Eske Bockelman SUMMA on "Das Geld"

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DAS GELD Was es ist, das uns beherrscht

Vorbemerkung (oder vielleicht eher Vorwarnung) In diesem Buch, so muss ich in aller Bescheidenheit konstatieren, wird zum ersten Mal richtig bestimmt, I II III

wie es historisch zu Geld kommt, was Geld ist und was Geld eben dadurch spezifisch bewirkt und erzwingt.

Dass die Ergebnisse, zu denen ich in diesen Fragen komme, zumindest neu sind, zeigt sich auf den ersten Blick. Dass sie zutreffen, ist insgesamt auch historisch zu belegen. Ad I Die bis heute bekannten Erklärungen dafür, wie Geld historisch entstanden sei, gehen dadurch fehl, dass sie bestimmte Verhältnisse, die heute spezifisch durch das Geld geprägt sind, unwillkürlich auf alle Zeiten rückübertragen, dort zu Unrecht voraussetzen und Geld dann zirkelschlüssig aus ihnen herleiten. Tatsächlich gilt:

Geld kommt nicht schon auf, sobald nur getauscht, gekauft oder gehandelt wird oder sobald es etwas wie Münzen gibt. In keinem der frühen Reiche, nicht in der Antike und noch nicht einmal im europäischen Mittelalter gab es einen Begriff von Geld oder die Vorstellung von Wert und Äquivalenz, mit der Geld notwendig verbunden ist. Zu Geld und damit zu dieser Vorstellung von Wert und Äquivalenz kommt es erst und ausschließlich dort, wo ein ganzes Gemeinwesen nicht mehr nur peripher mit Kauf und Verkauf umgeht, sondern von Kauf und Verkauf lebt. Nur eine solche Gesellschaft ist auf den kontinuierlichen Einsatz eines Tauschmittels angewiesen und abhängig von dessen Umlauf. Allein dadurch trennt sich das nunmehr kontinuierlich benötigte eine Tauschmittel von sämtlichen Dingen ab, die mit ihm zu kaufen sind. Abgetrennt von den Waren steht es ihnen so als reines Tauschmittel gegenüber, das zu nichts mehr sonst als zum Tausch in diese Waren dient: Geld. So entsteht Geld als gesellschaftliches Verhältnis, nicht etwa, indem Menschen es als Ding erfunden hätten. Es entsteht aufgrund historischer Veränderungen, die sich blind vollziehen, indem sie eine solche Gesellschaft zeitigen und Geld als das reine Tauschmittel in ebenso blinder Notwendigkeit zur Folge haben. Zu Veränderungen dieser Art kommt es historisch weltweit singulär im Europa des späteren Mittelalters. Ganz eigene Bedingungen schwächen dort den feudalistischen Zusammenhang mit seiner redistributiven Versorgung der Menschen, in welcher Kauf und Verkauf − wie bis dahin überall auf der Welt − lediglich eine Nebenrolle spielten. In den „freien Städten“ Europas,

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die aus jenem Zusammenhang dagegen herausfallen, muss deshalb an die Stelle dieser Versorgung eine nicht mehr über persönliche Abhängigkeiten vermittelte treten, also eine Versorgung, die in der Hauptsache nur noch über Kauf und Verkauf verläuft. Der historische Umschlag, mit dem schließlich eine ganze Gesellschaft von Kauf und Verkauf lebt, erfolgt in einem Zeitraum gegen Ende des ‚langen‘ 16. Jahrhunderts. Dies markiert zugleich den Beginn der Neuzeit − und nicht zufällig: Denn das gesellschaftlich Neue, woraus sich das Geld ergibt, erzwingt noch weitere historisch höchst bedeutende Phänomene. Zu ihnen gehört der moderne Staat. Auch dafür, weshalb ein Phänomen wie der Staat zu jener Zeit und zunächst nur in Europa aufkam, hatte sich bis heute keine triftige Erklärung gefunden: Ohne Kenntnis der historischen Genese des Geldes war diese auch nicht als die entscheidende historische Voraussetzung zu erkennen.

Ad II Geld ist also nicht bloß allgemein Tauschmittel, Geld ist reines Tauschmittel. Bevor sich mit der gesellschaftlichen Notwendigkeit seines Umlaufs überhaupt erst Geld ergibt, dienen zum Tausch immer nur Dinge und Güter. Diese lassen sich allenfalls auf kurze Distanz durch Papiere vertreten, bleiben aber, auch in Gestalt von Münzen, ausnahmslos Dinge unter Dingen: Sie lassen sich nicht nur tauschen, sondern immer auch als solche, ihren Eigenschaften entsprechend, gebrauchen. Geld dagegen besteht als das reine Tauschmittel in nichts, ist zu nichts als zum Tauschen zu gebrauchen, zu Kauf und Verkauf. Und das gilt von seinen ersten Anfängen an, auch wenn sich die nötigen Verkehrsformen dafür teilweise erst im Verlauf der weltweiten Durchsetzung des Geldwesens herausbilden. Geld besteht nicht mehr in etwas, das sich außerdem tauschen lässt, sondern besteht in nichts als darin, dass es sich in etwas tauschen lässt. Dies zeigt sich offen daran, dass wir Geld auf Konten in bloßen Zahlen festhalten, denen nur zusätzlich Kaufkraft zugesprochen wird, das heißt die Tauschbarkeit in Waren. Geld ist damit reines Quantum. Anders als jede Art Ware und Gut trägt es selbst keinerlei qualitative Bestimmung mehr, während es sich zugleich in jederlei qualitativ bestimmtes Gut tauschen lässt. Geld muss daher sogar fortgesetzt in solche Güter getauscht werden, um überhaupt Geld zu bleiben: weil es in sonst nichts besteht. Geld ist das einzige Ding, nein, UnDing, das seine stets fortgesetzte und wiederholte Verwandlung in Dinge (oder Dienste, allgemein: etwas) erfordert: um so als jenes bestimmende Lebensmittel zu funktionieren, von dem eine von Kauf und Verkauf lebende Gesellschaft als Allererstes abhängt. Allein um als Tauschmittel fungieren zu können, zwingt nur Geld zu einem ständig fortgesetzten und jeweils immer wieder seiner Menge entsprechenden Verbrauch von Welt – zu dem Konsum, der deshalb ständig angekurbelt wird und angekurbelt werden muss. Dabei wird Geld jeweils als reines Quantum einem zu kaufenden Gut gleichgesetzt. Und so entsteht überhaupt erst die Vorstellung von Wert und Äquivalenz, die so zwingend


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mit Geld zusammenhängt (so zwingend, dass wir sie für schon immer gegeben halten). Geld ist das reine Quantum Wert, das wir durch die Gleichsetzung beim Kaufen zugleich in jeder Ware und jedem Gut setzen. Geld erzwingt unsere Vorstellung von Wert als eines gemeinsamen „Dritten“, das in sämtlichen Waren gegeben wäre. Dass alle käuflichen Güter schon für sich genommen ihren Wert hätten, unter dieser Vorstellung müssen wir mit Geld umgehen – aber gezwungen allein durch die Einrichtung Geld selbst. Sie zwingt uns davon ausgehen, Wert wäre nur deshalb in Form von Geld für Waren zu zahlen, weil dieser Wert in ihnen stecken würde, statt dass wir − in Wahrheit − umgekehrt nur deshalb einen Wert in den Waren annehmen, weil Geld für sie zu zahlen ist. Auf der falschen Annahme eines (Geld)Werts in den Waren beruhen auch die Theorien, die diesen Wert als substanzielle Größe entweder an den Waren oder an den kaufenden Subjekten festmachen wollen: Arbeitswertlehre und Grenznutzentheorie. Keine von beiden trifft also zu.

Ad III So tief wie die historische Veränderung der gesellschaftlichen Grundlagen reicht, in denen die Menschen nicht mehr in der Hauptsache über persönliche Verpflichtungen, sondern über Geld zu einer Gesellschaft vermittelt sind, so weit reichen auch die Folgen, die dies zeitigt. Als solche Folgen erklären sich unter anderem sogar diese mächtigsten Phänomene der Neuzeit: Staat, Kapitalismus, europäische Expansion.

Staat Dieser Name, von italienisch stato, findet sich für Gemeinwesen erst dann, als sie sich vom Personenverband zu modernen Staaten wandeln, zu souveränen und abstrakten, nach der „Staatsräson“ durch Personal gelenkten Staaten. Auch dieser Wandel vollzieht sich zunächst allein in Europa und nicht umsonst zur gleichen Zeit, als dort das Geld aufkommt. Er erklärt sich so: Eine Gesellschaft, in der sich alle hauptsächlich über Kauf und Verkauf versorgen müssen, lebt folglich von dem einen Tauschmittel, über welches dafür jeder verfügen muss. Dieses Tauschmittel, das Geld, stellt die gesellschaftsweit gültige Macht dar, mittels Kauf die Verfügung über Güter anderer Leute zu erhalten. Da Geld aber für sich genommen in nichts besteht, was ihm diese Macht verbürgen könnte, muss sie ihm durch eine äußere Macht garantiert werden: eine reale Macht, die sich herausbilden muss, um jene Zugriffsmacht des Geldes gesellschaftsweit und zuletzt mit Gewalt durchsetzen zu können. Diese deshalb gesellschaftlich höchste Macht darf nicht mehr in den Händen von mächtigen Personen liegen, von Herrschern, die sie auch im eigenen Interesse einsetzen könnten. Sie darf als abstrakt für sich bestehende nur noch, durch idealerweise wechselndes Personal, verwaltet werden. Eine solche Art der höchsten Macht hatte bis dahin keinen Sinn und hatte es bis dahin nirgends gegeben: Es ist der moderne „Staat“. Dieser Staat, wie wir ihn kennen, wird damit zugleich zum höchsten wirtschaftlichen Subjekt, da es in seinem spezifischen Interesse liegen muss, das Geld und den Fortgang der über Geld vermittelten Geschäfte


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nicht bloß zu sichern, sondern mit allen Mitteln auch zu befördern. Auf dem Erfolg dieses Geschäftsgangs beruht die nun auch ihrerseits über Geld vermittelte staatliche Macht. Der Staat ist der Macht des Geldes nicht etwa entgegengesetzt, vielmehr besteht der Staat für sie und besteht er durch sie. Daher verpflichtet der Staat die zu seinem Staatsvolk gemachten Menschen auf das Geld mit allem, was dazu gehört. Alles, was er seine Bürger noch darüber hinaus entscheiden lässt, muss sich an diese strikte Vorgabe als Teil der staatlichen Grundordnung halten. Kapitalismus Dessen Aufkommen konnte bisher nur zirkulär und damit gar nicht erklärt werden: Entweder hätte die passende Gesinnung die kapitalistischen Einrichtungen hervorgebracht oder aus den passenden Einrichtungen hätte sich die kapitalistische Gesinnung entwickelt. Woher jeweils das spezifisch Kapitalistische von Gesinnung oder Einrichtungen gekommen wäre, blieb ungeklärt.

In einer Gesellschaft, in der alle von Geld als dem einen Tauschmittel leben müssen, muss also jeder zu Geld kommen, um davon leben zu können. Zu Geld aber kommt jeder nur (außer durch Betrug und bestimmte Verbrechen, zu denen das Geld besonders herausfordert), indem er anderen etwas gegen Geld verkauft. Um ein solches etwas verkaufen zu können, wird er in der Regel bereits selbst Geld aufwenden müssen, eben weil in einer solchen Gesellschaft die Dinge, Güter und Dienste allgemein nur gegen Geld zu bekommen sind. Folglich muss jeder, um zu Geld zu kommen, mit etwas, das ihn selbst bereits Geld kostet, zu mehr Geld kommen, als es ihn kostet. Aus eingesetztem Geld muss mehr Geld werden. Wer nicht ausreichend Geld-Gewinne macht, geht bankrott und geht unter. Der Zwang, mit Geld Gewinne in Geld zu erwirtschaften, gehört also unweigerlich zum Geld und zu einer Wirtschaft, die mit Geld umgeht. Die Vermehrung oder das Wachstum von Geld können zwar jederzeit misslingen, gleichwohl sind sie notwendig, wenn Geld weiterhin als Geld funktionieren, wenn es nämlich seine Eigenschaft als Geld und Wert nicht durch Wertverlust einbüßen soll. Um als Geld zu funktionieren, ist Geld darauf angewiesen, durch seinen Einsatz zu mehr Geld zu führen; diese Notwendigkeit aber ist die Funktion von Kapital. Als Kapital fungieren zu müssen, gehört demnach unmittelbar zum Wesen von Geld: Es ist mit der Einrichtung des Geldes gegeben und ist vom Geld nicht zu lösen. Als Geld aufkommt, kommt daher mit dem Geld auch der Kapitalismus auf: der Vermehrungszwang des Geldes, die Notwendigkeit, als Kapital zu fungieren.

Gegen die Erkenntnis, dass Geld als solches − unpersönlich und abstrakt − die Menschen unter einen Zwang setzt und dass dies zu seinem Wesen gehört, sträubt sich heute starker Widerwille. Ein „Wesen des Geldes“ wird geleugnet und verdrängt zugunsten des Glaubens, die Menschen hätten das Geld erfunden und könnten es entsprechend auch nach Lust und Laune modeln: zu Geld, das seinen Wert nicht verlieren kann, zu Geld, das keinen Profit abwerfen muss, zu Geld, das sich mit seiner gerechten Verteilung verträgt, oder schlicht zu Geld, das nur noch Gutes tut, weil es ausschließlich in gute Unternehmungen fließt. Die Härte jedoch, mit welcher das Geld seinem – bislang also unzureichend erkannten − Wesen folgt und mit der es die Menschen


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unnachgiebig seiner inhärenten Logik zu folgen zwingt, also nichts von der erhofften Modellierung zulässt, zeigt der offensichtliche Gang der Geschichte, seitdem das Geld in Europa aufgekommen ist.

Die europäische Expansion = „Die Unterwerfung der Welt“ Mit dem Geld ersteht eine bis dahin unbekannte Logik, der es das Leben der Menschen unterwirft und nach der sie zu handeln gezwungen sind. Wo es Geld gibt, kann den Menschen nicht mehr wie in ihrer gesamten übrigen Geschichte nur daran gelegen sein, zu den Gütern zu kommen, mit denen sich gut leben lässt. Stattdessen müssen sie vorher und als Erstes unweigerlich darauf aus sein, zu Geld zu kommen, wofür sich dann solche Güter allenfalls bekommen lassen. Zu Geld aber kommen sie – erstens − wiederum nur, indem sie die Güter dieser Welt zu Geld machen, nämlich zu Waren, für die man von anderen Geld bekommt. Doch zweitens: Da Geld reines Quantum ist mit dem Zwang zu ständiger Vermehrung durch seinen Einsatz als Geld, also durch jenes In-Wert-Setzen von Teilen dieser Welt, ist der Zwang dazu unbegrenzt. Er unterwirft die einzelnen Menschen bis hinauf zu ganzen Staaten der Konkurrenz um Geld und damit einem Bemühen, zu Geld zu kommen, das sich nicht mehr nach einem Bedürfnis an Gütern richten darf, wodurch es begrenzt wäre. Anders als der Bedarf an Gütern zwingt der Bedarf an Geld zur steten Überschreitung einer jeden solchen Grenze. Da nicht nur um Geld konkurriert werden muss, sondern auch mit Geld, durch dessen Einsatz man zu Geld kommt und darum konkurriert, können die Gewinne nie groß genug ausfallen. Sie sind Mittel der Konkurrenz, in der jeder versuchen muss nicht zurückzubleiben und zu unterliegen. Da der Bedarf an Geld aber – auf eine folglich sehr schädliche Weise vermittelt – zugleich Bedarf an Gütern ist, nach denen wir die Welt abgrasen müssen, um sie in Wert zu setzen und in Geld zu verwandeln, heißt das: Der Bedarf an Geld zwingt zu einem alle Grenzen überschreitenden Zugriff auf diese Welt. Dieser Zugriff setzt denn auch überdeutlich sichtbar ein, sobald das Geld historisch aufkommt, und geht genau von den Ländern aus, in denen es aufgekommen ist. Es ist „die europäische Expansion“, die damals einsetzt und die sich bis heute, in allen Formen der sogenannten Globalisierung, fortsetzt. Sie ist grundsätzlich eine „Unterwerfung der Welt“, wie sie zu Recht genannt wird, ja, sie ist die erste und einzige Unterwerfung der gesamten Welt. Als sie in der offenen Kolonialisierung mit all ihren Bestialitäten gipfelt, berufen sich zu deren Rechtfertigung die Vertreter ihrer Staaten ausdrücklich darauf, sie müssten die Schätze der überfallenen Länder „in Wert setzen“, da die einheimischen Menschen nicht darauf aus seien und nichts davon verstünden – was ohne Zweifel zutraf. Die europäischen Staaten und alsbald ihre Ableger-Staaten greifen in einer bis dahin unbekannten Weise auf die gesamte Welt aus und reißen die Güter jedes Erdzipfels an sich, dessen sie habhaft werden können: angetrieben von dem unausweichlichen Interesse, dem sie die Geldlogik unterwirft: diese Schätze in Geld zu verwandeln.


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Dies tun sie in einer ersten Phase nur dort, wo sich überhaupt Geld bekommen lässt, nämlich in den jeweils eigenen Staaten, wohin sie ihren Raub schaffen. Bald jedoch zwingen sie die unterworfenen Länder auch selbst mit Geld zu wirtschaften, um ihnen dieses Geld noch direkt und vor Ort abgewinnen zu können. Sie zwingen diese Länder zu Geld und Geld-Wirtschaft, zwingen ihnen Geld und die dazugehörige kapitalistische Wirtschaft auf, zwingen sie also, ebenfalls in Abhängigkeit von Geld und Kauf und Verkauf zu leben. Dafür vernichten die europäischen und ihre AblegerStaaten gnadenlos überall, wo sie hinkommen, die einheimisch tradierten Weisen von Versorgung und Wirtschaften. Zielstrebig, auf Dauer, ausnahmslos, und ohne die Möglichkeit zur Rückkehr zu lassen, zerstören sie die Voraussetzungen für jede Art des Wirtschaftens, die eine lange Menschheitsgeschichte hindurch auch in hochkomplexen Reichen bis dahin ohne Geld und jenseits der aufgezwungenen Abhängigkeit vom Geld ihren Bestand hatte. Zu diesen Voraussetzungen gehört insbesondere das Zusammenleben in Gemeinschaften, in denen die Menschen auf mannigfache Weise und sehr grundlegend einander verpflichtet waren, wie sie sich flächendeckend für die Zeiten vor dem Geld nachweisen lassen. Dem Interesse der Geldlogik, das alle Grenzen zu überschreiten zwingt, entspricht die grenzenlose Gewalt, mit welcher der expansive Zugriff auf die Welt betrieben wird. Es ist eine Gewalt, die ohne die Geldlogik keinen Sinn hatte − bei aller Grausamkeit, zu der die Menschen auch vorher fähig waren. Die von den Geld-Nationen unterworfenen Völker kannten weder Sinn noch Logik einer Gewalt, die auf eine unbegrenzte Bereicherung an Werten abzielen muss. Daher rührt die überlegene, nämlich unbeschränkte und den Unterworfenen in ihrer Logik unverständliche Gewalt der Europäer. Für diese ist jetzt sinnvoll, was bislang nur widersinnig gewesen wäre: anderen Völkern nicht bloß Güter abzugewinnen, sondern sie mit aller Gewalt auch zur Annahme von Gütern zu zwingen: weil dann Geld für sie zu zahlen ist. So verschaffte etwa – ein berühmtes Beispiel – die englische Nation dem Opium per Krieg Zugang in China. So vollzieht sich der Siegeszug des Geldes − sein globaler Siegeszug.

Gegenwart Dass noch der letzte Flecken dieser Erde gezwungen ist mit Geld zu wirtschaften, also in die Abhängigkeit von Geld und Geld-Gewinnen gebracht wurde, garantiert keinem, schon gar nicht den in die „Freiheit“ entlassenen und zu einem Dasein als „Staaten“ gezwungenen Kolonial-Ländern, Erfolg in dieser Art Wirtschaft. Den verhindert unter anderem die überlegene Konkurrenz der Staaten mit dem weitaus längeren kapitalistischen Vorlauf. Das Ergebnis sind Massen an Menschen, die im Elend leben oder an ihrem Wohnort gar nicht mehr zu überleben vermögen, so dass sie noch unter Lebensgefahr von dort fliehen.


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Die Welt heißt „Umwelt“, seit es ihr sichtbar an den Kragen geht: seit abzusehen ist, dass Zerstörungen global bedrohlich werden, die – was zu wenig gesehen wird − unausweichlich der Logik der Geldkonkurrenz folgen: dass für den Verbrauch und das InWert-Setzen von immer mehr Teilen der Welt jeweils möglichst wenig Geld aufgewendet werden darf, damit möglichst viel und mehr Geld herauskommt. So kostet die Rücksicht auf die Welt, wo es nach Geld geht, Geld – zu viel Geld, das sie nicht kosten darf. Und dieser wenig gedeihliche Gang der Dinge wird zudem ständig und aktuell besonders heftig bedroht durch eine absehbare Wirtschaftskrise: eine Krise nicht der Versorgung mit Gütern, sondern der Versorgung mit Geld – und deshalb der Versorgung mit allem.


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