Trendelburger Märchenschatz Leseprobe

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Herausgeber: Carsten Krause, Jg. 1976, gründete nach seinem Studium die KinderKunstSchule-Sauer-land (KiKuSS) und arbeitet als Musik-, Theater- und Schreibpädagoge. Seit 2006 verlegt er Kinderund Jugendbücher im Casimir-Verlag und leitet unter anderem Casimirs-GeschichtenerfinderWerkstatt, ein Schreibkurs zum Kreativen Schreiben für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Weitere Bücher/Veröffentlichungen: Hrsg. von „Casimirs Werkstatt 2008-2010“

Geschichtenerfinder-

„Mocca & Jay- Erdbeersommer“ ist ein Pferderoman und der Beginn einer neuen Pferdebuchserie für Kinder ab 8 Jahren. ET Frühjahr 2014

Illustrator: Daniel Almagor aus Arnsberg

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Anthologie

LESEPROBE

Trendelburger Märchenschatz Das Rätsel des verzauberten Vogels von Anne-Sophia Brendel Es war einmal vor langer Zeit in einem kleinen Königreich. In dem Königreich lebte ein König mit seiner Tochter in einem prächtigen Palast. Seit dem Tod ihrer Mutter konnte nichts die Prinzessin mehr glücklich machen. Tagelang aß und schlief sie nicht. Eines Tages ging die Prinzessin, wie jeden Morgen, in den Garten um die Vögel zu füttern. Die Sonne ging 3


gerade auf und die Vögel warteten schon auf die Prinzessin. Kurz bevor die Prinzessin alle gefüttert hatte, schlich plötzlich eine schwarze Katze mit leuchtend grünen Augen um eine der großen Eichen und schnappte nach etwas. Gerade noch rechtzeitig entdeckte die Prinzessin eines der Vögelchen, welches verzweifelt versuchte vor den Klauen der Katze zu fliehen. Doch die Katze packte blitzschnell zu. Besorgt um das arme Tier lief die Prinzessin zu der Eiche und versetzte der Katze einen gepfefferte Tritt, sodass sie den Vogel fallen ließ und wütend fauchte. Ganz vorsichtig hob die Prinzessin den Vogel hoch, als plötzlich eine alte und schrumpelige Gestalt hinter der Eiche hervortrat. „Wie kannst du es wagen!“, kreischte die Alte. Ihr Rücken war furchtbar krumm und auf der Nase hatte die eine riesige Warze. Außerdem sah ihr Umhang ziemlich schrecklich aus, total zerrissen und schmutzig. Vor lauter Angst lies die Prinzessin das Vögelchen fallen. Das Vögelchen schaffte es gerade noch in eine der Baumkronen zu fliegen. „Wie kannst du es wagen!“, kreischte die Hexe erneut. „Er gehörte mir! Du hattest nicht 4


das recht ihm zu helfen! Dafür, dass du mir meine Tankzutat gestohlen hast, wirst du büßen!“ Mit krächzender Stimme murmelte die Hexe etwas und die Prinzessin verwandelte sich in ein kleines Vögelchen. Zufrieden gackerte die alte Hexe und schlurfte mir ihrer schwarzen Katze an der Seite davon. Der König war ganz verzweifelt als seine Tochter nicht zum Mittagessen kam und auch beim Abendmahl nicht da war. Er befahl seinen Bediensteten im gesamten Palast nach ihr zu suchen, doch die Prinzessin blieb verschwunden. Auch konnte niemand dem König sagen wo sich seine geliebte Tochter aufhielt, als er dem Volk befahl nach seiner Tochter zu suchen. Krank vor Sorge und Trauer lag der König nun im Sterben, als ein wunderschöner Vogel sich am Fenster des Königs niederließ. Das goldene Gefieder erinnerte den König an das blonde Haar seiner geliebten Tochter und das helle Stimmchen, mit dem der Vogel sein trauriges und doch so wundervolles Lied zwitscherte, ließ dem König die zarte Stimme der Prinzessin in Erinnerung. Er erfreute sich des Gesangs und sagte: 5


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„Welch wundervoller Vogel. Sein Gefieder so golden wie das Haar meiner verlorenen Tochter und dieses Stimmchen gleicht dem meiner Tochter so sehr. Ach wäre sie doch nur hier. Er hätte ihr große Freunde bereitet.“ Jeden Tag saß der Vogel am Fenster des Königs und sang für ihn seine Melodien. Der Gesang munterte den König auf und er wurde wieder gesund. Kurz nach seiner Genesung verschwand der goldene Vogel. Einige Tage wartete der König, doch vergebens. Der Vogel flog nicht mehr an sein Fenster. Auf den Befehl des Königs wurde in den Städten verkündet: „Wer den goldenen Vogel sichtet, solle in einfangen und in den Palast bringen. Jener, der es schaffen sollte, wird reich belohnt!“ Viele versuchten dem König einen goldenen Vogel vorzusetzen, doch jedes Mal eine Fälschung. Irgendwann platzte ihm der Kragen: „Jeder der versucht, den goldenen Vogel mir zu bringen, doch nicht den echten, der solle bestraft werden!“ Niemand kam mehr in den Palast und der König wurde langsam verzweifelt. Er suchte nach jemandem der mutig und stark war und den goldenen Vogel 7


sicher finden würde. Hunderte Männer, arm und reich von nah und fern, kamen in den Palast um dem König zu beweisen, dass sie die Richteigen für diese Aufgabe seien. Keiner Bewerber entsprach vollkommen den Erwartungen des Königs. Kaum drei Tage vergingen als ein junger und hübscher Mann an das Tor des Königspalastes klopfte. Den König persönlich wolle er sprechen. Auf Befehl wurde der fremde eingelassen und von den Wachen vor den König geführt. Aufgeregt berichtet der Mann: „Eure Hoheit! Ich habe gute Nachricht für euch. Der goldene Vogel, ich habe ihn gesichtet...“ „Der goldene Vogel?“, unterbrach ihn der König. „Und wo ist das edle Tier nun? Habt ihr es dabei?“ „Nun nein. Ich habe ihn nicht hier. Aber ich weiß ganz sicher wo er zu finden ist.“ „Woher weißt du wo er ist?“, fragte der König etwas misstrauisch. „Ich hatte ja bereits erwähnt ihn gesichtet zu haben. Natürlich wusste ich von eurem Begehren dies wundervolle Tier im Schloss zu halten. So habe ich ihn einige Tage beobachtet und Tag für Tag kam das Vöglein 8


zurück zu der Lichtung, auf welcher ich ihm zum ersten Mal erblickte“, erzählte der Jüngling. Einen Moment schwieg der König, dann sagte er: „Wenn du behauptest wahrhaftig den goldenen Vogel gesichtet zu haben, so bring ihn her.“ „Sicherlich“, antwortete der Fremde, „ich werde zu der Lichtung zurückkehren und den goldenen Vogel zum Palast bringen. Würdet ihr mir für den weiten Weg ein Pferd leihen?“ So ehrlich es auch klang, misstraute der König dem Fremden immer noch, willigte jedoch ein ihm ein Pferd zu leihen. Und so ritt der Mann zwei Tage und Nächte durch die Ländereien. In der zweiten Nacht suchte der Jüngling nach einer Höhle wo er schlafen konnte, denn es regnete furchtbar.Bis in die frühen Morgenstunden ritt er durch einen Wald bis er endlich einen Unterschlupf gefunden hatte. Das Pferd band er an einem Baum an und legte sich dann schlafen. Kaum ein paar Stunden waren vergangen, als der Jüngling plötzlich von einer krächzenden Stimme geweckt wurde. Sie war nicht weit weg. Müde rieb sich der Jüngling die Augen und lauschte. 9


„Golden und klein, dies wird ihre Rettung sein. Kaum Zeit wird schinden, doch er wird es finden. Sticht ins Auge wie ein Dorn, er muss finden das Korn! Aus der Quelle ein Tropfen flüssiges Leben, danach wird er streben. Wird er finden sein Glück, von hier nur ein Stück? Dunkel wird sein, die Zeit in der leuchtet sein Schein. Rund und voll wird er am Himmel stehen, um Punkt Mitternacht muss es geschehen. Den Vogel füttern und tränken, sicher wird der König ihn reich beschenken.“ Ein Rätsel. Vorsichtig schlich der Jüngling näher an die Stimme heran und erschrak, als er eine alte und hässliche Hexe erblickte. Die Hexe murmelte das Lied immer wieder vor sich hin und starrte die ganze Zeit in die Richtung des Jünglings. Fast lautlos schlich der Jüngling zurück zu dem Pferd des Königs. Nun dachte er nach, was zu tun ist. Sollte er sofort zum 10


goldenen Vogel reiten und ihn zum Palast bringen oder sollte er dem König von dem Rätsel erzählen? Nach langer Überlegung entschied sich der Jüngling dazu zurück zum Palast zukehren und dem König Bericht zu erstatten. Und so ritt er wieder zwei Tage und zwei Nächte zum Palast des Königs. Als der Jüngling ohne den Vogel zurückkehrte, wurde der König wütend. „Wenn du mir in drei Tagen den goldenen Vogel nicht hier in den Palast gebracht hast, wirst du den Rest deines Lebens eingesperrt!“ Der Jüngling kam nicht einmal dazu dem König vom Rätsel zu erzählen. Und so ritt er wieder durch die Lande. Am Abend des ersten Tages schlug er sein Lager hoch in den Bergen auf. Er konnte kaum schlafen, weil er immer wieder an das Rätsel des Vogels denken musste. Der König wollte eigentlich nur den Vogel, aber wenn er ihm stattdessen seine geliebte Tochter zurückbringen könnte... Er wusste nicht einmal wo sie sich aufhielt, also konnte er das vergessen. Eine Weile überlegte er und kam dann zu dem Schluss das Rätsel zu lösen. Kurz 11


vor Mitternacht schlief der Jüngling endlich ein, doch kaum war er eingeschlafen wurde er von einer krächzenden Stimme geweckt. „Irgendwo hier läuft der Bengel rum!“, krächzte die Stimme. Ich muss in finden. Er darf das Rätsel nicht lösen.“ Hinter den Bäumen ging die alte Hexe und suchte den Jüngling. Kaum hatte er ihre Stimme wieder erkannt, sprang er auf und ritt davon. Am zweiten Tag kam der Jüngling an er Lichtung an, doch der Vogel war nicht dort. Verzweifelt, weil er soviel kostbare Zeit verschwendet hatte das Rätsel zu lösen, ging der Jüngling durch die Ländereien spazieren. Am Abend des dritten Tages bei Sonnenuntergang kam er an einigen Maisfeldern vorbei und in Mitten eines dieser Felder er blickte er ein goldenes Schimmern. Er wollte der Sache auf den Grund gehen und bahnte sich einen Weg in die Mitte des Feldes. Dort lag ein kleines goldenes Korn, welches in der untergehenden Sonne glitzerte. Der Jüngling konnte sich nicht wirklich freuen, das Korn gefunden zu haben, denn er brauchte noch ein Tropfen flüssiges Leben und niemand wusste wo es zu finden war. Trotzdem steckte 12


er das Korn sicher in ein kleines Medaillon, welches er immer um den Hals trug. Nach dem er den Spaziergang beendet hatte, ritt er zurück zur Lichtung und hoffte, dass der goldene Vogel dort war. Lange saß er dort bis die Sterne hoch am Himmel hingen und der Mond rund und voll über dem Wald schien. Kurz vor Mitternacht hörte der Jüngling eine Katze fauchen und eine krächzende Stimme sprechen. „Der Vogel ist nun mein! Ich habe alle Zutaten für den Trank und nun kann der Vogel sterben und der Prinz soll zusehen!“ Hinter den Bäumen kraxelte die alte Hexe hervor. Sie humpelte in die Mitte der Lichtung. Erst da sah der Jüngling, dass sie in der einen Hand den goldenen Vogel fest hielt. Sofort sprang er auf und lief ebenfalls in die Mitte der Lichtung. Die alte Hexe lachte: „Dein kleiner Vogel wird nun sterben! Und du kannst nichts tun!“ sie legte den Vogel auf die Erde. Er konnte nicht davon fliegen, denn einer seiner Flügel war gebrochen. Die schwarze Katze der Hexe schlich sich an ihre Beute heran und setzte zum Sprung an. Mit ihren Krallen packte sei den Vogel. Der 13


Jüngling versetzte, wie auch die Prinzessin es getan hatte, der Katze einen gepfefferte Fußtritt. Fauchend flog sie durch die Luft. Vorsichtig hob der Jüngling den Vogel hoch und holte, das Korn aus seinem Medaillon. Denn auch wenn er den Tropfen nicht hatte, konnte er ihm wenigstens das Korn füttern. Plötzlich sah der Jüngling in den kleinen Knopfaugen des Vogels eine glitzernde Träne. Nun ging ihm ein Licht auf. Die Träne des Vogels war der Tropfen flüssiges Leben. Langsam rollte die Träne das Gefieder des Vogel hinunter und landete auf dem Korn. Genau einen winzigen Moment bevor es Mitternacht war, nahm der goldene Vogel das Korn in den Schnabel und schluckte es hinunter. Wütend fluchte die Hexe und im nächsten Moment gab es einen hellen Lichtblitz und vor dem Jüngling stand eine wunderschöne Prinzessin mit Gold blondem Haar. Immer noch fluchend zerfiel die Hexe langsam zu Staub und wurde schließlich vom Wind weggeweht. Die Prinzessin schaute den Prinzen glücklich an. Gemeinsam ritten sie zurück zum Palast des Königs, der so 14


überglücklich war seine geliebte Tochter endlich wieder zu haben. Kurz darauf heirateten die Prinzessin und der Jüngling. Sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Weitere Märchen: Das verhexte Königreich Die Blume der wahren Liebe Die drei Fledermäuse Das kleine Wildschwein Maxirix Die Rettung des Großen Weisen Die Schweineprinzessin Hasen helfen Pflanzen Das Mädchen im Märchenland Zusätzlich enthält der Sammelband Geschichten der teilnehmenden Kinder der Schreibwerkstatt.

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Auszüge aus:

Carsten Krause (Hrsg.)

Trendelburger Märchenschatz Anthologie

Copyright: © 2014 by Carsten Krause 1. Auflage: Februar 2014 Verlag: Casimir-Verlag, Carsten Krause, 34388 Trendelburg Alle Rechte, auch die des auszugsweisen und fotomechanischen Nachdrucks, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsge­ staltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Umschlagabbildung:/Illustration © Daniel Almagor Lektorat, Satz & Layout: Carsten Krause Printed in Germany

ISBN 978-3-940877-15-4

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