Restauro 02 2014

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Thema: Förderung von substanzerhalt

Förderung von substanzerhalt 2

Melanie Münchau

Ein polychrom glasierter Renaissance-Tondo aus der Werkstatt von Giovanni della Robbia

Schloss Rheydt in Mönchengladbach ist die einzige vollständig erhaltene Wasserschlossanlage der Renaissance im Rheinland. Es beherbergt in seinem Inneren als Städtisches Museum eine hochkarätige Sammlung zur Kunst und Kultur der Renaissance und des Barocks. Die architektonisch besonders herausragende Außenfassade zum Arkadenhof zeigt als wichtigstes dekoratives Gestaltungsmerkmal vier Tondi mit antiken Helden im Fruchtkranz. Nachdem das Museum im Jahr 2010 einen vergleichbaren Tondo aus der italienischen Renaissance-Werkstatt von della Robbia erwerben konnte, wurde das Objekt 2011 im Rahmen des Restaurierungsprogramms »Bildende Kunst« des Landes Nordrhein-Westfalen konserviert und restauriert.

Vipsanius Agrippa wird der Werkstatt von Giovanni della Robbia (1469 – 1529) zugeschrieben und entstammt damit der dritten und letzten Generation des berühmten florentiner Künstlerbetriebes (Abb. 1). Der Feldherr im Tondo Der im Tondo porträtierte römische Politiker und Feldherr Marcus Vipsanius Agrippa (64/63 v. Chr.– 12 v. Chr.) gehörte als Schwiegersohn von Kaiser Augustus in das engste Umfeld der kaiserlichen Familie. Als Gründungsvater des heutigen Köln spielt er in der Geschichte des Rheinlandes eine zentrale Rolle.2 Das polychrom glasierte Terrakottarelief besteht aus einem Medaillon mit dem als Hochrelief gearbeiteten Porträt des antiken Helden nach römischem Vorbild. Dieses wird von einem separat gearbeiteten, mehrfarbig glasierten Lorbeerkranz umrahmt. Das gesamte Objekt hat einen Durchmesser von 68,5 cm und eine maximale Höhe von 26 cm. Das Medaillon zeigt die della Robbia-spezifische Farbgebung: Vor kobaltblauem Hintergrund hebt sich das Porträt in opakem Weiß ab, lediglich die Augen und Brauen sind blau und manganviolett akzentuiert. Der dichte, im Uhrzeigersinn gewundene Blätterkranz ist mit weißen und blauen Blüten, Ähren, Trauben und Pinienzapfen durchsetzt. Er wird von einem schmiedeeisernen Reif eingefasst, an welchem sich an der Oberseite eine ebenfalls schmiedeeiserne Öse befindet (Abb. 2, Abb. 3).

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Die della Robbia – eine Florentiner Künstlerfamilie Die Verwendung von Wanddekorationen in Form von Tondi ist in der Renaissance häufig anzutreffen. Führend in der Herstellung bauplastischer Elemente zur Fassadendekoration war die von Luca della Robbia (um 1400 – 1481) gegründete Werkstatt in Florenz. Seine wesentliche Neuerung bestand um 1442 in der Erfindung der mit Bleizinnglasur überzogenen Terrakotta-Plastik, der terra invetriata, anstelle der bislang üblichen, jedoch we-

sentlich teureren Marmorarbeiten.1 Über nahezu hundert Jahre hinweg entstanden so auf höchstem, technischen und künstlerischen Niveau zahlreiche Arbeiten, die so genannten robbiane. Nicht nur kirchliche Auftraggeber, auch Adelsfamilien wie die Medici, Pazzi und Tournabuoni schmückten ihre Fassaden mit Skulpturen und Wandplastiken aus der della Robbia-Werkstatt, bis die Familie infolge der Pestepidemie im Jahr 1527 auseinanderbrach. Der auf 1523 datierte Tondo des Marcus 2/2014

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Fotos: Melanie Münchau

Der Tondo des Marcus Vipsanius Agrippa, der Werkstatt Giovanni della Robbia (1523) zugeschrieben, Zustand vor der Restaurierung

Werktechnische Beobachtungen Die Brennhaut der Scherben vom Außenkranz und separat davon gebranntem Innenteil weisen eine einheitliche, orangerote Farbigkeit auf. Beide Scherben zeigen sich im Bruch feinkörnig und porös, bei homogener Verarbeitung der Magerung. Um Schwund und Deformation beim Trocknen und Brennen zu minimieren wurde der massive Kranz in vier Einzelsegmenten gearbeitet und ge-

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fügt. Die auf diese Weise entstandenen Zwischenräume wurden auf der Vorderseite vor dem Glattbrand durch entsprechendes Überarbeiten und Angarnieren einzelner Blätter kaschiert. Die Rückseiten von Fruchtkranz und Kopf sind zum Teil hohl gearbeitet und mit Zwischenstegen versehen, um die Formstabilität zu gewährleisten (Abb. 2). Im Querbruch zu erkennende, oberflächenparallele Risse, Quetschfugen und Lufteinschlüsse in der keramischen Substanz stehen im Zusammenhang

2 Rückseitige Gesamtansicht des Tondos; Vorzustand 3 Oberseite mit schmiede­ eiserner Öse; Endzustand

Da sich Zinnoxid selbst bei hohen Temperaturen nicht im Glasurschmelzfluss auflöst, wird ein opaker Effekt der Glasur er-

zielt, welcher optisch dem von Marmor nahekommt; der in der Literatur häufig anzutreffende Begriff »Zinnglasur« ist jedoch angesichts des im Vergleich zum Bleigehalt geringen Anteils an Zinnoxid irreführend. 2

Während seiner zweiten Statthalterschaft in Gallien 20/19 v. Chr. siedelte er den rheinischen Stamm der Ubier auf die linke

Rheinseite um und gründete als ihre Haupstadt das Oppidum Ubiorum. Später wurde die Siedlung von Kaiser Claudius (10 v. Chr.–54 n. Chr.) zur Kolonie erhoben und zu Ehren seiner Frau, Agrippas Enkelin Agrippina (15–59 n. Chr.), in Colonia Claudia Ara Agrippinensium umbenannt, das heutige Köln.

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