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EXCURSION

Bulletin

Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus Association suisse du journalisme scientifique Swiss Association of Science Journalism

w w w.s ci ence- j ou r n a l is m . c h

2 | 15 NOVEMBER 2015 EDITORIAL

Liebe Mitglieder,

Roland Fischer (zVg)

Chers membres, Le bulletin de l’ASJS a un nouveau rédacteur en chef, et connait également quelques modifications dans son contenu. Chaque édition contiendra un «Point fort» sur un thème d’intérêt en journalisme scientifique. Le premier sera les «Médias sociaux» – il traite de l’utilisation par les chercheurs de Facebook pour populariser des thèmes porteurs en sciences autant que de l’exploitation de nouveaux modèles de publication selon la logique des réseaux digitaux. Et, en passant, nous pouvons vous annoncer fièrement que l’ASJS est désormais aussi présente sur Twitter et Facebook, et qu’y seront partagés autant des annonces sur les activités de notre association que des nouvelles ou débats intéressants sur les domaines qui nous intéressent, provenant de partout dans le monde. Suivez-vous, et participez! En espérant que la nouvelle mouture du bulletin vous plaira, et en vous encourageant à m’envoyer vos remarques et commentaires, mes meilleures salutations. Roland Fischer 1 | sk wj-bulletin 2/15

Das SKWJ-Bulletin hat einen neuen Redaktor – und erfährt auch inhaltlich ein paar Neuerungen. Es gibt nun in jeder Nummer einen Schwerpunkt zu Themen, die von wissenschaftsjournalistischem Interesse sind. Den Start macht «Social Media» – von kommunikativen Ausrutschern prominenter Forscher über die Beliebtheit von Wissenschaftsthemen auf Facebook bis zu neuen Modellen des Publizierens nach digitaler Netzwerklogik. Und passend dazu, we proudly present: Der SKWJ ist ab sofort auch auf Twitter und Facebook präsent und wird da Aktuelles rund um Klubaktivitäten, aber auch­allerlei Wissenswertes und Debatten aus der ganzen Welt teilen. Folgen! Liken! Und sich gern einmischen.

«Neu gibt es in jeder

Nummer einen Schwerpunkt zu Themen von wissen­ schaftsjournalistischem Interesse.

»

Ich hoffe, die Neuausrichtung des Bulletins gefällt. Anregungen und Kommentare sind jederzeit willkommen. Herzlich, Roland Fischer

INHALT / SOM M AIRE

Editorial .......................................................................................... 1 S C H W E R P U N KT T H EM A : S O C I A L M E D I A

Die Kontroverse um IFLS................................................................... 2 Die politische Ökonomie von Science 2.0 .......................................... 3 Why is Richard Dawkins such a jerk?.................................................. 5 Wissenschaft in der Krise?................................................................ 6 Neues Modell für Wissenschaftsjournalismus..................................... 7 Wissenschaftskommunikation, ein Sanierungsfall................................ 8 Kritischer Wissenschaftsjournalismus – professioneller Luxus? ............ 9 World Conference of Science Journalism ...........................................12 Facts and Fictions ...........................................................................14 Gesundheitsseminar 2015................................................................15 Buchtipps und Personelles ...............................................................16


S C H W E R P U N K T: S O C I A L M E D I A

Die Kontroverse um IFLS Eine junge Engländerin startet eine Facebook-Seite mit Wissenschaftsnews der locker-flockigen Art. Und hat unverhofft grossen Erfolg. In letzter Zeit mehren sich allerdings auch kritische Stimmen zu «I Fucking Love Science». Roland Fischer

Brian Koberlein: More Lies on IFLScience «The more knowledge we have about the universe, the more readily we can face the challenges ahead. Hyping results and misrepresenting research only serves to strengthen the argument that scientists don’t really know what they’re talking about. That’s why it’s anti-science, and that’s why I called IFLScience out. They can be a voice for good, but when they willfully mislead it is deeply harmful. The same is true for any site that misrepresents scientific research.»

La controverse entourant IFLS Une jeune Anglaise lance une page Facebook, baptisée «I fucking love science», et y présente des news sur la science sur un ton décontracté. Immense succès immédiat. Récemment, cependant, des voix critiques se sont multipliées contre IFLS. 2 | sk wj-bulletin 2/15

Wissenschaft ist sperrig? Nicht besonders sexy? Riecht immer ein bisschen muffig nach Schule? Dann dürfte sie im Internet und besonders in den sozialen Medien eigentlich keine Chance haben. Elise Andrew, eine junge Engländerin, die inzwischen in Kanada lebt (in einem Kaff abseits urbaner Trendquartiere notabene, aber nichtsdestotrotz mit guter Anbindung ans global village), hat der Welt das Gegenteil bewiesen mit einer der erfolgreichsten Facebook-Seiten überhaupt: I Fucking Love Science, kurz IFLS. Schon nach einem halben Jahr hatte die Seite die Million-Likes-Grenze geknackt und heute erreicht Andrew auf den Social-Media-Kanälen mehr Menschen als «Popular Science», «Scientific American» und «New York Times» zusammen. Die umtriebige Engländerin ist innert weniger Jahre zu einem kleinen Wissenschaftsmedienmogul geworden, mit eigener IFLS-Website, Fernsehsendungen, einem Online-Shop etc. Sie ist Lieblingsgast an Wissenschaftskommunikationskongressen und Forschungsgalas, sie wird umworben und hofiert, alle wollen wissen, wie sie es geschafft hat, Wissenschaft zu einem echten Hingucker im digitalen Kampf um Aufmerksamkeit zu machen. Die Antwort ist relativ einfach: mit Zuspitzung, Humor und einer guten Portion Sex und Ekel – Genital-Fun-Facts und Parasitenvideos sind IFLS-Dauerbrenner. Kurz: IFLS ist der Boulevard der Wissenschaftskommunikation. Die grosse (und durchaus interessante) Frage: Darf man das? Ist Andrews Erfolg irgendwie ungehörig? Aus journalistischer Sicht: Ist das Ganze nicht wirklich ein Aufreger – der Erfolg rechtfertigt die Mittel, ausser für die Puristen. Unethisch ist da schon eher Elise Andrews Umgang mit ihren «Mitarbeitern». Denn die schöne Geschichte, dass IFLS ein kommunikatives One-Woman-Wonder ist, hat unlängst einige Risse bekommen. Ein Artikel auf Dailydot.com versuchte Andrews nachzuweisen, dass sie es mit dem Copyright nicht so genau nimmt und häufig fremde Inhalte als eigene ausgibt. Die Zweifel konnte sie in der Folge grösstenteils ausräumen, doch haben sich auch ehemalige Mitstreiter gemeldet, die offenbar auf ziemlich robuste Weise dazu gebracht worden waren, das Feld zu räumen, als sich abzuzeichnen begann, dass IFLS keine pure Herzensangelegenheit bleiben, sondern ein ziemlich gutes Geschäft werden würde. Aus wissenschaftskommunikativer Perspektive: eine grosse Erfolgsgeschichte, vor allem weil IFLS endlich eine jüngere Generation erreicht und dabei erfolgreich Spass und Ernst mischt – ohne dabei ein Glaubwürdigkeitsproblem zu bekommen. Andrew betreibt Wissenschafts-PR mit aktuellen technischen Möglichkeiten und zugeschnitten auf die Vorlieben einer jungen Leserschaft, die jederzeit die Balance zwischen Ehrfurcht und Schabernack findet, ja mit Vergnügen eben damit spielt. Da kann die alte Garde durchaus etwas lernen. Am interessantesten ist die Einschätzung aus der Forschung selbst. Herrschte auch da anfangs eitel Freude über das gross und grösser werdende Schaufenster, in dem aktuelle Forschungsresultate präsentiert wurden, gab es in letzter Zeit auch immer lautere Kritik vor allem an der Machart von IFLS. Andrews wurde vorgeworfen, einen Ausverkauf wissenschaftlicher Fakten zu betreiben und mit reisserischen Titeln bei den Nutzern auf Klickfang (Clickbait) zu gehen, statt sich der Aufgabe zu widmen, wissenschaftliche Fakten möglichst sachlich und korrekt zu vermitteln. Tatsächlich hat es die IFLS-Website diesen Frühling beispielsweise geschafft, innerhalb von Tagen vor einer bevorstehenden Eiszeit zu warnen, die Warnung als grundlos abzutun (auch das wieder in keineswegs kleinlauter Weise) und dann auch noch auf die Medien einzudreschen, die immer alles dramatisieren. Stellvertretend für die Kritik nebenstehendes Zitat aus einem Blogbeitrag des Astrophysikers Brian Koberlein.


Die politische Ökonomie von Science 2.0 Schöne neue vernetzte Wissenschaftswelt? Bei den Netzwerken, die sich ­anschicken, die Publikationsweise und die Zusammenarbeit von Forschern zu revolutionieren, geht es zunächst und vor allem auch bloss um Daten – und um Profit. Tino Brömme Zwei hervorstechende Beispiele für Science 2.0 sind ResearchGate und Academia.edu, erstere das «Facebook für Wissenschaftler», gegründet 2008 in Berlin mit aktuell angeblich vier bis fünf Millionen Nutzern und täglich 10 000 neuen Mitgliedern, letztere mit elf Millionen Usern nach eigenen Angaben, eine SocialMedia-Webseite aus San Francisco, die sich das Ziel gesetzt hat, «wissenschaftliches Publizieren von Grund auf neu aufzubauen». Eine dritte grosse Webplattform – die neben Facebook und Twitter einer Nature-Umfrage zufolge inzwischen für viele zur Wissenschaftsroutine gehört – ist Mendeley mit drei Millionen deklarierten Nutzern, an der sich bereits die ersten Konzentrationssymptome der Branche zeigen: 2013 wurde das einstige Start-up von dem zweitgrössten Verlagshaus der Welt, Reed Elsevier, für eine Summe zwischen 69 und 100 Millionen Dollar (6595 Million CHF) aufgekauft. Jede dieser Internetfirmen versucht, den Wissenschaftsprozess neu aufzurollen, vom Beginn der Ideensuche über den ersten Entwurf, vom Forschungsprojekt bis hin zum Forschungsartikel – jedem Schritt sein digitaler Service. Der Politikwissenschafter Philip Mirowski von der University of Notre Dame in Indiana spricht zutreffend von einer «Taylorisierung» des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses, deren Ziel es ist, ihn zu kontrollieren und Teile davon zu automatisieren oder outzusourcen. Ein Beispiel sind Schreibagenturen, die Datenzusammenfassungen, Förderanträge und dergleichen kommerziell verfassen. Mirowski warnt vor den Auswirkungen auf die wissenschaftliche Gemeinschaft, wenn sie sich allzu arglos auf die verheis­ sungsvollen akademischen Social-Mediaund Publikationsangebote der allenthalben spriessenden Start-ups einlässt. Erst vor kurzem deckte er in seinem Buch «Science Mart» die Methoden der Forschungskommerzialisierung in den Verei-

nigten Staaten auf. Plastisch legt er die politische Ökonomie der Internet- und ITBranche bloss, deren Slogan von der «Offenen Wissenschaft» der Menschheit den grossen Sprung in die Wissensgesellschaft verspricht.

«Entdecke neue Mechanis­ men für Finanzierung, Koo­ peration, Feedback, Zitate und Anerkennung!

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Neue Finanzierungsregeln halten Einzug, das wissenschaftliche Personal wird austauschbarer: Sollte ein Projekt nicht mehr gewinnversprechend sein, kann seine Finanzierung eingestellt werden, die Forscher lassen sich flexibel woanders einsetzen. Was früher eine Person von Anfang bis Ende durchführte, wessen er oder sie sich möglicherweise viele Jahre oder ein Leben lang widmete, kann jetzt auf viele Personen verteilt werden und gehört auch nicht mehr nur einem oder einem kleinen Kollektiv, sondern ... ja wem?

Die grossen Verlagshäuser unter Beschuss

Wer über die meisten Forscherprofile und Daten verfügt, erhält auch Zugriff auf die grösste Begehrlichkeit: die H ­ onigtöpfe staatlicher Fördermittel. Die jüngste Schlagzeile: eine Plattform namens RIO, die verspricht «jeden Schritt des Forschungszyklus zu publizieren – Ideen, Methoden, Daten, Software oder Endresultate». Ihre Werbung lockt: «Entdecke neue Mechanismen für Finanzierung, Kooperation, Feedback, Zitate und Anerkennung!» Die neuen Player im Wissenschafts­ sektor greifen auch das bisherige Publi-­­ ka­tionsoligopol der grossen Verlags­häu­ ser an. Elsevier, Thomson Reuters, Wiley, Taylor & Francis und Springer Nature, die weltweit mehr als die Hälfte aller

L’économie politique de la science 2.0 Le monde de la science est-il devenu un bel et nouvel univers largement connecté? Derrière les réseaux (sociaux) qui prétendent révolutionner les modes de publication, d’intercom­mun­ ication, et de collaboration entre les chercheurs, il faut surtout bien voir simplement une manière de traiter les informations, et surtout une manière de faire du profit. C’est l’idée que défend Timo Brömme, journaliste spécialisé en politique des sciences et directeur de l’agence de presse ESNA European Higher Education News, à Berlin skwj-bulletin 2/15 | 3


S C H W E R P U N K T: S O C I A L M E D I A

«Die Speicherung, Indi­

zierung und Analyse der erhobenen Forschungsdaten könnte ein Milliarden­ geschäft werden.

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­ orschungsartikel veröffentlichen, stehen F unter B ­ eschuss. Und mit ihnen das System der Peer Review, die Überprüfung von Forschungsergebnissen durch andere Wissenschaftler, eine Praxis, die nun durch andere Kanäle als früher geht. Dazu gehört das etablierte Bewertungssystem durch renommierte Journale wie Science oder Nature, dessen bibliometrische Verfahren zur Artikelbewertung von neuen Anerkennungssystemen infrage gestellt werden, etwa durch den «RG-Score» von ResearchGate, der das «soziale Engagement» der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen misst und prämiert, oder auch die englische. Diese Veränderungen lassen auch Open Acces, die Möglichkeit Forschungsartikel online zu publizieren, in einem neuen Licht erscheinen: Was anfangs als Befreiung von enteigneten Autoren und überteuerten Zeitschriftenabonnements auf Kosten der öffentlichen Hand daherkam, entpuppt sich nun zugleich als erbitterter Konkurrenzkampf um die Verfügungsgewalt über den Produktionsprozess und die Ware Wissen. Die Kommerzialisierung wissenschaftlicher Arbeit ist längst im Gange. Was dem promovierten Nutzer als «kostenloser» Service angepriesen wird, ist ein Danaergeschenk: Wie bei Facebook ist er, der Nutzer, das eigentliche Produkt, als Artikel im Sortiment von Headhuntern, als subventionierter Datenlieferant und als gut durchleuchteter Adressat für Werbebotschaften. Der Markt für persönliche Daten ist ebenso im Entstehen wie das Big Business durch Big Data. Mit immer höheren Rechnerkapazitäten und Cloudservices steht auch diese höchst kostspielige und nicht zuletzt von Google vorangetriebene Entwicklung – die Speicherung, Indizierung, Standardisierung und Analyse der erhobenen Forschungsdaten – an der Schwelle, ein Milliardengeschäft (und ein Milliardengrab öffentlicher Gelder) zu werden.

Der Neoliberalismus des Silicon Valley Tino Brömme ist wissenschaftspolitischer Journalist und Leiter der Nachrichtenagentur ESNA European Higher Education News in Berlin. 4 | sk wj-bulletin 2/15

Für Mirowski ist Science 2.0 ein neoliberales Projekt. Er präzisiert, dass er «neoliberal» nicht etwa als Schimpfwort benutzt, sondern es konkret aus der 1947 gegründeten Mont Pelerin Society mit ihrer

Denkschule und ihrem Expertennetzwerk herleitet, das mit zahllosen Thinktanks international höchst aktiv ist. Es sei ein Irrglaube, so Mirowski, dass es Neoliberalen um eine Abschaffung des Staates zu tun ist, im Gegenteil, sie «bekennen sich zur Notwendigkeit eines starken Staates, der die Welt der Märkte erschaffen und schützen kann, was aus ihrer Sicht mit der Vision einer immer grösseren Freiheit vereinbar ist.» Für noch naiver hält er es, das Silicon Valley als einen Hort von Idealisten und Philanthropen anzusehen und nicht als das, was es ist: ein profitorientierter Businesspark, in dem neoliberale Denker wie Friedrich von Hayek und Ayn Rand gross in Mode sind. Das könne man leicht daran ablesen, wie der intellektuelle Entrepreneur Tim O’Reilly erklärte, warum manche Firmen das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 überleben konnten. Es waren diejenigen, die eine «Architektur der Partizipation» besassen – die er das Web 2.0 t­ aufte. So wurde das Label «2.0» geprägt, das nun überall angeheftet werden konnte: an Regierung 2.0, an Wirtschaft 2.0» und eben auch an Science 2.0. O’Reilly ging es nicht wie Richard Stallman um freie Software und Anwendungen, nicht um die Freiheit des Nutzers von kommerziellen Interessen, sondern um die Freiheit des Produzenten, er wollte den «Randian entrepreneur, who must be left to innovate, undisturbed by laws and ethics». Der Paradigmenwechsel von «frei» zu «offen», so Mirowski, veranschaulicht klar, wes neoliberalen Geistes Kind das Silicon Valley mit seinen digitalen Segnungen ist. Dem neoliberalen Denken, wie es sich nicht nur im Silicon Valley, sondern auch in der «Open Science»-Politik der Europäischen Kommission ausdrückt, ist jeder Vorwand für die Erschliessung neuer ­Geschäftsfelder und Profite recht. Die Scheinargumente dafür sind immer die gleichen: die «Wissensproduktion» soll zum Wohle aller revolutioniert werden; die Konkurrenz oder der technologische Imperativ zwingen uns zur Digitalisierung der Wissenschaftskommunikation; oder, besonders beliebt: «Die Wissenschaft ist kaputt und ineffizient, und das kann nur durch mehr ‹Offenheit› repariert werden.»


Why is Richard Dawkins such a jerk? Fragte das einflussreiche Online-Magazin «Slate» unlängst. Tatsächlich fällt der Starbiologe und Kreationismus-Bekämpfer auf Twitter immer wieder durch Entgleisungen auf. Und tut damit der Wissenschaft keinen Dienst. Roland Fischer Jüngstes Beispiel: zum vermeintlichen Bombenbauer Ahmed, der doch nur eine selbst gebaute Uhr in der Schule zeigen wollte.

«If this is true, what was his motive? Whether or not he wanted the police to arrest him, they shouldn’t have done so.»

twitterte Dawkins und verlinkte auf ein Youtube-Video, das den Jungen als kleinen Hochstapler auf der Suche nach Aufmerksamkeit zu entlarven sucht. In der Folge bekam Dawkins einen kleinen Shitstorm zu spüren, zunächst in den Antworten auf seine Tweets auf Twitter, dann auch in den Medien. «Slate» hat die Sache aufgerollt:

«Previously, he has made oddly sophist and insensitive comments about Down’s syndrome (saying it would be immoral not to abort a fetus with the condition), rape (comparing the relative harm of different types of rape), and pedophilia (contrasting «mild» and «violent» forms of abuse). When people challenge him on his behavior, he resorts to insulting their intelligence or reading comprehension, which you can see by following the Twitter threads in the links.» Im Grunde erstaunen Dawkins’ Twitter-Provokationen nicht. Erfolgreiche Wissenschaftler haben ein starkes Ego und eine noch stärkere Überzeugung, dass ihre Ansichten genau dann umso interessanter sind, je mehr sie gegen den Mainstream gehen – eben dieses Selbstvertrauen hat sie ja oft zu aussergewöhnlichen Erkenntnissen geführt. Aber Dawkins ist ein besonderer Fall, in zweierlei Hinsicht. Erstens ist er der Erfinder des «Meme»-Konzepts, das er 1976, also tatsächlich noch vor der digitalen Revolution, ersonnen hat und das inzwischen zum Internet-Standardvokabular gehört. Insofern müsste er eigentlich am besten wissen, wie sich Dinge in digitalen Medien selbstständig machen können:

«So when anybody talks about something going viral on the internet, that is exactly what a meme is.» Vor allem aber braucht es in seinem Fall diese Viralität gar nicht: Dawkins hat über eine Million Follower auf Twitter – er äussert seine seltsamen Ansichten also nicht am Stammtisch seines Quartierpubs, sondern unmittelbar vor einem sehr viel grösseren Publikum. Und er tappt da womöglich in die klassische Twitter-Falle, dass man beim Schreiben im Grunde allein vor seinem Bildschirm sitzt und keine Vorstellung von der Masse an Lesern hat, die das Geschriebene sehen werden. Pourquoi Richard Dawkins est-il un tel abruti? C’est ce que se demande le magazine en ligne influent «Slate». En fait, le célèbre biologiste étoiles et pourfendeur du créationnisme a déraillé à plusieurs reprises récemment sur Twitter, où il possède plus d’un million de «followers»; il ne rend ainsi pas service à la science. skwj-bulletin 2/15 | 5


SCIENCECOMM 2015

Wissenschaft in der Krise – Wissenschaftskommunikation in der Krise? An der diesjährigen ScienceComm wurde in diversen Panels und Präsentationen unter anderem die Krise verhandelt. Geortet wurde sie eher beim Kommunizieren, weniger in der Wissenschaft selber. Roland Fischer

Beat Glogger

Hat da jemand «Krise» gesagt? Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, natürlich – aber Wissenschaft? An der ScienceComm, die dieses Jahr in Solothurn über die Landhaus-­ Bühne ging (da, wo sonst die Schweizer Literatur ihren Stammsitz hat), wagte man ebendiese Frage zu stellen: Kann sich die Wissenschaft von der allgemeinen Verunsicherung ausnehmen, oder gibt es auch in den Labors und Denkstuben Erschütterungen, womöglich sogar Verwerfungen existenzieller Art? Dass die Wissenschaft kein neutrales, von gesellschaftlichen Entwicklungen losgelöstes Terrain (eine Insel der Seligen) ist, dürfte inzwischen nicht nur den Kulturtheoretikern, sondern auch dem durchschnittlichen Naturwissenschaftler klar sein, dem die geistes- und sozialwissenschaftliche Reflexion seines Tuns sonst (womöglich ja auch zu Recht) einigermassen schnurz ist. Wissenschaft hat viel mit Wirtschaft zu tun, mit Politik ebenso, es geht da eben nicht nur um den Erkenntnisgewinn an sich, sondern auch darum, wer was für erforschenswert hält und aus welchen Gründen. Und Anzeichen dafür, dass gerade die ökonomischen Exzesse auch an der Wissenschaft nicht spurlos vorbeigehen, gibt es z­ uhauf, vom Publizierwahn (exponentielles Wachstum der Forschungsarbeiten = exponentielles Wachstum des Wissens?) über längst nicht mehr nur intern diskutierte Probleme bei der Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen bis hin zu Anreizsystemen, die tendenziell eher weniger wertvolle Resultate belohnen. Ein wenig enttäuschend war es deshalb schon, dass die meisten Panels dies nicht wirklich angehen mochten und sich meist auf den bequemen Ausweg einigten, dass in der Wissenschaft im Grossen und Ganzen alles in Ordnung sei und die Krise vor allem die Wissenschaftskommunikation auszubaden habe. Neue Medienrealitäten, immer komplexere Zusammenhänge mit immer mehr zusehends aggressiv kommunizierenden Akteuren und entsprechend grösserem Potenzial an Interessenskonflikten – der Journalismus selbst wird dabei immer mehr an den Rand gedrängt. Die Wissenschaftsjournalisten waren am Kongress einmal mehr nur in kleiner Zahl präsent, was gerade bei diesem Thema schade war – wäre es nicht an ihnen, der möglicherweise unbequemen Wahrheit nachzugehen, ob da vielleicht doch etwas faul ist im Grundgebälk der Wissenschaft? Zwei Präsentationen gingen die Frage, wie weiter mit der Wissenschaft und ihrer Kommunikation, immerhin ganz konkret an. Wir bringen hier gern zwei Kurzfassungen, das Wort haben die Initianten.

Sciences en crise – communication scientifique en crise? Lors du congrès ScienceComm de cette année, la crise fut au centre des discussions lors de diverses présentations. Mais de crise, il était bien davantage question autour de la communication qu'autour de la science elle-même. 6 | sk wj-bulletin 2/15

Podiumsdiskussion Crisis of Science


Neues Modell für Wissenschaftsjournalismus Im neuen Jahr wird das Angebot an Wissenschaft in der Schweizer Presse wachsen. Die Gebert Rüf Stiftung unterstützt neu eine wöchentliche Wissen-Seite für alle grösseren deutschschweizer Regionalzeitungen. Das Projekt versteht sich auch als Plattform für freischaffende Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten. Beat Glogger Seit nunmehr sechs Jahren erscheinen die mit Stiftungsgeldern finanzierten Wissen-­ Seiten in der Pendlerzeitung «20 Minuten». Doch die Unterstützung der Stiftungen Mercator und Gebert Rüf läuft per Ende dieses Jahr aus – sie war von Anbeginn als Anschubfinanzierung gedacht. Das bedeutet, dass sich Wissen in 20 Minuten ab Januar 2016 selbständig finanzieren muss – also über den Verkauf von Anzeigen. Diese Aufgabe übernimmt die Agentur Print-ad Kretz, die unter anderem bereits für die Werbeakquisition im ­GLOBE der ETH, für das Magazin und das Journal der Uni Zürich sowie für diverse Produkte der Hochschule St. Gallen verantwortlich ist.

Stiftung finanziert weiter Doch damit endet das Engagement im Bereich Wissenschaftsjournalismus zumindest für die Gebert Rüf Stiftung nicht. Sie unterstützt ein von der freischaffenden Fachredaktion Scitec-Media initiiertes Projekt, welches Themen aus Wissenschaft und Forschung für die grösseren Schweizer Regionalzeitungen bereitstellen wird. Insgesamt fünf Blätter haben sich dazu in einem Verbund zusammenge­ schlossen. Blätter notabene, die aus Verlagshäusern stammen, die sonst Konkurrenten sind: die Südostschweiz aus dem Hause Somedia, die Neue Luzerner Zeitung aus der NZZ-Gruppe, die Aargauer Zeitung der AZ-Medien sowie der Landbote und die Berner Zeitung von Tamedia. Da alle diese Titel als Mantelblätter funktionieren, also einen Teil ihrer Inhalte an kleinere Regionalausgaben weitergeben, wird sich die neu angebotene Wissen-­ Seite eine Leserschaft von rund 1,4 Millionen Personen erschliessen. Die abnehmenden Zeitungen erhalten – wie es schon beim Wissen für «20 Minuten» der Fall war – eine komplett gelayoutete Seite, die individuell auf das Er-

scheinungsbild jedes Blattes angepasst ist. Einzig die Aargauer Zeitung übernimmt die Inhalte in roher Form und lässt sie in ihre bereits bestehende Wissen-Seite einfliessen.

Erweiterung des Angebots Hinter der neuen Initiative der Gebert Rüf Stiftung steht die Absicht, das thematische Spektrum der Regionalzeitungen um den Bereich Wissenschaft und Forschung zu erweitern. Themengebiete, welche die ­beteiligten Blätter aus eigener Kraft nicht bewirtschaften können. Dass damit gleich­zeitig bestehende Redaktionen entlastet werden, ist nicht das eigentliche Ziel der Stiftung, aber für die Redaktionen in Aarau, Bern, Chur, Luzern und Winterthur ein willkommener Nebeneffekt. Jedoch darf die Unterstützung – so die Bedingung der Stiftung – nicht zum Abbau des eigenen Aufwandes oder sogar Stellenstreichungen missbraucht werden. Im Gegenteil versteht sich das Projekt als «Job-Generator» und Ankurbler in der darbenden Szene des freien Wissenschaftsjournalismus.

«Es steht auch ein Budget

für freischaffende Journalis­ ten sowie für Fotoaufträge bereit.

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Budget für Freelancer Der Projektkredit deckt die Vollkostenrechnung für 1,5 Redaktionsstellen, Bildredaktion, Grafik und Foto, Bildrechte, Administration sowie die nötige Infrastruktur. Explizit steht auch ein Budget für freischaffende Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten sowie für Fotoaufträge bereit. Die federführende Redaktion Scitec-Media in Winterthur nimmt ab sofort interessante Themenvorschläge entgegen und vergibt Aufträge nach aussen. Als verantwortliche Redaktorin zeichnet Claudia Hoffmann (hoffmann@scitec-­ media.ch), die Gesamtverantwortung trägt Beat Glogger (glogger@scitec-media.ch).

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SCIENCECOMM 2015

Wissenschaftskommunikation, ein Sanierungsfall! Der soziale Mehrwert öffentlicher Forschung über brisante Themen ist zu gering. Viele teuer erarbeitete Resultate werden nicht umgesetzt und liegen ungenutzt brach. Zu diesem Manko tragen auch die Wissenschaftskommunikation und die Medien bei. Es braucht daher andere Formen, Kanäle und Ansprechgruppen. Beat Gerber

Communication et jouralisme scientifiques en chantier Beaucoup ne veulent pas l’admettre, mais la science a jusque-là échoué face à nombre de défis mondiaux. La communauté scientifique n’a pas été en mesure de livrer des solutions réalisables pour des crises comme celles de l’énergie, du climat, de l’urbanisation ou de la faim. La recherche publique apporte trop peu dans les domaines politiquement controversées de la société en regard l’argent investi (en Suisse, ce sont environ 5 milliards de francs par an). À cette lacune contribuent les communicateurs scientifiques et les médias. La science doit repenser son rôle. Les chercheurs devraient être de plus en plus obligés de participer activement à la mise en œuvre de leurs résultats. C’est en s’invitant à la table de la politique et de l’économique que le monde progressera dans l’esprit des Lumières. Ce changement de paradigme vers ce «mélange» est âprement débattu à l’étranger. En Allemagne, un débat fait rage suivant le moto: «Hors de votre tour d’ivoire, professeurs: mêlez-vous enfin à la société!». Comme d’habitude, la Suisse est en retard dans ce domaine. La communication scientifique doit soutenir ce processus, et le journalisme scientifique l’accompagner de manière critique. Mais les deux domaines sont en chantier, explique Beat Gerber, ancien président du SKWJ, journaliste et communicateur, sur son nouveau www. dot-on-the-i.ch. 8 | sk wj-bulletin 2/15

Die meisten wollen es nicht wahrhaben, doch die Wissenschaft hat bei den globalen Herausforderungen bisher versagt. Der Forschergemeinschaft ist es nicht gelungen, für virulente Problemkreise wie Energie, Klima, Städtebau und Ernährung umsetzbare Lösungen in die Gesellschaft zu tragen. Öffentlich finanzierte Forschung in politisch umstrittenen Gebieten bringen der Gesellschaft zu wenig Nutzen für das investierte Geld, in der Schweiz sind das insgesamt rund 5 Milliarden Franken jährlich. Zu diesem Manko tragen auch die Wissenschaftskommunikation und die ­ Medien bei. Die Wissenschaft muss ihre Rolle überdenken. Die Forschenden sollten zunehmend verpflichtet werden, bei der Umsetzung ihrer Resultate aktiv dabei zu sein. Nur wenn sie am Tisch der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft mitmischen, wird die Welt im Sinne der Aufklärung fortschreiten. Dieser Paradigmenwechsel hin zum «Einmischen» wird im Ausland heftig diskutiert. In Deutschland läuft derzeit die Debatte «Raus aus dem Elfenbeinturm! Professoren, mischt Euch endlich wieder ein!», die Schweiz ist diesbezüglich wie gewohnt im Verzug. Die Wissenschaftskommunikation muss diesen Wandel unterstützen, der Wissenschaftsjournalismus den Prozess kritisch begleiten. Doch beide sind ein Sanierungsfall. Die moderne Wissenschaft ist durchdrungen von Propaganda, PR und Promotion. Was heute effektiv zählt, sind Brand (neudeutsch für Marke) und Bewertung (sprich: Ranking). Dazu bei trägt hauptsächlich das wachsende Ungleichgewicht zwischen Journalismus (stetiger Abbau) und Hochschul-PR (massiver Ausbau von Ressourcen). In den Medien fehlen ­demzufolge Hintergründe, Einordnung, ­Analyse und Kommentar – Elemente, die

gerade für die Wissenschaftsberichterstattung elementar sind. Die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen wie auch der Wissenschaftsjournalismus sollten sich demzufolge von zusammenhangslosen Informationen über Einzelresultate zu einer themenzentrierten Orientierung der Gesellschaft entwickeln, welche die teils widersprüchlichen Erkenntnisse aus der Wissenschaft weitaus besser einordnet. Auch sind die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft wesentlich intensiver zu bedienen, um das Terrain für Lösungsansätze zu ebnen. Eine solche Perspektive eröffnen in der Wissenschaftskommunikation neue Dialogformen und Einsatzfelder, beispielsweise Themenkampagnen, Scientainment (Theater, Performance) und Politikberatung (Lobbying). Auch der Wissenschaftsjournalismus ist aufgefordert, neue Formen und K ­ anäle zu erobern. So können Blogs spannende Hintergründe und differenzierte Analysen für kleinere, interessierte Usergemeinschaften liefern. Mit sogenanntem «Impact Journalism», der konstruktive Lösungen aufzeigt, lässt sich generell das Bewusstsein wecken. Im Weiteren vermag eine Rubrik «Wissen» in Gratismedien (derzeit nur in «20 Minuten») und Regionalzeitungen (Projekt von Scitec Media, siehe begleitender Text) ein grosses Publikum anzusprechen. Gerade auflagenstarke Publikationen wie die Coop-Zeitung (Auflage 2,5 Mio.) und das Migros-Magazin (1,5 Mio.) böten dazu eine vortreffliche Möglichkeit.

Präsentation mit Details und mehr Beispielen auf der Website www.dot-on-the-i.ch. (Rubrik «Lange gedacht»). Dort finden sich auch weitere Beiträge über Hochschulen, Forschung, Medien und ganz andere Themen.


WORLD CONFERENCE OF SCIENCE JOURNALISM

Kritischer Wissenschaftsjournalismus – professioneller Luxus? Der Gegensatz zwischen investigativem Journalismus und Public Relations für Forschungsunternehmen und Hochschulen ist weltweit zum Problem der Wissenschaftskommunikation geworden. Das hat auch Werner Hadorn, einer der Mitgründer des Weltverbands, an der 9. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten in Seoul erfahren. Werner Hadorn Im Jahre 2002 trafen sich ein Dutzend Wissenschaftsjournalisten aus Europa und Amerika in der brasilianischen Industriestadt São José dos Campos. Ihr Ziel: die formelle Gründung eines Weltverbandes ihrer Profession. Sie ahnten nicht, was aus ihrem Vorhaben werden sollte: ein weltumspannender Berufsverband, dem mittlerweile 51 Landesorganisationen angehören mit 9000 Journalisten, die sich darum bemühen, Wissenschaft dem breiten Publikum näherzubringen. Die World Federation of Science Journalists (WFSJ) hat bislang alle zwei J­ ahre eine Konferenz durchgeführt. Sie hat übers Internet ein weltumspannendes Netzwerk geschaffen, das Veranstaltungen, Jobvermittlung, Auszeichnungen, News aus dem Wissenschaftsbereich und Online-Fortbildungskurse in mittlerweile 10 Sprachen anbietet.

Wachsende Bedeutung Zeugnis von der wachsenden Bedeutung dieses «globalen Rendez-vous für Austausch und Zusammenarbeit» (so WFSJPräsident Chul-Joong Kim) legte die von den koreanischen Wissenschaftsjournalisten erstmals in Asien organisierte 9. Weltkonferenz ab. Im riesigen Kongresszentrum Coex in Seoul trafen sich in der zweiten Juniwoche rund 800 Wissenschaftsjournalisten aus über 40 Ländern. Zu den Referenten zählten Reporter, die von spektakulären Einsätzen berichteten, namhafte Vertreter des mittlerweile in vielen Ländern etablierten Universitätsfachs «Wissenschaftsjournalismus» bzw. «-kommunikation» – und sogar zwei Nobelpreisträger. Erstaunlich für die Gründer, die ihre Reise nach Brasilien damals noch aus der eigenen Tasche bezahlt hatten, war der finanzielle Aufwand: Die Koreaner verfügten über ein gewaltiges Bud-

get, das vor allem durch Beiträge von 49 Sponsoren (darunter Novartis) sowie mit koreanischer Regierungsunterstützung bereitgestellt worden war: Der Wissenschaftsminister beehrte das Gala-Dinner.

Schwerpunkt Nukleartechnologie Als Thema des Kongresses hatten die Koreaner «Expanding our horizons» gewählt – die Erweiterung der Horizonte von uns Wissenschaftsvermittlern, aber auch bezüglich wissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Zentrum (mit mehreren Kolloquien und einem Besuch ausgewählter Journalisten in Fukushima) stand der journalistische Umgang mit der Nukleartechnik. Weitere Schwerpunkte lagen bei medizinischen Katastrophen, beim Klimawandel, beim asiatischen Beitrag zur Raumfahrt, bei der Nutzung neuer Medien von Drohnen bis Social Media. Zum Auftakt plädierte die amerikanische Pulitzer-Preisträgerin und Universitätsdozentin Deborah Blum etwas überraschend für mehr Geschichte (nicht als ­Story, sondern als Historie) im täglichen journalistischen Alltag: Wissenschaftsgeschichten, findet Blum, würden ver­ständ­ licher, wenn der Journalist die ­Geschichte eines Problems aufrolle. Der Fokus auf die Nukleartechnologie war wohl nicht ganz zufällig – die Korea Hydro Nuclear Power gehörte zu den Hauptsponsoren der Tagung. Überraschend für Europäer war die auch nach Fukushima ungebrochene asiatische (und amerikanische) Befürwortung der Kernspaltungsenergie, die im Titel einer Hauptveranstaltung unverblümt unter dem ­Motto «Adding Green on Earth» angekündigt wurde. Für Kernenergie, so etwa Ian Hore-­ Lacy von der World Nuclear Association, sprächen deren Energiedichte, das F ­ ehlen

Journalisme scientifique critique – un luxe professionnel? Le contrast entre le monde du journalisme d’investigation et celui des relations publiques des institutions de recherches (universités et entreprises) est devenu le principal problème de la communication scientifique dans le monde. C’est ce qu’a pu constater Werner Hadorn lors de la de la 9e Conférence mondiale des journalistes scientifiques (WCSJ) à Séoul, en juin dernier, qui a réuni quelque 700 participants. Le co-fondateur de la WCSJ explique aussi comment l’on communique autour de l’énergie nucléaire dans le pays du matin calme, ou comment l’on peut rendre la science agréable, avec des modèles dit de «funny science». skwj-bulletin 2/15 | 9


WORLD CONFERENCE OF SCIENCE JOURNALISM

von Emissionen, die Sicherheit und die reichlich vorhandenen Rohstoffe. Bei den drei bisherigen Grossunfällen in Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima hätten bloss ein paar Dutzend Menschen (in Tschernobyl) das Leben verloren. Für eine erfolgreiche Zukunft sprächen die Erfahrungen mit neuen, kleinen KernkraftNächste Konferenz in San Francisco Für die nächste Weltkonferenz im Jahr 2017 ­hatte sich zuerst auch die Schweiz bewerben wollen. Der Klub-Vorstand zog sein Vorhaben allerdings zurück (um eine gründlicher vorbereitete Kandidatur für 2019 zu wagen, siehe nächster Text). Bei der Wahl zwischen den Dänen und den Amerikanern obsiegten die Yankees: 2017 wird die nächste Weltkonferenz in San Francisco stattfinden. Genaueres zu den Kosten wollten die Koreaner zwar noch nicht mitteilen. Aber, so der Finanzverantwortliche der Konferenz auf meine Frage: Es handle sich um einen Betrag, der weit über einer Million Dollar liege…

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«Investigativer Wissen­

schaftsjournalismus ist zum professionellen Luxus geworden.

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werken, namentlich jenen nach dem Konzept der natriumgekühlten «Schnellen Brüter», bei denen sich der Abfall auf einen Vierzigstel eines Leichtwasserreaktors reduziere. Korea hat in seine 24 Atommeiler eine runde Billion Franken investiert, exportiert heute Strom und liegt in der R ­ angliste der Kernenergieländer weltweit bereits an 6. Stelle – ganz vorne unter den atomwaffenlosen Ländern. Manche Europäer schüttelten ob der ungebremst positiven Einstellung gegenüber der nuklearen Energiegewinnung den Kopf. Selbst die Endlagerung radioaktiver Abfälle scheint in Asien kein Thema zu sein. Und die öffentliche Akzeptanz der Kernkraftwerke steigt in Asien offensichtlich weiter (ausser in Japan). Ob sich da angesichts weltweit derzeit 388 funktionierender Atommeiler ein ­Meinungsumschwung abzeichnet? Wohl möglich: In England haben zwei oft ­ ­zitierte, erzgrüne Wissenschaftspublizisten (­ George Monbiot vom «­ GUARDIAN»

und der Buchautor Mark Lynas) für Aufsehen in der weltweiten J­ ournalistenrunde gesorgt, weil sie sich von der grünen Opposition gegen Nukleartechnologie verabschiedeten – ohne Atomstrom sei der Klimawandel nicht aufzuhalten.

Katastrophenberichterstattung Wahrhaft horizonterweiternde Beiträge stellten in Seoul die Berichte über die Medientätigkeit beim Erdbeben in Nepal («Die Medien spielen eine wichtige ­Rolle bei der Bekämpfung von Gerüchten», so der nepalesische Journalist Chhatra K ­ arki) oder bei der Ebola-Epidemie in Westafrika dar. Ein Médecin sans frontières sprach sich dezidiert gegen die übliche Mediziner-Zurückhaltung gegenüber Medien aus und betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit im Hinblick auf die Information der Bevölkerung in Katastrophensituationen und bei der Bekämpfung von Hysterie sei: «Wir brauchen euch!» Ihm stimmte der japanische Nobelpreisträger und Stammzellenforscher Shinya Yamanaka zu, der zur Bedeutung seines Fachs für die Augenmedizin, die Alzheimer-Erkrankung oder das Parkinson-Syndrom sprach und eindringlich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Wissenschaftskommunikatoren beschwor – nicht zuletzt wegen der oft gefährlichen Konkurrenz unter den Wissenschaftlern selbst.

Interessante Formen Horizonte ganz anderer Art erweiterten in Seoul auch Veranstaltungen, die von den üblichen Vorlesungs- oder Seminarformen abwichen. «Unser Publikum ist immer noch geprägt vom Stereotyp, dass Wissenschaft und Medizin schwierig und komplex sind», erklärte Chul-Joong Kim.


«Wir müssen zeigen, dass Wissenschaft auch lustige Geschichten liefert.» Ein originelles Beispiel für «funny ­science» lieferte etwa eine von den Briten moderierte Sitzung, in der sich das Publikum nach Art des britischen Parlaments in Befürworter und Opposition aufteilte und Stellung nahm zu Thesen wie «Wissenschaftsjournalisten brauchen mehr Journalismus als Wissenschaft» oder «Ökologie und Politik sollten eine g ­ rössere Rolle spielen im Wissenschaftsjournalismus». In einer andern Veranstaltung versuchten freie Journalisten in einem «Slam» vor Publikum ihre Story-Idee prominenten Redaktoren zu «verkaufen»; Redaktoren (u. a. von «NATURE» und der «NEW YORK TIMES») bewerteten sie rücksichtslos.

Rolle der Wissenschaftsjournalisten Eine rein wissenschaftliche Fachtagung war die Weltkonferenz aber nicht. Denn was die Wissenschaftsjournalisten ihrem Publikum berichten, ist auch ein Abbild der Einstellung des breiten Publikums zur Wissenschaft. Ein widersprüchliches Bild: Denn obwohl Wissenschaftsthemen nach wie vor zu den Spitzenreitern bei Umfragen zum Publikumsinteresse zählen, stellen viele Redaktionen für Wissenschaftsthemen immer weniger Raum und Zeit zur Verfügung und überlassen das Feld den Unternehmenskommunikatoren. Auch bei den Schweizer Qualitätszeitungen sind die Wissenschaftsredaktionen geschrumpft: bei der NZZ von 510 auf 390, beim «Tages-Anzeiger» von 560 auf 420 Stellenprozente. So hat sich das Tätigkeitsfeld der Wissenschaftskommunikatoren notgedrungen

erweitert: Vor allem freie Journalisten finden nicht mehr genügend Arbeit im traditionellen Medienmarkt und weichen auf Public Relations aus. Zwar verlangen auch sie journalistisches Handwerk. Aber die kritische Distanz, die in den Massenmedien eigentlich nötig wäre, geht oft verloren. Investigativer Wissenschaftsjournalismus ist zum professionellen Luxus geworden. In Europa hat diese Entwicklung bereits zur Spaltung geführt: Die Briten, Franzosen, Holländer und auch die Schweiz sind aus der Dachorganisation der Wissenschaftsjournalisten EUSJA ausgetreten, nicht zuletzt weil mit der neuen finnischen Präsidentin eine PR-Frau gewählt wurde und weil die EUSJA es nach jahrelangen Bemühungen geschafft hat, erhebliche Unterstützung in Form von EU-Geldern für die Berichterstattung über europäische Forschungsprojekte zu erhalten. Der Weltverband will sich diesem besorgniserregenden Thema widmen, denn das Rollenverständnis hat weltweites Konfliktpotenzial. Er tritt für ein friedliches Nebeneinander zwischen Wissenschaftskommunikation und -journalismus ein, will keinen Krieg – vielmehr sollen die gegensätzlichen Haltungen von Wissenschaftskommunikatoren und Jour­ nalisten in einem Bericht thematisiert ­werden. Motto: «Wir brauchen ein gemeinsames Dach.»

Der Weltverband Die World Federation of Science Journalists (WFSJ) zählt derzeit 51 Mitgliederverbände und hat ihren Sitz in Montreal (Kanada). Das Leitungsteam steht unter der Direktion des ­Briten Damien Chalaud. Den Nachfolger des bisherigen Präsidenten Chul-Joong Kim aus Südkorea wird der neue Vorstand aus der R ­ eihe seiner Mitglieder wählen. Bei den Wahlen für die neuen Board Members verpasste der Schweizer Klubpräsident Olivier Dessibourg die Wahl nur um knappe drei Stimmen. Näheres auf der Website www.wfsj.org.

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WORLD CONFERENCE OF SCIENCE JOURNALISM

World Conference of Science Journalism 2019: la Suisse et l’ASJS candidates pour l’accueillir Lors de l’Assemblée générale de juin dernier, la projet de candidater pour réunir un millier de collègues journalistes scientifiques à Lausanne a été accepté, financé, et lancé. Olivier Dessibourg, président de l’ASJS

World Conference of Science Journalism 2019: SKWJ lanciert Kandidatur Der SKWJ möchte die World Conference of Science Journalism (WCSJ) 2019 nach Lausanne holen, die alle zwei Jahre von der World Federation of Science Journalists organisiert wird. Erster Schritt wird die Präsentation der Kandidatur in San Francisco sein, an der WCSJ 2017. Das Projekt kurz skizziert: Bis im Frühling 2017 steht die Kandidatur, erarbeitet von einem lokalen Organisationskomitee aus Klubmitgliedern und Vertretern der Partner: Stadt Lausanne, die EPFL, das CERN und die Uni Lausanne. Die Beteiligung der Uni Genf ist noch hängig. Die WCSJ soll im neuen SwissTech Convention Center der EPFL stattfinden. Lausanne hat gute Karten, weil das Tourismusbüro den SKWJ direkt kontaktiert und die volle Unterstützung (Hotel, Infrastruktur etc.) zugesichert hat. Der SKWJ wird die Kandidatur mit 25 000 Franken unterstützen, dazu kommen jeweils 10 000 Franken von den Partnern (EPFL, CERN, Unil). Mit der Summe soll ein oder mehrere Teilzeitstellen für die Vorbereitung der Kandidatur finanziert werden, die Stellen werden ausgeschrieben. In einem weiteren Schritt wird dann ein internationales Editorial Board für die inhaltliche Gestaltung der Konferenz und für Rahmenprogramme gebildet. Der Vorstand des SKWJ ist sich bewusst, dass wir uns mit der Kandidatur ein grosses Projekt zumuten, sieht aber eine Vielzahl positiver Aspekte rund um die Sichtbarkeit des SKWJ und des Wissenschaftsjournalismus an sich, die internationale Vernetzung und die Lancierung neuer Ideen. Wir laden deshalb alle Interessierten ein, sich am Abenteuer WCSJ 2019 zu beteiligen. 12 | sk wj-bulletin 2/15

Réunir en Suisse un millier de journalistes scientifiques du monde entier, pour débattre des défis, des soucis et des enjeux de notre profession: c’est l’ambition de l’Association suisse du journalisme scientifique (ASJS), qui souhaite faire venir à Lausanne en 2019 la Conférence mondiale des journalistes scientifiques (WCSJ), organisée sous l’égide de la Fédération mondiale des journalistes scientifiques (WFSJ), à laquelle l’ASJS a adhéré en 2013. Le projet est d’envergure, l’organisation de l’événement faisant l’objet d’une concurrence toujours plus forte. En octobre 2017, il aura lieu à San Francisco. D’ici là, il s’agira de mettre sur pied une candidature susceptible de remporter la mise. Et dont l’Assemblée générale (AG) de l’ASJS a discuté en juin dernier à Sempach. En voici les grandes lignes préliminaires. Le dossier sera établi d’ici le printemps 2017 par un comité d’organisation local, incluant des membres de notre association et des représentants des partenaires qui se sont d’ores et déjà annoncés partants pour l’aventure. Il s’agit, dans l’ordre de l’annonce de leur soutien, de la Ville de Lausanne, de l’EPFL, du CERN et de l’Université de Lausanne. Des tractations sont actuellement en cours avec l’Université de Genève. Suite à une première entrevue, il a été proposé d’organiser la WCSJ au nouveau SwissTech Convention Center de l’EPFL, endroit idéal pour des manifestations de ce type et de cette taille. Le choix de Lausanne a été au coeur d’une discussion nourrie lors de l’AG. Il eût bien sûr été possible d’imaginer faire se dérouler la WCSJ dans une autre ville, à Zurich par exemple. Mais cela aurait impliqué d’entamer toutes les tractations à partir de zéro ; à Lausanne, c’est le Bureau des conventions de l’Office du tourisme qui a initialement approché l’ASJS, et son soutien s’avère déjà nourri.

«Le projet est d’envergure, l’organisation de l’événement faisant l’objet d’une concur­ rence toujours plus forte.» Comme validé également en juin lors de l’AG, il a été décidé que l’ASJS attribuerait la somme de 25 000 francs à un pot commun auquel contribueront aussi, à hauteur de 10 000 francs chacun, les trois partenaires académiques aujourd’hui confirmés (EPFL, CERN, Unil). Cette somme de 55 000 francs au total, au moins, permettra de créer un ou plusieurs postes de travail (à temps partiel) sur une période limitée, pour la préparation de ce dossier. Des postes placés sous l’égide du comité de l’ASJS. Un appel à candidature sera fait début janvier, ceci à travers notre habituelle newsletter hebdomadaire. Dans une phase ultérieure, et en étroit partenariat avec la WFSJ, un comité éditorial sera mis sur pied. Constitué de membres de la WFSJ, de journalistes mondiaux de renoms, et de membres de l’ASJS, il aura pour tâche d’établir le contenu du programme principal de la Conférence (sessions de journalisme scientifique), ceci sans aucune influence des partenaires académiques. En parallèle sera toutefois établie, avec eux, une palette d’activités annexes pour les participants à la conférence (visites de laboratoire,


«Le comité souhaite donc que toutes les personnes intéressées à participer, de près ou de loin à ce projet.»

Das unlängst eröffnete SwissTech Convention Center der EPFL

excursions scientifiques, etc.). De même, des appels à idées de projets de journalisme scientifiques, ainsi que des rendez-vous pour des brainstorming idoines auxquels tous les membres de l’ASJS seront appelés à participer, seront annoncés durant les prochains moins. Enfin, si la candidature de l’ASJS est choisie lors de la WCSJ 2017 à San Francisco, où elle sera présentée, il est évident que toutes les forces volontaires au sein de notre association seront invitées à se joindre au comité d’organisation initial. Le comité de l’ASJS, largement soutenu par l’AG en juin dernier, et conscient de l’ampleur de la tâche, est convaincu des bienfaits liés à l’accomplissement de ce projet: visibilité de l’ASJS, présentation sous ses meilleurs jours du dynamisme et de la nécessité du journalisme scientifique en Suisse (auprès du monde entier, mais avant tout auprès de nos propres maisons d’édition suisses et des responsables de médias suisses), possibilité pour tous les journalistes suisses de développer leurs connaissances en journalisme scientifique grâce à la présence de «stars» de la profession, création ou renforcement du réseau de contacts existant, projets divers lancés en parallèle à cette conférence mondiales, rentrées financières probables pour l’ASJS si l’événement est un succès. Le comité souhaite donc que toutes les personnes intéressées à participer, de près ou de loin à ce projet, s’annoncent le moment venu, pour en faire une aventure aussi largement partagée que possible au sein de l’ASJS.

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FAC TS AND FIC TIONS

MacGyver kommt zurück! Man hört in letzter Zeit oft von Fernsehserien und Filmen, die auf wissenschaftlicher Expertise beruhen, sei es in Sachen Forensik, Drogen oder Astronomie. Wissenschaft komme so auf sehr elegante Weise unter die Leute – eine neue und sehr effiziente Art der Wissenschaftsvermittlung. Dabei geht leicht ein alter Held vergessen, gewissermassen der Vorreiter des hellen Fernsehkopfs: MacGyver. Vor 30 Jahren hatte der Vokuhila-Düsentrieb seine Premiere im amerikanischen Fernsehen, sein Erfindungsreichtum wurde rasch sprichwörtlich: MacGyver employs his resourcefulness and his knowledge of chemistry, physics, technology, and outdoorsmanship to resolve what are often life-or-death crises. He creates inventions from simple items to solve these problems. These inventions became synonymous with the character and were called MacGyverisms by fans. MacGyver was unlike secret agents in other television series and films because, instead of relying on high-tech weapons and tools, he carried only a Swiss Army knife and duct tape but never a gun.

Die Produzenten liessen sich bei den Rezepten, wie man aus simplen Zutaten trotzdem beispielsweise effizienten Spreng­stoff basteln kann, schon damals von Wissenschaftlern beraten: We had two researchers proved extremely helpful, John Koivula in LA, and Jim Green in Vancouver. When we were stuck, they would help us brainstorm, and would provide us with the scientific theory behind the ideas. Whenever we created anything «bomb-like» or otherwise destructive, we took pains to be certain we were not being instructional, by leaving 14 | sk wj-bulletin 2/15

out or changing a key element. We all were disturbed when every now and then, we’d read in the paper that some kid did some damage or blew something up based on what he’d seen on MacGyver. This was never the case. Man darf annehmen, dass MacGyver für die Rekrutierung des Naturwissenschafts-Nachwuchses einiges entscheidender war als alle Ausbildungsförderprogramme. Und für die nächste Generation ist gesorgt: Die Serie soll wieder aufgenommen werden, wie der amerikanische Sender CBS unlängst verlauten liess – mal sehen, ob das Taschenmesser auch noch 2015 ein unverzichtbares Accessoire ... ist. Und eben gelesen: Auch Star Trek kommt ab Januar 2017 ins Fernsehen zurück! (fir)

Kopftransplantion – ein Kinderspiel? Seltsame Geschichte. Sergio Canavero, ein italienischer Neurochirurg, kündet laut an, er sei entschlossen, die erste Kopftransplantation vorzunehmen – und wird prompt eine kleine Sensation in den internationalen (Online-)Medien. Es melden sich Zweifler, es melden sich Kritiker, und es meldet sich ein Computerspielexperte, dem eine frappierende Ähnlichkeit mit ­einem Arzt in dem vor ein paar Wochen erschienen Game Metal Gear Solid V auffällt – Untertitel des Games: The Phantom Pain. Alles nur ein PR-Gag und die Operation gar nie ernsthaft geplant? Sergio Canavero streitet ab, irgendetwas mit dem Game zu tun zu haben. Und hat unterdessen auch einen Freiwilligen für die Operation gefunden, in Russland. Der «Guardian» hat den streitbaren Chirurgen in ­Turin besucht: «For the next 100 years it will be on TV. It will be much more than landing on the moon, I’m pretty sure about that… This will be the greatest revolution in human history. If it pans out as I expect it to.» Und wenn nicht, dann wird der Patient jedenfalls nicht unter Phantomschmerzen leiden. (fir)

Die Kommerzialisierung der Zombie-Apokalypse Wissenschaftsvermittlung der eher ungewöhnlichen Art: Das Versandkaufhaus Galaxus hat rechtzeitig zu Halloween einen Spezialprospekt in Grossauflage zur «Zombie-Apokalypse» verteilt, mit Artikelempfehlungen, die beim Überleben helfen (als Helm z. B. der Kochtopf «Noser Inox 1114»), und einem Interview mit dem Zombie-Experten Robert Smith? (sic). G: Die Schweiz hat etwa 8 Millionen Einwohner – wie lange würde es dauern, bis die ganze Bevölkerung mit dem Zombievirus angesteckt wäre? S: Grob geschätzt kann jeder Zombie pro Stunde 1.15 Menschen (sich selbst mit einberechnet) verwandeln. Dies erklärt, weshalb wir uns so verzweifelt gegen sie wehren. Bei 8 Millionen Einwohnern wäre die Schweiz also in etwa fünf Tagen flächendeckend infiziert. Natürlich würden manche überleben, die grosse Mehrheit jedoch nicht. Alles nicht so ernst gemeint, aber den Experten gibts wirklich, und er kennt sich auch mit Zombies aus (und ja, er hat ein Fragezeichen im Nachnamen). Er ist Mathematiker an der Universität Ottawa und lehrt diesen Herbst unter anderem zu Mathematical Modelling of Infectious Diseases. 2014 fungierte er als Herausgeber eines Buchs zum Thema Mathematik und Zombies. [The book] engages the imagination to illustrate the power of mathematical modelling. Using zombies as a «hook», you’ll learn how mathematics can predict the unpredictable. (fir)


GESUNDHEITSSEMINAR 2015

Zukunft der Reproduktionsmedizin – 25. und 26. November, Thun Sich fortpflanzen – die natürlichste Sache der Welt? Das stimmt nicht mehr unein­ geschränkt. Retortenbabys gibt es schon seit bald vierzig Jahren, ganz neu sind die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin also nicht mehr. Doch hat sie seit Louise Joy Brown eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht – sie ist von einem umstrittenen Forschungsgebiet zur medizinischen Routine und zu einem erstaunlichen Erfolgsmodell geworden (auch wirtschaftlich übrigens): Man schätzt, dass 2012 die 5-Millionen-Marke der durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder geknackt wurde. In der Schweiz lassen sich jährlich rund 6000 Frauen ihre Eizellen ausserhalb des eigenen Körpers befruchten – bei gut jeder dritten Frau führt die Behandlung zu einer Schwangerschaft. Und die Entwicklung bleibt nicht stehen – beflügelt vom Erfolg der In-vitro-Fertilisation, hat die Reproduktionsmedizin begonnen, neue Felder zu erschliessen – von der Einfrierung von Eizellen (social freezing) bis zu den noch kaum überschaubaren Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik oder gar direkten Eingriffen in die Keimbahn. Und löst damit auch weiterhin Unbehagen aus. Die medizinische Methodik mag ­etabliert sein, die gesellschaftliche Diskussion hingegen ist noch lange nicht abgeschlossen. Es geht dabei nicht allein um medizinethische Fragen, es geht um Fragen der Konsumgesellschaft, um Kinder nach Wunsch, sprich um eine Rationalisierung der Fortpflanzung. Und letztlich um die grosse Frage, ob wir alles wollen, was wir können. Es gibt also Diskussionsbedarf. Grund genug, uns und den eingeladenen Experten ein paar Fragen zur Zukunft der Reproduktionsmedizin zu stellen. Und Informationen aus erster Hand zu einem der am heissesten diskutierten Felder der Medizin zu erhalten. Bruno Imthurn wird den Stand der Technik und die erwartete Entwicklung in der Schweiz aufzeigen, Martin Jinek von der Entdeckung und den unheimlichen Möglichkeiten des Gene-Editing-Tools CRISPR-Cas9 berichten. Soziale Zusammenhänge werden von Dorothea Wunder (Social Freezing), Carolin Schurr (Der globale Markt für Leihmutterschaften) und Nikola Biller-Andorno (Reproduktionsmedizin als ­ethische Verpflichtung) beleuchtet. Und die junge Theatergruppe Papst, Vuilleumier & Staub wird ihr aktuelles Stück kurz vorstellen, eine Reportage mit theatralen Mitteln zum Thema «Ein Kind für alle». PDF des detaillierten Programms Anmeldung für Kurzentschlossene (Übernachtung nach Möglichkeit): stephanepraz@gmail.com

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BUCHTIPPS UND PERSONELLES

Buchtipps «Do No Harm» (D: Um Leben und Tod), Henry Marsh Ein bald pensionierter Neurochirurg erzählt: aus seinem Berufsalltag, aus seinem Leben, von den Konflikten, die sich aus dem einen oder anderen ergeben. Sehr gut und sehr berührend geschrieben, ein ungemein ehrlicher Einblick in das Gelingen und auch das Versagen moderner ­Medizin. So wünscht man sich die Reflexion über die ärztliche Zunft und ihr allerhöchstens halbgöttliches Tun. (fir)

cielle, comme les voitures auto-guidées par exemple, vont-ils se démocratiser, et s’imposer partout, selon la fameuse loi de Moore? Les deux auteurs font pénétrer les lecteurs dans ce qu’ils appellent le «deuxième âge de la machine»: une révolution industrielle sans précédant. Dans le débat ininterrompu sur la croissance et la productivité, cet ouvrage pose des bases de réflexions étayées et éclairantes. (O.D.)

Personelles

Collectif d’auteurs, sous la direction de Marc Audétat, sociologue à l’Université de Lausanne

Ordentliche Mitglieder Frédéric Rein est journaliste depuis une quinzaine d’années. Ce Lausannois a ­collaboré au journal «Le Temps» et à ­«L’Hebdo», et est actuellement publié dans plusieurs journaux romands, comme Le Matin Dimanche, Générations ou encore 30°. Sa carrière professionnelle lui a permis d’écrire sur des univers aussi variés que le voyage, la société, les animaux et la médecine.

Les technosciences sont accompagnées de fabuleuses promesses à l’attention des décideurs, et surtout du levier qu’est le public. L’économie des promesses qui en résulte affecte le régime de financement de la recherche et la gouvernance du changement sociotechnique. Dans une suite de textes de qualité et d’accessibilité varia­ bles, divers sociologues des sciences plongent le lecteur dans un univers bien plus complexe et profond qu’il n’y paraît à première vue, au sujet de l’un des rouages principaux du système de recher­ ches actuels. Une lecture utile aussi pour les journalistes, eux aussi entraînés dans cette problématique. (O.D.)

Thomas Kobel absolviert seit März 2015 den trimedialen Stage bei SRF – einerseits beim Wissensmagazin «Einstein», andererseits auf der Fachredaktion Wissenschaft beim Radio. Nach der Matur war er zwei Jahre Stagiaire beim «Thuner Tagblatt». Während des Studiums der deutschen Sprachwissenschaft und Philosophie in Bern und Berlin war er als freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen tätig. Bevor er zu SRF wechselte, war er während zweieinhalb Jahren als Assistent und Doktorand an der Universität Bern selbst Teil des Wissenschaftsbetriebs. Nun eignet er sich das Handwerkszeug der elektronischen Medien an.

«Sciences et technologies émergentes: pourquoi tant de promesses?»

«Le deuxième âge de la machine» Erik Brynjolfsson et Andrew McAffee Les robots vont-ils bientôt largement remplacer les humains dans le monde industriel? Les systèmes d’intelligence artifi-

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Ausserordentliche Mitglieder Jean-Luc Brülhart (43) ist seit Februar 2015 im Bundesamt für Umwelt BAFU als Redaktionsleiter des Magazins «Umwelt/environnement» tätig. Die Publikation erscheint vier Mal pro Jahr in Deutsch und Französisch und ist ganz den Umweltthemen gewidmet. Davor arbeitete er während siebeneinhalb Jahren bei der

Espace Media AG (Berner Zeitung und Der Bund) als Redaktionsleiter der Beilage, seine erste Erfahrungen im Journalismus hat er bei den Freiburger Nachrichten gemacht. Tünde Kirstein ist seit 2011 als Fachjournalistin und Redaktorin tätig. Gestartet hat sie ihre Laufbahn als promovierte Ingenieurin und ETH-Forscherin (Fachgebiete Maschinenbau, Elektrotechnik und Materialwissenschaften). Nach einer Weiterbildung als Fachjournalistin am MAZ Luzern arbeitete sie zunächst im Bereich Kommunikation an der ETH Z ­ ürich. Zurzeit ist sie Redaktorin des M ­ agazins ­«Sulzer Technical Review» sowie der Reinraumtechnik-Fachzeitschrift «contamination control report». Lena Serck-Hanssen (-Itschner) hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaf­ ten studiert und war danach acht Jahre als Nachhaltigkeitsanalystin bei einer Ver­ mögensverwaltung tätig. In dieser Funktion übernahm sie auch Aufgaben in der ­Unternehmenskommunikation. Während­ ­ihrer anschliessenden Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Prorektorat Medizin und Naturwissenschaften der Universität Zürich begann sie für UZH News, die Online-Plattform der Universität Zürich, zu schreiben, welches sie auf freischaffender Basis bis heute weiterführt. Daneben absolvierte sie einen Nachdiplomkurs «Wissenschaftskommunikation» an der Zürcher Hochschule Winterthur und einen CAS-Kurs Corporate Writer/PR-Redaktorin am Schweizerischen PR Institut.

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Bulletin

Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus Association suisse du journalisme scientifique Swiss Association of Science Journalism

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2 | 15 NOVEM BER 2015

Der Vorstand Olivier Dessibourg Président et délégué EUSJA Journaliste scientifique LE TEMPS Rte de la Conversion 310 1093 La Conversion 021 311 35 70 olivier.dessibourg@letemps.ch Fabio Bergamin Deutschsprachiges Sekretariat und Kassier Wissenschaftsredaktor ETH Zürich Algisserstrasse 10A 8500 Frauenfeld +41 76 592 40 05 sekretariat@science-journalism.ch Huma Khamis Madden Secrétariat romand Journaliste scientifique RTS (Radio Télévision Suisse) 30 Av. du Temple 1010 Lausanne +41 58 236 61 23 huma.khamis@rts.ch

Roland Fischer Redaktor Bulletin SKWJ Freier Wissenschaftjournalist Lorrainestrasse 64 3014 Bern wissenschaft@gmx.ch Beate Kittl Wissenschaftsjournalistin Schweizerische Depeschenagentur sda Länggassstrasse 7 3001 Bern 031 309 38 48 bkittl@gmx.ch Felix Straumann Redaktor Wissen Tages-Anzeiger Werdstrasse 21 8021 Zürich 044 248 44 11 felix.straumann@tages-anzeiger.ch

Impressum Bulletin des SKWJ Redaktion: Roland Fischer Layout: Ritz & Häfliger, Basel

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Christophe Ungar Journaliste scientifique Radio Télévision Suisse RTS 20 Quai Ernest Ansermet 1211 Genève - 8 022 708 94 07 christophe.ungar@rts.ch Martin Amrein e-Commerce Wissenschaftsredaktor NZZ am Sonntag Postfach 8021 Zurich +41 44 258 10 75 martin.amrein@nzz.ch


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