Cigar 03/08

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essay businessclass

Ein Lob der

businessclass Fliegen ist eine Qual – aber jede Qual lässt sich mit etwas Komfort bequemer meistern. Warum die Businessclass das kleinere Übel ist, obwohl die hohen Preise schmerzen. TEXT: PETER TSCHARNER

D

as Schicksal schlägt manchmal hart und mit aller Deutlichkeit zu. Und das Schicksal tritt an mich heran in der Gestalt des Chefredakteurs: «Nein, das liegt nicht drin, du fliegst Economy wie wir alle anderen auch.» Der hat natürlich gut reden, mit seinen jungen Kno­ chen, noch nicht mal ganz fünfzig ist er. Und übrigens, ganz im Vertrauen gesagt, der Allergrösste ist er auch nicht. Aber bitte: Selbst ist der Mann und ein Telefon hat man ja schliesslich auch. Und Kontakte. Zum Beispiel den wunder­ baren Kontakt zu Paola. Die ist Sales Managerin der Jet Airways und Quelle der Freude – der Freude, nicht Economy fliegen zu müssen. Denn das Schlimme am Fliegen ist ja nicht die Angst abzu­ stürzen. Dass Fensterputzen zuhause gefährlicher ist als ein­ mal um die Welt jetten, kann heute schon jedes Kind unter Zuhilfenahme der Leibnizschen Infinitesimalrechnung auf­ zeigen. Nein, wirklich das Allerschlimmste, das einem passie­ ren kann, ist in einem Flughafenshop die Werbung für die «Scholl Travelsocks» zu sehen, die gegen Ödeme, Flug-­ Mikroangiopathie und Beinvenenthrombose angepriesen werden – mit der höflichen Empfehlung, während des Flugs zusätzlich zu den Travelsocks «zu viel Tee, Kaffee oder Alko­ hol zu meiden». Und sich dann, solcherart erschreckt, ja verängstigt in gefühlte siebeneinviertel Zentimeter Beinfrei­ heit zu quetschen. Nein, Fliegen an sich ist ganz einfach unnatürlich, wenn Gott, die Natur oder Bill Gates gewollt hätten, dass wir flie­ gen, könnten wir dies mit eigenen Flügeln tun und ganz bestimmt nicht eingezwängt in eine Konservendose. Aber 34

wenn’s denn schon sein muss und wenn der Flug wirklich ein Flug und nicht nur ein stündiges Hüpferchen ist, dann muss die Businessclass her. Das mag ja jetzt etwas spiessig klingen. Und ich möchte auch keineswegs so weit gehen wie Heiner, ein grosser Schweizer Werber, der gerne an offiziellen Anlässen lauthals verkünde­ te, er fliege «doch nicht im Anhänger» – wobei der An­ hänger für ihn heute zumindest auf Europaflügen wohl gleich hinter der Pilotenkanzel beginne würde, denn ausser FirstClass kam für den schrulligen, stets zerzausten Kreativen eigentlich nichts in Frage, auf Kosten der Kunden natürlich, die das wirtschaftlich nicht alle überlebt haben. Apropos wirtschaftlich: Ja, Business ist teuer, sogar wahnsin­ nig und überrissen teuer. Ich würde mir eigentlich auch lieber eine IWC-Portugieser kaufen, als für das gleiche Geld nach New York zu fliegen. Doch mit einer gehörigen Portion Selbstmitleid verzichte ich Jahr für Jahr auf die Portugieser, nur um dann mein privates und vor allem privat bezahltes Businessclass-Vergnügen mit irgendwelchen Kofferträgern zu teilen, die ihre 385-seitigen Powerpoint-Präsentationen pflegen, anstatt sich – ganz ohne «Travelsocks» – dem freundlichen Lächeln der Stewardessen oder wie die heute heissen, hinzugeben. Und dem Genuss richtiger Weine. Denn Lächeln und Alkohol scheinen den Sprung über den Klassenvorhang irgendwie nicht gut zu überstehen. Aber die Businessclass heisst ja so, weil man in der Regel nur auf Spesen fremder Aktionäre das Geld so freigiebig ausgibt. Und das scheint eine doch eher neue Erfindung zu


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