit, das Denken und den Glauben anderer Völker in einer Art und Weise kennen zu lernen, die seinen europäischen Zeitgenossen verwehrt blieb. Dies formte eine Persönlichkeit, die Staunen hervorrief. Stupor Mundi, das Staunen der Welt, so nannte man ihn. Denn seine Gedanken wiesen weit hinaus über die Welt des Mittelalters. Friedrich stellte Fragen, unbequeme Fragen, um genau zu sein. Und er holte sich seine Antworten, wo immer er sie fand. Als ihm christliche Geistliche keine befriedigende Antwort darauf gaben, welcher Beweis für die Unsterblichkeit der Seele existiere, fragte er Muslims, was mittelalterliche Chronisten als ein Zeichen seiner Gottlosigkeit interpretierten. Kein Wunder, dass so ein Kaiser gebannt wurde. Kein Wunder, dass heute noch Anekdoten über Experimente Friedrichs zu lesen sind, die so sicher nicht stattgefunden haben. Verständnislose Chronisten versuchten damit die unglaubliche Tatsache zu fassen, dass dieser Kaiser Wissen selbst sammelte und nicht den Büchern entnahm. Tatsächlich schreibt Friedrich in seinem Buch über die Falkenjagd: «Wir sind dem Aristoteles gefolgt, wenn es sich schickte, aber in vielen Fällen, und besonders, wenn er von der Natur 82

einiger Vögel schreibt, scheint er von der Wahrheit abgewichen zu sein. So konnten Wir Uns dem Fürsten der Philosophen nicht immer anschliessen, da er ja selten oder nie die Jagd betrieben hat […]» Dieser Geist, dem nichts heilig war, veränderte und erneuerte alles, mit dem er sich beschäftigte. Die Verwaltung seines Königreiches Sizilien organisierte Friedrich in einer Art und Weise, die einem aufgeklärten Herrscher des 18. Jahrhunderts alle Ehre gemacht hätte. Und seine Münzprägung sollte zu einer Brücke werden zwischen Antike und Renaissance. Die Antike nämlich war auf Sizilien noch gegenwärtiger als im restlichen Europa. Überall entdeckte man ihre Überreste. So wurde die Allmacht der römischen Kaiser für Friedrich zum Vorbild und er liess sich ganz in ihrer Manier darstellen: mit dem drapierten Feldherrenmantel und dem Lorbeerkranz. Zwar zeigen die Augustales Friedrichs II. von Sizilien noch kein echtes Herrscherporträt, aber sie weisen voraus auf die Wiedergeburt der römischen Kultur in der Zeit der Renaissance.



28. Ein Kampf um Sizilien

Ferdinand I. von Aragón, König von Neapel (1458–1494). Coronato, Neapel. Gepanzerte Büste Ferdinands mit Krone n. r. Rs. Erzengel Michael, den Drachen tötend.

F

riedrich II. – nicht nur Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sondern auch König von Sizilien – starb 1250. Wer nach ihm König der beiden Sizilien werden sollte, diese Entscheidung beanspruchte der Papst für sich. Schliesslich galt Sizilien als päpstliches Lehen. Gegen eine hohe Gebühr verkaufte er es an einen englischen Prinzen. Doch der zahlte nicht, sodass der Papst ihn fallen liess und Karl von Anjou zum neuen König von Sizilien machte. Der zeigte sich dankbar, zahlte und versuchte, das für Sizilien ausgegebene Geld mittels Steuern wieder von seinen Untertanen zurückzuholen. Kein glücklicher Gedanke: Die Sizilianer vertrieben den «Eindringling» 1282 und verbündeten sich mit dem König von Aragón, der wegen seiner Heirat mit der Enkelin Friedrichs II. einen Erbanspruch auf Sizilien erhob. Karl von Anjou zog sich nach Neapel zurück. Und die nächsten Jahrzehnte wurde in Unteritalien ein heisser Krieg zwischen ihm und Aragón geführt. Der Papst unterstützte natürlich die Anjous und bannte Peter von Aragón und seine Nachkommen. Erst 1435 konnte Alfons von Aragón die Stadt Neapel erobern. Der kluge König fügte diese neue Eroberung nun nicht seinen zahlreichen Ländern hinzu, sondern setzte seinen unehelichen Sohn Ferdinand als König ein. So war die Herrschaft Ferdinands in Neapel gesichert, als Alfons 1458 starb, obwohl der Papst immer noch eifersüchtig auf seinen Kandidaten, den Anjous, beharrte. 84

Doch Päpste leben nicht ewig. Knappe zwei Monate nach Alfons starb sein Feind Calixtus III. und dessen Nachfolger Pius II. suchte den Ausgleich. Am 4. Februar 1459 schickte er den Kardinal Sabino Orsini, um die Krönung Ferdinands von Aragón durchzuführen. Was im Übrigen nicht bedeutete, dass die Anjous ihre Ansprüche aufgegeben hätten. Sie kämpften weiter – bis 1734. So war Propaganda für Ferdinand wichtig und er prägte Münzen mit der Aufschrift (in Übersetzung) «Gekrönt, weil als legitim bestätigt». Diese Worte wurden erst durch den Text auf unserer Münze ersetzt, als die Feinde Ferdinands – zumindest vorläufig – zurückgeschlagen waren. Nun lautete der königliche Titel (in Übersetzung): «FERRANDVS ARAGO(niae) REX SI(ciliae) HI(erosolymae)», was übersetzt bedeutet: «Ferdinand von Aragón, König von Sizilien und Jerusalem». Sizilien, worunter man damals Neapel und sein Umland verstand, sollte Ferdinand bis zu seinem Tod klug und weise beherrschen. Jerusalem, das andere Königreich, auf das bereits seine Vorgänger vergebens Anspruch erhoben hatten, blieb in den Händen der Araber und Ferdinand sollte es nie betreten.



29. Der Doge, machtloser Herrscher eines mächtigen Reichs

Venedig. Nicolò Tron, Doge (1471–1473). Lira Tron. Büste des Nicolò Tron n. l. in voller Standestracht mit rotem, hermelingeschmücktem Mantel und Dogenmütze (Cornu ducale). Rs. Geflügelter Löwe des heiligen Marcus, das Evangelium in seinen Pranken haltend, darum Kranz.

N

icolò Tron, Doge und damit oberster Beamter von Venedig von 1471 bis 1473, liess sich auf «seinen» Münzen im vollen Ornat darstellen: mit rotem, goldbesticktem Mantel mit Hermelinbesatz und – wie die Dogen seit dem 14. Jahrhundert – mit dem «corno ducale», der hornförmigen Dogenmütze. Diese prachtvolle Gewandung täuscht allerdings darüber hinweg, dass der Doge zur Zeit Nicolò Trons bereits alle Macht verloren hatte. Ursprünglich von Byzanz zum Verwalter der Inselrepublik bestimmt, wurde der «dux» oder Doge – wie er jetzt hiess – von den Venezianern seit der Jahrtausendwende selbst gewählt; ein Recht, dass sie sich hart erkämpft hatten. Alleinherrscher war der Doge schon damals nicht und es war ihm nicht möglich, das Amt in seiner Familie erblich zu machen. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurden ihm nach und nach mehrere beratende Gremien beigesellt, die die eigentliche Macht ausübten. Unser Nicolò Tron war folglich nur der oberste Bürokrat eines Staates, dessen Politik fünf Correctores überwachten, die durchaus die Kompetenz besassen, selbst den Dogen in seine Schranken zu weisen. Unter Nicolò Tron nun entschloss sich der Staat von Venedig, eine der bedeutendsten Münzreformen seiner Geschichte durchzuführen. Die Händler der Stadt hatten nämlich ein Problem: In Venedig selbst liefen die Piccoli um, Billon-Kleinmünzen von geringem Wert. Mit diesen Nachkommen des karolingi86

schen Denars konnte man im alltäglichen Handel nichts mehr anfangen. Schon um sich nur ein Glas Wein zu kaufen, brauchte man mehrere von ihnen. Der Handel benötigte also dringend wieder eine Silbermünze von einigem Wert, die die Lücke zwischen dem Kleingeld und den goldenen Zecchinen schliessen sollte. Der Rat entschloss sich im Mai 1472, so eine Silbermünze zu prägen. Genannt wird sie heute Lira Tron: «Lira» nach dem italienischen Wort für «Pfund», da die Münze 240 der alten Piccoli oder dem Äquivalent der damaligen Recheneinheit Pfund entsprach, und «Tron» nach dem Dogen, dessen Konterfei ihre Vorderseite zierte. Nicolò Tron, dieser unbedeutende Mann blieb der einzige Doge, dessen erkennbares Antlitz die Münzen der Inselrepublik schmückte. Nach seinem Tode wurden alle umlaufenden Lire eingezogen und durch neue ersetzt, die wieder das alte Bild des vor dem heiligen Marcus knienden Dogen zeigten. Ohne irgendwelche individuellen Züge, lediglich als symbolischer Vertreter der Stadt, und vor allem ohne Bedeutung, so wollten die Handelsherren ihr nominelles Oberhaupt sehen, das eben nur Erster unter Gleichen war und nie persönlichen Ehrgeiz entwickeln sollte.



30. Der Hercules von Ferrara

Ferrara, Ercole I. d’Este (1471–1505). Testone. Kopf des Ercole n. r. Rs. Die siebenköpfige Hydra.

I

n Ferrara herrschten schon seit mehr als 300 Jahren die d’Este, eine altadlige Familie, die ihre Vorfahren bis in die Zeit Karls des Grossen zurückverfolgen konnte. Nicht ganz so lange, aber immerhin mehrere Generationen, reichte die Tradition der Familie zurück, die Kultur zu fördern. 1392 gründete Alberto I. eine der ältesten Universitäten Europas. Sein Sohn Nicolò III. war bereits ganz in der klassischen Tradition des Humanismus erzogen. Er umgab sich mit Gelehrten, die ihn mit ihren Gedanken und Entwürfen versorgten. So widmete ihm Pietro Andrea de’ Bassi Ende der 30er-Jahre des 15. Jahrhunderts die Schrift «Über die Arbeiten des Hercules», die Nicolò aufmerksam las. Seit der Zeit der frühen Renaissance kannte man Hercules nämlich als das Idealbild eines guten Fürsten, der sowohl Kraft als auch Klugheit besass, der gerecht herrschte, ein wahrer Philosoph war, dabei auch noch den Unterdrückten beistand und die Witwen und Waisen schützte. So hatte Hercules Aufnahme gefunden in den Kanon der grössten Helden der Antike. Und die Künstler zeigten ihn gerne im Kostüm der Zeit, in einer Ritterrüstung beim Turnier. Bassi nun verlegte die Taten des Hercules in die Gegenwart und schilderte genau, welche Erziehung der zukünftige Held erhielt: eine Mischung aus humanistischen Studien und Körperertüchtigung. Er entwarf das Bild des Hercules am Scheideweg, wo ihn die Tugend und die Frau Müssiggang für sich zu gewin88

nen versuchten. Hercules entschied sich für die Tugend, die ihm fortan eine Helferin im Frieden und im Krieg sein sollte. Zudem deutete Bassi die Arbeiten des Hercules allegorisch. Der Kampf gegen die Hydra, wie sie auf unserer Münze dargestellt ist, stand für den Vorzug der Weisheit gegenüber körperlichen Kräften. Hercules war es nämlich erst geglückt, die Hydra zu töten, als er neben der Kraft, die nötig war, deren Köpfe abzutrennen, seinen Verstand einsetzte und befahl, jeden Halsstumpf gleich nach dem Abtrennen des Kopfes auszubrennen, um ein Nachwachsen der Köpfe zu verhindern. Nicolò war begeistert von Hercules, diesem Idealbild eines Fürsten, und er nannte seinen Sohn programmatisch Ercole, Hercules. Ercole I. d’Este war sich des Anspruchs seines Namens durchaus bewusst: Im Jahre 1475 liess er die Schrift Bassis drucken, und auf seine Münzen setzte er die Taten des Helden – und zwar besonders gerne die, mit der er sich am meisten identifizieren konnte: die Überwindung der Hydra, bei der die Weisheit mehr vermocht hatte als brutale Gewalt.



31. Die Condottieri, Gewinner in jedem Krieg

Mailand. Galeazzo Maria Sforza (1466–1476). Dukat. Gepanzerte Büste des Galeazzo n. r., darüber auf einem Schild frontale Büste des heiligen Ambrosius von Mailand. Rs. Wappen der Visconti, darüber Helmzier, im Feld links Stab, daran zwei Eimer.

D

er Urgrossvater des Galeazzo Maria Sforza war Bauer gewesen, als sich sein 12-jähriger Sohn entschloss, Söldner zu werden. In ganz Italien herrschte damals Krieg. Ständig stritten irgendwelche Stadtstaaten miteinander. In diesen Städten lebten Bürger, denen Handel oder Handwerk einen auskömmlichen Unterhalt bot und die gewiss keine Lust verspürten, ihr kostbares Leben im Krieg zu Markte zu tragen. Warum denn auch? In Italien war ein auf ihr Bedürfnis zugeschnittenes Dienstleistungsgewerbe entstanden. Man konnte voll ausgerüstete Soldaten und die dazugehörigen Feldherren mieten. Die Unternehmer in Sachen Krieg hiessen Condottieri, nach der «condotta», dem Mietoder Pachtvertrag. Sie warben mit eigenen Mitteln Söldner an, besoldeten und ernährten sie und vermieteten sie mit gutem Gewinn an einen Auftraggeber weiter. So einem Condottiere schloss sich der Grossvater des zukünftigen Herzogs von Mailand an. Der junge Mann, dem man bald den Spitznamen «Sforza» (ital. stolzer Trotz) gab, war ein militärisches Naturtalent. Er diente sich buchstäblich von der Pike auf hoch und managte mit knapp 30 Jahren selbst eine Söldnerschar. Wie jeder Condottiere träumte auch dieser erste Sforza vom sozialen Aufstieg. Die Gesellschaft im Italien des 14. Jahrhunderts war durchlässig wie nie. Unter den Condottieri befanden sich kleine oder verarmte Adlige, durchgebrannte Mönche, Söhne von 90

Handwerkern und Bauern. Und jeder Einzelne konnte sich eine Herrschaft erwerben, wenn er von einem Dienstherrn damit belehnt wurde oder gar die Chance erhielt, eine reiche Erbin zu heiraten. Dies gelang Francesco, dem Sohn unseres ersten Sforza. Der letzte Visconti nämlich, Herzog von Mailand, hatte kein Geld und erkaufte sich die militärische Unterstützung des mittlerweile sehr mächtigen Condottiere mit einer Heirat: Bianca Maria, seine einzige, aber illegitime Tochter, wurde mit Francesco Sforza vermählt. Dies war ein absoluter Volltreffer auf dem Heiratsmarkt. Denn diese Ehe gab Francesco die juristische Handhabe, nach dem Tode seines Schwiegervaters Mailand zu erobern. 1450 huldigten ihm die Bürger der Stadt, 1454 erkannten die anderen Machthaber Italiens seine Herrschaft an. Francesco Sforza wurde zu einem geachteten Signore, den seine Zeitgenossen als den Schiedsrichter Italiens bezeichneten. So konnte sein Sohn, Galeazzo Maria Sforza, der Prägeherr unserer Münze, Urenkel eines Bauern und eines Herzogs, nach dem Tode Francescos das Amt des Herzogs von Mailand antreten, ohne auf den geringsten Widerstand zu stossen.



32. Mord in Mailand

Mailand. Giovanni Galeazzo Maria Sforza (1476–1494). Testone. Gepanzerte Büste des Giovanni n. r., darüber auf einem Schild frontale Büste des heiligen Ambrosius. Rs. Wappen von Mailand, darüber zwei Helme mit Helmzier, darum die Umschrift «Unter der Regentschaft Lodovicos, seines Oheims väterlicherseits».

D

reiunddreissig Jahre alt war Galeazzo Maria Sforza, als ihm ein junger Adliger beim Betreten einer Kirche dreimal den Dolch in die Brust stiess. Das Vorbild der Tyrannenmörder Brutus und Cassius hatte den jungen Mann beflügelt, den Herzog zu ermorden, um – wie in den kurzen drei Jahren zwischen dem Tod des letzten Visconti und der Machtergreifung der Sforzas – wieder eine Republik einzurichten. Aber das Rad der Geschichte hatte sich gedreht. Statt ihn als Helden zu feiern, hetzte die wütende Menge den Mörder ihres Herzogs durch die Stadt. Er wurde gefangen, gefoltert, hingerichtet und sein Kopf auf eine lange Stange gesteckt. Zurück blieb der erst siebenjährige Sohn des Ermordeten, Giovanni Galeazzo Maria Sforza, der Prägeherr unserer Münze. Er war zu jung, um zu herrschen, und so entstand ein Streit darüber, wer für ihn die Macht ausüben sollte. Man kann es sich schwer vorstellen, aber es gab in Italien damals auch Konflikte, die friedlich gelöst wurden. In unserem Fall holten sich die Mailänder einen Schiedsrichter aus Mantua, der festlegte, dass die Mutter des Kindes, Bona von Savoyen, die Herrschaft ausüben solle. Die fünf Brüder des Ermordeten mussten ihr Treue schwören. Leider war Bona keine Frau, die intelligent genug war, die Politik eines so bedeutenden Herzogtums alleine zu gestalten. Sie verliess sich auf Ratgeber, ver92

lor in einem kleinen Krieg grosse Herrschaftsgebiete und verliebte sich zu allem Überfluss auch noch in den falschen Mann. Es soll ein Bedienter gewesen sein, der beim abendlichen Festmahl das Ehrenamt des Fleischvorschneiders bekleidete. Nun hätte man damals der Herzoginwitwe durchaus ein kleines Abenteuer zugestanden, aber Bona von Savoyen musste es ja gleich öffentlich machen. Dies gab den Brüdern des Galeazzo Maria Sforza die ersehnte Rechtfertigung, den Schiedsspruch umzustossen. Lodovico Sforza, genannt «il Moro», und sein Bruder Ascanio, Bischof von Pavia, griffen ein. Sie zwangen Bona von Savoyen, auf die Vormundschaft über ihren Sohn zu verzichten. Ihr Liebhaber wurde weggeschickt, ein paar Ratgeber hingerichtet und die Herzoginwitwe auf ihren Witwensitz verbannt. Den jungen Giovanni Galeazzo Maria erklärte man im Jahre 1480 für volljährig. Und obwohl er damit alle Macht gehabt hätte, selbst zu regieren, zog es der junge Mann vor, sich zu vergnügen und seinem Onkel «il Moro» die Geschäfte zu überlassen. 14 Jahre sollten Galeazzo noch bleiben bis zu seinem überraschenden Tod. Danach erhielt «il Moro» neben den Befugnissen auch den Titel eines Herzogs von Mailand.



33. Il Moro und Leonardo

Mailand. Lodovico Maria Sforza, genannt «il Moro», (1494–1500). Testone. Gepanzerte Büste des Lodovico n. r., darüber auf einem Schild frontale Büste des heiligen Ambrosius von Mailand. Rs. Gekrönter Schild von Mailand, links und rechts davon Stab, daran zwei Eimer.

I

m Jahre 1482 erhielt der Regent von Mailand, Lodovico Maria Sforza folgendes Bewerbungsschreiben: «Erlauchter Gebieter! Da ich die Proben aller derer, die sich für […] Hersteller von Kriegsgeräten ausgeben, nun zur Genüge untersucht […] habe, […] so will ich mich denn, ohne irgend einen anderen herabzusetzen, um eine Verständigung mit Ew. Hoheit bemühen, indem ich Ihnen meine Geheimnisse offenbare und sie Ihnen ganz zur Verfügung stelle, um zu gegebener Zeit alle die Dinge auszuführen, die hier unten in Kürze aufgezählt werden: 1. Ich habe Pläne für sehr leichte, aber dabei starke Brücken, die sich ganz leicht befördern lassen […]. 3. Ferner habe ich Pläne für Bombarden [Kanonen], die sich sehr bequem und leicht befördern lassen, mit denen man kleine Steine schleudern kann, fast so, als ob es hagle […]. 5. Ferner werde ich sichere und unangreifbare gedeckte Wagen bauen, die mit ihren Geschützen durch die Reihen des Feindes fahren […]. 9. In Friedenszeiten kann ich mich wohl mit jedem anderen in der Baukunst messen […]. Ferner werde ich bei der Bearbeitung von Marmor, Erz und Ton sowie in der Malerei wohl etwas leisten, was sich […] sehen lassen kann […].» Der Schreiber dieser Bewerbung hiess Leonardo da Vinci. Er erhielt die Stellung und Lodovico zahlte ihm 2000 Dukaten jährlich dafür, dass ihm der Mann zur Verfügung stand. Daneben konnte Leonardo noch mit «fürstlichen» Geschenken rechnen, wenn seine 94

Werke gefielen. Damit war sein Unterhalt mehr als gesichert. Von diesem Geld konnte er leben wie ein Adliger. Denn 2000 Dukaten entsprachen 6400 Testone wie der hier abgebildete. Nur um einen Anhaltspunkt zu geben: Für 4 Dukaten, also etwa 13 Testone, konnte man die 1493 erschienene Schedel’sche Weltchronik in ihrer kolorierten Luxusausgabe kaufen. Leonardo verdiente also sehr gut, musste dafür aber auch alle seine Talente für Arbeiten im Auftrag des Herzogs einsetzen. Leonardo entwarf nicht nur Kriegsgerät, er arbeitete gleichzeitig an einer Reiterstatue des Francesco Sforza, porträtierte die einzelnen Familienmitglieder, spielte Laute, entwarf Festdekorationen, Kleider, Schmuckstücke und was eben so anfiel. Bis 1499 blieb Leonardo am Hofe des «Moro», dann marschierten die Franzosen ein und vertrieben Lodovico Sforza. Leonardo zog weiter und verkaufte seine Kunst an den Meistbietenden. Sein Alter verbrachte er in Frankreich, im Dienste Franz I. Auch Lodovico Sforza beendete seine Tage in Frankreich, allerdings nicht als geehrter Künstler, sondern als Gefangener des Königs.



34. Der «schreckliche» Papst

Julius II., bürgerlich Giuliano della Rovere, Papst (1503–1513). Giulio, Rom. Brustbild des Papstes n. r. Rs. Petrus mit Schlüsseln und Buch frontal sitzend, unter den Schlüsseln Dreizack als Zeichen der Fugger aus Augsburg, die die päpstliche Münzstätte kontrollierten.

«I

l pontifice terribile», so nannten die Zeitgenossen Giuliano della Rovere, der im Jahre 1503 als Julius II. den Papststuhl bestieg. Zehn Jahre nur herrschte er über den Kirchenstaat, und doch entdeckt der Rombesucher noch heute auf Schritt und Tritt Spuren des grossen Mannes. «Raus mit den Barbaren», das war eine der Maximen dieses Papstes, der mit dem Schwert genauso gewandt umging wie mit dem Krummstab. Unter seiner persönlichen Führung wurden die Städte Bologna und Perugia für den Kirchenstaat zurückgewonnen und der französische König aus dem Land vertrieben. So eine offensive Kriegführung kostete Geld. Und die vielen Künstler, die Julius beschäftigte, taten ein Übriges, um die päpstliche Kasse zu ruinieren. Michelangelo schuf die Fresken der Sixtinischen Kapelle, die Pietà und den Moses, Raffael malte, und Bramante begann im Jahre 1506 den Neubau von St. Peter. Dieses Projekt sprengte den Finanzrahmen des Vatikan. Hier musste man zu anderen Mitteln greifen, um die Kosten aufzubringen. Julius tat das, indem er einen Ablass ausschrieb. Eigentlich war diese Form der intensivierten Beichte ursprünglich durchaus sinnvoll: Sie stellte dem Sünder Vergebung in Aussicht, indem er bereute und dazu ein tätiges Werk der Reue vollbrachte. Diese Wiedergutmachung konnte in einer Spende bestehen, die einem kirchlichen Projekt zu Gute kam, zum Beispiel dem Bau des Petersdoms. 96

Doch dieses ursprünglich sinnvolle Instrument war schon längst mit einer anderen Finanzpraxis gekoppelt worden. Schliesslich brauchte der Papst das Geld ja sofort. Deshalb nahm er die Summe bei einem Bankhaus auf, erteilte dafür die Erlaubnis zum Ablasshandel, und das Bankhaus zog den Verkauf nach den damals modernsten Erkenntnissen des Vertriebes durch. An den Vatikan wurde lediglich ein bestimmter Prozentsatz des Ertrags überwiesen. Doch der war immer noch gross genug, dass das Handelshaus der Fugger, das den Verkauf von Ablässen im deutschen Reich organisierte, dafür bereits 1495 eine Filiale in Rom eingerichtet hatte. Die Fugger arbeiteten so zuverlässig und erfolgreich, dass Julius II. ihnen im Jahre 1510 sogar die römische Münzstätte verpachtete. Die damals entstandenen Münzen tragen – wie unser Stück – das Handelszeichen der Fugger, einen Dreizack. So ist diese Münze nicht nur ein Zeugnis für den grossen Papst Julius II., sondern auch für die Vermengung von Wirtschaft, Religion und Politik, die in der Renaissance gang und gäbe war und die Martin Luther mit seinen 95 Thesen kritisierte.



35. Ein Mädchen sucht sich einen Mann

Spanien. Ferdinand und Isabella (1479–1504). Dobla Excelente, Sevilla. Gekrönte Büsten von Ferdinand n. r. und Isabella n. l. Rs. Wappenschild von Kastilien und Leon auf Adler mit ausgebreiteten Flügeln.

W

ie viele Frauen der frühen Neuzeit haben es geschafft, dass ihr Name heute noch gleichberechtigt neben dem ihres Mannes genannt wird? Wie viele Frauen aus dieser Zeit finden wir neben ihrem Mann dargestellt auf einer Münze? Wohl nur wenige. Eine von ihnen ist Isabella, Königin von Kastilien. Ein Bürgerkrieg im eigenen Land machte die 17Jährige zur Thronerbin. Ihr Bruder Heinrich IV. von Kastilien musste auf Druck der Adelsopposition die eigenen Kinder zugunsten seiner Schwester enterben. Damit war Isabella auf einmal eine glänzende Partie. Der Thronerbe von Portugal warb um sie, der Bruder des französischen Königs – aber Isabella hatte ihre eigenen Pläne. Sie akzeptierte das Angebot des Königs von Aragón, der ihr brieflich seinen Thronerben Ferdinand angeboten hatte. Allerdings stellte Isabella ihre Bedingungen: Ferdinand musste sich verpflichten, in Kastilien keine Entscheidung ohne sie zu treffen. Jeder Erlass sollte die Unterschrift beider Herrscher tragen. Der König von Aragón willigte ein. Damit war die Ehe beschlossene Sache, aber das reichte nicht. Noch hatte Heinrich IV. die Macht und konnte Isabella zwingen, den ihm angenehmen Kandidaten zu heiraten. So musste die junge Frau vollendete Tatsachen schaffen. Isabella reiste ab, offiziell um ihre Mutter zu besuchen. Von unterwegs aus bat sie Ferdinand, so schnell wie möglich zu ihr zu kommen, um die Ehe zu vollzie98

hen. Der zögerte. Er war der einzige Erbe seines 69 Jahre alten, blinden Vaters. Sollte er sich dieser Gefahr aussetzen? Aber ja, die Herrschaft über Kastilien war es wert. Und so ritt der Prinz verkleidet als Rossknecht mit nur sechs Begleitern nach Kastilien. Jeden Abend soll seine zukünftige katholische Majestät die Pferde gestriegelt haben. Ferdinand erreichte Valladolid, wo seine Braut auf ihn wartete. Am 14. Oktober 1469 sahen sich die beiden zum ersten Mal. Man musste Isabella auf Ferdinand aufmerksam machen: «Das ist er», wurde ihr zugeraunt. Fünf Tage später fand die Hochzeit statt. Doch ein Hindernis blieb: Ferdinand und Isabella waren verwandt, der Dispens des Papstes nicht eingeholt. Ohne zu zögern, las ein Bischof eine gefälschte Bulle vor, die die Ehe erlaubte. Damit waren Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón vermählt. Aber der Sieg war noch lange nicht gewonnen. Fünf lange, bittere Jahre sollte es dauern, bis Isabella den Thron von Kastilien besteigen und daran gehen konnte, ihrem Land den Frieden zu bringen und die Weichen zu stellen, die den Aufstieg Spaniens zur ersten Macht Europas ermöglichten.



36. Der Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging

Karl V., König von Spanien (1516–1556), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (ab 1519). Halber Ducato, um 1552. Gepanzertes Brustbild Karls mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Wappen Karls V. auf gekröntem Doppeladler.

W

as für eine langweilige MünzrückLeon Kastilien Navarra Aragón seite, so könnte man meinen. Karl V. hätte Österreich Neusich wirklich ein spanburgund nenderes Motiv aussuUngarn AltBrabant chen sollen. Das Wapburgund pen scheint uns nichtssagend, weil wir verGranada lernt haben, darin zu lesen. Dem zeitgenössischen Betrachter dagegen schilderte es die unvergleichliche Bedeutung des Prägeherrn unserer Münze. Oben im Wappen sehen wir die Länder, die Karl V. über seine Mutter Johanna, genannt die Wahnsinnige, erbte. Sie war das einzige Kind von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Von Isabella kamen Kastilien und das damit verbundene Leon, von Ferdinand Aragón und die Herrschaft über Katalonien und Navarra. Ganz unten im Wappenschild sehen wir einen Granatapfel, Symbol für Granada, das Isabella und Ferdinand im Jahre 1492 den Mauren abnahmen. Das linke untere Feld ist mit dem Wappen eines der Länder ausgefüllt, die der Vater Karl V. vermachte. Friedrich der Schöne war der einziger Erbe von Kaiser Maximilian und Maria von Burgund. Vom väterlichen Besitz ist in unserem Wappen nur Österreich heraldisch repräsentiert. Das mag daran liegen, dass Karl Kastilien

100

Leon

Aragón

Katalonien

die Herrschaft über die meisten Besitzungen seines Grossvaters in einer Erbteilung 1522 an seinen Bruder Ferdinand I. abtrat, weil der sein Versprechen gehalten hatte, auf eine Kandidatur als deutscher Kaiser zu verzichten. Drei Felder sind den Besitzungen gewidmet, die Karl von seinem Urgrossvater Karl dem Kühnen erbte: Neuburgund, Altburgund und Brabant. Die rechte Hälfte des unteren Wappenteils ist einer Neuerwerbung der Habsburger gewidmet: Ungarn, das seit dem Tode seines Königs in der Schlacht von Mohacs 1526 zum Reich der Habsburger gehörte. Ferdinand I. war dort durch einen Erbvertrag König geworden. Geprägt wurde dieses Stück in Neapel und es verwundert, dass das Wappen der beiden Sizilien fehlt. Denn diese Gebiete gehörten als Teil von Aragón ebenfalls zu Karls Reich. Doch hier ergänzt die Umschrift das im Wappen Fehlende. Sie lautet (in Übersetzung): «König von Aragón und beider Sizilien». Karl nennt auf dieser Münze also nur einen winzigen Ausschnitt seiner Besitzungen, und zwar gerade diejenigen, auf denen seine Macht im Wesentlichen beruhte. Die Neue Welt, die wir heute für so entscheidend halten, war dabei für Karl noch nicht der Rede wert.



37. Franz I. und die «Ungläubigen»

Franz I., König von Frankreich (1515–1547). Teston, Lyon, 1543–1547. Gepanzerte Büste des Königs mit Krone von vorne, den Kopf n. r. gewandt. Rs. Gekröntes Lilienwappen.

«N

icht unser, sondern Dein sei die Ehre, o Herr», so lautet sinngemäss das Motto, das Franz I., König von Frankreich, auf der Rückseite unserer hier abgebildeten Münze zitiert. Genau wie die Umschrift der Vorderseite, die darauf verweist, dass Franz I. von Gottes Gnaden König über die Franzosen war, scheint das Motto den treuen Glauben des französischen Herrschers an den christlichen Gott zu verkünden. Und doch war Franz der Erste, der die Einheit der Christen im Kampf gegen die Türken aufspaltete, der erste «moderne» Politiker, dem nationale Belange mehr bedeuteten als religiöse Gegensätze. Vom heutigen Standpunkt aus ist seine Politik logisch. Frankreich war von den Ländern der Habsburger praktisch eingeschlossen: Im Südwesten sass Karl V. als König von Spanien, im Norden als Herzog der Niederlande, im Osten als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und im Süden als König beider Sizilien. Dies war ein Trauma für den ehrgeizigen Franz. Er musste sich mächtige Verbündete suchen, um aus der Umklammerung auszubrechen. Nur ein grosser Herrscher kam dafür in Frage, und der sass im Morgenland: Süleyman der Prächtige. Dieser hatte seine eigenen Probleme mit den Habsburgern. Nach der Schlacht von Mohacs im Jahre 1526, bei der er die Herrschaft über Ungarn gewonnen zu haben glaubte, erhoben die Habsburger Anspruch auf das Erbe des im Kampf gefallenen ungarischen 102

Königs. Sie wurden damit zu direkten Kontrahenten des Osmanischen Reiches. Zwar scheiterte die erste türkische Belagerung Wiens im Jahre 1529, aber die Gefahr blieb, und Franz I. nutzte diese Situation. Er schloss einen Vertrag mit dem «König von Algier», einem Piraten, der mit Süleyman zusammenarbeitete. Der lieh Franz immer wieder Teile seiner Flotte, um die Küsten Italiens damit anzugreifen – ziemlich erfolglos übrigens. Genauso wenig Ergebnisse brachte eine Gesandtschaft, die Franz I. im Jahre 1535 an den Hof von Süleyman schickte. Eigentlich zog nur Karl V. Nutzen aus dieser Aktion. Er inszenierte eine Propagandaschlacht gegen den «Verräter an der Christenheit» und konnte tatsächlich Heinrich VIII. von England für einen gemeinsamen Krieg gegen Franz gewinnen. Bis kurz vor Paris gelangte das kaiserliche Heer, ehe der französische König aufgab und einen Vertrag mit Karl V. schloss. Neben vielem anderen gestand er dabei zu, bei einem allfälligen Kreuzzug gegen die Türken 10 000 Mann zu Fuss und 600 schwere Reiter zu stellen. Damit war diese erste politische Union gegen Habsburg über alle Glaubensgegensätze hinweg zerbrochen.



38. Heinrich VIII. und die zweite seiner sechs Frauen

Heinrich VIII., König von England (1509–1547). Halfgroat, erzbischöfliche Münzstätte in Canterbury. Gekröntes und gepanzertes Brustbild Heinrichs n. r. Rs. Wappen auf langem Kreuz.

H

einrich VIII., König von England, hatte ein Problem. Es hiess Katharina von Aragón und war seine Ehefrau sowie Mutter von fünf königlichen Kindern, von denen allerdings nur ein Mädchen (ausgerechnet!) noch lebte. Im Jahre 1527 war es abzusehen, dass Katharina keine Kinder mehr gebären konnte. Heinrich sah sich vor die Entscheidung gestellt, entweder auf einen männlichen Thronfolger verzichten zu müssen oder sich eine jüngere Frau zu nehmen. Die Wahl fiel Heinrich VIII. leicht. Es gab da eine hübsche Hofdame mit Namen Anna Boleyn … Aber um rechtmässige Thronfolger zu produzieren, musste sie ordentlich mit ihm verheiratet sein. So schickte er im Jahre 1527 zwei Gesandte zum Papst, die das Oberhaupt der katholischen Kirche veranlassen sollten, seine Ehe mit Katharina zu scheiden. Als Grund konnte man irgendeine zu enge Verwandtschaft vorschieben, die wegen der jahrhundertelangen Inzucht innerhalb der Herrschergeschlechter Europas sicher bestand, bis dahin aber niemanden gestört hatte. Scheidungen aus solchen Gründen gehörten zur Routine für jeden Papst. Allerdings gab es da ein kleines Hindernis. Katharina von Aragón war zufällig die Tante von Karl V., dessen Soldaten gerade die Stadt Rom erobert und den Papst gefangen genommen hatten. Clemens VII. war also nicht ganz frei in seiner Entscheidung, als er Heinrich mitteilte, dass eine Auflösung der Ehe nicht in Frage käme. 104

Heinrich war wütend. Aber dadurch löste sich das Problem nicht. Es wurde sogar noch dringender, als Anna Boleyn im Frühjahr 1533 deutliche Anzeichen einer Schwangerschaft zeigte. Endlich wieder eine Chance auf einen Thronfolger! Heinrich musste handeln, wollte er nicht riskieren, dass der illegitim auf die Welt kam. Und Heinrich handelte in Zusammenarbeit mit den Bischöfen und dem Parlament. Zunächst entzog er dem Papst sämtliche finanziellen Einkünfte aus England sowie die Rechtsprechung in kirchlichen Angelegenheiten. Damit war der Weg frei für eine Ehe mit Anna Boleyn, aber Heinrich machte hier nicht Halt. Er liess sich selbst zum Oberhaupt der englischen Kirche erklären sowie im Jahre 1536 die Klöster säkularisieren, die damals immerhin über 10 Prozent des bebaubaren Bodens von England verfügten. Heinrich hatte also mit der Trennung von der katholischen Kirche nicht nur seine Scheidung legalisiert, sondern auch noch ein hervorragendes Geschäft gemacht. Was für ein Pech, dass Anna Boleyn dann auch nur eine Tochter gebar! Wer konnte damals schon ahnen, dass die kleine Elisabeth zur grössten Königin ihrer Zeit werden sollte?



39. Wie viel kostet die Macht?

Philipp II. von Spanien (1556–1598), als Herzog von Gelderland. Taler 1557. Gepanzerte Büste Philipps n. l. Rs. Gekröntes Wappen, darunter Orden vom Goldenen Vlies, links und rechts die burgundischen Feuerböcke.

I

m Jahre 1545 wurden in den spanischen Kolonien bei Potosí im heutigen Bolivien und bei Zacatecas (Mexiko) riesige Silbervorkommen entdeckt. Das bedeutete, dass seit den 60er-Jahren des 16. Jahrhunderts riesige Mengen von Silber aus den Kolonien nach Spanien geschafft wurden. In den Jahren zwischen 1551 und 1560 waren es 303 Tonnen Silber, in den nächsten zehn Jahren bis 1570 wurde fast das Dreifache importiert, 943 Tonnen. Und zwischen 1571 und 1580 erreichte die Produktion ihren Höhepunkt mit 1119 Tonnen des wertvollen Rohstoffs. Mit so viel Silber hätte Spanien zu einer der führenden Wirtschaftsnationen Europas aufsteigen müssen. Doch wie der venezianische Botschafter scharfsichtig schrieb: «Über den Schatz, der aus Westindien nach Spanien gelangt, sagen die Spanier […], dass er für sie die gleiche Wirkung hat wie Regen auf Hausdächern. Wenn es heftig regnet, strömt das Wasser herab, ohne dass die ersten, auf die es trifft, davon profitieren können.» Philipp II., König von Spanien, interessierte sich nämlich nicht für Handel und Gewerbe. Er sah seine königliche Aufgabe darin, die ganze Welt wieder dem katholischen Glauben zuzuführen. Am 28. August 1567 zum Beispiel zog der Herzog von Alba auf des Königs Geheiss in Flandern ein. Er sollte die Aufstände der protestantischen Bilderstürmer daselbst und in Brabant beenden. Alba hatte von 106

Philipp dafür ausreichende Mittel bekommen. Seinen Soldaten folgten zwei riesige Wagenkolonnen, beladen mit Silbermünzen. Immer häufiger rollten Wagenkolonnen an die Front: nicht nur in die Niederlande, nach Italien, nach Frankreich, ins deutsche Reich und nach Portugal. Denn Philipp wollte auch die Türken besiegen und England unterwerfen – und alles kostete Geld. So rollten die Wagenkolonnen mit Silber ständig – und doch rollten sie nicht oft genug. Die riesigen Mengen von Silber aus Amerika reichten nämlich nicht aus, um alle militärischen Ambitionen des Königs zu zahlen. Mehr als einmal musste Philipp II. Staatsbankrott anmelden, mehr als einmal ging den Spaniern ein sicherer Erfolg dadurch verloren. Im Jahre 1575 zum Beispiel hätten die Spanier nur noch wenig Anstrengung gebraucht, um Wilhelm von Oranien und seine Niederlande zu einer Fussnote der Geschichte zu machen. Doch Philipp erklärte am 1. September den Staatsbankrott, und die spanischen Soldaten, seit Monaten ohne Sold, gaben den Krieg gegen die Niederlande auf und plünderten die verbündeten, aber reichen Städte in Flandern und Brabant. Weder Philipp noch seinen Nachfolgern auf dem spanischen Thron sollte es je gelingen, seine Ansprüche auf die Weltherrschaft mit den finanziellen Ressourcen des Landes zu vereinbaren.



40. Die Königin der Piraten

Elisabeth I., Königin von England (1558–1603). Shilling, 1591–1595. Gekrönte Büste Elisabeths n. l. Rs. Wappen auf langem Kreuz.

E

lisabeth I. herrschte über ein Land, das die kontinentalen Zeitgenossen als ziemlich unterentwickelt empfanden. Gerade in der Waffenproduktion blieb es weit hinter den Zentren in Flandern und Brabant, in Augsburg und Nürnberg zurück. Dies lag daran, dass in England kaum noch Kupfer oder Zinn abgebaut wurde. Eisen dagegen war im Überfluss vorhanden. Doch der Eisenguss steckte damals in den Kinderschuhen, und die ersten Kanonen, die in Sussex mit besonderer Förderung Heinrichs VIII. aus Gusseisen hergestellt wurden, machten zunächst keinen besonders Vertrauen erweckenden Eindruck. Sie entwickelten sich aber während der Herrschaft Elisabeths zu einem Exportschlager. Zwar sollten sie nie die Qualität der bronzenen Geschütze erreichen, aber hinsichtlich Preis und niedrigem Gewicht waren sie unschlagbar. Die Ersten, die sich diese neue Errungenschaft zu Nutze machten, waren nach Amerika fahrende Händler und Abenteurer. Eigentlich hatten die Spanier das Betreten «ihrer» Kolonien ja verboten. Aber schliesslich waren sie sowieso Feinde, noch dazu katholisch, und so sahen die englischen Kapitäne kein Verbrechen darin, neben dem eigentlich beabsichtigten Handel noch ein wenig Plünderung und Raub zu betreiben. Offiziell wusste die Königin von solchen Unternehmungen natürlich gar nichts. Inoffiziell beteiligte sie sich an der Finanzierung solcher Fahrten.

108

Zwei Dinge machten die Piraten im Dienst der Königin unwiderstehlich: zum einen die überdurchschnittlich grosse Mannschaft, der die spanischen Handelstransporter im Falle des Enterns nichts entgegenzusetzen hatten, zum anderen die zahlreichen Eisenkanonen auf den englischen Schiffen, deren Feuerkraft den Waffen der Spanier weit überlegen war. Der erfolgreichste Freibeuter seiner Zeit wurde Sir Francis Drake. Er kehrte 1580 von seiner Weltumsegelung mit einem Vermögen von 600 000 Pfund an Bord zurück. Er hatte ohne allzu grossen Widerstand ein spanisches Schatzschiff geentert, dessen Name «Cacafuego» eigentlich für seine grosse Feuerkraft hätte stehen sollen. Die Ladung des «Feuerspeiers» bestand aus 13 Kisten mit Silbermünzen, 26 Tonnen Silberbarren, 72 Pfund Gold sowie Juwelen und Perlen. Dieser Schatz beeindruckte die ständig unter Geldknappheit leidende Königin Elisabeth. Sie erhielt die Hälfte des Erlöses als ihren Anteil am Gewinn, beteuerte gegenüber dem spanischen Botschafter ihre Unschuld und adelte Francis Drake, der später bei der Abwehr der spanischen Armada ewigen Ruhm in England gewinnen sollte.



41. Augsburg im Dreissigjährigen Krieg

Freie Reichstadt Augsburg. Taler, 1641. Gepanzerte und drapierte Büste des Kaisers Ferdinand III. von Habsburg (1637–1657) n. r., um den Hals den Orden vom Goldenen Vlies. Rs. Stadtansicht von Augsburg, davor Stadtbefestigungen, davor Stadtwappen Pyr auf Kartusche.

A

ugsburg besass den Status einer freien Reichsstadt, was die Bürger der Stadt stolz auf ihren Talern verkündeten, indem sie Kaiser Ferdinand III., juristisch ihr direktes Oberhaupt, auf die Vorderseite der Prägung setzten. Doch dies hatte nicht nur Vorteile. Gerade im Dreissigjährigen Krieg zeigte es sich, dass die freien Reichsstädte ganz besonders zu leiden hatten, da kein Landesherr sich dafür verantwortlich fühlte, sie zu schützen oder ihnen beizustehen. Die Inflation von 1622/23 frass die städtischen Finanzreserven auf. Und während der Hungerjahre 1627–29 gab es niemanden, der Korn und Nahrung schickte. Auch Augsburg hatte unter dem Krieg schwerer zu leiden als andere Städte, die Unterstützung bei ihrem Herrschergeschlecht fanden. Die Schweden eroberten 1632 die Stadt und pressten während ihrer mehrmonatigen, brutalen Belagerung das letzte Geld für Kontributionen aus den Bürgern heraus. Nur, um einen Eindruck davon zu geben: Die Belagerer zwangen die mittlerweile finanziell völlig erschöpften Augsburger, pro Monat 7000 bis 8000 Gulden für Soldzahlungen aufzubringen, während das gleichzeitige Steueraufkommen bei 300 Gulden lag. Im Winter 1634/35 wurden die Schweden von den Kaiserlichen vertrieben, der Krieg zog weiter, die Bürger konnten aufatmen. Aber was hiess das schon? Wie sich all dies finanziell auswirkte, darüber sind wir durch Steuerakten informiert, die uns zeigen, 110

wie es um das Vermögen der Augsburger zu Beginn und bei Ende des Dreissigjährigen Krieges bestellt war: Steuersumme

Anteil an der Bevölkerung 1618

«Habnit» 1–15 Kreuzer 16–30 Kreuzer 1–10 Gulden 10–100 Gulden bis 500 Gulden über 500 Gulden

48,5 % 13,2 % 7,0 % 16,5 % 6,6 % 1,35 % 0,01 %

Anteil an der Bevölkerung 1646 37,2 % 4,2 % 22,0 % 18,0 % 5,7 % 0,5 % –

Der Krieg hatte die «Superreichen» mehr oder minder völlig beseitigt. 1618 hatten 128 Personen über 100 Gulden Steuern bezahlt, nach dem Krieg waren es gerade noch 20. Die Vermögen waren aufgezehrt worden durch die häufigen Umlagen, mit denen man alle Forderungen befriedigte, die die Staatskasse nicht mehr begleichen konnte. Geschrumpft war aber auch der Anteil der Habenichtse und der kleinen Leute. Das lag nicht daran, dass sie zu Geld gekommen wären, sondern dass unter ihnen der Anteil der Opfer besonders hoch lag. Von den 5392 Haushalten der Armen und Ärmsten, die 1618 im Steuerregister gemeldet waren, existierten 1646 gerade noch 1746. «Gewonnen» hatte eigentlich nur die Mittelschicht – sofern man das blosse Überleben überhaupt gewinnen nennen kann.



42. Der Herzog von Friedland

Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland (1625–1634). Taler 1627, geprägt unter der Aufsicht des Münzmeisters Georg Reick, Münzstätte Jičin. Gepanzerte Büste Wallensteins mit Feldherrenmantel und hohem Kragen von vorne. Rs. Mit Herzogshut bekröntes Wappen.

A

lbrecht von Wallenstein diente bei Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges als Obrist in der böhmischen Armee. Die war nun gerade dabei, den Kriegsherrn zu wechseln. Die Stände planten, den gewählten König Ferdinand II. von Habsburg gegen den Pfalzgrafen bei Rhein auszuwechseln. Wallenstein wollte diese politische Kehrtwendung nicht nachvollziehen. Er war Katholik, vermutlich sogar ein überzeugter. So beschloss er, seinem katholischen, rechtmässig gewählten Herrn die Treue zu halten. Im April 1619 bot sich dafür die Gelegenheit. Wallenstein war die mährische Kriegskasse zur Bewachung anvertraut: 96 000 Taler, eine enorme Summe, die auch der ständig in Finanznöten steckende Kaiser gerne gehabt hätte. Grund genug für Wallenstein, sein Heer zu überreden, sich den Habsburgern anzuschliessen. Er erstach einen Unteroffizier, der dazu keine Lust zeigte, und ritt mit der Militärkasse in Richtung Wien. Niemand konnte ihn mehr einholen. Der Kaiser nahm Wallenstein mit offenen Armen auf. Und das war gut, denn in Böhmen konnte er sich vorläufig nicht blicken lassen. Dorthin kehrte er erst zurück, als der Aufstand gegen Ferdinand niedergeschlagen war. Damit war allerdings die grosse Stunde Wallensteins gekommen. Denn in Prag verteilte man die Güter der Rebellen zu Schleuderpreisen: Ferdinand brauchte Geld für den Krieg. Und Wallenstein, der eine reiche Frau geheiratet hatte und deshalb über 112

genügen Bargeld verfügte, sah sich bald im Besitz von über 50 Gütern. Dies war viel und wenig zugleich. Andere Adlige besassen ähnlich viel Land. Aber Wallenstein sah anders als seine Zeitgenossen die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ihm seine Güter boten. Er versuchte, deren Produktivität zu erhöhen und den Ertrag durch ein genau bemessenes Steuersystem abzuschöpfen. Dies gelang ihm in einer Art und Weise, dass er über ein Einkommen verfügte, das selbst das kaiserliche weit überstieg. Im Jahre 1625 stieg Wallenstein in ein neues Geschäft ein: den Krieg. Er bot – und dies war nichts Neues (siehe Münztext 31 «Die Condottieri – Gewinner in jedem Krieg») – dem Kaiser an, Truppen auf eigene Kosten auszuheben, die er dem Kaiser dann vermieten wollte. Ungewohnt war lediglich die Grösse des von ihm aufgebauten Heeres: 40 000 Mann. Wallenstein leistete Grossartiges darin, dieses Heer zu managen und finanziellen Gewinn daraus zu ziehen. Was er aber völlig unterschätzte, war die Tatsache, dass er mit seinem riesigen Heer nicht nur ein Geschäft begann, sondern zu einer politischen Macht wurde, die der Kaiser früher oder später beseitigen musste.



43. Der sparsame Sonnenkönig

Ludwig XIV., König von Frankreich (1643–1715). Louis d’or 1693, La Rochelle. Kopf Ludwigs n. r. Rs. Gekrönter Lilienschild.

A

m 17. August 1661 bewirtete der Finanzminister Frankreichs, Nicolas Fouquet, seinen König in Vaux-le-Vicomte. Dort stand das prächtigste Schloss seiner Zeit. Es gehörte Fouquet, der Unsummen in diesen Bau investiert hatte. Und dies, während in der Staatskasse völlige Leere gähnte. Was Fouquet allerdings noch nicht wusste: Ludwig plante bereits dessen Absetzung, denn ihm und seinem neuen Finanzexperten Colbert waren Fouquets wirtschaftliche Transaktionen mehr als suspekt. Schon am 5. September liess Ludwig Fouquet verhaften und für den Rest seines Lebens einkerkern. Sofort machte sich der König an die Überprüfung der Finanzen, und was er feststellte, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Der Staatshaushalt Frankreichs basierte auf kurzfristigen Krediten von Privatleuten, die beim Eingang der Steuern mit hohen Zinsen zurückgezahlt wurden. Das tatsächliche Staatseinkommen lag im Dunkeln, denn aus dem Durcheinander an Steuern wurde auf den ersten Blick niemand schlau. Auf den zweiten Blick stellte Colbert fest, dass Fouquet in den vergangenen Jahren fast die Hälfte der französischen Staatseinkünfte veruntreut hatte. Noch schlimmer war, dass zum Zeitpunkt der Prüfung bereits das gesamte Einkommen des laufenden Jahres ausgegeben war, dazu 26 Millionen Livres im Vorgriff auf den Staatshaushalt 1662 – Rechnungen in Höhe von 9,5 Millionen Livres waren noch offen.

114

Wollte man es nicht zum Staatsbankrott treiben, blieb nur ein eiserner Sparkurs. Und Ludwig XIV. war dazu bereit. Er liess sich ein kleines, in rotes Leder gebundenes Büchlein anfertigen, in das er persönlich alle Einnahmen und Ausgaben eintrug. So konnte der König zu jedem Zeitpunkt genau sagen, wie viel Geld in der Staatskasse lag. Und diese strenge Kontrolle lohnte. Bereits 1664 waren die Finanzen Frankreichs die gesündesten in Europa. Der Monarch konnte sogar einen Überschuss von einer halben Million Livres verzeichnen, was man erst dann richtig schätzen kann, wenn man weiss, dass 1662 ein Defizit von mehr als 30 Millionen verkraftet werden musste. Frankreich war also saniert, und die nächsten Jahre übertrafen die staatlichen Einnahmen die Ausgaben ständig. Mittels dieser Überschüsse war es Ludwig möglich, den Bau von Versailles spielend zu finanzieren. Erst die unzähligen Kriege mit ihren nicht kalkulierbaren Kosten sollten das Königreich ruinieren. Und so mahnte der Sonnenkönig seinen Nachfolger auf dem Totenbett: «Ahme mich nicht nach in meiner Vorliebe für das Bauen und den Krieg, versuche im Gegenteil, mit deinen Nachbarn Frieden zu halten.» [Hervorh. d. A.]



44. Die Flucht nach Varennes

Ludwig XVI., König von Frankreich (1774–1792). 30 Sols (1⁄4 Ecu constitutionnel) 1791. Kopf Ludwigs n. l. Rs. Geflügelter Genius n. r. stehend, einen Schild mit dem Wort «Constitution» (Verfassung) beschreibend, darunter Inschrift «L’AN 3 DE LA LIBERTÉ» (Jahr 3 der Freiheit).

E

s ist eine dunkle Nacht, jene Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1791, in der sich vereinzelte Gestalten aus den Tuilerien schleichen. Ludwig XVI., König von Frankreich, hat beschlossen, Frankreich zu verlassen und sich zu seinen Verwandten ins Ausland zu begeben. Dies muss heimlich geschehen. Aber auch wenn keine Soldaten ihn bewachen, ganz Paris schaut auf ihn. Doch es gelingt: Niemand hält die Flüchtenden auf. Eine Kutsche steht bereit, um die königliche Familie aus Paris zu retten. Das erste Stück des Weges kutschiert ein treuer Verehrer Marie-Antoinettes. Danach nimmt man die offizielle Post. Die Kinderfrau gibt sich als Baronin Korff aus, der König als ihr Kammerdiener. In Clermont will man auf treue Regimenter treffen, die Ludwig auf seiner Weiterreise geleiten werden. Zumindest ist es so geplant. Aber das Unternehmen ist von Anfang an vom Pech verfolgt. Der Zeitplan kann nicht eingehalten werden. Zweimal stürzen die Pferde, zweimal reisst das Zaumzeug und muss mühsam geflickt werden. Und in Clermont stehen und warten inzwischen die treuen Soldaten. Sie sitzen mitten auf dem Marktplatz auf ihren Pferden, einsatzbereit, und um sie rotten sich die Bauern zusammen. Was wollen diese schweigenden Kämpfer? Wurden sie geschickt, um die Revolution zu vernichten? Die Stimmung wird explosiv. Die ersten Bauern greifen zu den Waffen, da gibt der Offizier den Befehl zum Abzug. Den König würde man eben später treffen. 116

So erfährt Ludwig in Clermont, dass er – schnell, schnell – weiter müsse nach Varennes. Dort stellt der Kutscher lapidar fest, seine Pferde seien müde, man müsse Rast machen. Ein Postmeister kommt heran. Als der einen Blick in die Kutsche tut, traut er seinen Augen nicht: Der Mann da in der Kutsche, er sieht genau so aus wie der König, der auf seinem Geldschein dargestellt ist. Im ganzen Dorf läuft der Postmeister herum, um es zu erzählen: «In der Kutsche da, dort sitzt der König, der König von Frankreich auf der Flucht!» Der Rest des Dramas ist schnell erzählt. Die Bürger von Varennes hielten den flüchtenden Monarchen so lange fest, bis Vertreter der Nationalversammlung eintrafen, die den König wieder nach Paris schafften. Die Flucht aber zerstörte das Vertrauen in die Monarchie völlig. Mehr als 6000 Bürger von Paris unterschrieben eine Petition, die verlangte, dass man den König des Verrats anklagen solle. Dies geschah ja dann auch: Der König von Frankreich wurde abgesetzt, als Ludwig Capet vor Gericht gestellt und am 21. Januar 1793 hingerichtet.



Neue Köpfe für eine neue Welt

A

ls am 21. Januar 1793 der Kopf Ludwigs XVI. vom Schafott rollte, war nicht nur ein König gestorben, sondern ein ganzes System abgeschafft: Mit Frankreich machte sich eine weitere Nation daran zu beweisen, dass Monarchen überflüssig sind für das Wohl der Völker. Auch wenn sich die Republik in Frankreich noch nicht auf Dauer durchsetzen konnte, so wurden doch in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts zumindest künstlerisch die Personifikationen, Symbole und Attribute geschaffen, die wir heute mit Freiheit, Rechtsstaat und Republik verbinden. Natürlich kamen all diese Bilder nicht aus dem Nichts. Die Künstler entsannen sich antiker Darstellungen, die sie umgestalteten, um ihre Vorstellung vom Staat in Bildern auszudrücken. Schon die Griechen kannten Gottheiten, die ihnen quasi eine Verkörperung ihrer Stadt waren. Quellnymphe, Flussgott oder zum Heros erhobene Stadtgründer, sie alle konnten den Namen der Stadt tragen und so zum gemeinsamen Symbol werden für die Bevölkerung. Bei ihnen handelte es sich zumeist um uralte Naturgottheiten, deren Verehrung so eng mit dem Wohl der Stadt verbunden war, dass sich ihr Name auf den Platz übertragen hatte. Doch die Zeit der schützenden Gottheiten ging zu Ende. In der Zeit des Hellenismus, als mächtige Könige aus den Geschlechtern der Seleukiden, der Ptolemäer oder der Antigoniden bewiesen, dass der Mensch mächtiger war als alle Götter des Olymp, begannen die Bürger,Tyche zu opfern, dem Glück bzw. dem Schicksal der Stadt. Tyche wurde dargestellt mit einer Mauerkrone, da sie genau wie die Stadtmauer in der Lage war, die Bevölkerung zu schützen, mit einem Füllhorn, das überquellen mochte von ihren guten Gaben, und gelegentlich mit einem Ruder, Symbol der Fahrt über das Meer des Schicksals, wo der Mensch völlig den Umständen ausgeliefert schien. Häufig wurde Tyche der Name der Stadt gegeben, die sie schützte. So wurde sie zur Repräsentantin eben dieser Stadt und wir sehen sie auf Bildern, wie sie – stellvertretend für die Gemeinschaft der Bürger – den Kaiser begrüsst, ihm opfert oder sich mit einer anderen Tyche trifft. Die weibliche Verkörperung einer Gemeinschaft von Menschen war damit geschaffen. Diese Art der allegorischen Darstellung wurde von den Römern übernommen. Hier auf unserer Münze ist die Ikonographie schon

Himera (Sizilien). Hemilitron, um 400 v. Chr. Kopf der Nymphe Himera mit breitem Band im Haar von vorne. Rs. Flusskrebs n. l., darüber sechs Wertkugeln, die das Nominal symbolisieren.

Römische Republik. Denar, geprägt unter der Aufsicht der Münzmeister Q. Fufius Calenus und P. Mucius Scaevola, 70 v. Chr. Belorbeerter Kopf des Honos und behelmter Kopf der Virtus, beide nebeneinander n. r. Rs. Italia mit Füllhorn und Roma mit Lanze und Schwert, den Fuss auf Globus gestützt; beide reichen sich die Hand.

119


vollständig ausgeprägt: Italia, im langen Gewand ein Füllhorn haltend, reicht Roma ihre Hand. Roma ist mit all den Attributen ausgestattet, die ein stolzer Römer ihr zuschreiben mochte. Wie eine kämpfende Amazone trägt sie ein kurzes Gewand, das eine Brust freilässt. Sie hält eine Lanze und an ihrer Seite hängt ein Schwert. Die militärischen Ambitionen der Römer kamen also bereits in der Personifikation ihres Staates zum Ausdruck. Auch ihr Anspruch auf die Weltherrschaft bestimmte die Ikonographie: Roma stützt ihren rechten Fuss auf den Erdball. Diese weiblichen Personifikationen fanden seit der Renaissance Eingang in den Formenschatz der modernen Welt. Wir kennen heute Bavaria, Britannia, Germania, natürlich Helvetia und wie sie alle heissen. Sie alle werden als Frauen dargestellt, denen man die Attribute beigibt, die kennzeichnend für das jeweilige Land scheinen. Britannia hier auf unserem Beispiel sitzt auf einem Felsen, umgeben vom Meer, auf dem im Hintergrund ein kleines Schiff in die Ferne fährt. Sie hält in der linken Hand den Dreizack, früher Attribut des Herrn der Meere, Poseidon. Damit wird angespielt auf das, was den Engländern seit dem 18. Jahrhundert das wichtigste Element ihrer Macht war: die Seeherrschaft. Dass Britannia natürlich nur die besten Absichten für die von ihr beherrschten Länder hatte, wird auf unserer Prägung ausgedrückt durch den Ölzweig, von dem man glaubte, dass ihn in der Antike die Botschafter des Olympischen Friedens mit sich getragen haben. Neben den Städtepersonifikationen kennen wir heute natürlich noch viele andere allegorische Frauengestalten, die für abstrakte Begriffe wie Freiheit, Frieden, Fortschritt und vieles mehr stehen. Sie gehen zurück auf Glaubensvorstellungen aus römischer Zeit. Die Bewohner der Tiberstadt waren in erster Linie Bauern und hatten als solche eine recht archaische, fast magische Auffassung vom Wirken des Göttlichen. Sie sahen hinter jedem Vorgang in der Natur eine übernatürliche Macht. «Jemand» bewirkte das Blühen der Bäume, sorgte dafür, dass die Blüte zur Frucht wurde und bewahrte den Baum vor Schädlingen. Und natürlich war es eine göttliche Macht, die Eintracht schenkte zwischen Senat und Volk von Rom (Concordia), die den jungen Menschen die fromme Bewahrung des Althergebrachten eingab (Pietas) und den jungen Männern Tapferkeit ins Herz pflanzte (Virtus). Diese Mächte waren also 120

England. Georg III. (1760–1820). Penny 1806. Drapierte Büste des Königs mit Lorbeerkranz n. r. Rs. Britannia n. l. sitzend, in der rechten Hand Zweig, in der linken Hand Dreizack, im Hintergrund Schiff auf Meer.

Römische Republik. Denar, geprägt unter der Aufsicht der Münzmeister Q. Fufius Calenus und P. Mucius Scaevola, 70 v. Chr. Belorbeerter Kopf des Honos (Macht, die bewirkt, dass einem verdienten Mann politische Ehren zugestanden werden) und behelmter Kopf der Virtus (Macht, die bewirkt, dass ein Mann über alle Tugenden verfügt, die einen echten Römer ausmachen), beide nebeneinander n. r. Rs. Italia mit Füllhorn und Roma mit Lanze und Schwert, den Fuss auf Globus gestützt; beide reichen sich die Hand.


wichtig, so wichtig, dass ihr Kult vom Staat organisiert wurde. Der Concordia zum Beispiel war ein grosser Tempel geweiht. Und natürlich wurden die wichtigsten dieser göttlichen Mächte im Münzbild dargestellt. In der Renaissance verstand man diesen Hintergrund nicht mehr. Man dachte, all die Tugenden wären als Münzbild gewählt, um die guten Eigenschaften der Herrschenden zu illustrieren. Und man bediente sich munter aus dem Schatz der Bilder, den die inzwischen zur Allegorie gewordenen römischen Gottheiten zur Verfügung stellten. Besonders Libertas gewann an Bedeutung, als es den ersten Republiken der modernen Welt darum ging, sich auch im Münzbild von den Monarchien zu unterscheiden. Wesentliches Attribut der Libertas war der Pileus, eine Kappe, die dem gerade eben freigelassenen Sklaven auf den Kopf gesetzt wurde. Geradezu berühmt wurde das Münzbild des Brutus, das die Freiheitskappe zwischen zwei Dolchen zeigt. Diese Darstellung war in allen Sammlungen von Emblemata und Sinnbildern vorhanden, die einem Stempelschneider der frühen Neuzeit zur Verfügung standen. So wurde der Freiheitshut für republikanisch gesinnte Künstler zum Sinnbild der Freiheit. Der Krieg der Protestanten und Calvinisten in den Niederlanden gegen ihren spanischen und damit katholischen Herrscher war ein Kampf, der nicht nur mit Waffen, sondern vor allem mit propagandistischen Mitteln geführt wurde. Und in den Flugblättern der Aufständischen erschienen viele neue und abgeänderte Symbole zum ersten Mal. Weite Verbreitung fand das Bild des Freiheitshutes auf einem Speer. Hatte die römische Libertas den Pileus noch in der Hand gehalten und damit die Freiheit charakterisiert als etwas, das einem geschenkt wird, so trug nun der niederländische Löwe den Freiheitshut auf einem Speer und sagte damit ganz klar, dass die Niederlande sich ihre Freiheit selbst erkämpft hatten. Die niederländische Version der Freiheit wurde dann schliesslich eine Frau, die wie der Löwe den Freiheitshut auf einem Speer trug, den linken Ellbogen auf ein Gesetzbuch stützte und deren Kopf ein Helm schützte, um zu zeigen, dass man in den Niederlanden durchaus bereit war, seine Freiheit zu verteidigen.

Römische Kaiserzeit. Claudius (41–54). As, 50–56. Kopf des Claudius n. l. Rs. Libertas mit Pileus (siehe Text) frontal stehend, den Kopf n. r. gewandt.

Leyden (Niederlande). Notemission des Jahres 1574. Notmünze im Wert eines Talers zu 28 Stuiver aus Pappe. Stadtwappen in Kartusche. Rs. Löwe n. l. gehend, in beiden Händen Speer, auf dem ein Freiheitshut thront, darum Jahreszahl 1574.

Niederlande. 10 Stuiver 1750, Utrecht. Personifikation der Freiheit frontal stehend, in der rechten Hand Lanze, auf der Freiheitshut steckt, den linken Ellbogen auf Buch gestützt. Rs. Gekröntes Wappen.

121


Ikonographie ist eine lebendige Bildersprache, die sich verändert und in der mit gleichen Versatzstücken immer neue Inhalte ausgedrückt werden, die im Übrigen nicht immer so klar und eindeutig sind, dass wir sofort verstehen, was gemeint ist. Für was zum Beispiel steht diese Frau, die einen Helm mit Lorbeerkranz trägt? Ist es das befreite Italien, wie die Umschrift angibt? Ist es Minerva, der sonst der Helm als Attribut beigeschrieben wurde? Oder ist es vielleicht doch die gerüstete und siegreiche Freiheit? Vielleicht lag dem Stempelschneider aber gerade daran, sein Bild nicht eindeutig festzulegen und mittels verschiedener Symbole beim Betrachter eine ganze Reihe von unterschiedlichen positiven Assoziationen zu wecken.

Italien. Subalpine Republik. 20 Franc Jahr 10 (= 1802), Turin. Drapierte weibliche Büste mit Helm und Lorbeerkranz n. l., darum die Legende (in Übersetzung) «Das in Marengo befreite Italien». Rs. Kranz, darin und darum Schrift.

Unsere Vorstellung von Freiheit entstand in Frankreich, wo die phrygische Mütze, die seit 1792 als die korrekte Kopfbekleidung der engagierten Revolutionäre galt, der die Freiheit verkörpernden Frau auf den Kopf gesetzt wurde. Diese Ikonographie der Freiheit wurde praktisch ohne wesentliche Änderungen auf die Personifikation der Republik übertragen, sodass Frankreich jahrhundertelang durch seine Bilder proklamierte: «Die Freiheit und unser Staat, das ist ein und dasselbe.» Doch nicht nur weibliche Personifikationen konnten stellvertretend für eine bürgerliche Gemeinschaft stehen. Besonders beliebt war es gerade in der Schweiz, einen «typischen» Einzelvertreter des Volkes repräsentativ für die Gemeinschaft darzustellen. Ein Landsknecht, wie er bei Morgarten, Sempach, Murten und Dornach der Schweiz die Freiheit gewonnen hatte, war ein solches Symbol. Erst als im Zuge der paneuropäischen Friedensbewegungen das militärische Element im Münzbild zurückgedrängt wurde, ersetzte man ihn durch schlichte Alphirten und Sennenmädchen. Natürlich können auch Individuen, auf die ein Land stolz ist, ihre Gemeinschaft repräsentieren. Auf den 2002 eingeführten Euromünzen finden wir viele solche Beispiele: Cervantes für Spanien, Dante für Italien oder Berta von Suttner für Österreich. Auch die Münzstätte der USA wollte im Jahre 2000 ihre «political correctness» zum Ausdruck bringen und schuf einen Dollar, der Sacajawea gewidmet war, einer jungen Schoschonin, die in den Jahren 1805/06 die Pazifikexpedition von Lewis und Clark beglei122

Frankreich. 1 Centime 1850, Paris. Kopf der Republik mit phrygischer Mütze n. l. Rs. Wert in Perlkranz.

Schweiz. Helvetische Republik. Neutaler zu 40 Batzen 1798. Mittelalterlicher Landsknecht mit Fahne von vorne gesehen. Rs. Wert in Kranz.


tete. Durch die Ergebnisse dieser Forschungsreise wurde den Siedlern der Weg in den Westen geebnet. Und Sacajawea hatte durch ihre Tätigkeit als Übersetzerin wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen. Sie gilt den weissen Amerikanern als die grosse Integrationsfigur des Landes, als das Urbild des Zusammenlebens zwischen Weiss und Rot. Ob das die Stämme, die von den der Expedition nachfolgenden Siedlern ausgerottet wurden, auch so gesehen haben mögen, bleibt dahingestellt. Die Aufschrift «LIBERTY» auf dieser Münze scheint jedenfalls dem denkenden Menschen als blanker Hohn: Sacajawea, die Lewis und Clark von ihrem Stamm als Sklavin verkauft worden war, hatte nie die Möglichkeit, selbst frei über ihr Schicksal zu entscheiden. Gerade das letzte Beispiel zeigt, dass Münzbilder nicht vom tatsächlichen Geschehen bestimmt sind, sondern von den Vorstellungen, die sich Menschen von ihrer Umwelt und ihrer Vergangenheit machen. Auch ist es heutzutage ein ungeschriebenes Gesetz, dass mit Ausnahme der gekrönten Monarchen kein lebender Mensch auf Münzen dargestellt werden darf. Und die Toten, die können sich nicht mehr wehren, gleich welcher Staat ihr Bild für welche Zwecke missbraucht.

USA. Dollar 2000. Sacajawea, eine junge Indianerin, mit ihrem Kind n. r. gewandt, von hinten gesehen. Rs. Adler n. l. fliegend.

123


45. Die Geburt der Freiheit

Frankreich. Medaille, ausgegeben auf Veranlassung der Künstler von Lyon im Jahre 1792. Kopf der Freiheit mit wehenden Haaren n. l., über der Schulter Stab, darauf Freiheitshut, darunter Inschrift (in Übersetzung) «Jahr 1 der Französischen Republik». Rs. Inschrift (in Übersetzung) «Der Nationalversammlung von den vereinigten Künstlern von Lyon, geprägt aus reinem Glockenmetall im Jahr 1792» in Eichenkranz.

A

m 10. August 1792 erklärte die Nationalversammlung Ludwig XVI. für abgesetzt. Dies war ein Ereignis, das zu Beginn der Revolution unmöglich geschienen hatte. Im ganzen Land wurde darüber diskutiert, und das nicht nur auf der Strasse. Ort der politischen Auseinandersetzung waren die Clubs, in denen sich Gleichgesinnte in ganz Frankreich austauschten. Darüber hinaus organisierten deren Mitglieder gemeinsam Aktionen zur Verbreitung revolutionären Gedankenguts. Ein Lyoner Club zum Beispiel hatte im Herbst 1792 die Idee, seine Begeisterung für die Geschehnisse des Jahres in einer Medaille zum Ausdruck zu bringen. Eine offizielle Delegation der Künstler von Lyon sollte dieses Stück, dessen Vorderseitenmotiv sich durchaus für die überfällige neue Münzemission ohne Königsporträt geeignet hätte, dem Nationalkonvent übergeben. Thema der Medaille war die Freiheit. Sie hatte für diese Medaille ein neues Gesicht bekommen. Wurde sie bisher als züchtiges Mädchen mit geordneten Haaren im antiken Gewand dargestellt, so drückte sich in ihr nun die ganze Begeisterung einer jungen Generation aus, die bereit war, für ihre Ideale zu kämpfen. Und mit offenen Haaren, nach hinten geweht, als ob sie eilig liefe, sah die Personifikation der Freiheit genauso aus wie die Zeitgenossen, die mitgezogen waren, um die Bastille zu erstürmen. Menschen wie sie verfügten über genug Begeisterung, um die neuen 124

Ideale unter allen Völkern zu verbreiten. Tatsächlich herrschte ja 1792 noch ein unbegrenzter Optimismus. Und nach den ersten Siegen der französischen Armee versprach der Nationalkonvent allen unterdrückten Völkern der Welt die Hilfe Frankreichs. Getragen wurde diese missionarische Bewegung vor allem von den Jakobinern und Sansculotten, die als Zeichen ihrer revolutionären Gesinnung die phrygische Mütze trugen. Und eben diesen «bonnet rouge» gaben die Künstler von Lyon ihrer Freiheit als Attribut. Doch in Lyon herrschte nicht mehr lange Begeisterung für die Ideale der Französischen Revolution. Denn im März 1793 entsandte der Nationalkonvent in alle Provinzen Kommissare, die dafür sorgen sollten, dass die Menschen ausserhalb von Paris «auf Linie gebracht» wurden. Das ging den Bewohnern von Lyon zu weit. Nicht alle waren radikale Jakobiner, aber viele waren bereit, ihre politische Überzeugung mit Gewalt durchzusetzen. So kam es im Juli 1793 in Lyon zu dem, was man in Paris einen konterrevolutionären Aufstand nannte. Er wurde blutig niedergeschlagen und Lyon mittels der Guillotine von allen «reaktionären» Kräften gesäubert.



46. «Rufst du, mein Vaterland»

Schweizerische Eidgenossenschaft. 20 Franken 1883, Bern. Personifikation der Helvetia mit Diadem und Alpenrosenkranz n. l. Rs. Schweizer Wappen in Kranz von Eichen- und Lorbeerlaub.

W

er heute die Umlaufmünzen der Schweiz betrachtet, hat einen direkten Zugang zum 19. Jahrhundert: Seit weit mehr als 100 Jahren werden hier dieselben Münzbilder benutzt. Die Vorderseite der ersten, für den Umlauf geschaffenen Goldmünze der modernen Schweiz, die 1883 geprägt wurde, sah nicht wesentlich anders aus als die in den Jahren 1879 bzw. 1881 eingeführten 5-, 10- oder 20-Rappen-Stücke, mit denen wir auf eidgenössischem Gebiet heute noch bezahlen. Doch was auf uns vielleicht ein wenig altväterisch wirkt, war bei seiner Einführung hochaktuell und die modernste Form der Selbstdarstellung. Helvetias tummelten sich nämlich nicht nur im Münzbild: Jeder Festumzug, jedes Festspiel wurde mit jungen Frauen verziert, die sich als Personifikation der Schweiz, ihrer Kantone oder Städte produzierten. Anbei ein Beispiel von vielen, in denen uns Helvetia direkt gegenübertritt. Anlässe wie dieser liessen damals Helvetia zu einem höchst lebendigen Motiv werden. Im Jahre 1892 fand in Basel eine grosse Feier anlässlich der 500sten Wiederkehr des Tages der Vereinigung von Gross- und Kleinbasel statt. Gekrönt wurden die Zeremonien mit einem gigantischen Schauspiel, das Rudolf Wackernagel, ein sonst zu Recht unbekannter Freizeitdichter, verfasst hatte. In verschiedenen historischen Szenen rollte die Geschichte Basels vor den Augen der Zuschauer ab. Nach 126

dem letzten Bild versammelten sich alle Darsteller auf der Bühne. Sie bildeten den farbenprächtigen Hintergrund für den Auftritt von Basilea, der Verkörperung von Basel, und Helvetia. Für diese Rollen hatte man junge Damen ausgewählt, deren Väter wichtige Positionen in der Politik bekleideten. Sie trugen lange Gewänder, verziert mit den jeweiligen Wappen. Basilea balancierte dazu eine Mauerkrone auf dem Kopf, Helvetia trug ein Diadem. Dieses Diadem finden wir auch im Münzbild. Es trägt die Aufschrift «LIBERTAS» (Freiheit) und formuliert damit bildlich die Aussage, dass die Schweiz durch die Freiheit geschmückt sei: Auftritt Klio, die Muse der Geschichtsschreibung. Sie erzählt, wie Basel eingetreten sei in den Bund der Eidgenossen. Darauf Basilea: Nur die Freiheit sei es gewesen, die sie dazu bewegt habe, sich in die Arme der mütterlichen Schweiz zu begeben, um eben diese Freiheit als ewiges Geschenk der Mutter zu erhalten. Helvetia spricht nun mit viel Pathos über ihre mütterlichen Gefühle für Basilea und alle, die sich nach Freiheit sehnen. Beide umarmen sich und zum Abschluss singen alle Darsteller zusammen mit dem Publikum die damalige Schweizer Nationalhymne «Rufst du, mein Vaterland».



47. Das frivole Vreneli

Schweizerische Eidgenossenschaft. 100 Franken 1925, Bern. Büste einer Frau in ländlicher Tracht n. l. vor Bergwelt. Rs. Schweizer Kreuz in Glorie über Wert und Jahreszahl, darunter Zweig von Alpenrosen.

G

egen Ende des 19. Jahrhunderts beschloss das Eidgenössische Finanzdepartement, ein neues Münzbild in Auftrag zu geben, das «durch ein schweizerisches, nationales Motiv, durch allegorische oder historisch-symbolische Darstellung der Schweiz die Helvetia zum allgemein-verständlichen Ausdruck» bringen sollte. Als sich im Mai 1895 eine Jury zusammensetzte, um über die 21 eingegangenen Entwürfe zu beraten, fand sie nichts, was voll und ganz ihren Vorstellungen entsprochen hätte. Am ehesten gefiel den ehrwürdigen Juroren noch der Entwurf des Neuenburger Medailleurs Fritz Landry, der ein junges, hübsches Mädchen als Helvetia modelliert hatte. Wenn es ihm gelänge, diese Frau ein wenig reifer und mütterlicher zu gestalten, dann, so dachten die Experten, würde vielleicht noch eine echte Helvetia daraus werden. Landry machte sich an die Arbeit. Statt offener Haare stattete er sein Modell nun mit einem säuberlich geflochtenen Zopf aus, der das Haupthaar bändigte. Die Gesichtszüge wurden ein bisschen gerundet und statt des Rhododendron ein Kranz von Edelweiss um den Hals der Frau gelegt. Damit hätte man sich schon fast anfreunden können, aber ein besorgter Magistrat bemängelte die Stirnlocke der Dame, die «dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen» gebe. Und dies sei nun wirklich nicht vereinbar mit der Würde einer Personifikation der Schweiz.

128

Die Stirnlocke wurde also weggelassen, und endlich war der Weg frei für das «Vreneli». Aber dass nicht etwa einer glaube, die Fachleute hätten sich über ein so schönes neues Münzbild gefreut. Im Gegenteil, man bemängelte, dass die Heimat ja schliesslich eine Mutter und Nährerin sei. Deshalb dürfe sie einzig durch eine Mutter zwischen Jugend und gereiftem Alter dargestellt werden. Ausserdem fand man, dass die Münze dem unter Touristen weit verbreiteten Irrtum Vorschub leiste, die Schweiz sei ein Land der Berge und das Schweizer Volk setze sich hauptsächlich aus Hirten und Hoteliers zusammen. In der Schweizer Numismatischen Rundschau wurde damals geschrieben: «Besser wäre unser Land durch Wilhelm Tell oder die Mannen vom Rütli dargestellt worden.» – Dies geschah übrigens tatsächlich im Jahre 1955. Die goldenen 50-Franken-Stücke mit den drei Eidgenossen und die 25-Franken-Stücke mit Wilhelm Tell, ebenfalls aus Gold, ruhen immer noch in den Tresoren der Nationalbank. Doch was immer auch die Experten reden mochten, die Benutzer liebten «das Vreneli», wie man die Dame auf den 10-, 20- und 100-Franken-Stücken seit dem Zweiten Weltkrieg liebevoll nannte.



48. Simón Bolivar, der Freiheitsheld von Südamerika

Bolivien. 8 Soles 1827, Potosí. Büste Simón Bolivars in Uniform mit Lorbeerkranz. Rs. Baum zwischen zwei Lamas, darüber sechs Sterne.

I

n nicht einmal zwei Jahrzehnten erkämpften sich die Provinzen Spaniens in Südamerika die Freiheit. Held ihres Kampfes wurde Simón Bolivar, der von Anfang an in den Freiheitskriegen eine führende Rolle spielte. Simón Bolivar, geboren 1783 in Caracas, entstammte einer der reichsten einheimischen Familien mit besten Verbindungen nach Europa. So besuchte Bolivar schon in jungen Jahren Frankreich, wo zur Zeit seines Besuches die Französische Revolution gerade in vollem Gange war. Die neuen Ideen beflügelten den jungen Mann, der später (seit 1810) stets dort zu finden war, wo man versuchte, die spanischen Truppen mit Waffengewalt aus Lateinamerika zu vertreiben. Ein Sozialreformer oder Demokrat war Simón Bolivar mit Sicherheit nicht, weder lag ihm die Befreiung der Sklaven noch die politische Gleichstellung von Arm und Reich am Herzen. Er war nicht mehr und nicht weniger als der bedeutendste Kriegsheld, mit dessen Hilfe eine spanische Provinz nach der anderen unabhängig wurde: Venezuela, Kolumbien, Panama, Ecuador, Peru und schliesslich, im August 1825, Alto Perú, ein unzugängliches Hochland, wo spanische Truppen bis zuletzt ausgeharrt hatten, um die reichen Silbervorkommen von Potosí zu verteidigen. Schon im Februar 1825 war Alto Perú den Anhängern Bolivars kampflos zugefallen. Denn die Spanier hatten eingesehen, dass ein weiterer Widerstand sinn130

los war. Nun stellte sich die Frage, welchem Staat das eroberte Gebiet zugeschlagen werden sollte. Sowohl Peru als auch Argentinien erhoben Anspruch auf das Land und dessen Silbervorkommen. Diktator von Peru war in diesen Jahren Simón Bolivar, der sich im Interesse des Friedens dafür aussprach, Alto Perú die Unabhängigkeit zu gewähren. Argentinien war bereit, diese Lösung zu akzeptieren: Es benötigte die Hilfe Bolivars gerade dringend im Kampf gegen Brasilien. So konnte sich also eine konstituierende Versammlung am 10. Juli 1825 in einer Stadt mit dem unaussprechlichen Namen Chuquisaca einfinden. Dort proklamierten 39 Abgeordnete die Unabhängigkeit. Aus Dankbarkeit gegenüber Simón Bolivar nannte sich die junge Republik Republica Bolivar, was später in «Bolivien» geändert wurde, und setzte auf die ersten Münzen, die im Jahre 1827 herausgegeben wurden, das Porträt Bolivars, des Befreiers. Wie viel Bolivien Bolivar verdankte, sahen seine Bewohner kurz nach dessen Tod, als der Friede zwischen den noch jungen Staaten zerbrach. Blutige Kämpfe überzogen Südamerika erneut, doch diesmal ging es nicht um die Freiheit, sondern «nur» um die Macht.



49. Hindenburg

Deutschland. Drittes Reich. 5 Reichsmark 1938. Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf Kranz mit Hakenkreuz. Rs. Kopf Paul von Hindenburgs n. r. Randschrift «Gemeinnutz geht vor Eigennutz».

W

er immer ein Buch über das Dritte Reich aufschlägt, findet darin ein Foto, das am 21. März 1933, am Tag der Machtergreifung, aufgenommen wurde. Links steht der 86-jährige Reichspräsident von Hindenburg, auf dem Kopf die Pickelhaube, an der Seite den Säbel. Ihm schüttelt Adolf Hitler die Hand und neigt angesichts des grossen Mannes, der Verkörperung der preussischen Tradition, tief das Haupt. Wer war dieser Hindenburg, der zum Wegbereiter des «Führers» wurde? Paul von Beneckendorff und Hindenburg, so sein voller Name, geboren 1847, war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs schon pensioniert. Er meldete sich freiwillig und wurde an die Ostfront geschickt, wo es ihm gelang, ein paar wichtige, aber keinesfalls entscheidende Siege zu erringen. Doch Hindenburg blieb einer der wenigen deutschen Generäle, die überhaupt Siege vorzuweisen hatten. Deshalb ernannte man ihn 1916 zum Oberbefehlshaber. In dieser Funktion schrieb er am 2. Oktober 1918 an die Reichsregierung, dass bei einem neuen Angriff der Alliierten eine völlige Niederlage nicht auszuschliessen sei. Er lehne jegliche Verantwortung dafür ab. Der Reichskanzler leitete nicht zuletzt daraufhin Verhandlungen ein, um Frieden zu schliessen. Doch bereits im November 1919 hatte Hindenburg dies vergessen. Vor dem Untersuchungsausschuss zur Klärung der Ursachen der Niederlage verlas der 72-Jährige eine Erklärung. Die siegreiche Front 132

– so die Botschaft – sei durch die Novemberrevolution sozusagen «von hinten erdolcht» worden. Danach war der alte Mann nun wirklich reif für die Rente. Doch noch einmal, 1925, rief das Vaterland bzw. die Rechtsparteien, die in Hindenburg den einzigen aussichtsreichen Kandidaten auf ihrer Seite für das Amt des Reichspräsidenten sahen. Der mittlerweile 78-Jährige tat wie immer das, was er für seine Pflicht hielt, liess sich als Galionsfigur verwenden und wurde 1932, mittlerweile 85 Jahre alt, sogar wieder gewählt. Hindenburg hatte allerdings das Glück, bereits am 2. August 1934 zu sterben, sodass er nicht mehr mit ansehen musste, welchem Regime er den Weg geebnet hatte. Vielleicht wären ihm die nationalsozialistischen Ziele ja auch nicht so fremd gewesen. Jedenfalls nutzten die Machthaber noch im Jahre 1936 das Prestige, das der alte Militär besass, um auf den neuen 5-Reichsmark-Stücken die Parole zu propagieren «Gemeinnutz geht vor Eigennutz». Im gleichen Jahr besetzten deutsche Truppen in einem Vertragsbruch das Rheinland und machten sich damit daran, das so genannte Tausendjährige Reich auf und Deutschland zu Grunde zu richten.



50. Ein Dichter für Italien

Italien. 2 Euro 2002. Wert auf Landkarte von Europa. Rs. Büste Dantes mit Lorbeerkranz n. l.

W

as, diese Frage stellte sich Ende des 2. Jahrtausends für 15 Staaten Europas, sollte man als Motiv für die nationale Seite der Euromünzen wählen? Welches Bild war geeignet, als Identifikationsschablone für Millionen von Bürgern des jeweiligen Landes zu funktionieren? Wie wollte man sich dem angrenzenden Ausland präsentieren, wo die Münzen ja gleichfalls kursieren sollten? Jedes Land fand eine eigene Lösung, bestimmt durch Tradition, Geschichte und Staatsform. Teilweise wählten Beamte die Bilder, teilweise Kommissionen. In Italien entschied das Volk, das im Rahmen einer Fernsehshow von RAI Uno mit umwerfenden Einschaltquoten darüber abstimmte, welche Bilder auf den zukünftigen Euros zu sehen sein würden. Als Motiv für die grösste Umlaufmünze wurde schliesslich Dante Alighieri gewählt. Es mag einen merkwürdig berühren, dass das an historischen Persönlichkeiten bestimmt überreiche Italien nicht einen römischen Kaiser, einen Papst oder Politiker auf seinen Münzen porträtierte, sondern einen Dichter. Doch damit zollten die Italiener dem Manne Tribut, der Italien als Erster zur Nation gemacht hatte – wenn schon nicht im politischen Sinne, so doch im kulturellen. Vor Dantes «Göttlicher Komödie» nämlich war die Sprache der Gebildeten Latein, während sich die einfachen Leute auf der Strasse in den lokalen Dialekten unterhielten. Wer immer zum Beispiel von Venedig 134

nach Neapel reiste, verstand das ortsübliche Idiom nur mit Mühe. In dieser babylonischen Sprachverwirrung schrieb nun ein Dichter ein Werk im «volgare», in der Sprache, die er auf der Strasse gehört hatte. Und das nicht nur in den Strassen seiner Heimatstadt Florenz, denn diese Stadt musste Dante bereits in jungen Jahren verlassen, sondern in all den Orten, die er im Laufe seiner Verbannung durchwanderte. Dantes «volgare» war folglich eine Kunstsprache, die durch die Popularität seines Werkes zu jener Sprache wurde, die alle Gebildeten beherrschten. Durch Dante verstanden sich die Kaufleute aus Padua auf einmal mit den Klerikern von Rom, die Wollfärber von Florenz konnten sich mit ihren Kollegen aus Prato austauschen und die Befehle der Kapitäne von Genua wurden von den Matrosen aus Bari verstanden. Italiener zu sein, bedeutete also, die Sprache Dantes zu beherrschen und die Inhalte seiner göttlichen Komödie zu kennen. Noch heute ist Italien eher eine Kulturnation als ein Staatswesen, in dem sich die Einwohner als verantwortliche Bürger eines Landes verstehen. Deshalb ist Dante als Repräsentant Italiens das Beste und Treffendste, was man als Motiv wählen konnte.



Statt eines Literaturverzeichnisses …

… finden Sie hier eine Art erster Hilfe, wo und wie Sie am einfachsten mehr über Münzen erfahren. Zwei Möglichkeiten gibt es, das MoneyMuseum zu besuchen: im Internet unter www.moneymuseum.com oder an der Hadlaubstrasse 106 in Zürich. Auf der Website kann man jede Menge interessanter Entdeckungen rund ums Geld machen. Der bebilderte Katalog des gesamten Inventars steht im Internet. Doch das ist noch lange nicht alles. Das Spektrum der Site reicht von historischen Kommentaren über aktuelle Anlagetipps vom Direktor des MoneyMuseum bis hin zu historischnumismatischen Quizzes. Ein besonderer Leckerbissen ist die Traumsammlung Leo Mildenbergs. Der inzwischen verstorbene Münzhändler und Wissenschaftler von internationalem Rang hat hier eine virtuelle Sammlung der Münzen zusammengestellt, die ihm während seiner Laufbahn als die schönsten schlechthin begegneten. Das reale MoneyMuseum bietet das, was man von einem Museum erwartet, und vieles mehr. Die meisten der im Buch abgebildeten Münzen sind hier ausgestellt. Aber das ist noch lange nicht alles. An grossen Bildschirmen kann man multimediale Präsentationen zu vielen numismatischen Interessengebieten abrufen und bei «Radio MoneyMuseum» Hörspielen rund um das Geld lauschen. In unregelmässigen Abständen offeriert das MoneyMuseum zusätzlich Podiumsdiskussionen, Vorträge und Spezialführungen, in denen auch den ungewöhnlichsten Verbindungen zwischen dem Menschen und seinem Geld nachgespürt wird. Das privat betriebene MoneyMuseum Hadlaubstrasse hat jeden Dienstagnachmittag geöffnet.

MoneyMuseum

Aber nicht nur in Zürich kann man Münzen in einem Museum erleben. In praktisch jeder grösseren Stadt auf der Welt gibt es ein Münzkabinett oder zumindest eine Münzsammlung in einem historischen oder archäologischen Museum. Zusätzlich besitzen manche Institutionen wie Universitäten, Banken oder Münzstätten eigene Sammlungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Wir können hier unmöglich alle Museen in Europa nennen, wo man Münzen besichtigen kann. Stellvertretend seien nur einige Ausstellungen mit besonders herausragendem Material als Anregung vorgestellt. In Berlin zum Beispiel findet man im Pergamonmuseum eine der schönsten und bedeutendsten Ausstellungen zur antiken Numismatik. Um die mittelalterlichen und modernen Münzen der Berliner Sammlung zu sehen, muss man noch ein paar Jahre warten, denn diese Aus-

Münzkabinette

137


stellung ist derzeit wegen des Umbaus auf der Museumsinsel geschlossen, wird aber in wenigen Jahren in neuer Pracht im Bodemuseum zu sehen sein. Eine andere bedeutende Sammlung befindet sich in Süddeutschland, genauer gesagt in München. Die bayerischen Könige haben ein wirklich aussergewöhnliches Münzkabinett eingerichtet, das heute der Öffentlichkeit offen steht. Mitten in München, in der bayerischen Residenz, hat die Staatliche Münzsammlung ihr Quartier. Sie bietet in mehreren Sälen eine feste Ausstellung ihrer Prunkstücke, meist zusammen mit einer Spezialausstellung. Genannt seien noch kurz drei besondere Münzausstellungen in den Städten, in die man immer mal wieder geschäfts- oder urlaubshalber reist. In London befindet sich eine der grössten Münzsammlungen der Welt, und deren spektakulärste Stücke sind in der Money Gallery des British Museum zu besichtigen. Wer nach Paris reist, sollte sich in eine Bibliothek begeben, um Numismatik vom Feinsten zu sehen. Die Bibliothèque nationale, die man von der Rue Richelieu aus betreten kann, bietet eine Münzsammlung, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. Dort entdecken Sie Objekte, die einst Ludwig der Heilige für seine St. Chapelle erwarb. In Stockholm befindet sich eines der grössten Münzmuseen, ein mehrstöckiges Haus, das allen Aspekten der Numismatik und der Geldgeschichte gewidmet ist. Darin können Besucher die Münzschätze der Wikingerzeit genauso wie die kiloschweren Kupferbarren sehen, die einstmals in Schweden als Zahlungsmittel dienten. Das Kungl. Myntkabinettet liegt gleich gegenüber des Stadtschlosses der schwedischen Könige, Slottsbacken 6. Auch wenn all die anderen sehenswerten Münzkabinette und Sammlungen in der ganzen Welt hier nicht genannt werden konnten: Es gibt sie, nur sind sie wie verborgene Schätze. Sie stehen selten in den offiziellen Reiseführern und wollen entdeckt werden. Wer menschlichen Kontakt einem Museum vorzieht, um mehr über Münzen zu lernen, der sollte einen Münzverein besuchen. Auf der ganzen Welt treffen sich regelmässig Menschen, die sich in ihrer Freizeit gerne mit Münzen beschäftigen und nichts mehr zu tun lieben, als anderen über die Objekte ihrer Leidenschaft zu erzählen. Wo und wann man sich trifft, das kann man entweder im Internet unter www.numismatische-gesellschaft.de eruieren oder im NNB, im Numismatischen Nachrichtenblatt, dem Verbandsorgan der Deutschen Numismatischen Gesellschaft. Diese Zeitschrift kann man beziehen 138

Münzvereine und Zeitschriften


über den Gietl-Verlag in D-93122 Regenstauf, Postfach 166, Telefon 0049 9402/9337-0. Dort kommen übrigens monatlich noch zwei weitere Zeitschriften heraus, die neben Artikeln rund um die Numismatik eine gute Übersicht bieten, was sich in der Welt des Münzsammlers tut: Die MünzenRevue und die Zeitschrift «Münzen & Papiergeld». Diejenigen, die in der Schweiz wohnen, seien verwiesen auf die Schweizerische Zeitschrift «Numispost & HMZ» oder die Schweizerische Numismatische Gesellschaft, www.numisuisse.ch, die gerne Kontakt herstellt zu den lokalen Vereinen. Übrigens, einem Münzverein muss man nicht gleich beitreten. Gäste werden überall herzlich willkommen geheissen. Wer sich lieber im Internet tummelt, findet auch dort eine Art Münzverein. In verschiedenen Foren haben sich Münzsammler zusammengefunden und diskutieren via Cyberspace genauso angeregt, als würden sie bei einem Vereinstreffen miteinander am Stammtisch sitzen. Über Google sind sie alle zu finden. Hier sei nur ein einziges Forum erwähnt. Unter www.numismatikforum.de ist zwar jede Form von Kommerz verboten, aber dafür diskutieren dort Sammler völlig offen und ohne finanzielle Hintergedanken mit anderen Sammlern und geben nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft über alle praktischen Aspekte des Münzensammelns: wo man am günstigsten die neue Euro-Emission vom Vatikan bezieht, ob bei eBay wieder eine Fälschung aufgetaucht ist oder wie viel man für eine bestimmte Münze zahlen kann.

Internetforum für Sammler

Wer es nicht bei der Theorie belassen will, wem dieser Bildband ein Interesse daran vermittelt hat, selbst Münzen zu sammeln, der wird bestimmt einen Münzhändler in seiner Nähe finden, wo er in wirklich jeder Preisklasse alte und neue Münzen erwerben kann. Vertrauenswürdige Münzhändler erkennt man daran, dass sie Mitglied sind in einer der grossen Münzhändlervereinigungen. Die IAPN, die International Association of Professional Numismatists, ist dabei diejenige, die ihre Mitglieder auf den strengsten Moralkodex verpflichtet hat. Die Adressen der ihr angeschlossenen Händler findet man im Internet unter www.iapn-coins.org oder in einem Verzeichnis, dass man über den Sekretär der Gesellschaft bestellen kann (Jean-Luc van der Schueren, Rue de la Bourse 14, B-1000 Bruxelles). In Deutschland existieren zwei Vereinigungen von Münzhändlern: der VddM, der Verband der deutschen Münzenhändler, wo man sich hinwenden sollte, wenn man an Münzen vor 1871 interessiert ist (www.vddm.de; Sekretär: Helmut

Münzhandel

139


Caspar, Postfach 337, D-10247 Berlin), und der Berufsverband des Deutschen Münzenfachhandels (www.muenzenverband.de; Geschäftsstelle, Arndtstr. 9, D-33602 Bielefeld). In der Schweiz gibt es den Verband Schweizerischer Münzenhändler (www.vsm-ch.org; Sekretär: Hans-Ulrich Wartenweiler, Postfach 7384, 8023 Zürich); in Österreich den Verband Österreichischer Münzenhändler (www.voem.org; Präsidentin: Dr. Eva Szaivert, Riemergasse 1, A-1010 Wien). Der europäische Dachverband aller nationalen Verbände bietet auf seiner Website www.fenap.com einen Zugang zu allen Adressen der nationalen Verbände. Und hier sind noch einige wenige Bücher, mit deren Hilfe man sich in die Materie einarbeiten kann. Bei ihrer Auswahl wurde Wert darauf gelegt, dass sie der leichteren Lesbarkeit halber in Deutsch erhältlich sind und ausserdem über den normalen Buchhandel bezogen werden können. Mit ganz wenigen Ausnahmen ist keines der aufgeführten Bücher zur Zeit der Drucklegung dieses Buches, also Januar 2005, vergriffen.

Zum menschlichen Antlitz und seinen wechselnden Bedeutungen Klose, D. O. A.: Von Alexander zu Kleopatra – Herrscherporträts der Griechen und Barbaren. Ausstellungskatalog der Staatlichen Münzsammlung München, 1992 (zu beziehen über Staatliche Münzsammlung München, Residenzstr. 1, D-80333 München). Duby, G.: Die Kunst des Mittelalters. Band I–III, Klett-Cotta, Stuttgart 1984. Gamboni, D. / Germann, G. (Hrsg.): Zeichen der Freiheit – Das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts. Ein Katalog zur Ausstellung des Bernischen Historischen Museums und des Kunstmuseums Bern vom 1. Juni bis zum 15. September 1991, Verlag Stämpfli & Cie AG, Bern 1991. Numismatik allgemein Mehlhausen, W. J.: Handbuch Münzensammeln. Gietl Verlag, Regenstauf 2004 (2. Auflage). MoneyMuseum (Hrsg.): Atlas des Geldes – Historische Karten und Münzen vom Altertum bis in die Neuzeit. Oesch Verlag, Zürich 2003.

140

Bücher


Antike Münzen Albert, R.: Die Münzen der Römischen Republik. Gietl Verlag, Regenstauf 2003. Franke, P. R. / Hirmer, M.: Die griechische Münze. Hirmer Verlag, München 1964 (leider vergriffen; wird aber immer wieder antiquarisch angeboten). Howgego, C.: Geld in der Antiken Welt. Theiss-Verlag, Stuttgart 2000. Hurter, S. M.: Kaiser Roms im Münzporträt – 55 Aurei der Sammlung Götz Grabert. Theiss-Verlag, Stuttgart o. J. (2003). Kampmann, U.: Die Münzen der römischen Kaiserzeit. Gietl Verlag, Regenstauf 2004. Radnoti-Alföldi, M.: Bild und Bildersprache der römischen Kaiser. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1999. Wolters, R.: Nummi Signati – Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft.Verlag C. H. Beck, München 1999. Mittelalterliche Münzen Grierson, P.: Münzen des Mittelalters. Battenberg Verlag, München 1978 (leider vergriffen; wird aber immer wieder antiquarisch angeboten und ist in vielen öffentlichen Bibliotheken greifbar). Kluge, B.: Die Salier – Deutsche Münzgeschichte von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier. Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1991. Stumpf, G.: Der Kreuzzug Kaiser Barbarossas. Münzschätze seiner Zeit, Ausstellungskatalog der Staatlichen Münzsammlung München, 1991 (zu beziehen über Staatliche Münzsammlung München, Residenzstr. 1, D-80333 München). Neuzeitliche Münzen Clain-Stefanelli, E.: Münzen der Neuzeit. Battenberg Verlag, München 1978 (leider vergriffen; wird aber immer wieder antiquarisch angeboten und ist in vielen öffentlichen Bibliotheken greifbar). Fischer, K. / Kahnt, H. / Grabowski, H. L.: Die Euro-Münzen. Gietl Verlag, Regenstauf 2004 (4. Auflage). Hess, W. / Klose, D. O. A.: Vom Taler zum Dollar 1486–1986. Ausstellungskatalog der Staatlichen Münzsammlung München, 1986 (zu beziehen über Staatliche Münzsammlung München, Residenzstr. 1, D-80333 München). Jaeger, K.: Die deutschen Münzen seit 1871. Gietl Verlag, Regenstauf 2002 (18. Auflage).

141


Index Geografischer Index Länder, Städte und Stämme A Aachen 68 Ägypten 34 Aigai 34 Aitoler 36 Akragas 12 Alesia 38 Alexandria 34 Algier 102 Amerika 106, 108 Anhalt 66 Apulien 68, 82 Araber 60, 84 Aragón 98, 100 Argentinien 130 Armenien 44 Athen 16–17, 30 Augsburg 98, 108, 110–111 Avignon 80 B Babylon 29 Basel 126 Bern 126, 128 Bethlehem 24 Böhmen 112 Bolivien 106, 130–131 Bologna 96 Bouvines 68 Brabant 100, 106, 108 Brasilien 130 Braunschweig 68 Bulgaren 60 Burgund 100, 106 Byzanz 60, 63, 80, 86 C Calais 70 Cannae 36 Canterbury 104 Caracas 130 Chalkis 30 Chichester 70 Chuquisaca 130 Clermont 116

142

D Dalmatien 52 Delphi 20 Deutschland 132–133 Dornach 122 E Ecuador 130 Ekbatana 32 Elis 14 England 70, 84, 104–105, 106, 108–109, 120 Erfurt 65 F Ferrara 81, 88–89 Flandern 106, 108 Florenz 67, 76–77, 134 Frankreich 70, 80, 94, 98, 102–103, 106, 114 –117, 119, 122, 124–125, 130 Fraumünster, Abtei 72 Friedland 112–113 G Gallia Narbonensis 38 Gallien 38 Gela 12 Gelderland 106 Genua 67 Goten 58 Granada 100 Granikos 27–28, 32 H Halberstadt 74–75 Harburg 65 Helvetier 38 Himera 119 I Illyrien 36 Indien 34 Israel 24 Italien 79–99, 106, 122, 134–135

J Jerusalem 24, 84 Jičin 112 K Karthago 36 Kastilien 98, 100 Katalonien 100 Kelten 22–23, 38–39 Köln 42, 68 Kolophon 20 Kolumbien 130 Konstantinopel 60 Konstanz 68 Korinth 18 Kreta 60 L La Rochelle 114 Lateinamerika 130 Laurion 16 Leon 100 Leyden 121 Lindau 67 Lugdunum, siehe Lyon Lydien 11, 27 Lykien 28 Lyon 44, 102, 124 M Magdeburg 74 Magnesia 29 Mähren 112 Mailand 54, 90–95 Mainz 65, 74 Makedonien 20, 29, 32, 34, 36, 37 Mantua 92 Marathon 27 Marcomannen 48 Marengo 122 Mauren 100 Meissen 74 Merowinger 63 Merseburg 74 Metapont 12 Metz 74 Mexiko 106

Mohacs 100, 102 Morgarten 122 Mühlhausen 66 Murten 122 N Navarra 100 Neapel 84, 100 Niederlande 102, 106, 121 Nürnberg 108 O Olympia 14–15 Ortygia 18 Österreich 100, 122 P Palermo 82 Panama 130 Pangeion 20 Paris 22, 102, 116, 122, 124 Parisii 22–23 Parther 42, 44, 48, 50 Pavia 92 Pergamon 50 Persepolis 32 Persien 14, 27–28, 32 Peru 130 Perugia 96 Pfalz 112 Phokis 20 Plataiai 14 Portugal 98, 106 Potosí 106, 130 Prag 112 Preussen 132 R Ravenna 58 Rheinland 132 Rom 35–55, 63, 80, 96–97, 104, 119–120 Rubico 38 S Sachsen 74 Salamis 27 Salzburg 81


Samos 11 Sardeis 32 Schlesien 66 Schottland 70 Schweden 110 Schweiz 122, 126–129 Sempach 122 Sevilla 98 Sirmium 56 Siwa, Oase 29 Sizilien 68, 82, 84, 100, 102 Spanien 63, 98–99, 100, 102, 106–107, 108, 122, 130 Sparta 16 St. Albans 70 Südamerika 130 Susa 32 Sussex 108 Syrakus 13–14, 18–19, 31 T Tarsos 32 Thrakien 29 Ticinum 52 Tours 65 Trier 54 Turin 122 Türken 102, 106 Tyros 24–25 U Überlingen 68 Ulm 68 Ungarn 67, 100, 102 USA 122 Utrecht 121 V Valladolid 98 Varennes 116 Vatikan 96 Vaux-le-Vicomte 114 Venedig 86–87, 106 Venezuela 130 Versailles 114 Visigoten 63

W Wien 102, 112 Z Zacatecas 106 Zeitz 74 Zürich 72–73

Index der Personen, Gottheiten, Personifikationen und Heiligen A Aesculap, siehe Asklepios Alba, Herzog von 106 Albero von Reims 64 Albrecht der Bär 66 Albrecht von Wallenstein 112–113 Alexander III. von Makedonien 20, 22, 28–29, 31, 32–33, 34, 35 Alfons von Aragón 84 Alpheios 18 Ambrosius von Mailand 90, 92, 94 Ammon 29, 34 Amphiareios 50 Amun 29 Anastasius 63 Anna Boleyn 104 Antoninus Pius 46, 48 Aphrodite 13, 30 Apollon 13–14, 18, 20, 21, 22, 23, 42, 50 Arcadius 58 Arethusa 13, 18–19 Artemis 13 Asklepios 50 Athawulf 58 Athena 13, 16–17, 29 Augustus 42–43 B Baal 24 Basilea 126 Bassi, Pietro Andrea de’ 88

Bavaria 120 Bolivar, Simón 130–131 Bona von Savoyen 92 Bramante 96 Britannia 120 Brutus 92, 121 C Caesar, C. Iulius 38–41, 42 Calenus, Q. Fufius 119–120 Calixtus III., Papst 84 Caracalla 50–51 Cassius 92 Cervantes, Miguel de 122 Chlodwig 63 Christus 60–61 Cicero 40, 42 Claudius 121 Clemens VII., Papst 104 Colbert, Jean-Baptiste 114 Concordia 120–121 Constantinus I. der Grosse 54–55 Constantius III. 58 Crassus 42 D Dante 122, 134–135 Demeter 12 Demetrios Poliorketes 30 Diocletianus 52–53 Dionysos 13, 34 Drake, Francis 108 E Elias 24 Elisabeth I. von England 104, 108–119 Este, Alberto I. d’ 88 Este, Alfonso I. d’ 81 Este, Ercole I. d’ 88–89 Este, Nicolò III. d’ 88 Euainetos 18 F Ferdinand I. von Aragón, König von Aragón und Kastilien 98–99, 100

Ferdinand I. von Aragón, König von Neapel 84–85 Ferdinand I. von Österreich 100 Ferdinand II., deutscher Kaiser 112 Ferdinand III., deutscher Kaiser 110–111 Fouquet, Nicolas 114 Franz I. von Frankreich 94, 102–103 Freiheit, siehe Libertas Friedrich der Schöne 100 Friedrich II. von Hohenstaufen 66, 68–69, 72, 76, 82–83, 84 Fugger 96 G Galerius 54 Galla Placidia 58–59 Gelon II. 31 Genius 52, 116 Georg III. von England 120 Gerhard von Cambrai 64 Germania 120 Gero von Schermbke 74 Geta 50 H Hadrianus 46–47, 48 Hannibal 36 Heinrich I. von Harburg 65–66 Heinrich II., deutscher Kaiser 64 Heinrich III., deutscher Kaiser 72 Heinrich IV. von Kastilien 98 Heinrich IV., deutscher Kaiser 72 Heinrich V. von England 70 Heinrich VI. von England 70–71 Heinrich VIII. von England 102, 104–105, 108 Helvetia 120, 126–129 Hera 13

143


Herakles 14, 20, 24, 32, 33 Hercules 88 Herodes der Grosse 24, 76 Hieron II. 31 Hildegard, Tochter Ludwigs des Deutschen 72 Himera 119 Hindenburg, Paul von 132–133 Hitler, Adolf 132 Honorius 58 Honos 119–120 I Ianus 44 Isabella von Kastilien 98–99, 100 Italia 119–120 Iulianus II. 56–57 Iuppiter 40, 56 Iustinianus I. 63–64 Iustinianus II. 60 J Jesus 24 Jezabel 24 Johanna die Wahnsinnige 100 Johannes der Täufer 67, 77 Judas 24 Julius II., Papst 96–97 K Karl der Grosse 88 Karl der Kühne 100 Karl V. von Spanien, deutscher Kaiser 100–101, 102, 104 Karl von Anjou 84 Katharina von Aragón 104 Klio 126 Konrad II., deutscher Kaiser 64 Kroisos 27 L Landry, Fritz 128 Leo III. 60

144

Leonardo da Vinci 94 Leonhard von Keutschach 81 Leontius 60 Libertas 121–123, 124–125 Lothar, deutscher König 66 Lucius Verus 48 Ludwig der Deutsche 72 Ludwig der Fromme 74 Ludwig I. von Ungarn 67 Ludwig XIV. von Frankreich 114–115 Ludwig XVI. von Frankreich 84, 116–117, 119, 124 Luther, Martin 96 Lysimachos 29 M Macer, P. Sepullius 40 Marcus Antonius 42 Marcus Aurelius 48–49 Marcus, Heiliger 86 Maria von Burgund 100 Marie-Antoinette von Frankreich 116 Martin von Tours 65 Mauritius, Heiliger 74 Maximilian I., deutscher Kaiser 100 Melkarth 24–25 Michael, Erzengel 84 Michelangelo 96 Minerva 122 N Nero 44–45 Nike 18, 29 O Orsini, Sabino 84 Otto I. der Grosse 74 Otto II., deutscher Kaiser 74 Otto IV., deutscher Kaiser 68 P Pausanias 18 Perdikkas 34 Perseus von Makedonien 36 Peter von Aragón 84

Petrus, Heiliger 96 Phidias 14 Philipp II. von Makedonien 20–21, 22 Philipp II. von Spanien 106–107 Philipp V. von Makedonien 36–37 Philippe Auguste 68 Pietas 42, 120 Pius II., Papst 84 Poseidon 16, 30, 120 Ptolemaios I. 30, 34–35 Pythia 20 R Raffael 96 Reick, Georg 112 Richard von York 70 Roma 54, 119–120 Rovere, Giuliano della 96–97 S Sacajawea 122 Salome 76 Saserna, P. Hostilius 38 Scaevola, P. Mucius 119–120 Scipio 36 Seleukos I. 30 Septimius Severus 50 Sforza, Ascanio 92 Sforza, Francesco 90 Sforza, Galeazzo Maria 90–91, 92 Sforza, Giovanni Galeazzo Maria 92–93 Sforza, Lodovico Maria, genannt «il Moro» 92, 94–95 Spithridates 28 Stephanus, Heiliger 74–75 Süleyman der Prächtige 102 Suttner, Berta von 122 T Telesphoros 50 Tell, Wilhelm 128 Theodosius I. 58

Thomas von Aquin 79 Tiridates 44 Tissaphernes 28 Traianus 46 Tron, Nicolò 86–87 Tyche 119 V Valentinianus III. 58 Venus 40 Vercingetorix 38 Victoria 40, 63 Virtus 42, 119–120 Visconti, Bianca Maria 90 Vreneli 128–129 W Wackernagel, Rudolf 126 Wilhelm von Ockham 79 Wilhelm von Oranien 106 Z Zeus 11–13, 14–15, 20, 24, 29, 32, 34


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.