WIR in Sachsen (2. Ausgabe 2013): Mit viel Schwung. Wie der Freistaat den Sport fördert.

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in Sachsen

Mit viel Schwung

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Titel: Sport im Freistaat

Pro/Contra: Schulsport Sportvereine und die Flut Porträt: Marko Schiemann Sicherheit im Stadion Landessportbund Sachsen

Wie der Freistaat den Sport fördert

Ausgabe 2 / 2013 HERAUSGEBER: CDU-FRAKTION DES SÄCHSISCHEN LANDTAGES


Agenda

Das war

Neuverschuldungsverbot in Sächsischer Verfassung verankert Zum ersten Mal seit ihrer Verabschiedung am 27. Mai 1992 ist im Juli dieses Jahres die Verfassung des Freistaates Sachsen geändert worden. Die fraktionsübergreifende Gesetzesinitiative zur Verfassungsänderung beinhaltete die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbotes: 102 der 128 anwesenden Parlamentarier stimmten dafür. Damit ist Sachsen in der Haushaltspolitik Vorreiter unter den deutschen Bundesländern und kommt dem ab 2019 vom Bund vorgeschriebenen Schuldenverbot deutlich zuvor. Die Verfassungsänderung mit dem Neuverschuldungsverbot tritt zum 1. Januar 2014 in Kraft. • paz Aufbauhilfe nach dem Hochwasser angelaufen Sachsen erhält 1,7 Milliarden Euro aus dem nationalen Fluthilfefonds. Damit wird die Staatsregierung Privaten, Vereinen, Unternehmen und Kommunen finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe im Juni leisten. Die am 20. August durch das Kabinett auf den Weg gebrachte „Richtlinie Hochwasserschäden 2013“ sieht vor, dass Privatpersonen, Betriebe und Vereine auf Antrag bei der Sächsischen Aufbaubank bis zu 80 Prozent der Schäden ersetzt bekommen, Kommunen sowie freie Träger von Schulen und Kindergärten erhalten bis zu 100 Prozent, um die Schäden zu beheben. Zudem besteht für Umzugswillige die Möglichkeit, den Wiederaufbau auch an anderer Stelle vorzunehmen. Hierfür stellt der Freistaat zusätzlich ein zinsloses Darlehen in Höhe von 20 Prozent des Schadens bereit. • paz

Das wird

Sachsens Kommunalrecht wird umfassend überarbeitet Erstmals seit seinem Inkrafttreten soll das Sächsische Kommunalrecht grundlegend reformiert werden. Mit der Novellierung wird das Kommunalverfassungsrecht an die Praxis und die Erfahrungen der Kommunen angepasst. Die gemeinsame Gesetzesinitiative von CDU und FDP sieht unter anderem vor, das Quorum für Bürgerbegehren von 15 auf 10 Prozent abzusenken. Für Landräte und Bürgermeister wird das Höchstalter von 68 auf 72 Jahre erhöht, gleichzeitig das Mindestwahlalter für Bürgermeister von 21 auf 18 Jahre gesenkt. Zudem sollen die Minderheitenrechte in Kommunalparlamenten gestärkt werden: So kann bereits eine Fraktion ein Thema auf die Tagesordnung setzen und Minderheitenquoren werden auf ein Fünftel herabgesetzt. Noch im Herbst soll die Reform im Landtag debattiert und verabschiedet werden. • paz

Mehr Geld für Sachsens Staatsdiener Die Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts für Sachsens Beamte, Richter und Versorgungsempfänger in den Landtag eingebracht. Der Gesetzentwurf beinhaltet neben der Neugestaltung des Laufbahnrechts mit künftig zwei Laufbahngruppen unter anderem auch die Erhöhung des Familienzuschlages um 30 Euro je Kind. Außerdem sollen Besoldung und Versorgungsbezüge für die Jahre 2013 um 2,65 und für 2014 um 2,95 Prozent erhöht werden. Damit wird die Tariferhöhung der Angestellten des Öffentlichen Dienstes inhaltsgleich auch auf die Beamten des Freistaates übertragen. Die Regierungsfraktionen haben sich dafür eingesetzt, dass die Besoldungserhöhung bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes im Landtag mit den Septemberbezügen 2013 ausgezahlt wird. • paz 2 WIR

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Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser, wir Sachsen waren schon immer ein sportbegeistertes Volk. Vor allem die Entwicklung beim Breitensport im Freistaat seit 1990 ist beeindruckend. Trotz rückläufiger Bevölkerung hat sich die Zahl der Mitglieder in den Sportvereinen während der vergangenen 20 Jahre auf über 600.000 mehr als verdoppelt (siehe auch Titelthema ab Seite 4). Die „Dunkelziffer“ dürfte noch viel höher sein, weil sich viele außerhalb eines Vereins sportlich betätigen. Das ist gut so! Denn Sport leistet einen unschätzbaren und wichtigen Beitrag für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft. Wer sich regelmäßig bewegt, tut etwas für seine Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung. Bereits im Kindesalter vermittelt der Sport wichtige Werte für das Leben wie Fleiß, Ehrgeiz und Kampfgeist, aber auch Vertrauen, gemeinsames Miteinander, Respekt und Fairness. Eine Leistung, die kein Staat dieser Welt erbringen kann.

eine gute Sportinfrastruktur verfügen. Auch die Politik kann unterstützen. Das hat die CDU-Fraktion auch getan, indem wir einen Haushalt beschlossen haben, der für dieses und nächstes Jahr fast 100 Millionen Euro Fördermittel für den Sport in Sachsen bereitstellt. Vor allem für die Sanierung und den Bau von Sportstätten. Neben dem Ausbau von Leistungszentren spielen der Freizeit- und Schulsport eine wichtige Rolle, vor allem für unsere Kinder. So sei die Frage in unserer Rubrik „Pro und Contra“ gestattet, ob in unseren Schulen noch ausreichend Sportunterricht angeboten wird (Seite 8). Sport leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Integration. Er verbindet Jung und Alt, Menschen mit und ohne Behinderungen, deutsche und ausländische Bürger. Deshalb werden wir alles dafür tun, dass der Sport in Sachsen weiterhin seine rasante Entwicklung beibehält.

Deshalb ist es an der Zeit, den vielen Tausend oft ehrenamtlich arbeitenden Trainern, Übungsleitern, Mitarbeitern in den Vereinen sowie dem Landessportbund zu danken. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass wir heute über

Herzlichst Ihr

Vorsitzender der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages

Themen in diesem Heft 4 Titel

10 Porträt

14 „2050“

2 Agenda: Das war / Das wird

Sport in Sachsen

Marko Schiemann

Dr. Ulf Tippelt

8 Pro / Contra: Mehr Schulsport

Emily Schröder möchte eine erfolgreiche Wasserspringerin werden. Dafür trainiert sie am Talentestützpunkt des SC Riesa. Ohne die Förderung des Freistaats wäre dies nicht möglich.

Seit 1990 sitzt er für die CDU im Sächsischen Landtag. Der Bautzner hat maßgeblich an der Aufnahme des Schuldenverbots in die Sächsische Verfassung mitgearbeitet.

Der Generalsekretär des Landesspor tbundes Sachsen spricht über Sportförderung, die schwierige Sponsorensuche und Talentenachwuchs im Freistaat.

9 Ortstermin: Hochwasserschäden 12 Sicherheit in Sachsens Stadien 13 Namen und Nachrichten 15 „2050“: Dr. Ulf Tippelt

IMPRESSUM Herausgeber: CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages, Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden; Redaktion (V. i. S. d. P. ): Andreas Kunze-Gubsch (akg), Pascal Ziehm (paz) Tel. 0351 493-5611, E-Mail: cduinfo@cdu-

sachsen.de; Produktion: stawowy media, Nicole Kirchner; Fotos: Ronald Bonss, André Forner, Anja Jungnickel; Druck: Union Druckerei Dresden GmbH; Auflage: 6.000 Exemplare

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Früh übt sich: Peter Gildemeister trainiert beim SC Riesa junge Talente wie Emily Schröder (3.v.r.).

Ganz weit vorn Fast jeder sechste Sachse ist Mitglied in einem Sportverein. Unterstützung bekommen die Vereine vom Freistaat und den Kommunen. Gleich ob Freizeit- oder Leistungssport – ohne Ehrenamt und Sponsoren wäre dieser Standard kaum zu halten. Text: Maria Grahl, Fotos: Ronald Bonss

I

n der Schwimmhalle des SC Riesa herrscht reges Treiben. Abseits von diesem Tumult trainieren fünf Kinder auf einer Matte den Handstand. „Mach dich straff, dein Körper ist zu locker. Nimm den Kopf rein. Mach den Po fest. Und abrollen“, ruft der Trainer einem der Mädchen zu, das gerade an der Reihe ist. Drei Stunden dauert das Training heute auf der Matte. Rollen, Liegestütze, Bauchkraft, Dehnungen, Handstand, Kopfstand, Sprünge. Die Kinder sind zwischen sieben und neun Jahre alt und voll bei der Sache. Denn was sie momentan an Land üben, werden sie bald am Sprungturm anwenden.

damals zum Schwimmen hierher“, sagt Emily. Da wurde Peter Gildemeister auf sie aufmerksam. Er ist als Regionaltrainer in der Abteilung Wasserspringen beim SC Riesa e.V. angestellt. „Wir entdecken Talente oft durch Sichtungen in den Kindergärten oder beobachten die Kinder, die zum Schwimmen in unsere Halle kommen“, sagt Trainer Gildemeister, der selbst ein erfolgreicher Wasserspringer war. „Emily fiel mir durch ihre gute Körperspannung auf. Ich fragte sie, ob sie sich vorstellen könnte, Wasserspringerin zu werden.“ Seitdem kommt Emily viermal in der Woche für jeweils drei Stunden zum Training.

Das Training: viermal pro Woche, jeweils drei Stunden Die neunjährige Emily Schröder trainiert seit drei Jahren am Talentestützpunkt des SC Riesa Wasserspringen. „Ich kam

Im Talentestützpunkt Riesa trainieren vorranging fünf- bis zwölfjährige Kinder. Peter Gildemeister ist der einzige hauptamtliche Trainer. Unterstützt wird er von sechs Ehrenamt-

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lern. „Wenn die Kinder elf, zwölf Jahre alt sind, überlegen wir zusammen mit der Landestrainerin in Dresden, welche das Zeug für den Bundesstützpunkt haben“, sagt Gildemeister. „Da die Leistungsanforderungen sehr hoch sind, sind das nur sehr wenige. Seit 2006 haben wir fünf Kinder nach Dresden delegiert. Nicht alle schaffen später den Sprung in die Nationalmannschaft, aber jeder hat die Möglichkeit, durch hartes, zielgerechtes Training weit nach vorn zu kommen.“ Peter Gildemeister macht eine Pause. Dann sagt er: „Emily hätte die Voraussetzungen dafür.“ Nicht alle Kinder kommen viermal in der Woche zum Training. Manche können es sich nur zweioder dreimal einrichten. „Alles hier läuft freiwillig“, sagt Gildemeister. „Keiner wird gezwungen.“ Oft scheitert es an logistischen Schwierigkeiten. Viele der Kinder kommen aus dem Umland. Busse fahren dort manchmal nur alle 20 oder 30 Minuten. Dann ist oft die ganze Familie gefragt, ihre Sprösslinge zum Training in die Schwimmhalle zu fahren. Es gibt auch Kinder, die nicht wiederkommen. „Im Wasserspringen muss man für Erfolge viel länger üben als etwa im Fußball“, sagt Gildemeister.

für den Dresdner Sportclub 1898 e.V., weil er hier die besten Trainingsbedingungen findet. Christoph Bohm ist hauptamtlicher Trainer des Bundesstützpunktes und weiß, wie viel Arbeit und Fleiß hinter dem Erfolg stecken. Er übernimmt auch die Kinder, die aus Riesa nach Dresden kommen. „In der Regel sind diese jungen Talente in der fünften Klasse“, sagt Christoph Bohm. „Im ersten halben Jahr müssen sie sich erst einmal eingewöhnen. Schließlich besuchen sie dann das

90.000 Sachsen engagieren sich ehrenamtlich im Sport.

Der Traum vom Titel Einer, der es dennoch geschafft hat, ist Sascha Klein. Der 28-Jährige wurde erst vor wenigen Wochen in Barcelona Weltmeister im Synchronspringen vom Zehnmeterturm. Den Titel des „Deutschen Meisters“ hat er sich bereits 23-mal gesichert. Im Alter von acht Jahren begann der gebürtige Rheinländer das Training im SV Neptun Aachen e.V. 2011 wechselte Sascha Klein zum SC Riesa. Da der Talentestützpunkt des SC Riesa mit dem Bundesstützpunkt in Dresden Hand in Hand arbeitet, startet Klein seit 2012

Internat des Sportgymnasiums Dresden und leben von ihren Eltern getrennt. Aber dann geht das leistungsorientierte Training richtig los.“ Bis zu achtmal pro Woche können die Wasserspringer in der Schwimmhalle am Freiberger Platz trainieren – und dieses Angebot nehmen sie auch in Anspruch. „Die Kinder trainieren hier unter guten Bedingungen“, sagt der Bundesstützpunkttrainer Bohm. „Die Sportschule ist in einem super Zustand und unsere Schwimmhalle erst 2009 von der Stadt Dresden renoviert worden.“ 96 Millionen Euro für den Sport Obwohl das Wasserspringen mit sachsenweit 379 Mitgliedern eine Randsportart darstellt, ist Christoph Bohm zufrieden mit der Unterstützung von Seiten der Politik. Insgesamt hat die Bedeutung des Sports in Sachsen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Waren Anfang der 1990er Jahre rund 300.000 Mitglieder in Sportvereinen organisiert, sind es heute etwas mehr 600.000. Und das bei einer rückläufigen Bevölkerung. „Sportvereine und deren Arbeit werden von uns als hohes gesellschaftliches Gut geschätzt“, sagt der sportpolitische Sprecher der CDULandtagsfraktion Wolf-Dietrich Rost. „Sie bieten Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit, Gesundheitsbewusstsein, ehrenamtliches Engagement und generationsübergreifende Verantwortung für sich zu entdecken und wahrzunehmen. Diesen Stellenwert haben wir erkannt und im laufenden Doppelhaushalt 2013/2014 allein 96 Millionen Euro für die Sportförderung zur Verfügung gestellt.“ Wolf-Dietrich Rost ist stolz auf diese Summe. Zu Recht: So viel gab es für die Sportförderung in Sachsen noch nie. Doch auch wenn sich seit der Legislaturperiode 2009 schon viel getan hat: Baustellen gibt es dennoch. „Wir möchten in Zukunft noch mehr Kinder, aber auch die 50-Plus-Generation für unsere Sportvereine gewinnen“, sagt Rost. „Daran arbeiten wir mit dem Projekt ,Komm in den Sportverein!‘ gemeinsam mit dem Landessportbund Sachsen. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit möchten wir gerne in den nächsten Jahren weiter ausbauen, auch für den Bereich der

Ein eingespieltes Team: Bundesstützpunkt-Trainer Christoph Bohm und Wasserspringer Sascha Klein

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sie international Wettkampffähig zu machen.“ Der Generalsekretär des LSB Sachsen Dr. Ulf Tippelt ist mit der Unterstützung durch den Freistaat zufrieden. „In den letzten Jahren hat sich wirklich viel entwickelt: Bund, Freistaat und Kommunen haben viel investiert“, sagt Tippelt. Denn in einem Punkt sind sich Politik und Interessenvertreter einig: Sachsens Sportvereine sollen weiter wachsen und deren Athleten bei internationalen Wettkämpfen vom Siegertreppchen strahlen.

Mit Eifer dabei: Ole Klotz (9) trainiert drei bis vier mal in der Woche beim SC Riesa.

4.510

Sportvereine mit insgesamt

605.078

Mitgliedern gibt es in Sachsen.

14.191

Mitglieder hat die SG Dynamo Dresden, der größte Sportverein im Freistaat.

44

Vereine in Sachsen haben insgesamt mehr

1.000

als glieder.

Mit-

über 50-Jährigen.“ Bisher zielte die Gemeinschaftsinitiative des Sächsischen Staatsministeriums des Innern und des Landessportbundes Sachsen (LSB Sachsen) hauptsächlich auf Grundschüler, die sich mit einem Gutschein von bis zu 50 Euro für eine Mitgliedschaft in einem sächsischen Sportverein entscheiden sollten. „Wir wollen zukünftig aber noch mehr in die Sportinfrastruktur investieren und flächendeckend in ganz Sachsen attraktive Angebote für neue junge und ältere Sportbegeisterte schaffen. Nur so können wir nachhaltig und langfristig den Vereinssport im Freistaat etablieren“, erklärt Rost. „Gemeinsam mit dem Landessportbund Sachsen hat die CDU-Landtagsfraktion ein Positionspapier entwickelt, in dem wir uns auf wichtige Schwerpunkte bei der Sportförderung geeinigt haben. Dazu zählen die Frühförderung in den Kindertagesstätten, die Aufnahme des Sports in die Sächsische Gemeindeordnung und der Ausbau von Sportstätten, um

Das Ehrenamt als wichtige Stütze Über mangelnden Zuwachs kann sich auch der Polizeisportverein Schwarzenberg nicht beschweren. „Als sich der Verein 1990 gründete, konnten wir 50 Mitglieder verzeichnen“, sagt der Vereinsvorsitzende Peter Neumann. „Inzwischen haben wir 650 Mitglieder.“ Der PSV Schwarzenberg fasst sieben verschiedene Sportarten in zehn Abteilungen zusammen und ist anerkannter Talentestützpunkt im Biathlon. Ähnlich wie im SC Riesa werden hier junge Biathleten ausgebildet und ab der fünften Klasse zum Sportinternat nach Oberwiesenthal delegiert. Einen gravierenden Unterschied gibt es allerdings: Alle Trainer im PSV arbeiten ehrenamtlich. Damit gehören sie zu den rund 90.000 Sachsen, die etwa 15 Millionen Stunden pro Jahr unentgeltliche Arbeit leisten. Mit 6,1 Millionen Euro im Jahr 2013 unterstützt Sachsens Innenministerium mit einer Aufwandsentschädigung diese ehrenamtliche Arbeit. „Die staatliche Förderung reicht allein nicht aus. Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach Sponsoren“, sagt Peter Neumann. Auch die Hallen, in denen trainiert wird, gehören nicht dem Verein. Der PSV mietet sich deshalb in Sporthallen von Schulen oder der Stadt ein. „Immerhin“, sagt Neumann, „läuft die Zusammenarbeit mit der Stadt ausgezeichnet. Die Stadtverwaltung unterstützt unseren

„Wir möchten in Zukunft noch mehr Kinder, aber auch die 50-Plus-Generation für unsere Sportvereine gewinnen.“ Wolf-Dietrich Rost, CDU-Landtagsfraktion Sachsen

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Titel

Trainieren für die perfekte Pose: Die Tänzerinnen der Tanzgruppe T.A.C. üben dafür zweimal in der Woche.

Verein, wo sie nur kann.“ Das Geld reicht trotzdem nicht. Wenn die Biathleten ein neues Luftgewehr (Kostenpunkt: 1.500 Euro für ein Gewehr) brauchen, zahlen sie es selbst und der Verein steuert etwas bei. „Wir wollen uns nicht beschweren, der Freistaat hat seine Mittel zur Sportförderung erheblich aufgestockt. Besser wäre eine stärkere Unterstützung durch die Wirtschaft. Hier haben wir als ehrenamtliche Vorstände einfach nicht das Wissen, die Beziehungen, die Zeit und Kompetenz, um mit den Unternehmen entsprechend zu verhandeln. Diese haben wiederum das Potential noch nicht erkannt. Wir sind nicht zu Unrecht die größte Bürgerorganisation in Sachsen. Hier gibt es noch erhebliche Reserven zu erschließen“, weiß Neumann aus eigener Erfahrung. Sponsoren lassen sich bitten „Wir wundern uns selbst, dass wir keinen großen Sponsor finden“, sagt auch Gabi Scherber. Sie ist eine von drei ehrenamtlichen Trainerinnen der Tanzgruppe T.A.C. des PSV Schwarzenberg. „Die T.A.C. haben große Erfolge vorzuweisen. Egal, an welchem Wettkampf wir bisher teilgenommen haben: Die Mädels haben

sich immer auf ein Siegertreppchen getanzt.“ Als der Berliner Star-Choreograph Enrico Adler 2006 auf die Tanzgruppe aufmerksam wurde, bot er sofort seine Unterstützung an. „Das hätte er nicht getan, wenn er nicht das Potential in den Mädchen gesehen hätte“, sagt Gabi Scherber stolz. Zweimal pro Woche trainieren die T.A.C. für die nächsten Auftritte und Wettkämpfe. Für das Training nehmen nicht nur die Trainerinnen, sondern auch die Mädchen viel auf sich. Die meisten gehen schon einem Beruf nach oder studieren. Deshalb treffen sie sich oft an den Wochenenden, um die Choreographien zu perfektionieren. Die Tänzerinnen der T.A.C. sind Vorbild für viele Jugendliche rund um Schwarzenberg. „Wegen der großen Nachfrage bieten wir deshalb zwei weitere Tanzgruppen an“, sagt Scherber. Und die brauchen Platz zum Üben. „Immerhin müssen wir für die Trainingshalle keine Miete zahlen“, lobt auch Gabi Scherber die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. „Wenn alle an einem Strang ziehen, ist alles zu schaffen. Dann kann man auch ohne viel Geld erfolgreich sein“, ist sich die Trainerin sicher. •

123.452

Sachsen begeistern sich im Verein für den Fußball, die beliebteste sächsische Sportart.

535

Medaillen konnten Sachsen Spitzensportler bisher bei Olympischen Spielen gewinnen.

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Goldmedaillen holte die Schwimmerin Kristin Otto bei Olympischen Sommerspielen. Sie ist damit die erfolgreichste sächsische Olympionikin.

„Die staatliche Förderung reicht allein nicht aus. Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach Sponsoren.“ Peter Neumann, PSV Schwarzenberg WIR

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Pro und Contra

Mehr Sport an Sachsens Schulen? Zu wenig Bewegung im Unterricht: Der Sport ist oft der einzige Ausgleich zur ruhigen Schulstunde. Sportlehrer fordern deshalb die Einführung einer dritten Sportstunde für alle Jahrgangsstufen an Sachsens Schulen.

Pro

Contra

Detlef Stötzner,

Jens Weichelt,

Präsident Sportlehrerverband Sachsen e.V.

Landesvorsitzender Sächsischer Lehrerverband

Nur der Schulsport an den Schulen erreicht alle. Der Sport ist das einzige Bewegungsfach.

Sport hat in den Stundentafeln unserer Schüler bereits einen hohen Stellenwert.

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port ist kein Nebenfach und darf auch keines werden. Sport und sportliche Bewegung haben für Heranwachsende eine immense Bedeutung, deren Stellenwert gar nicht hoch genug angesetzt werden kann. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die gesunde Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen massiv gefährdet ist. Bewegungsmangel, falsche Ernährung, Konzentrationsschwächen, Stressbelastung und ungesunder Leistungsdruck müssen vermieden werden. Einen Ausgleich könnte hier der Schulsport schaffen – flächendeckend mit der dritten Schulstunde in allen Jahrgangsstufen. Denn: Nur der Sportunterricht an den Schulen erreicht alle. Sport ist das einzige Bewegungsfach an unseren Schulen. Der organisierte Sport in den Vereinen des Landessportbundes Sachsen erfasst gegenwärtig circa 35 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 7 bis 18 Jahren. Über den Sportunterricht kann es gelingen, die verbleibenden 65 Prozent der Schüler an den Sport heranzuführen, Interesse für den Sport zu wecken und sie zum regelmäßigen Sporttreiben in der Freizeit zu motivieren. Dabei muss auch die Qualität stimmen. Wir brauchen ausgebildete Sportlehrer und regelmäßige Fortbildungen. Auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen: Von guten Hallen und Sportanlagen können auch die Kinder- und Jugendbereiche in den Sportvereinen profitieren! Ein erster Schritt wäre, wenn die Politik dem Schulsport die Bedeutung geben würde, die er verdient. Denn Sport ist kein Nebenfach.•

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port hat mit meist drei Wochenstunden in den Stundentafeln unserer Schüler einen hohen Stellenwert, lediglich Deutsch, Mathematik und Fremdsprache(n) verfügen über ein höheres Volumen. Diese Curricula sind unter dem Gesichtspunkt einer Allgemeinbildung in einem breiten gesellschaftlichen Konsens entstanden. Es ist einfach und teilweise populär, von Zeit zu Zeit mehr Stunden oder sogar ein neues Unterrichtsfach zu fordern. Gerade tagespolitische Ereignisse lassen immer wieder Rufe laut werden, dass die Schulen auf ganz bestimmten Gebieten mehr tun sollten. Schwieriger fällt dann natürlich die Entscheidung, in welchem Fach eine Stunde gekürzt werden soll – doch genau das ist die Konsequenz, vor der sich Befürworter scheuen. Eine Erhöhung der Gesamtstundenzahl ist nicht zu verantworten – angesichts von 33 bis 35 Schülerwochenstunden in der Sekundarstufe 1. Der Schulsport ist unverzichtbarer Bestandteil unserer Allgemeinbildung und darüber hinaus unterbreiten die Schulen im Rahmen von GTA und Arbeitsgemeinschaften gerade auf sportlichem Gebiet vielfältige Angebote. Die Betätigung von Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen erfährt in unserer Gesellschaft besondere Förderung. Dafür muss den jungen Menschen auch die notwendige Zeit bleiben. Schulen sind nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft – sie können nicht alles kompensieren, was an anderer Stelle nicht gelingt, so wünschenswert es mitunter wäre. •


Ortstermin

Das Juni-Hochwasser hat im Stadion der Freundschaft in Grimma heftig gewütet. Dank vieler freiwilliger Helfer kann der Ball aber schon wieder rollen.

Die richtige Taktik Text: Julia Kynast, Foto: Anja Jungnickel

G

erade als Egon Pape zu sprechen beginnt, fällt im Hintergrund ein Tor. Der Präsident des FC Grimma lächelt. Er steht vor einem der zwei Sozialgebäude des Vereins. In drei Metern Höhe hängt ein kleines Schild, das an die Flut von 2002 erinnert. „Das Wasser stand damals 36 Stunden auf den Plätzen. Alle sprachen von ,Der Jahrhundertflut‘. Keiner hätte gedacht, dass das Wasser so schnell wiederkommt,“ sagt Pape. Doch es kam. Im Juni dieses Jahres stieg die Mulde wieder über ihr Ufer, flutete erneut Grimma. Pape: „Obwohl das Wasser nicht so hoch stieg wie im August 2002, sind die Schäden 2013 sogar noch schlimmer. Das Wasser stand tagelang in den Gebäuden und auf dem Gelände. Die Wände sind noch immer feucht, die Fußballplätze waren komplett hinüber. Unsere Stehtribüne mussten wir erst sperren und jetzt sogar schließen. Der Berg, auf dem die Tribüne errichtet wurde, ist unterspült. Es besteht Einsturzgefahr.“ Schadensmeldungen von 263 Vereinen Nicht nur der FC Grimma hat mit den Folgen der Flut zu kämpfen. Dem sächsischen Landessportbund liegen Schadensmeldungen von 263 Vereinen vor. Die geschätzte Schadenshöhe für Sportvereine in Sachsen: Rund 21,7 Millionen Euro. Nach der Flut 2002 wurde in Grimma wie auch andernorts alles eins zu eins wieder aufgebaut und hergerichtet, mehrere Millionen investiert. Nun, nach dem wiederholten Hochwasser, will der Präsident des FC Grimma alles anders machen: „Wir haben zur Zeit ein Provisorium geschaffen, in dem der Betrieb weiter laufen kann. Jetzt suche ich nach anderen, neuen Wegen.“ Eine sogar vom Freistaat geförderte Möglichkeit, weil in Grimma ein wiederkehrendes Hochwasser nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Umsiedlung des Vereins. „An einen höher gelegenen Ort. Oder wir bleiben hier. Nur, dann muss gewährleistet sein, dass wir beim nächsten Mal nicht wieder einen Totalausfall erleben.“ Denn die Betriebsausfälle bekommen die Vereine nicht refinanziert.

Unterstützung durch den Freistaat Am 12. Juli hat der Landtag die Förderrichtlinien für vom Hochwasser betroffene Vereine verabschiedet. Für die Beseitigung von Flutschäden bekommen diese bis zu 90 Prozent Förderung vom Freistaat. Gefördert werden aber nur der Rückbau, die Sicherung und Beräumung der Sportanlagen sowie die Wiederherstellung. Im Gegensatz zu anderen Vereinen kann im Stadion der Freundschaft schon jetzt wieder Sport getrieben werden. Dies haben die rund 1.000 Mitglieder auch den zahlreichen Fluthelfern zu verdanken. „Diese Solidarität, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben, gab es aber auch schon 2002“, sagt Svend-Gunnar Kirmes. Schon während der Flut engagierte sich der CDU-Landtagsabgeordnete für die Betroffenen, so auch für die Sportvereine in seinem Wahlkreis. Der Leiter des Wiederaufbaustabs, Dr. Fritz Jaeckel, informierte sich, nachdem ihn Kirmes kontaktierte, über die erheblichen Schäden an der Sportanlage und die Auswirkungen für die Vereine und den Schulsport. „Ein sehr wichtiger Termin für uns. Es ging unter anderen um Schadensregulierung“, fasst Pape zusammen. Bis jetzt wurden keine öffentlichen Gelder auf dem Grimmaer Sportgelände verbaut. „Die Mittel sind begrenzt. Es sollte wohl überlegt sein, wofür wir sie einsetzen. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass wir nur was machen, damit wir was machen. Ein klares Konzept ist wichtig“, sagt Kirmes. •

Baustelle Stadion

Noch laufen in den Umkleidekabinen im Grimmaer Stadion der Freundschaft die Trockengeräte rund um die Uhr. Egon Pape, Präsident des FC Grimma, zeigt SvendGunnar Kirmes das Ausmaß der Schäden des Junihochwassers 2013. Beim Wiederaufbau will Pape jedoch diesmal alles anders machen.

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Immer am Ball Marko Schiemann hat 1992 an der Sächsischen Verfassung mitgearbeitet und war auch an der ersten Änderung in diesem Jahr beteiligt. Text: Sebastian Martin, Foto: André Forner

Marko Schiemann

ist Präsident und Trainer des FC Landtag. Mit seiner fraktionsübergreifenden Elf spielt der CDULandtagsabgeordnete regelmäßig in ganz Sachsen.


Porträt

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it schnellem Schritt läuft Marko Schiemann die Treppen im Sächsischen Landtag hinauf. Jede zweite Stufe lässt er auf dem Weg in den dritten Stock aus. Selbst als junger Mensch ist es nicht leicht, dem CDU-Landtagsabgeordneten in sein Büro zu folgen. „Hätten wir den Fahrstuhl nehmen sollen?“, fragt der 58-Jährige lachend. Ins kalte Wasser gesprungen Seit 1990 sitzt Marko Schiemann im Sächsischen Landtag. Er sei damals quasi ins kalte Wasser gesprungen, sagt er. Der Bautzener hatte sich zwar zuvor in der Kirche und im Sport engagiert, aber höchstens im Kreis der Familie über Politik gesprochen. Das sollte sich nach der Friedlichen Revolution ändern. Im Februar 1990 trat der Katholik in die CDU ein. Anstatt als Vermessungsingenieur weiter Gasleitungen zu bauen, hat er die Geschicke des Freistaats mitgestaltet und die Interessen seiner sorbischen Heimat vertreten. Auch wenn er das nie über sich selbst sagen würde: Das tat er wie kaum ein anderer. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Recht und Verfassung und rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion aber lobt lieber die Menschen, die sich vor Ort engagieren und die er als Abgeordneter nur unterstütze. Neben rechtlichen und politischen Themen motivieren ihn vor allem wirtschaftliche Fragen. „Ich ahnte bereits 1990, wie schwierig der Veränderungsprozess wird und welche Belastungen auf die Menschen und Unternehmen zukommen“, sagt Marko Schiemann – inzwischen längst in seinem Büro angekommen, ohne Krawatte am Schreibtisch sitzend. So erinnert er sich genau an den Tag, an dem er vor rund 3.000 Arbeitern im Bautzener Wag-

Europäische Union die Oberlausitz als Grenzregion weiter fördert. Denn ohne erfolgreiche Wirtschaft wird der Landstrich noch mehr Einwohner verlieren. Rund 200.000 Menschen haben der Region in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Rücken gekehrt – etwa 25 Prozent. Im Juli dieses Jahres hat der Landtag das maßgeblich von ihm mitausgearbeitete Neuverschuldungsverbot in die Sächsische Verfassung aufgenommen. Jetzt sieht er den demografischen Wandel als größte Herausforderung. Ihn beschäftigt vor allem die Frage, wie sich ein lebenswertes Umfeld im ländlichen Raum erhalten lässt – sprich: wie man Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und eine gute Arztversorgung künftig garantieren kann. Das Mitglied des CDU-Landesvorstandes sieht vor allem die finanzstarken Ballungsräume in der Pflicht und fordert eine Art Solidarpakt. Mit dem FC Landtag quer durch Sachsen Es geht ihm aber auch um Kunst, Kultur und Sport. Denn solche Angebote seien entscheidend, um soziale Erfahrungen zu sammeln und Menschen vor Extremismus zu schützen, sagt Schiemann. Er selbst habe als Jugendlicher viel gelesen, im Schülerchor gesungen und sei 3.000 Meter Hindernis gelaufen. Später wechselte er zum Fußball und machte seinen Trainerschein. Auch den 75 Kilometer langen Rennsteiglauf hat er schon geschafft. Heute ist er Präsident des FC Landtag und zieht mit der fraktionsübergreifenden Elf durch Sachsen. „Wir wollen mit den Menschen ins Gespräch kommen, ihnen zeigen, dass Politik ein menschliches Gesicht hat und so gegen Politikverdrossenheit kämpfen“, sagt er. Und das ist keine Floskel. Als sich in seinem Wahlkreis vor kurzem Widerstand gegen einen geplante Hühnermastanlage formierte, war Marko

„Die Nähe zu den Bürgern ist die Grundlage meiner Arbeit.“ gonbauwerk stand, als dieses geschlossen werden sollte. Auch er wusste damals nicht, wie es weitergehen sollte. Heute ist er stolz, dass noch mehr als tausend Beschäftigte in dem Betrieb arbeiten, der kurz vor der Schließung stand.

Schiemann der erste Politiker, der sich mit der Bürgerbewegung an einen Tisch setzte. „Die Nähe zu den Bürgern ist die Grundlage meiner Arbeit“, sagt er, ehe es mit schnellen Schritten die Treppen im Landtag wieder hinunter geht.•

Gute Arbeitsplätze entscheidend „Das wichtigste sind gute Ausbildungs- und Arbeitsplätze sowie gute Löhne“, sagt Schiemann. Deshalb setzt er sich auch dafür ein, dass die WIR

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Sicherheit im Stadion ist im Freistaat ein Dauerthema. Die großen Fußballvereine arbeiten gemeinsam mit der Polizei daran, die Gewalt aus den Stadien fernzuhalten – mit Erfolg.

Eine sichere Sache Text: Alexander Kaiser, Foto: Olaf Rentsch

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haoten, die vorm Spiel ganze Straßenzüge verwüsten, vermummte Anhänger, die beim Einlaufen der Mannschaft Bengalos zünden, und aggressive Fans, die nach der Partie den Platz stürmen – wenn in den Medien solche Szenarien beschrieben werden, steht das leider oft im Zusammenhang mit ostdeutschen Fußballclubs. Gerade Sachsens Fußballvereine scheinen deutschlandweit ein beliebter Sündenbock der Presse zu sein. Doch ist ein Besuch eines Fußballspiels im Freistaat wirklich so gefährlich? Oder ist alles eine große Übertreibung? Auflagen bei fehlenden Sicherheitsmaßnahmen Laut dem Sächsischen Innenministerium ist der Besuch eines Fußballspiels im Freistaat derzeit grundsätzlich ohne großes Risiko möglich. Dafür sorgen nicht nur die umfangreichen polizeilichen Einsatzmaßnahmen, insbesondere bei der Absicherung der An- und Abreise der Fußballfans. Auch die in den letzten Jahren umgesetzten Verbesserungen der baulichtechnischen Stadionsicherheit, der Einsatz von Videotechnik und die nahezu durchgängige Ablehnung von Pyrotechnik sorgen für die Sicherheit der Besucher. Die neugebauten Arenen in Dresden und Leipzig haben Bauruinen in kleine Festungen mit eingebauten PolizeiLagezentren verwandelt. „Das sind gute Voraussetzungen“, meint Uwe Matthias, Sicherheitsbeauftragter von RB Leipzig. Ein neuer Standard, dem der kleine Zweitligist Erzgebirge Aue noch hinterherhinkt. Pressesprecher Peter Höhne

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sagt: „Die Infrastruktur und die bauliche Sicherheit des Sparkassen-Erzgebirgsstadions müssen zwingend und dringend verbessert werden. In allen Belangen sind wir da den heutigen Anforderungen absolut nicht mehr gewachsen.“ Um überhaupt die Spielgenehmigung zu erhalten, muss der Verein deshalb Jahr für Jahr hohe Zusatzauflagen erfüllen. 2014 soll damit Schluss sein. Für etwa 20 Millionen Euro ist eine Modernisierung des Stadions geplant. Stillstand ist Rückschritt Während das Gewaltpotential im Erzgebirge generell etwas geringer ist, gelingt es vor allem in den Großstädten, die Gewalt Schritt für Schritt aus den Stadien zu drängen. Gab es in der Saison 2010/2011 bei Fußballspielen im Freistaat noch 92 Verletzte, sank die Zahl ein Jahr später, trotz der leicht gestiegenen Anzahl von Strafanzeigen, um 21 Personen. Ein Erfolg, auf dem sich die Klubs jedoch nicht ausruhen. In der aktuellen Spielzeit verschoben die Rasenballsportler aus Leipzig zum Beispiel ihren Gästeblock für eine fünfstellige Summe vom Tor in die Kurve. Neben dem seitlichen Einsetzen von Plexiglas-Wänden zur Fantrennung wurden zusätzlich Fangnetze vor den Sektor gespannt, um Spieler auf dem Feld vor Wurfgeschossen zu schützen. „Wir gehen nicht halbherzig an die Sache. Damit investieren wir in die Zukunft. Die Maßnahmen, welche wir jetzt tätigen, wären dann auch in der Zweiten und Ersten Bundesliga gültig“, sagt Uwe Matthias.


Umwelt / Namen und Nachrichten

Gewalt kann man nur eindämmen, nicht ausschließen Doch so gut die baulichen Verbesserungen auch sind: treffen beispielsweise in Derbys traditionell verfeindete Anhängerschaften aufeinander, helfen laut Angaben des Sächsischen Innenministeriums derzeit nur eine große Anzahl von polizeilichen Einsatzkräften und konsequentes polizeiliches Einschreiten, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern. Hauptschwerpunkte sind dabei die Partien von Dynamo Dresden. Der Grund liegt dafür aber nicht nur an der konstant gebliebenen Anzahl von etwa 500 KategorieB-Fans (heißt: gewaltgeneigt) und 110 Anhängern der Kategorie C (gewalttätig), sondern auch an der bei diesen Partien zum Teil zu verzeichnenden hohen Mobilisierung gewaltbereiter Personen. Doch nicht nur Dynamo Dresden kennt diese Problematik. Obwohl es seit der Gründung von RB Leipzig im Jahr 2009 bisher keine Vorkommnisse eigener Anhänger gab, steigt auch dort die Anzahl der sogenannten RisikoSpiele. „Eine tragische Entwicklung“, meint RBs Sicherheitsbeauftragter Uwe Matthias. „In unserem Stadion finden die Sicherheitsspiele nicht wegen unserer Fans, sondern leider aufgrund mancher Gästevereine statt.“ Vielen traditionellen Fußball-Anhängern ist der finanziell gut aufgestellte Werksklub eines österreichischen Getränkeherstellers nämlich ein Dorn im Auge. Um die friedliche Unterhaltung zu stören, mischen sich diese Personen deshalb sogar unter Gästefans anderer Vereine.

Beim Aufstiegsspiel der „Bullen“ zur Dritten Liga vergangene Saison gegen die Sportfreunde Lotte befanden sich beispielsweise zum großen Teil nur Fans aus Erfurt und Halle im Gästeblock. Matthias enttäuscht: „Ein Problem, das man nicht wegbekommt. Man kann nur probieren, die Gewalt einzudämmen.“ Leipzig versucht dies seit dieser Spielzeit mit der Reglementierung des Kartenverkaufs. Gästetickets gibt es dabei nicht mehr an der Tageskasse, sondern nur noch direkt beim gegnerischen Verein. Der Zuschauer ist König Das Wohl aller Beteiligten scheint das oberste Gebot. Matthias: „Wir scheuen keine Kosten und Mühen, um die Sicherheit der Stadionzuschauer, unserer Fans und der Mannschaften zu gewährleisten. In einem gewaltfreien Stadion soll sich unser Publikum, vor allem Familien, sicher und wohl fühlen!“ Ein Leitspruch, dem auch die beiden sächsischen Bundesligisten nachgehen. Ein weiterer Schritt ist jüngst vollzogen worden: Seit dieser Spielzeit gibt es nach Dresden und Leipzig auch in Aue einen speziellen Block nur für Familien.•

„Wir scheuen keine Kosten und Mühen, um die Sicherheit der Stadionzuschauer zu gewährleisten.“ Uwe Matthias, RB Leipzig

Namen und Nachrichten Auszeichnung für Ehrenamtler Zum 18. Mal hat der Freistaat im August an ehrenamtliche Helfer den „Joker im Ehrenamt“ verliehen. Insgesamt wurden 43 Sachsen im Sportbereich mit dieser Auszeichnung gewürdigt. Mit seinen 80 Jahren gehört Klaus Stoppa vom SV Fronberg Schreiersgrün zu den Ältesten. Eine der jüngsten Ausgezeichneten ist Denise Pussehl. Die erst 18-Jährige engagiert sich für die Sportjugend SV Medizin Bad Gottleuba. (nik) •

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Erfolgreiche WM-Teilnahme Zwei von sieben deutschen Medaillen gingen bei der Leichtathletik WM 2013 in Moskau an sächsische Athleten. Zum zweiten Mal in Folge WM-Gold holte sich der Chemnitzer Kugelstoßer David Storl. Kugelstoßerin Christina Schwanitz gewann Silber. Auch bei der WM der Rennsport-Kanuten in Duisburg gabe es für Sachsens Kanuten reichlich Medaillen: Vier von ihnen kehrten als Weltmeister zurück. (nik) •

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Preis für Talenteförderung Vier Vereine aus Sachsen sind am 3. September 2013 bei einer Festveranstaltung in Chemnitz mit dem „Grünen Band für vorbildliche Talentförderung im Verein“ ausgezeichnet worden. Über den mit 5.000 Euro dotierten Preis, gefördert vom Deutschen Olympischen Sportbund und der Commerzbank AG, durften sich die Rennrodler des Sächsischen Sportvereins Altenberg, die Wasserballer des Schwimm-Clubs Chemnitz, der Ringerverein Thalheim und die Gewichtheber des Chemnitzer Athletenclub freuen. (nik) •

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Neuer IOC-Präsident Thomas Bach Die CDU-Landtagsfraktion Sachsen gratuliert Thomas Bach zu seiner Wahl zum neunten Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. Damit ist der ehemalige Fechter der erste deutsche IOC-Präsident. (nik) • WIR

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2050 – Zukunftsperspektiven

Dr. Ulf Tippelt über Talentesuche, Sportförderung, moderne Sportstätten und hochkarätige Sportveranstaltungen in Sachsen

„Sachsen ist ein Spitzensport-Land“ Interview: Nicole Kirchner, Foto: Anja Jungnickel

Dr. Ulf Tippelt

ist Generalsekretär des Landessportbundes Sachsen (LSB). Der LSB ist mit 605.078 Mitgliedern die größte Bürgerorganisation im Freistaat und damit wichtigste Interessenvertretung für sächsische Sportvereine. Tippelt wurde 1963 in Ebersbach/Sachsen geboren. Nach seinem Abitur studierte er Sportwissenschaften an der DHfK Leipzig, wo er als Diplom-Sportlehrer im Anschluss auch promovierte. Nach einer Fortbildung zum Wirtschafts-SportReferenten wurde Tippelt 1991 Geschäftsführer/Generalsekretär beim LSB. Im Herbst 2009 wechselte er als Direktor für den Leistungssport zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) nach Frankfurt am Main. 2011 kehrte Tippelt auf eigenen Wunsch nach Leipzig zum LSB als Generalsekretär zurück.

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Im Bundesvergleich: Kann Sachsen mit dem Spitzensport zufrieden sein? Dr. Ulf Tippelt: Verglichen mit anderen Bundesländern kann man sagen: Sachsen ist ein Spitzensport-Land, ein Leistungssportland. Wir haben überproportional viele Kader, Spitzensportler und Leistungssportler in unserem Land. Wir haben überproportional viele Stützpunkte, die nach Sachsen gegeben werden. Darauf sind wir als Organisation sehr stolz. Trotzdem heißt es immer wieder: Es fehlen im Leistungssport die jungen Talente. Warum ist es so schwierig, Nachwuchs zu finden? Es gibt viele Faktoren. Heute leben in Sachsen nur halb so viele Kinder wie Anfang der 1990er Jahre. Das zweite Problem: Der Weg zum Sport ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Das Umfeld, in dem viele Kinder leben, macht eine Talentgewinnung schwierig. Das fängt beim normalen Schulalltag an: Wir haben Ganztagsangebote in Schulen, die zum Teil die Talententwicklung fördern, sich aber andererseits negativ auswirken können, weil Kinder gar nicht mehr die Zeit haben, in den Vereinen zu trainieren. Trotzdem müssen wir noch mehr mit den Schulen zusammenarbeiten, damit wir Kinder für den Leistungssport finden können. Wenn es um Sportförderung geht, heißt es oft, dass mehr Geld benötigt wird... Die Diskussion um mehr Geld kommt daher, dass in anderen Ländern deutlich mehr investiert und mittlerweile deutlich professioneller gearbeitet wird. Diesen Schritt ist man in Deutschland noch nicht so konsequent gegangen. Das geht bei der Sichtung von Kindern los. Nur mit entsprechendem Personal kann man junge Talente finden. Wenn wir an den Spitzensport denken, dann geht es darum, dass sich auch die Wettkampfsysteme gewaltig entwickelt haben. Das kostet viel Geld.

Wie wichtig ist Sponsoring? Ist es in den letzten Jahren schwieriger geworden, Sponsoren zu finden? Das Sponsoring hat sich nicht verschlechtert, es hat sich aber auch nicht gravierend verbessert. Es ist ja sehr erfreulich, dass wir in Sachsen Unternehmen haben, die wirtschaftlich stabil sind. Es sind aber relativ wenige Unternehmen bereit oder in der Lage, sich im Leistungssport als Sponsor einzubringen. Die Großen, die wir in Sachsen haben, haben meistens ihre Firmenzentrale und Marketingabteilung nicht in Sachsen. Das wirkt sich auf Entscheidungen der Unternehmen aus. Man muss aber auch sagen, dass es in Deutschland generell so ist. Das private finanzielle Engagement im Spitzensport ist viel geringer als zum Beispiel in Großbritannien und den USA. Was man aber bei der ganzen Diskussion um Geld auf keinen Fall vergessen darf: Ohne die Unterstützung der Bundespolizei, Bundeswehr und jetzt neu auch der Landespolizei, wäre es für Spitzenathleten gar nicht möglich, Spitzensport zu machen. Nur das gibt die notwendige Sicherheit und auch die notwendigen Freiheiten. Wie gut ausgestattet sind Sachsen Sportstätten? Zuerst kann man sagen, dass sich in den letzten Jahren wirklich viel entwickelt hat: Bund, Freistaat und Kommunen haben viel investiert. Trotzdem brauchen wir nach wie vor Sanierungsmaßnahmen. Wir sehen einen großen Bedarf nach wie vor im breitensportlichen Bereich, vor allem was den Zustand der Sportstätten angeht. Der Landessportbund Sachsen ist in der Vergangenheit immer wieder an die Politik herangetreten und wir werden auch in den nächsten Jahren weiter auf die Politik zugehen, um einen Schub der Investition in Sportstätten zu bewirken.


2050 – Zukunftsperspektiven

Wie steht es um die hauptamtlichen Trainer? Viele von ihnen gehören ja der älteren Trainergeneration an. Wir haben generell Trainerprobleme in Deutschland, das macht natürlich vor Sachsen auch keinen Halt. Es gibt einige Ausschreibungen für attraktive Trainerstellen, für die sich leider niemand mit ausreichender Qualifikation findet. Deswegen sage ich: Gott sei Dank sind die älteren Trainer noch da und Gott sei Dank gelingt es in einigen Sportarten, junge Leute heranzuführen, die dann von diesen auch noch ordentlich geschult werden.

gen müssen. Es ist nur so: Wenn man in einer Organisation ist, wo viele Engagierte arbeiten, hat jeder für sein Thema die Vorstellung, dass es wichtig ist und es ausgebaut werden muss. Da werden wir nicht alles können. Deswegen werden wir uns mit Verbänden, Kommunen und dem Freistaat darüber verständigen müssen, was die herausragenden Veranstaltungen sind, wo wir uns wirklich auf der Landkarte etablieren wollen und diese nachhaltig unterstützen.

Das komplette Interview finden Sie auf: www.cdu-fraktion-sachsen.de

„Der Weg zum Sport ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr.“

Mit welchen Problemen haben Vereine, die im Breitensport tätig sind, zu kämpfen? Für Vereine ist ein großes Problem, Sportstätten für den Breitensport zu finden. Das zweite Problem ist, immer wieder ehrenamtliche Übungsleiter zu gewinnen. Wir sind sehr froh, dass wir nicht sagen müssen, dass das Ehrenamt im Sport weniger attraktiv ist als in der Vergangenheit. Aber Sachsens Sportvereine wachsen weiter. Deswegen wünschen wir uns, dass sich noch viel mehr Bürger dazu bereit erklären, ehrenamtliche Funktionen im Verein zu übernehmen. Da schauen wir auch auf die Zielgruppe der Älteren, die vielleicht mit dem Berufsleben schon abgeschlossen haben. Der Landessportbund wählt einen neuen Präsidenten. Wo sehen Sie die wichtigste Aufgabe des LSB in naher Zukunft? Die Aufgabe des Präsidenten des LSB Sachsen ist natürlich vorrangig, den Sport in der Gesellschaft zu positionieren. Das Auslaufen des Solidarpakts, die Demografie, die weiter wirkt – das sind so Dinge, warum es darauf ankommt, den Sport als wichtigen Faktor im gesellschaftlichen Leben in Sachsen zu positionieren. Es wird zukünftig noch mehr als in der Vergangenheit um Prioritätensetzung gehen.

Steht „Olympia in Leipzig“ noch auf der Agenda? Nein. Auf der Agenda sollte stehen, hochkarätige und nachhaltige Wettkämpfe in den Sportarten nach Sachsen zu holen und vielleicht mal darüber nachzudenken, welche anderen Formate es gibt. Sachsen sollte auf der Landkarte eine Region sein, die hochqualitative Veranstaltungen absichern kann, wo die Welt gern hinkommt und gern draufschaut. Das gelingt uns mit Sicherheit.•

Sachsen ist bei sportlichen Großereignissen immer noch eher ein Außenseiter... Wir haben in Sachsen eine ganze Menge attraktiver Veranstaltungen, gerechnet auf die Einwohnerzahl und Größe Sachsens, wenn man das im Bundesmaßstab vergleicht. Wir könnten da aber noch besser sein. Das ist ein Thema, zu dem wir uns mit den Veranstaltern verständi-

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„ Naher Osten im Umbruch – Israel und die arabische Welt“ Referent: Johannes Gerloff

Nahostkorrespondent des Christlichen Medienverbundes KEP e.V. und der Nachrichtenagentur www.israelnetz.com

20. November 2013 | 15 Uhr | Frauenkirche Dresden Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Stiftung Frauenkirche


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